• Johann Adolf Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 29.07.1791
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Adolf Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 29.07.1791
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Walzel, Oskar: Neue Quellen zur Geschichte der älteren romantischen Schule. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 42 (1891), S. 486‒489.
  • Incipit: „[1] Hannover. Am 29 Julius 1791.
    Mein liebster Sohn,
    Da Sich bey mir so oft der Fall ereignet, dass ich an meine in [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36881
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.21,Nr.1
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,7 x 18,7 cm
    Language
  • German
[1] Hannover. Am 29 Julius 1791.
Mein liebster Sohn,
Da Sich bey mir so oft der Fall ereignet, dass ich an meine in der Welt umher verstreute Söhne nicht schreiben kann, wenn ich gern wollte: so wäre es unverantwortlich, wenn ich auch dann, wenn ichs kann nicht schreiben wollte. Da ich nun eben itzt den Brunnen trinke, so muss ich vor allen Dingen dieser mir gegönnten Muße wahrnehmen, auf einen Brief an Dich, der du in Amsterdam noch keinen von mir erhalten hast, zu denken.
Wenn Du, liebster Sohn, Deine Versorgung hier finden könntest, zumal wenn es eine solche wäre, die mit Deinen Wünschen übereinkäme, wie so angenehm würde das mir und der Mutter seyn! Was aber die itzige Besetzung der hiesigen Rectorstelle anbetrifft: so will ich Dir schreiben, was ich aus Heiligers eignem Munde davon weiß. Ich besuchte ihn vor ohngefähr acht Tagen als meinen Gartennachbar des Vormittags eine Stunde, und zwar als eben Struve ihm seine Beförderung zur altonaischen Stelle gemeldet hatte. Heiliger that nun, als ob er sich in Ansehung ihrer Besetzung meinen Rath erbäte. Er nannte mir alle, so wohl die sich darum bewarben, als auch die von ihm in Betrachtung gezogen wurden. Director Köppe machte den Anfang, und wurde von ihm wegen seiner homerischen Arbeiten mit Lobe genannt. Heinrichs, der göttingische Repetent, war der zweyte. Doch er schien nicht sehr für ihn zu seyn; denn obwohl derselbe die erforderliche Gelehrsamkeit besäße, schiene er ihm doch noch zu [2] jung zu seyn, und das Andenken, dass er hier in Prima gesessen, bey vielen selbst unter den Schülern noch zu frisch. Er gieng zu dem dritten, auch einem hiesigen Eingebornen über, nämlich Herrn Ruperti, voritzt, wo ich nicht irre, in Stralsund, der darum nachgesuchet. Aber auch bey dem hatte er das zu erinnern, dass er zu jung sey, und vielleicht noch jetzt hier vorhandne Schüler seiner sich noch erinnern möchten. Außerdem hatte sich noch der Hildesheimische Rector (sein Name war, wo ich nicht irre Meyer, und er hat mich nachher selbst besuchet, um von mir an H. Heiligern empfohlen zu werden) darum beworben. Auf den aber schien er nicht sehr zu achten. Dagegen setzte er nun hinzu, dass er deshalben an Herrn Professor Niemeyer in Halle, als Inspector des Waysenhauses geschrieben; der ihm einen jungen Mann (dessen Name mir wieder entfallen ist) empfohlen; bei welchen zwar wohl seine Jugend mir Bedenken verursachen könne, indem er erst 26 Jahre alt sey; indessen sey er doch schon der erste Lehrer am Pädagogio des Waisenhauses, überaus geschickt; und sey nun gesonnen zum Magister zu promoviren, und in die akademische Laufbahn zu treten; auf welchen Fall man jedoch suchen würde, ihn zugleich beym Pädagogio beyzubehalten. Er schloß diese seine Aufzählung, dass man gemeiniglich in Ansehung der Schulgelehrsamkeit bey Subjecten aus Obersachsen eher seine Rechnung fände, mit dem Beyfügen, dass er nicht wisse, warum es damit in Niedersachsen nicht so glücken wolle; welches mir denn Anlass gab, das für einen Hauptmangel unserer hiesigen Schule zu erklären, dass Oberprima und Unterprima in Eins verbunden und nicht vielmehr zwo Classen wären.
Aus dem allen wirst Du nun selbst beurtheilen; inwiefern, wenn man un[3]ter der Hand sich für Dich bewerben wollte, ein glücklicher Erfolg wahrscheinlich seyn möchte; da auch Du einige Zeit hiesiger Primaner, und nicht etwan erst 26, sondern erst 24 Jahre alt bist; auch kein Obersachse bist; und nicht, wie (Heinrichs ausgenommen) alle übrige Competenten schon ein Schulamt anderwärts verwaltet.
