• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: [25. Mai] 1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: [25. Mai] 1801
  • Notations: Datum (Tag und Monat) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 150‒155 u. S. 617‒618 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] Am zweyten Pfingsttag [25. Mai 18]01.
    Ich kann Dir nicht so frisch und munter schreiben, als es das Fest der heiligen [...]“
    Language
  • German
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[Jena] Am zweyten Pfingsttag [25. Mai 18]01.
Ich kann Dir nicht so frisch und munter schreiben, als es das Fest der heiligen Pfingsten mit sich bringen sollte, denn ich arbeite mich eben aus einen meiner gewöhnlichen An- und Rückfälle heraus, und bin einige Tage über sehr schwach gewesen, wozu ich keine andre Veranlassung weiß, als daß ich ein wenig im Hause umher handthieret hatte; meine Krankheit wird übrigens wohl wie die Welt den Grund ihres Daseyns immer in sich selber haben. ‒ Wäre es gestern mit mir gewesen wie vorgestern, so hätte ich Kilian holen lassen, aber die gewöhnlichen Mittel scheinen ihre gewöhnlichen Dienste zu thun. ‒ Mich verdrießt nur, daß ich Dir nicht so gescheut, wie ich wünschte, über den Inhalt Deines Briefes vom 16ten werde reden können. ‒ Ich denke, es ist recht gut, wenn keine weitern Schritte von Seiten Tieks usw. geschehen sind, die Zunft theilt sich alles mit und die Sache des Shakespear wird schlimmer. Was Du mir angiebst, daß ich unter der Hand durch lose leichte Briefe von meiner façon darinn wirksam seyn könnte, das habe ich selber schon bedacht, und ohne mein Übelbefinden hätte die Vieweg einen von mir erhalten, nicht mit einen Antrag, sondern unter 10 andern Dingen hätte ich auch dieses berührt, und würde Stimmung und Meynung allenfals herausgelockt haben, auch soll dieses noch alsbald geschehn. ‒ Allerdings muß man ihn nicht herum bieten, laß Dich auf nichts mehr ein, wo die Annahme ungewiß ist. Schelling behauptete, ich hätte den eigentlichen Sinn seines Rathes doch nicht ganz ausgedrückt lezthin, wie er sich ihn von mir wieder sagen ließ; er meynt, Du sollest entweder eine Pause machen, denn in einiger Zeit könne es Dir doch damit nicht fehlen, oder wenn Du diese nicht gerathen fändest, dann sollest Du Dich mit Unger wieder vereinigen, und das hält er nach Cottas Betheurungen über die Kränkung, welche U. empfinde, möglich, ohne Eintrag Deiner Würde und Rechte. ‒ Ich setze zum Voraus, daß Du Fichte alles mitgetheilt hast. Vielleicht wäre auch dieser im Stande den Vermittler zwischen Dir und U. auf eine kluge Art zu machen, und würde nicht abgeneigt seyn. Ich schlage ihn vor als den näheren. Außerdem schreiben Schelling oder ich (wenn Du das lieber wolltest) an Cotta alles, was Du uns eingiebst. Mit Fromman spreche ich aber nicht, denn zu den Erkundigungen über Druckkosten und dergl. ist es immer noch Zeit, da doch wahrscheinlich nicht zu einem Subscriptionsplan gegriffen wird, und außerdem mit ihm zu berathschlagen dazu ist Fromman ein zu unverschämter Geselle, der sich obendrein wohl nicht sehr über Deine Verlegenheit grämt. Er soll an Aufgeblasenheit noch beträchtlich zugenommen haben; ich sah ihn noch nicht, aber Luisen sogar ist er gestern, wo sie mit Hufelands auf der Driesnitz in seiner Gesellschaft war, sehr von der Seite aufgefallen, ohne daß sie im mindesten prävenirt gewesen wäre. ‒ Bohn wird erwartet ‒ mit dem könnte Friedrich sprechen, allein ich sehe Friedrich nicht, ich kann ihm nichts darüber angeben, und in der That, jeder neue Versuch ohne sichern Ausgang ist höchst mislich für Dich. Mit Frölich unternimm ja nichts, man theilt seinen Miskredit. ‒ Wenn die Unger nicht wäre, so wolt ich wohl unternehmen so an den U. kraft einer kühnen Resoluzion zu schreiben, daß ich wie ein andrer Orpheus die Steine oder Typen wieder zusammen fügte.
