• Johann Carl Fürchtegott Schlegel , Julie Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Unknown · Date: 03.05.1808
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Carl Fürchtegott Schlegel, Julie Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.05.1808
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,18,45
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U. Julie
  • Format: 20,7 x 12,6 cm
  • Incipit: „[1] Hanover d. 3t. May. 8.
    Theuerster Bruder!
    Es bedarf gewiß nicht erst der Versicherung, weder von Karl noch von mir, [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Hanover d. 3t. May. 8.
Theuerster Bruder!
Es bedarf gewiß nicht erst der Versicherung, weder von Karl noch von mir, daß uns Ihr Brief große Freude verursagt hat u ich freue mich heute zum ersten mal über die vielen Geschäfte meines Mannes, weil ich dadurch von ihm den angenehmen Auftrag erhielt, Ihnen die näheren Nachrichten von der Mutter u uns zu geben, welche Sie auch bey so weiter Entfernung zu haben wünschen. Unsere gute Mutter hat Ihnen selbst geschrieben u ich brauche wohl nur noch hinzuzufügen, daß sie diesen unglücklichen Fall so glücklich überstanden hat, wie wohl nur möglich war u viel mehr Gedult u Muth hat sie bey diesem Unglück gezeigt wie wir anfangs erwarteten. Übele Folgen für die Zukunft sind auch wohl nicht zu fürchten, als daß sie Witterveränderung durch Schmerz am Bein merken wird, übrigens ist es volkommen gut geheilt. Was uns möglich gewesen ist zu ihrer Pflege u Aufheiterung zu tuhn, haben wir mit Freuden getahn, u wir werden es uns auch gewiß für die Zukunft angelegen seyn laßen ihr ihre letzten Lebens Jahre ihr so viel wie nur möglich zu erheiteren. Wie sie den unglücklichen Fall getahn hatte, würde ich so gleich Tag u Nacht bey ihr geblieben seyn, u ihr Pflege gewiß keinem andern überlaßen haben, wenn nicht meine eigene Gesundheit mir dis ohnmöglich gemacht hätte. ich konnte halbe Tage bey ihr seyn aber nicht immer. Seit einem Jahr geniße ich freilich eine so gute Gesundheit, wie mir noch nie so lange zu Theil ward, aber noch geniße ich sie nur, durch eine, für mich u meinem Artzt mit vielen Aufopferungen verbundene Kur, von welcher ich aber gänzliche Genesung zu hoffen habe. Da dis Heilmittel so lange blos in den Händen der Charlatans war, so weis ich wohl hat es bey vielen noch immer etwas gegen sich u ich weis auch nicht wie Sie, liebster Bruder, drüber dennken werden, aber Sie mögen drüber urtheilen wie Sie wollen, so vergeßen Sie ja nicht, daß ich 12 Jahr Nahmen los gelitten habe, meine Haubt Krankheit der Gesichtsschmerz ist, ich dagegen mit einer großen Gedult alle Kuren gebraucht habe, von denen Erfahrene Aerzte wenigstens Linderung hoften aber schon seit mehreren Jahren sie mir alle einstimmig sagten, dis schreklichste aller Übel sey unheilbar. Dennken Sie sich meinen Zustand, ein so quahlvolles Leben führen zu sollen, verdamt zu seyn, die fürchterlichsten Schmerzen welche nur ein Mensch fähig ist zu tragen, mein ganzes Leben zu dulden dessen Endigung ich mir so oft vergebens gewünscht hatte –. War es mir da nicht zu verzeihn, ja war es da nicht Pflicht von mir ein Mittel zu gebrauchen, dessen sonderbaren Würkungen mir zwar unbegreiflich sind, von dem aber mein Arzt u 2 erfahrene Ärzte in Bremen, Dr. Albers u Winholt, Linderung mir gewiß versprachen aber auch gänzliche Genesung hoften. Ob nun gleich auch meinem Manne diese Sache noch sehr neu war, so gab er es doch gern zu daß ich auch dieses Mittel versugte um