• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: [4. Januar 1802]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: [4. Januar 1802]
  • Notations: Datum sowie Absende- und Empfangsort erschlossen. – Teil einer Einlage an Sophie Bernhardi.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 259‒262.
  • Incipit: „[Einlage mit der Aufschrift: Geben Sie Schlegel diese Einlage erst, nachdem Sie den Brief vollständig mit ihm gelesen haben.]
    Ja, Freund, es [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.15
  • Number of Pages: 24 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,6 x 11,6 cm; 23,1 x 18,1 cm
    Language
  • German
[Einlage mit der Aufschrift: Geben Sie Schlegel diese Einlage erst, nachdem Sie den Brief vollständig mit ihm gelesen haben.]
Ja, Freund, es verhält sich so, Du kanst ganz und gar zufrieden seyn. Ich bin entzückt gewesen. Meine Hoffnung war gut nach allem, was Goethe geschrieben hatte, indeß saß ich nicht ohne Herzklopfen da, aber ich wurde ruhig, so wie ich die Jagemann sah und hörte, wir sahn uns gleich an, Schelling und ich, und nun ging es alles in Einem Guß fort. Sch. ist froh gewesen wie ein Kind, ich muß es ihm nachrühmen. Er hat das Stück nun erst gefaßt und tausend Dinge darüber auf dem Herzen. Wenn er sie Dir heut noch nicht mittheilt, so ist es der Drang der Umstände, da die Journale versendet werden.
So aufgeführt macht das Stück einen sehr ungetrübten Eindruck; ich hätte Dir die Freude gewünscht. Wenn sie Dir nur in Berlin wird: Goethe hat keine Antwort von daher. Wird sie Dir gestört, so klage Deine indiskretten Vertrauten an. ‒ Aber sollte nicht im schlimmsten Fall eine der Damen den Ion als ihr Benefiçe fordern können? Indessen glaube ich, es ist nicht möglich, daß die Unzelmann den Ion so glücklich darstellt wie die Jagemann. Du kanst Dir gar nicht denken, wie ganz herrlich sie aussah und sich benahm. Der Herzog hat alle Standpunkte genommen um sie anzusehn. Es traf sich, daß Vohß ein wenig stokte, wie er Ion eben die Möglichkeit darthut, daß er sein Vater ist, das Einzige kleine Stocken, was vorfiel. In dem nehmlichen Augenblick hatte sich der Herzog so nahe gestelt auf dem Balcon, daß es auch sie einen Moment zerstreut machte, aber es war nur ein vorüberfliegender Schatten in der Darstellung.
Goethe hat mit unendlicher Liebe an Dir und dem Stück gehandelt. Ich weiß nicht, was Kotzebue dort gesagt hat, aber es kann seyn, daß die Schauspieler anfangs rebellisch waren, ja die Jagemann soll dumm genug gewesen seyn den Ion für eine undankbare Rolle zu halten, aber er hat alles überwunden. Sie sind hoffentlich nun zufrieden, denn sie sind alle sehr applaudirt worden. Heyde kündigte an: den Ion, gleich wieder auf das Nächstemal, und wurde mit lautem Klatschen empfangen und entlassen. Es ist nie bey der Unzelmann so herzhaft applaudirt worden. Auch ist keine Frage, daß es allgemein gefallen hat, gewiß mit manchen Ausnahmen, manchen Rückhalten, und auch wieder Willen, aber gefallen dennoch. Von hier fehlten viele Familien, die gewöhnlich kommen. Loder war da ‒ heute hat er auch seine Frau aus Drakendorf geholt um sie hinüber zu führen. Frommans, Hufelands. Aber Paulus nicht, die Veit nicht, Vermehrens etc. nicht. Sie werden wohl noch kommen! Für Abonnement suspendu waren sogar viel Weimeraner drin. ‒ Goethe hat sich nichts verlauten lassen übrigens von bezahlen. Thut ers nicht, so schenk es ihm diesmal gern, da er sich sonst so gut benommen. Er hat erwähnt, ohne Beziehung jedoch, daß ihnen für die Beschaffenheit ihrer Casse das Stück viel Ausgabe gemacht, was ich auch glaube, da alles neu war.