Ich erwarte Deine nächsten Äusserungen. Aber, liebster Freund, verzweifle mir ja nicht an Gott und Menschen, und stell solche Betrachtungen an, daß es nach Jahren von Mühe und redlicher Arbeit nicht besser geht usw. Die schlage todt wie Fliegen. Sieh, es gerathen wohl begünstigtere vom Schicksale zuweilen aufs Trockne. Wie Schiller die Horen unternahm, glaubst Du, daß er im Überflusse gesessen hat? Meynest Du, daß er um etwas anders als das liebe Brod solche verfluchte Hexenszenen macht wie die im Macbeth? ‒ Sey nur ganz, ganz getrost, mir ist nicht ein Augenblick bange und ich überseh es doch auch. ‒ Einige Bemerkungen sind mir eingefallen. Wenn es wahr seyn sollte, daß von den leztern Theilen des Shakespear wenigere verkauft wurden, könnte nicht die Wahl der Stücke darauf Einfluß gehabt haben? Versteht das dumme Volk diese historische Reihe? Du hättest so nach der Schnur weg Macbeth, Othello, Lear und alles, was einmal in Besitz war, nehmen sollen, und nimm ja ums Himmelswillen jetzt keine verkannten Meisterstücke als Oldcastle usw. Aber wie ist es möglich die Stupidität ganz zu errathen? ‒ Von Schillers Macbeth laß mich schweigen. Er ist noch viel schlechter, als Du zu sagen wagst, und hat uns mit einem wahren Ekel durchdrungen. Denn daß er ZB. mit der Seifensiedergeschichte aus dem Gellert oder la Fontaine die Hexen moralisch consequent hat machen wollen ‒ ist das auszustehn? Du solltest ihm durchaus im nächsten Theil mit der ächten Übersezung hinter drein kommen. Er verdient es reichlich; Schellings Wuth hat er auch gänzlich auf sich geladen. Goethe gönnt ihm den Verdienst einmal, und ist überhaupt gewiß vollkommen gleichgültig gegen seine Produkte, sonst müst er es nimmer leiden. ‒ Wenn Du für das Theater Shakespears Stücke einrichten wolltest, könntest Du Dir auch solche Verdienstchen machen, nur ist zu fürchten, in Weimar möchte Schiller sie zurückdrängen, in Berlin Iffland sie nicht annehmen. Ich weiß nicht, was ich zu Deinen Theatralischen Projeckten sagen soll. Die Übersetzung und auch Bearbeitung griechischer Stücke für die Bühne, das ist wohl gut ‒ aber will Schlegel Kraft an eine Gattung verschwenden, wo das Gelingen nicht entschieden ist, jetzt zu einer Zeit, da es nicht auf Übungen, sondern auf Gelingen ankomt, und ihm in so vielen andern Gattungen dieses gewiß zu Gebot steht? Hier scheint mir doch, als wenn die Umgebungen ihn täuschten, und die Feenkinder es ihm anthäten. Bedenke Dich wohl, mein liebes Herz, und geh im Gebet mit Dir zu Rathe. Du wilst mir wohl gar außen bleiben, bis das Intriguenstück fertig ist? ‒ Nein, komme und halte einen Zwiesprach mit dem guten alten Meister. Da ist kräftiger Boden.
Der Besuch bey der Meyer hat mich sehr unterhalten. Was hat sie aber an sich, daß so viel Reiz und herrliche Anlagen nicht allmächtig durchbrechen und wirken? Vielleicht nimmt ihr blos das Bewustseyn der Nebenbuhlerin Freyheit und damit auch Liebenswürdigkeit. Wie ich sonst in Mainz von ihr hörte, hatte ich ungefähr das Bild von ihr, das ich jetzt von Unzelinen habe. ‒ Ich fürchte wirklich, Unzelinens allerliebster Vorsaz kommt nicht zur Ausführung, denn die Schauspieler in Weimar fangen erst im Anfang des Oct. wieder an zu spielen. Dazu wird die Jagemann sehr herrschsüchtig. Indessen Goethe thut gewiß alles für Unzeline. Es fällt mir ein daß Luise vom Geheimrath Voigt bey Hufelands hat erzählen hören, G. wär zu ihm gekommen und hätte ihn befragt, ob folgende Maasregel gegen die Schauspielerinnen wohl rechtmäßig sey; sie wollten immer nicht spielen und meldeten sich kurz vorher krank, da gedächte er ihnen allemal einen Jäger vor das Bett zu setzen, der ihnen die Medizin reichte und den sie bezahlen müsten, weil er sie doch nicht wie die Herren auf die Wache schicken könnte.