Gesund zu werden u so bin ich den seit [2] dem 14 Febr. 1804 täglich ein mal u lange Zeit 2 mal Magnetesirt. anfags jedes mal ½ Stunde jetzt nur 15 bis 20 Minuten so schlafe ich den süßesten Schlaf 1 Stunde. im ersten halben Jahr war ich nicht Somnambül, Seit der Zeit aber zur Freude meines Arztes u zum Erstaunen u Belustigung meiner Freunde u aller Neugirigen welche wohl Zeuge meiner Weisheitssprüche gewesen sind, bin ich es so sehr wie nur nötig ist um meine Kur selbst zu leiten, meinem Arzt die Ursachen mancher ihm auffallenden Erscheinung zu sagen auch habe ich manche Zufälle auf lange Zeit im Voraus angekündigt, u mich nicht ein einziges mal darin geirrt, selbst bey einem kalten Fieber welches hier algemein herscht u wovon auch ich nicht verschont geblieben bin, habe ich den letzten Fieber anfall mehrere Tage im voraus bestimmt. Nach dem erwachen weis ich nie etwas von dem was ich gesagt habe, was ich jetzt weis, ist mir erzählt worden. Musick würckt vorzüglich lebhaft u angenehm auf mich während dieses Schlafs. Die Haubtsache ist aber, daß ich mich so sehr schon in meinem Befinden gebessert habe, daß ich in der ganzen Zeit keinen Tag habe das Bette hüten müßen, u manche Zufälle sind schon ganz verschwunden u auch von den bösen Gesichtsschmerz habe ich nur noch sehr selten u auch dann nur geringe Anfälle.
Wie sehr sind Sie nicht zu beneiden daß Sie von allen solchen traurigen Übelen nichts wißen dazu leben Sie so frei u ungebunden daß mir das Leben meines Mannes dagegen wie das Leben einer Schneke vorkommt. Sie Leben in den schönsten verhältnißen, in den schönsten Ländern, bald hier bald da, keine Sorgen drücken Sie, u nur die Arbeit beschäftigt Sie die Sie sich selbst auflegen. Mein guter Mann ist hier auf immer durch seine Dienst verhältniße gefesselt, 24 Jahr hat er so treu u redlich den größten Theil davon umsonst, u nachher für eine Einnahme gequählt wobey die Sorgen nicht aufhörten, durch seinen angestrengten Fleiß haben wir freilich mit vielen Einschränkungen Leben können, aber er war nun auch dadurch so gefeßelt daß wir nicht mal eine kleine Reise von einigen Meilen aufs Land machen konnten u wie sehr wurden seine Sorgen durch mein ewiges Krannkseyn vergrößert! Seit einem Jahr haben wir nun endlich die Aussicht gehabt, daß seine Einnahme verbessert würde, er hat die besten Versprechungen – u noch immer muß er vergebens auf die endliche Entscheidung warten. jeder kleine Schritt auf seinem Glückswege wird ihm auch gar zu schwehr gemacht. Ob wir [3] dis nun gleich oft lebhaft fühlen, so glauben Sie ja nicht daß wir uns deshalb unglücklich fühlten, jedes gute genißen wir doppelt froh. an einigen Freunden mit denen wir traulich umgehn fehlt es uns nicht. Pape ist u bleibt meines Karls bester Freund. mit seiner Frau bin ich im freundschaftlichsten Verhältniß u seine liebenswürdige Kinder treue Spielgefährten meiner Minna. Dieses liebe Kind, nach welchen Sie sich so gütig erkundigen, ist unsere größte Freude. Wir lieben sie beyde zärtlich u noch ist es ihr ganz verborgen daß wir leider nur ihre Pfleg Eltern sind. Sie ist jetzt 8 Jahr alt u noch haben wir alle Ursache zu hoffen daß wir auch in der Zukunft Freude an ihr erleben werde. Noch ist ihr Herz unverdorben, sie hat tiefes Gefühl für alles gute u ihr lebhafter Geist strebt immer weiter. kann ich ihr oft auf ihre unaufhörlichen Fragen nichts anders antworten: als, daß verstehst Du noch nicht, so ist ihre antwort gewiß: wenn Du es mir nur so recht deutlich sagst, verstehe ich es wohl u würcklich