Hättest Du statt Deiner unartigen Vorwürfe mir lieber gemeldet, wie ich das mit der eleganten Zeitung einzurichten habe. Es ist wesentlich, daß niemand zuvor kommt, wesentlich, daß die Schauspieler gelobt werden. (Die eleg. Z. wird in Weimar von einer Gesellschaft von Hökenweibern gehalten, hat die Vulpius versichert). Da ich nun keine Vorschrift von Dir habe, und wegen der schlechten Beschaffenheit der Posten nicht erwarten darf, bis Donnerstag, so wie ich hoffte, eine von Dir zu erhalten, werde ich mich bis dahin meinen eignen guten Entschluß überlassen, damit nur niemand zuvorkommt. Schelling will es abschicken. Man kann ja in Absicht des Stücks selbst einen Nachtrag liefern. ‒
Goethe hat versichert, daß er bis diesen Augenblick weder Schiller noch Meyer gesagt, von wem das Stück sey. Er hätte selbst viele Freude daran gehabt, wenn es verschwiegen geblieben wäre, aber es ist ohne Gnade bekannt. Alle Studenten wissens, und wie kann es anders seyn?
Es ist die Rede gewesen, wie Schiller zufrieden seyn möchte ‒ es soll mich doch wundern, hat Goethe gesagt, wie es dem Alten gefallen (den er nicht mehr täglich zu sehn scheint). Meyer, der Professor, hat darauf gesagt, er wäre im 2ten Akt bey ihm gewesen, wo es ihm sehr gefallen hätte.
Ich kann Dir auch nicht genug wiederholen, wie gut sichs machte und gleich Anfangs packte und festhielt.
Schelling ist bange, daß Du auf das Journal gar nicht achten wirst in der Collision mit dem Ion ‒ aber thust Du es heut nicht, thust Du es Morgen.
Goethe komt am 12ten auf mehrere Wochen her, denn um Turandot will er sich gar nicht bekümmern.
Wir denken nun darauf auf den Beyfall für Ion Deine hiesige Vorlesungen zu gründen.
Ich habe fast beständig unter starken Kopfweh geschrieben, das mir die Kälte macht. Wenn ich etwas vergessen haben sollte, so entschuldige es damit.
[Einlage mit der Aufschrift: Geben Sie Schlegel diese Einlage erst, nachdem Sie den Brief vollständig mit ihm gelesen haben.]
Ja, Freund, es verhält sich so, Du kanst ganz und gar zufrieden seyn. Ich bin entzückt gewesen. Meine Hoffnung war gut nach allem, was Goethe geschrieben hatte, indeß saß ich nicht ohne Herzklopfen da, aber ich wurde ruhig, so wie ich die Jagemann sah und hörte, wir sahn uns gleich an, Schelling und ich, und nun ging es alles in Einem Guß fort. Sch. ist froh gewesen wie ein Kind, ich muß es ihm nachrühmen. Er hat das Stück nun erst gefaßt und tausend Dinge darüber auf dem Herzen. Wenn er sie Dir heut noch nicht mittheilt, so ist es der Drang der Umstände, da die Journale versendet werden.
So aufgeführt macht das Stück einen sehr ungetrübten Eindruck; ich hätte Dir die Freude gewünscht. Wenn sie Dir nur in Berlin wird: Goethe hat keine Antwort von daher. Wird sie Dir gestört, so klage Deine indiskretten Vertrauten an. ‒ Aber sollte nicht im schlimmsten Fall eine der Damen den Ion als ihr Benefiçe fordern können? Indessen glaube ich, es ist nicht möglich, daß die Unzelmann den Ion so glücklich darstellt wie die Jagemann. Du kanst Dir gar nicht denken, wie ganz herrlich sie aussah und sich benahm. Der Herzog hat alle Standpunkte genommen um sie anzusehn. Es traf sich, daß Vohß ein wenig stokte, wie er Ion eben die Möglichkeit darthut, daß er sein Vater ist, das Einzige kleine Stocken, was vorfiel. In dem nehmlichen Augenblick hatte sich der Herzog so nahe gestelt auf dem Balcon, daß es auch sie einen Moment zerstreut machte, aber es war nur ein vorüberfliegender Schatten in der Darstellung.
