• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Pillnitz · Place of Destination: Coppet · Date: 24.08.1805
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Pillnitz
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 24.08.1805
  • Notations: Empfangsort erschlossen. – Charlotte Ernst lässt bei „ch“-Schreibungen oft das „c“ weg. Hier wurde korrigierend eingegriffen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,18,3
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 18,2 x 11,2 cm
  • Incipit: „[1] Liebster Wilhelm, ich muß immer noch einmal einen Versuch machen, ob ich dich nicht dazu bewege, mir einmal ein [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Liebster Wilhelm, ich muß immer noch einmal einen Versuch machen, ob ich dich nicht dazu bewege, mir einmal ein Briefchen zu schreiben, ich kann mich unmöglich mit den Nachrichten begnügen die ich so unvollkommen durch die dritte vierte Hand bekomme, du mußt denken daß du und Friedrich diejenigen von meiner Familie sind die mir am mehrsten am Herzen gelegen, und die ich nie von meiner Liebe trennen kann. Du bist jetzt freylich in eine große zerstreuende Welt gekommen, von interreßanten Gegenständen umgeben, wo der Geist immer an der Gegenwart gefesselt wird, aber es thut doch auch wohl sich der ersten, frühsten Verhältniße unsres Lebens zu erinnren, die sich durch das ganze Leben hindurch treu und unverändert erhalten haben, und in den Banden des Bluts besonders wenn sie durch Sympathie erhöht sind, liegt doch etwas eignes welches sich nicht ersetzen läßt. Aus allem was ich höre schließe ich daß du sehr glücklich bey der Frau von Stael bist, daß die gegenseitigste Achtung und Intereße euch an einander fesselt, schreibe mir doch mehr davon. Es schmerzt mich daß ich diese vortreffliche Frau nicht habe kennen lernen, du hast ihr wohl nicht erzählt daß du eine Schwester in Dresden besitzt, die sie innigst verehrt, sowohl wegen ihres Geistes, denn sie aus ihren Schriften kennt, als wegen des Glücks das sie dir giebt. – Nur eins fehlt deiner schönen Seele das was man die Seinigen nennt, wo du deine ganze Liebe niederlegen, und m[it] Ruhe deine ältern Jahre erwarten könntest.
[2] unser Gustchen wächst zu unsrer Freude heran, du müßtest sie lieben, wenn du sie unter uns sähest, eine zarte feine Bildung, ein ebenso zarter Geist, der manchmal durch alle dem kindischen Wesen so schön hervorblickt, übrigens holt sie ihre frühern Kinderjahre noch nach, wo sie mit ihrer schwachen Gesundheit nicht so fortkommen konnte spielt, läuft und springt und treibts ganz wie ein kleines Kind, ich lasse sie ruhig machen, denn ich habe bemerkt wer die Kinderjahre nicht ganz auslebt dem bleibt immer etwas kindisches Kleben, mit der Musik wird es gut gehen daß wird am eifrigsten getrieben. Nun wollte ich gern den Winter mit dem zeichnen anfangen, daß ist aber ein schwerer Punkt, ich halte bey dem zeichnen nothwendig dafür gleich vom Anfange an einen rechten Zeichenmeister, denn was mir noch vil wichtiger ist als ihre Fortschritte in der Kunst selbst, ist das sie würdige Begriffe davon faßt, und Ehrfurcht für dieselbe bekomt, die gewöhnlichen maitres aber zerstören beides, und würdigen sie nur zu einigen mechanischen Handgriffen herab, die sie ihnen nicht einmal rein bey bringen. Ich hätte einen solchen sehr guten Maitre auf der Fahrt, der von seiner Kunst begeistert ist, und schön darüber lehrt, es ist der Vogel der die Kindernatur so gut darstellt, aber er nimmt die Stunde 1 thlr und daß ist bey unsrer beschränkten Ein[3]nahme unmöglich, ich muß sehen ob ich Traktaten mit ihm schließen kann. – Wir sind diesen Sommer in Carlsbad gewesen, und das hat unsrer aller Gesundheit sehr wohl gethan, für meinen Mann war diese Reise sehr nöthig, der Aufenthalt war sehr angenehm, doch machte sich die Reise ziemlich kostbar, überhaupt fängt an die exorbitante Theurung hier drückend zu werden, und man muß manches in seiner Lebensart verändern, was sonst angenehm war.
Schreib mir doch besonders was die Bernhardin macht und ob sie sich wieder ein bischen erholt, wir haben wohl noch lange keine Hofnung sie in Dresden zu sehen, ich freue mich um deinetwillen daß die Frau von Stael wieder nach Frankreich darf dieses wird dir doch wahrscheinlich lieb seyn. Auf dich darf man wohl fürs erste gar nicht rechnen, dich in Dresden zu sehen? Wie geht es denn mit deinen Schriftstellerischen Planen, sehen wir noch nichts von dem Calderon, und den Schaksspear? hat die Fr. v. Stael ihre Schriftstellerische Laufbahn schon aufgehört? Von Tiek höre ich auch nichts das er etwas herausgiebt, komt es mir nur allein nicht zu Ohren? Daß er wieder ein Töchterchen hat weißt du. Die Emilie die ich erzogen habe, ist glücklich bey dem Carl Hardenberg angelangt wo sie ein gutes Loos haben wird wenn sie sich darnach beträgt. Nun leb wohl bester Bruder
Deine
Charlotte Ernst
Pillnitz,
d. 24.