für einen achtjährigen Kinder Kopf begreift sie viel, u oft abstrackte Ideen. Bey ihrer großen Lust zum Lernen versäume ich keinen augenblick der paßend ist, ihr ihre Kentniße zu vermehren u außerdem laßen wir sie in eine sehr gute Schule gehn u ihr auch noch bey einem vortreflichen Lehrer Privatstunden geben. Haben wir erst eine bessere Einnahme, so werden wir ihr auch gern ihre täglichen Bitten erfüllen u ihr untericht im Zeichnen u in der Musick geben laßen ohnehin da sie schon recht hübsch singt. Sie errinnert sich Ihrer noch sehr gut u bittet Sie, sie ein wenig lieb zu haben. Ich habe sie nur mit Mühe abhalten können, Ihnen selbst zu schreiben, sie wolte Sie um ein wenig Lava vom Vesuv bitten zu ihrer kleinen Mineralien Sammlung die sie sich gerößten Theils selbst in der Prymonter Gegend gesucht hat. Doch genuch von einem kleinen Wesen, daß Sie so wenig Intreßiren kann. Moritz ist mit seiner Familie wohl, gesehn haben wir sie in mehreren Jahren nicht. auch er muß in jetzigen drückenden Zeiten die Reisekoßten scheuen seinen Sohn hat er nach Schulpforte geschickt, da er sich nun entschloßen hat zu Studiren. So eben erhalten wir einen Brief aus Dresden. Ernst meldet uns daß er mit Charlotten u Gustchen im Juni nach Carlsbad geht. Wenn das Bad näher wehre, so würde ich es auch gewiß mahl gebraucht haben, da mein Arzt es immer für so dienlich hielt. aber ich habe nun fast schon alle Hoffnung aufgegeben mal Dresden zu sehn. Wenn ich nur nicht die Hoffnung aufgeben soll, Sie liebster Bruder mahl wieder hier zu sehn –. wie so wiedersprechende Empfindungen in einem Herzen wohnen können begreife ich nicht, u doch ists so. ich verehre Fr. v. Staehl weil Sie sie ihre Liebenswürdige Freundin nennen u doch – bin ich ihr böse weil sie die Ursache ist, warum wir Sie nicht bey uns sehn –. Ich soll Karln noch etwas Raum zum schreiben laßen u Sie [4] sind wohl schon längst mein geplaudere müde. Leben Sie recht wohl mein theuerster Bruder. ich bleibe Ihre treue Schwester
Julie

Liebster Bruder, Du hast uns durch Deinen Brief aus Rom eine unerwartete große Freude gemacht, da ich Dich in Gedanken so gern auf Deiner Reise begleite, und um so lieber, je mehr ich mich oft selbst durch meine Verhältniße eingeschränckt und beengt fühle. Alles was Du von Deiner Reise meldest, ist mir äußerst intressant gewesen. Schade ist es, daß Du Dich nicht überwinden kannst, eine Tagebuch darüber zu halten, wenn auch nicht zum besten des Publicums, doch für Deine Freunde. Desto öfterer wirst Du uns aber etwas darüber mittheilen. Auch Pape, der Dir sehr zugethan ist, hört so gern etwas davon, zumal da er die meisten Oerter, wo Du Dich jezt aufgehalten hast, selbst kennen gelernt hat. Jezt ist er in eine unangenehmere Sphäre versetzt, in der er damals lebte, da er ein Mitglied des Landes-Deputations Collegii ist. Dein Brief kam einige Wochen früher an, als der Wechsel, sonst hätten wir schon früher geschrieben. Du hast meiner Mutter eine große Freude damit gemacht. Ihre Lebensart ist jezt sehr verändert, da sie sonst täglich ausgieng, so muß sie jezt beständig das Haus hüten, welches noch lange dauern wird; auch wird sie ihre Furchtsamkeit nicht leicht ganz verlieren. Von Friedrich haben wir lange nichts gehört. Moritz hofft jezt durch Versetzung nach Nienburg eine Verbeßerung zu erhalten. Wegen vieler Amtsgeschäfte hat er seine schriftstellerischen Plane vorerst aufgeben müssen Dein treuer Bruder Karl Schlegel
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[1] Hanover d. 3t. May. 8.