Daß Tiek nichts macht, ist freylich unverzeihlich. Sein Körper hält ihn sehr in Banden. Ich hoffe doch, der Quixote ist vollendet? Wie habt ihr denn das mit dem Allmanach eingerichtet? Wird das Honorar unter alle, die Beyträge liefern, gleich vertheilt? Und habt ihr als die Herausgeber nichts voraus? von 300 rh., dächt ich, müstest Du mehr wie 20 Louisdor haben.
Loders sind nach Dresden gereiset. Sie werden wohl Ernsts besuchen, wenn sie nach Pillnitz kommen.
Ich habe die Hufeland gesprochen und zwar ganz so ohne mein Zuthun, wie ich wollte. Sie kam zu Luise, wir waren aber eben beyde zu einen Kaufmann gegangen und begegne[te]n ihr dann, sie kam gleich auf mich zu, reichte mir die Hand und frug nach meiner Gesundheit. Da sie auf Luisens Vorschlag nicht mit uns umkehren konnte, so sagt ich ihr, sie sollte uns bald ordentlich besuchen, was sie gern annahm und diese Woche vor sich gehn wird. Denselben Abend komt auch Hufeland eben die Treppe herunter, wie wir spazieren gehn wollten, allein solche Verlegenheit kanst Du Dir nicht denken. Ich blieb ein wenig zurückstehn, weil ich noch auf etwas wartete, und stand freylich recht kalt und steif, indeß er mit Luisen reden wollte, aber durchaus nicht herausbringen konnte, was er meynte, und total den Kopf und die Zunge verlohren hatte. Er konnte also auch nichts wie eine unterthänige Verbeugung bey mir anbringen, aber nächstens wird es alles wieder im Gelenke seyn.
Eben lassen sich die Bohn und Fromman melden.
Die Hufeland wird auch kommen.

Wir haben gestern ein furchtbares Gewitter, das fast den ganzen Nachmittag anhielt, gehabt. Luise erlebte es auf der Driesnitz, wie schon gesagt. Schelling und ich lasen Fichtens Reinhold Brief, der uns ganz mit dem sonnenklaren versöhnt hat. S. hält dafür, daß es zu seinen Vortreflichsten gehöre, und ist ganz davon ergriffen, glaubt auch darinn das Zeichen zu sehn, das er lange von Fichte erwartet.
Noch hör ich nichts von Friedrich Tiek.

Nachmittag.
Wieder ein Donnerwetter überstanden! In Berlin giebts wohl keine, dafür ist aber auch der Sommer wunderschön hier.
Fromman hat mir 10 Carolin von Nicolovius zugeschickt. Standen nicht auf dem Zettel von Friedrich 12? Hiebey lag einer von N. selbst mit der Aufschrift 10 C. für Mad. S. von N., daß also Fromman keinen Irthum begangen hat.
Kotzebue wird wirklich erwartet. Wilst Du ihn nicht hier empfangen?
Cotta hat Nicol[ai] das erste Exemplar der Schrift zugeschickt. N. hat es aber schon im Manusscript gelesen. Gedike wird es wohl mitgetheilt haben.
Wenn Du Dich mit Unger nicht wieder verträgst, meint Schelling, dann müsse sein Betragen allerdings öffentlich bekant gemacht und ihm siedendes Bley eingegossen werden. Er ist toll darauf, daß die Buchhändler die Schriftsteller so im Bann haben, und da wär es mit dem Theater freylich herrlich.
Das Mädchen von Orleans komt als Almanach bei Unger heraus. Schiller hat Schelling gesagt, er mache nun nichts mehr ohne drey Sujets in Vorrath, denn die Quale wäre gar zu groß, wenn nun eines über Seit geschaft sey, wo das neue herkriegen.