Goethe hat mit unendlicher Liebe an Dir und dem Stück gehandelt. Ich weiß nicht, was Kotzebue dort gesagt hat, aber es kann seyn, daß die Schauspieler anfangs rebellisch waren, ja die Jagemann soll dumm genug gewesen seyn den Ion für eine undankbare Rolle zu halten, aber er hat alles überwunden. Sie sind hoffentlich nun zufrieden, denn sie sind alle sehr applaudirt worden. Heyde kündigte an: den Ion, gleich wieder auf das Nächstemal, und wurde mit lautem Klatschen empfangen und entlassen. Es ist nie bey der Unzelmann so herzhaft applaudirt worden. Auch ist keine Frage, daß es allgemein gefallen hat, gewiß mit manchen Ausnahmen, manchen Rückhalten, und auch wieder Willen, aber gefallen dennoch. Von hier fehlten viele Familien, die gewöhnlich kommen. Loder war da ‒ heute hat er auch seine Frau aus Drakendorf geholt um sie hinüber zu führen. Frommans, Hufelands. Aber Paulus nicht, die Veit nicht, Vermehrens etc. nicht. Sie werden wohl noch kommen! Für Abonnement suspendu waren sogar viel Weimeraner drin. ‒ Goethe hat sich nichts verlauten lassen übrigens von bezahlen. Thut ers nicht, so schenk es ihm diesmal gern, da er sich sonst so gut benommen. Er hat erwähnt, ohne Beziehung jedoch, daß ihnen für die Beschaffenheit ihrer Casse das Stück viel Ausgabe gemacht, was ich auch glaube, da alles neu war.
Hättest Du statt Deiner unartigen Vorwürfe mir lieber gemeldet, wie ich das mit der eleganten Zeitung einzurichten habe. Es ist wesentlich, daß niemand zuvor kommt, wesentlich, daß die Schauspieler gelobt werden. (Die eleg. Z. wird in Weimar von einer Gesellschaft von Hökenweibern gehalten, hat die Vulpius versichert). Da ich nun keine Vorschrift von Dir habe, und wegen der schlechten Beschaffenheit der Posten nicht erwarten darf, bis Donnerstag, so wie ich hoffte, eine von Dir zu erhalten, werde ich mich bis dahin meinen eignen guten Entschluß überlassen, damit nur niemand zuvorkommt. Schelling will es abschicken. Man kann ja in Absicht des Stücks selbst einen Nachtrag liefern. ‒
Goethe hat versichert, daß er bis diesen Augenblick weder Schiller noch Meyer gesagt, von wem das Stück sey. Er hätte selbst viele Freude daran gehabt, wenn es verschwiegen geblieben wäre, aber es ist ohne Gnade bekannt. Alle Studenten wissens, und wie kann es anders seyn?
Es ist die Rede gewesen, wie Schiller zufrieden seyn möchte ‒ es soll mich doch wundern, hat Goethe gesagt, wie es dem Alten gefallen (den er nicht mehr täglich zu sehn scheint). Meyer, der Professor, hat darauf gesagt, er wäre im 2ten Akt bey ihm gewesen, wo es ihm sehr gefallen hätte.
Ich kann Dir auch nicht genug wiederholen, wie gut sichs machte und gleich Anfangs packte und festhielt.
Schelling ist bange, daß Du auf das Journal gar nicht achten wirst in der Collision mit dem Ion ‒ aber thust Du es heut nicht, thust Du es Morgen.
Goethe komt am 12ten auf mehrere Wochen her, denn um Turandot will er sich gar nicht bekümmern.
Wir denken nun darauf auf den Beyfall für Ion Deine hiesige Vorlesungen zu gründen.
Ich habe fast beständig unter starken Kopfweh geschrieben, das mir die Kälte macht. Wenn ich etwas vergessen haben sollte, so entschuldige es damit.
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , [4. Januar 1802]
· Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
· Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.14
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