Theuerster Bruder!
Es bedarf gewiß nicht erst der Versicherung, weder von Karl noch von mir, daß uns Ihr Brief große Freude verursagt hat u ich freue mich heute zum ersten mal über die vielen Geschäfte meines Mannes, weil ich dadurch von ihm den angenehmen Auftrag erhielt, Ihnen die näheren Nachrichten von der Mutter u uns zu geben, welche Sie auch bey so weiter Entfernung zu haben wünschen. Unsere gute Mutter hat Ihnen selbst geschrieben u ich brauche wohl nur noch hinzuzufügen, daß sie diesen unglücklichen Fall so glücklich überstanden hat, wie wohl nur möglich war u viel mehr Gedult u Muth hat sie bey diesem Unglück gezeigt wie wir anfangs erwarteten. Übele Folgen für die Zukunft sind auch wohl nicht zu fürchten, als daß sie Witterveränderung durch Schmerz am Bein merken wird, übrigens ist es volkommen gut geheilt. Was uns möglich gewesen ist zu ihrer Pflege u Aufheiterung zu tuhn, haben wir mit Freuden getahn, u wir werden es uns auch gewiß für die Zukunft angelegen seyn laßen ihr ihre letzten Lebens Jahre ihr so viel wie nur möglich zu erheiteren. Wie sie den unglücklichen Fall getahn hatte, würde ich so gleich Tag u Nacht bey ihr geblieben seyn, u ihr Pflege gewiß keinem andern überlaßen haben, wenn nicht meine eigene Gesundheit mir dis ohnmöglich gemacht hätte. ich konnte halbe Tage bey ihr seyn aber nicht immer. Seit einem Jahr geniße ich freilich eine so gute Gesundheit, wie mir noch nie so lange zu Theil ward, aber noch geniße ich sie nur, durch eine, für mich u meinem Artzt mit vielen Aufopferungen verbundene Kur, von welcher ich aber gänzliche Genesung zu hoffen habe. Da dis Heilmittel so lange blos in den Händen der Charlatans war, so weis ich wohl hat es bey vielen noch immer etwas gegen sich u ich weis auch nicht wie Sie, liebster Bruder, drüber dennken werden, aber Sie mögen drüber urtheilen wie Sie wollen, so vergeßen Sie ja nicht, daß ich 12 Jahr Nahmen los gelitten habe, meine Haubt Krankheit der Gesichtsschmerz ist, ich dagegen mit einer großen Gedult alle Kuren gebraucht habe, von denen Erfahrene Aerzte wenigstens Linderung hoften aber schon seit mehreren Jahren sie mir alle einstimmig sagten, dis schreklichste aller Übel sey unheilbar. Dennken Sie sich meinen Zustand, ein so quahlvolles Leben führen zu sollen, verdamt zu seyn, die fürchterlichsten Schmerzen welche nur ein Mensch fähig ist zu tragen, mein ganzes Leben zu dulden dessen Endigung ich mir so oft vergebens gewünscht hatte –. War es mir da nicht zu verzeihn, ja war es da nicht Pflicht von mir ein Mittel zu gebrauchen, dessen sonderbaren Würkungen mir zwar unbegreiflich sind, von dem aber mein Arzt u 2 erfahrene Ärzte in Bremen, Dr. Albers u Winholt, Linderung mir gewiß versprachen aber auch gänzliche Genesung hoften. Ob nun gleich auch meinem Manne diese Sache noch sehr neu war, so gab er es doch gern zu daß ich auch dieses Mittel versugte um Gesund zu werden u so bin ich den seit [2] dem 14 Febr. 1804 täglich ein mal u lange Zeit 2 mal Magnetesirt. anfags jedes mal ½ Stunde jetzt nur 15 bis 20 Minuten so schlafe ich den süßesten Schlaf 1 Stunde. im ersten halben Jahr war ich nicht Somnambül, Seit der Zeit aber zur Freude meines Arztes u zum Erstaunen u Belustigung meiner Freunde u aller Neugirigen welche wohl Zeuge meiner Weisheitssprüche gewesen sind, bin