Lebe wohl, mein lieber Schlegel.
Nochmals Adieu.
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[Jena] Am zweyten Pfingsttag [25. Mai 18]01.
Ich kann Dir nicht so frisch und munter schreiben, als es das Fest der heiligen Pfingsten mit sich bringen sollte, denn ich arbeite mich eben aus einen meiner gewöhnlichen An- und Rückfälle heraus, und bin einige Tage über sehr schwach gewesen, wozu ich keine andre Veranlassung weiß, als daß ich ein wenig im Hause umher handthieret hatte; meine Krankheit wird übrigens wohl wie die Welt den Grund ihres Daseyns immer in sich selber haben. ‒ Wäre es gestern mit mir gewesen wie vorgestern, so hätte ich Kilian holen lassen, aber die gewöhnlichen Mittel scheinen ihre gewöhnlichen Dienste zu thun. ‒ Mich verdrießt nur, daß ich Dir nicht so gescheut, wie ich wünschte, über den Inhalt Deines Briefes vom 16ten werde reden können. ‒ Ich denke, es ist recht gut, wenn keine weitern Schritte von Seiten Tieks usw. geschehen sind, die Zunft theilt sich alles mit und die Sache des Shakespear wird schlimmer. Was Du mir angiebst, daß ich unter der Hand durch lose leichte Briefe von meiner façon darinn wirksam seyn könnte, das habe ich selber schon bedacht, und ohne mein Übelbefinden hätte die Vieweg einen von mir erhalten, nicht mit einen Antrag, sondern unter 10 andern Dingen hätte ich auch dieses berührt, und würde Stimmung und Meynung allenfals herausgelockt haben, auch soll dieses noch alsbald geschehn. ‒ Allerdings muß man ihn nicht herum bieten, laß Dich auf nichts mehr ein, wo die Annahme ungewiß ist. Schelling behauptete, ich hätte den eigentlichen Sinn seines Rathes doch nicht ganz ausgedrückt lezthin, wie er sich ihn von mir wieder sagen ließ; er meynt, Du sollest entweder eine Pause machen, denn in einiger Zeit könne es Dir doch damit nicht fehlen, oder wenn Du diese nicht gerathen fändest, dann sollest Du Dich mit Unger wieder vereinigen, und das hält er nach Cottas Betheurungen über die Kränkung, welche U. empfinde, möglich, ohne Eintrag Deiner Würde und Rechte. ‒ Ich setze zum Voraus, daß Du Fichte alles mitgetheilt hast. Vielleicht wäre auch dieser im Stande den Vermittler zwischen Dir und U. auf eine kluge Art zu machen, und würde nicht abgeneigt seyn. Ich schlage ihn vor als den näheren. Außerdem schreiben Schelling oder ich (wenn Du das lieber wolltest) an Cotta alles, was Du uns eingiebst. Mit Fromman spreche ich aber nicht, denn zu den Erkundigungen über Druckkosten und dergl. ist es immer noch Zeit, da doch wahrscheinlich nicht zu einem Subscriptionsplan gegriffen wird, und außerdem mit ihm zu berathschlagen dazu ist Fromman ein zu unverschämter Geselle, der sich obendrein wohl nicht sehr über Deine Verlegenheit grämt. Er soll an Aufgeblasenheit noch beträchtlich zugenommen haben; ich sah ihn noch nicht, aber Luisen sogar ist er gestern, wo sie mit Hufelands auf der Driesnitz in seiner Gesellschaft war, sehr von der Seite aufgefallen, ohne daß sie im mindesten prävenirt gewesen wäre. ‒ Bohn wird erwartet ‒ mit dem könnte Friedrich sprechen, allein ich sehe Friedrich nicht, ich kann ihm nichts darüber angeben, und in der That, jeder neue Versuch ohne sichern Ausgang ist höchst mislich für Dich. Mit Frölich unternimm ja nichts, man theilt seinen Miskredit. ‒ Wenn die Unger nicht wäre, so wolt ich wohl unternehmen so an den U. kraft einer kühnen Resoluzion zu schreiben, daß ich wie ein andrer Orpheus die Steine oder Typen wieder zusammen fügte.