Au[gust]
1805
.
[4] An Herrn Professor Aug. Willhelm
Schlegel Wohlgeb.
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[1] Liebster Wilhelm, ich muß immer noch einmal einen Versuch machen, ob ich dich nicht dazu bewege, mir einmal ein Briefchen zu schreiben, ich kann mich unmöglich mit den Nachrichten begnügen die ich so unvollkommen durch die dritte vierte Hand bekomme, du mußt denken daß du und Friedrich diejenigen von meiner Familie sind die mir am mehrsten am Herzen gelegen, und die ich nie von meiner Liebe trennen kann. Du bist jetzt freylich in eine große zerstreuende Welt gekommen, von interreßanten Gegenständen umgeben, wo der Geist immer an der Gegenwart gefesselt wird, aber es thut doch auch wohl sich der ersten, frühsten Verhältniße unsres Lebens zu erinnren, die sich durch das ganze Leben hindurch treu und unverändert erhalten haben, und in den Banden des Bluts besonders wenn sie durch Sympathie erhöht sind, liegt doch etwas eignes welches sich nicht ersetzen läßt. Aus allem was ich höre schließe ich daß du sehr glücklich bey der Frau von Stael bist, daß die gegenseitigste Achtung und Intereße euch an einander fesselt, schreibe mir doch mehr davon. Es schmerzt mich daß ich diese vortreffliche Frau nicht habe kennen lernen, du hast ihr wohl nicht erzählt daß du eine Schwester in Dresden besitzt, die sie innigst verehrt, sowohl wegen ihres Geistes, denn sie aus ihren Schriften kennt, als wegen des Glücks das sie dir giebt. – Nur eins fehlt deiner schönen Seele das was man die Seinigen nennt, wo du deine ganze Liebe niederlegen, und m[it] Ruhe deine ältern Jahre erwarten könntest.
[2] unser Gustchen wächst zu unsrer Freude heran, du müßtest sie lieben, wenn du sie unter uns sähest, eine zarte feine Bildung, ein ebenso zarter Geist, der manchmal durch alle dem kindischen Wesen so schön hervorblickt, übrigens holt sie ihre frühern Kinderjahre noch nach, wo sie mit ihrer schwachen Gesundheit nicht so fortkommen konnte spielt, läuft und springt und treibts ganz wie ein kleines Kind, ich lasse sie ruhig machen, denn ich habe bemerkt wer die Kinderjahre nicht ganz auslebt dem bleibt immer etwas kindisches Kleben, mit der Musik wird es gut gehen daß wird am eifrigsten getrieben. Nun wollte ich gern den Winter mit dem zeichnen anfangen, daß ist aber ein schwerer Punkt, ich halte bey dem zeichnen nothwendig dafür gleich vom Anfange an einen rechten Zeichenmeister, denn was mir noch vil wichtiger ist als ihre Fortschritte in der Kunst selbst, ist das sie würdige Begriffe davon faßt, und Ehrfurcht für dieselbe bekomt, die gewöhnlichen maitres aber zerstören beides, und würdigen sie nur zu einigen mechanischen Handgriffen herab, die sie ihnen nicht einmal rein bey bringen. Ich hätte einen solchen sehr guten Maitre auf der Fahrt, der von seiner Kunst begeistert ist, und schön darüber lehrt, es ist der Vogel der die Kindernatur so gut darstellt, aber er nimmt die Stunde 1 thlr und daß ist bey unsrer beschränkten Ein[3]nahme unmöglich, ich muß sehen ob ich Traktaten mit ihm schließen kann. – Wir sind diesen Sommer in Carlsbad gewesen, und das hat unsrer aller Gesundheit sehr wohl gethan, für meinen Mann war diese Reise sehr nöthig, der Aufenthalt war sehr angenehm, doch machte sich die Reise ziemlich kostbar, überhaupt fängt an die exorbitante Theurung hier drückend zu werden, und man muß manches in seiner Lebensart verändern, was sonst angenehm war.
Schreib mir doch besonders was die Bernhardin macht und ob sie sich wieder ein bischen erholt, wir haben wohl noch lange keine Hofnung sie in Dresden zu sehen, ich freue mich um deinetwillen daß die Frau von Stael wieder nach Frankreich darf dieses wird dir doch wahrscheinlich lieb seyn. Auf dich darf man wohl fürs erste gar nicht rechnen, dich in Dresden zu sehen? Wie geht es denn mit deinen Schriftstellerischen Planen, sehen wir noch nichts von dem Calderon, und den Schaksspear? hat die Fr. v. Stael ihre Schriftstellerische Laufbahn schon aufgehört? Von Tiek höre ich auch nichts das er etwas herausgiebt, komt es mir nur allein nicht zu Ohren? Daß er wieder ein Töchterchen hat weißt du. Die Emilie die ich erzogen habe, ist glücklich bey dem Carl Hardenberg angelangt wo sie ein gutes Loos haben wird wenn sie sich darnach beträgt. Nun leb wohl bester Bruder
Deine
Charlotte Ernst
Pillnitz,
d. 24.
Au[gust]
1805
.
[4] An Herrn Professor Aug. Willhelm
Schlegel Wohlgeb.
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