ich es so sehr wie nur nötig ist um meine Kur selbst zu leiten, meinem Arzt die Ursachen mancher ihm auffallenden Erscheinung zu sagen auch habe ich manche Zufälle auf lange Zeit im Voraus angekündigt, u mich nicht ein einziges mal darin geirrt, selbst bey einem kalten Fieber welches hier algemein herscht u wovon auch ich nicht verschont geblieben bin, habe ich den letzten Fieber anfall mehrere Tage im voraus bestimmt. Nach dem erwachen weis ich nie etwas von dem was ich gesagt habe, was ich jetzt weis, ist mir erzählt worden. Musick würckt vorzüglich lebhaft u angenehm auf mich während dieses Schlafs. Die Haubtsache ist aber, daß ich mich so sehr schon in meinem Befinden gebessert habe, daß ich in der ganzen Zeit keinen Tag habe das Bette hüten müßen, u manche Zufälle sind schon ganz verschwunden u auch von den bösen Gesichtsschmerz habe ich nur noch sehr selten u auch dann nur geringe Anfälle.
Wie sehr sind Sie nicht zu beneiden daß Sie von allen solchen traurigen Übelen nichts wißen dazu leben Sie so frei u ungebunden daß mir das Leben meines Mannes dagegen wie das Leben einer Schneke vorkommt. Sie Leben in den schönsten verhältnißen, in den schönsten Ländern, bald hier bald da, keine Sorgen drücken Sie, u nur die Arbeit beschäftigt Sie die Sie sich selbst auflegen. Mein guter Mann ist hier auf immer durch seine Dienst verhältniße gefesselt, 24 Jahr hat er so treu u redlich den größten Theil davon umsonst, u nachher für eine Einnahme gequählt wobey die Sorgen nicht aufhörten, durch seinen angestrengten Fleiß haben wir freilich mit vielen Einschränkungen Leben können, aber er war nun auch dadurch so gefeßelt daß wir nicht mal eine kleine Reise von einigen Meilen aufs Land machen konnten u wie sehr wurden seine Sorgen durch mein ewiges Krannkseyn vergrößert! Seit einem Jahr haben wir nun endlich die Aussicht gehabt, daß seine Einnahme verbessert würde, er hat die besten Versprechungen – u noch immer muß er vergebens auf die endliche Entscheidung warten. jeder kleine Schritt auf seinem Glückswege wird ihm auch gar zu schwehr gemacht. Ob wir [3] dis nun gleich oft lebhaft fühlen, so glauben Sie ja nicht daß wir uns deshalb unglücklich fühlten, jedes gute genißen wir doppelt froh. an einigen Freunden mit denen wir traulich umgehn fehlt es uns nicht. Pape ist u bleibt meines Karls bester Freund. mit seiner Frau bin ich im freundschaftlichsten Verhältniß u seine liebenswürdige Kinder treue Spielgefährten meiner Minna. Dieses liebe Kind, nach welchen Sie sich so gütig erkundigen, ist unsere größte Freude. Wir lieben sie beyde zärtlich u noch ist es ihr ganz verborgen daß wir leider nur ihre Pfleg Eltern sind. Sie ist jetzt 8 Jahr alt u noch haben wir alle Ursache zu hoffen daß wir auch in der Zukunft Freude an ihr erleben werde. Noch ist ihr Herz unverdorben, sie hat tiefes Gefühl für alles gute u ihr lebhafter Geist strebt immer weiter. kann ich ihr oft auf ihre unaufhörlichen Fragen nichts anders antworten: als, daß verstehst Du noch nicht, so ist ihre antwort gewiß: wenn Du es mir nur so recht deutlich sagst, verstehe ich es wohl u würcklich für einen achtjährigen Kinder Kopf begreift sie viel, u oft abstrackte Ideen. Bey ihrer großen Lust zum Lernen versäume ich keinen augenblick der paßend ist, ihr ihre Kentniße zu vermehren u