Ich erwarte Deine nächsten Äusserungen. Aber, liebster Freund, verzweifle mir ja nicht an Gott und Menschen, und stell solche Betrachtungen an, daß es nach Jahren von Mühe und redlicher Arbeit nicht besser geht usw. Die schlage todt wie Fliegen. Sieh, es gerathen wohl begünstigtere vom Schicksale zuweilen aufs Trockne. Wie Schiller die Horen unternahm, glaubst Du, daß er im Überflusse gesessen hat? Meynest Du, daß er um etwas anders als das liebe Brod solche verfluchte Hexenszenen macht wie die im Macbeth? ‒ Sey nur ganz, ganz getrost, mir ist nicht ein Augenblick bange und ich überseh es doch auch. ‒ Einige Bemerkungen sind mir eingefallen. Wenn es wahr seyn sollte, daß von den leztern Theilen des Shakespear wenigere verkauft wurden, könnte nicht die Wahl der Stücke darauf Einfluß gehabt haben? Versteht das dumme Volk diese historische Reihe? Du hättest so nach der Schnur weg Macbeth, Othello, Lear und alles, was einmal in Besitz war, nehmen sollen, und nimm ja ums Himmelswillen jetzt keine verkannten Meisterstücke als Oldcastle usw. Aber wie ist es möglich die Stupidität ganz zu errathen? ‒ Von Schillers Macbeth laß mich schweigen. Er ist noch viel schlechter, als Du zu sagen wagst, und hat uns mit einem wahren Ekel durchdrungen. Denn daß er ZB. mit der Seifensiedergeschichte aus dem Gellert oder la Fontaine die Hexen moralisch consequent hat machen wollen ‒ ist das auszustehn? Du solltest ihm durchaus im nächsten Theil mit der ächten Übersezung hinter drein kommen. Er verdient es reichlich; Schellings Wuth hat er auch gänzlich auf sich geladen. Goethe gönnt ihm den Verdienst einmal, und ist überhaupt gewiß vollkommen gleichgültig gegen seine Produkte, sonst müst er es nimmer leiden. ‒ Wenn Du für das Theater Shakespears Stücke einrichten wolltest, könntest Du Dir auch solche Verdienstchen machen, nur ist zu fürchten, in Weimar möchte Schiller sie zurückdrängen, in Berlin Iffland sie nicht annehmen. Ich weiß nicht, was ich zu Deinen Theatralischen Projeckten sagen soll. Die Übersetzung und auch Bearbeitung griechischer Stücke für die Bühne, das ist wohl gut ‒ aber will Schlegel Kraft an eine Gattung verschwenden, wo das Gelingen nicht entschieden ist, jetzt zu einer Zeit, da es nicht auf Übungen, sondern auf Gelingen ankomt, und ihm in so vielen andern Gattungen dieses gewiß zu Gebot steht? Hier scheint mir doch, als wenn die Umgebungen ihn täuschten, und die Feenkinder es ihm anthäten. Bedenke Dich wohl, mein liebes Herz, und geh im Gebet mit Dir zu Rathe. Du wilst mir wohl gar außen bleiben, bis das Intriguenstück fertig ist? ‒ Nein, komme und halte einen Zwiesprach mit dem guten alten Meister. Da ist kräftiger Boden.
Der Besuch bey der Meyer hat mich sehr unterhalten. Was hat sie aber an sich, daß so viel Reiz und herrliche Anlagen nicht allmächtig durchbrechen und wirken? Vielleicht nimmt ihr blos das Bewustseyn der Nebenbuhlerin Freyheit und damit auch Liebenswürdigkeit. Wie ich sonst in Mainz von ihr hörte, hatte ich ungefähr das Bild von ihr, das ich jetzt von Unzelinen habe. ‒ Ich fürchte wirklich, Unzelinens allerliebster Vorsaz kommt nicht zur Ausführung, denn die Schauspieler in Weimar fangen erst im Anfang des Oct. wieder an zu spielen. Dazu wird die Jagemann sehr herrschsüchtig. Indessen Goethe thut gewiß alles für Unzeline. Es fällt mir ein daß Luise vom Geheimrath Voigt bey Hufelands hat erzählen hören, G. wär zu ihm gekommen und hätte ihn befragt, ob folgende Maasregel gegen die Schauspielerinnen wohl rechtmäßig sey; sie wollten immer nicht spielen und meldeten sich kurz vorher krank, da gedächte er ihnen allemal einen Jäger vor das Bett zu setzen, der ihnen die Medizin reichte und den sie bezahlen müsten, weil er sie doch nicht wie die Herren auf die Wache schicken könnte.