außerdem laßen wir sie in eine sehr gute Schule gehn u ihr auch noch bey einem vortreflichen Lehrer Privatstunden geben. Haben wir erst eine bessere Einnahme, so werden wir ihr auch gern ihre täglichen Bitten erfüllen u ihr untericht im Zeichnen u in der Musick geben laßen ohnehin da sie schon recht hübsch singt. Sie errinnert sich Ihrer noch sehr gut u bittet Sie, sie ein wenig lieb zu haben. Ich habe sie nur mit Mühe abhalten können, Ihnen selbst zu schreiben, sie wolte Sie um ein wenig Lava vom Vesuv bitten zu ihrer kleinen Mineralien Sammlung die sie sich gerößten Theils selbst in der Prymonter Gegend gesucht hat. Doch genuch von einem kleinen Wesen, daß Sie so wenig Intreßiren kann. Moritz ist mit seiner Familie wohl, gesehn haben wir sie in mehreren Jahren nicht. auch er muß in jetzigen drückenden Zeiten die Reisekoßten scheuen seinen Sohn hat er nach Schulpforte geschickt, da er sich nun entschloßen hat zu Studiren. So eben erhalten wir einen Brief aus Dresden. Ernst meldet uns daß er mit Charlotten u Gustchen im Juni nach Carlsbad geht. Wenn das Bad näher wehre, so würde ich es auch gewiß mahl gebraucht haben, da mein Arzt es immer für so dienlich hielt. aber ich habe nun fast schon alle Hoffnung aufgegeben mal Dresden zu sehn. Wenn ich nur nicht die Hoffnung aufgeben soll, Sie liebster Bruder mahl wieder hier zu sehn –. wie so wiedersprechende Empfindungen in einem Herzen wohnen können begreife ich nicht, u doch ists so. ich verehre Fr. v. Staehl weil Sie sie ihre Liebenswürdige Freundin nennen u doch – bin ich ihr böse weil sie die Ursache ist, warum wir Sie nicht bey uns sehn –. Ich soll Karln noch etwas Raum zum schreiben laßen u Sie [4] sind wohl schon längst mein geplaudere müde. Leben Sie recht wohl mein theuerster Bruder. ich bleibe Ihre treue Schwester
Julie

Liebster Bruder, Du hast uns durch Deinen Brief aus Rom eine unerwartete große Freude gemacht, da ich Dich in Gedanken so gern auf Deiner Reise begleite, und um so lieber, je mehr ich mich oft selbst durch meine Verhältniße eingeschränckt und beengt fühle. Alles was Du von Deiner Reise meldest, ist mir äußerst intressant gewesen. Schade ist es, daß Du Dich nicht überwinden kannst, eine Tagebuch darüber zu halten, wenn auch nicht zum besten des Publicums, doch für Deine Freunde. Desto öfterer wirst Du uns aber etwas darüber mittheilen. Auch Pape, der Dir sehr zugethan ist, hört so gern etwas davon, zumal da er die meisten Oerter, wo Du Dich jezt aufgehalten hast, selbst kennen gelernt hat. Jezt ist er in eine unangenehmere Sphäre versetzt, in der er damals lebte, da er ein Mitglied des Landes-Deputations Collegii ist. Dein Brief kam einige Wochen früher an, als der Wechsel, sonst hätten wir schon früher geschrieben. Du hast meiner Mutter eine große Freude damit gemacht. Ihre Lebensart ist jezt sehr verändert, da sie sonst täglich ausgieng, so muß sie jezt beständig das Haus hüten, welches noch lange dauern wird; auch wird sie ihre Furchtsamkeit nicht leicht ganz verlieren. Von Friedrich haben wir lange nichts gehört. Moritz hofft jezt durch Versetzung nach Nienburg eine Verbeßerung zu erhalten. Wegen vieler Amtsgeschäfte hat er seine schriftstellerischen Plane vorerst aufgeben müssen Dein treuer Bruder Karl Schlegel
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