Daß Tiek nichts macht, ist freylich unverzeihlich. Sein Körper hält ihn sehr in Banden. Ich hoffe doch, der Quixote ist vollendet? Wie habt ihr denn das mit dem Allmanach eingerichtet? Wird das Honorar unter alle, die Beyträge liefern, gleich vertheilt? Und habt ihr als die Herausgeber nichts voraus? von 300 rh., dächt ich, müstest Du mehr wie 20 Louisdor haben.
Loders sind nach Dresden gereiset. Sie werden wohl Ernsts besuchen, wenn sie nach Pillnitz kommen.
Ich habe die Hufeland gesprochen und zwar ganz so ohne mein Zuthun, wie ich wollte. Sie kam zu Luise, wir waren aber eben beyde zu einen Kaufmann gegangen und begegne[te]n ihr dann, sie kam gleich auf mich zu, reichte mir die Hand und frug nach meiner Gesundheit. Da sie auf Luisens Vorschlag nicht mit uns umkehren konnte, so sagt ich ihr, sie sollte uns bald ordentlich besuchen, was sie gern annahm und diese Woche vor sich gehn wird. Denselben Abend komt auch Hufeland eben die Treppe herunter, wie wir spazieren gehn wollten, allein solche Verlegenheit kanst Du Dir nicht denken. Ich blieb ein wenig zurückstehn, weil ich noch auf etwas wartete, und stand freylich recht kalt und steif, indeß er mit Luisen reden wollte, aber durchaus nicht herausbringen konnte, was er meynte, und total den Kopf und die Zunge verlohren hatte. Er konnte also auch nichts wie eine unterthänige Verbeugung bey mir anbringen, aber nächstens wird es alles wieder im Gelenke seyn.
Eben lassen sich die Bohn und Fromman melden.
Die Hufeland wird auch kommen.

Wir haben gestern ein furchtbares Gewitter, das fast den ganzen Nachmittag anhielt, gehabt. Luise erlebte es auf der Driesnitz, wie schon gesagt. Schelling und ich lasen Fichtens Reinhold Brief, der uns ganz mit dem sonnenklaren versöhnt hat. S. hält dafür, daß es zu seinen Vortreflichsten gehöre, und ist ganz davon ergriffen, glaubt auch darinn das Zeichen zu sehn, das er lange von Fichte erwartet.
Noch hör ich nichts von Friedrich Tiek.

Nachmittag.
Wieder ein Donnerwetter überstanden! In Berlin giebts wohl keine, dafür ist aber auch der Sommer wunderschön hier.
Fromman hat mir 10 Carolin von Nicolovius zugeschickt. Standen nicht auf dem Zettel von Friedrich 12? Hiebey lag einer von N. selbst mit der Aufschrift 10 C. für Mad. S. von N., daß also Fromman keinen Irthum begangen hat.
Kotzebue wird wirklich erwartet. Wilst Du ihn nicht hier empfangen?
Cotta hat Nicol[ai] das erste Exemplar der Schrift zugeschickt. N. hat es aber schon im Manusscript gelesen. Gedike wird es wohl mitgetheilt haben.
Wenn Du Dich mit Unger nicht wieder verträgst, meint Schelling, dann müsse sein Betragen allerdings öffentlich bekant gemacht und ihm siedendes Bley eingegossen werden. Er ist toll darauf, daß die Buchhändler die Schriftsteller so im Bann haben, und da wär es mit dem Theater freylich herrlich.
Das Mädchen von Orleans komt als Almanach bei Unger heraus. Schiller hat Schelling gesagt, er mache nun nichts mehr ohne drey Sujets in Vorrath, denn die Quale wäre gar zu groß, wenn nun eines über Seit geschaft sey, wo das neue herkriegen.
Lebe wohl, mein lieber Schlegel.
Nochmals Adieu.
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