Hierbey fallen mir noch folgende beide Zweifel ein. Als ehemaliges Mitglied des Altstädter Ministeriums erinnere ich mich, dass bey Besetzung der dasigen Schulstellen die, auf welche reflectirt wird, oder die darum nachgesuchet, in Gegenwart des Magistrats und Ministeriums Probelectionen halten müssen. So viel erinnere ich mich nun zwar wohl, dass Ballhorn seine Probelection allein hielt, ohne einen Concurrenten neben sich zu haben. Aber mein Gedächtniß müßte mir sehr ungetreu seyn, wenn nicht vor Sextroh verschiedene andere Subjecte mit mislungnen, oder doch nicht Heiligerns vollen Beyfall findenden Probelectionen ihr Heil versuchet gehabt. Die Reisekosten dazu bekommen sie zwar wohl, wie mir dunkel vorschwebt, aus dem geistlichen Lohnregister; aber vermuthlich nicht hinlänglich; aber wer will sich dem Verdrusse, einen Kicks (wie der bey Heiligerns Geschmacke auch dem besten begegnen könnte) gewagt zu haben, aussetzen. Wenn denn auch eine solche Concurrenz von Probelectionen nicht nothwendig ist; bedenklich genug, wenn sie möglich ist; und schlimm genug, wenn sie ein Mann wie Heiliger in seiner Gewalt hat.
Mein zweyter Zweifel. Der Uebergang aus einer solchen Schulstelle ins Predigtamt ist, wie Du weißt, leicht; aber der ist Dir verschlossen. Sollte hingegen der Uebergang von solch einer Schulstelle, als das Rectorat ist, zu einem Professorate auch leicht sein? Würde Sextroh Professor worden seyn, wenn er nicht zuvor Pastor in Göttingen worden wäre? Aber auch diese Schwierigkeit abgerechnet; so kann es doch kein andrer seyn, als zu einer außerordentlichen Professur. Das wäre denn ein Uebergang von wenig[4]stens 700 Thl. (Struve, wenn ich recht gehöret, hat es durch vielen Privatunterricht bis an 1000 Thl. gebracht) zu 100 oder 200 Thl. Würde Dir das behagen?
Du mußst in Ansehung Deiner bey der Kenntniß aller Localumstände Dir am besten zu rathen wissen. Die Mutter spannt die Bedingungen ein wenig hoch. Du wirst am besten wissen, wie weit Du sie, wenn überhaupt die Sache Deiner Convenienz gemäß ist, herabstimmen kannst und willst.
Findest Du indessen Aufenthalt oder Lage Dir nicht zuträglich: so ist mein Rath, dass Du Dich in Göttingen zum Magister habilitirst und Collegia zu lesen anfängst, und durch Einschränkungen und Arbeiten, es sey nun durch Privatissima, oder gelehrte Schriften Dich so einrichtest, dass Deine Unterstützung (da wir auch Fritzen noch in Leipzig zu unterhalten haben) unsre Kräfte nicht übersteige. Die stärkere Besoldung, die ich durch unsres Jacobi Tod gewinne, dürfte zwar wohl, so wie die Aspecten itzt sind, vor Ostern schwerlich eintreten; denn sie muss mir erst vom Könige conferirt werden, welches vor der Besetzung der vacanten Stelle nicht zu geschehen pflegt. Aber dann tritt sie gewiss ein; und das sind doch 150 Thl. mehr; das was ich künftig für rigorosa und Colloquia bekomme angerechnet.
Nachrichten brauche ich, da der Brief der Mutter dergleichen enthält, nicht hinzufügen. Deine Tante versichert Dich ihrer Liebe. Deinen Brief habe ich Carlen nach Harburg nachgeschickt. Es versteht sich bloß den an ihn; nicht den, welchen Du gar nicht communicirt haben willst. Ich bin
Dein treuer Vater
D. Joh. Adolf Schlegel
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[1] Hannover. Am 29 Julius 1791.
Mein liebster Sohn,
Da Sich bey mir so oft der Fall ereignet, dass ich an meine in der Welt umher verstreute Söhne nicht schreiben kann, wenn ich gern wollte: so wäre es unverantwortlich, wenn ich auch dann, wenn ichs kann nicht schreiben wollte. Da ich nun eben itzt den Brunnen trinke, so muss ich vor allen Dingen dieser mir gegönnten Muße wahrnehmen, auf einen Brief an Dich, der du in Amsterdam noch keinen von mir erhalten hast, zu denken.
Wenn Du, liebster Sohn, Deine Versorgung hier finden könntest, zumal wenn es eine solche wäre, die mit Deinen Wünschen übereinkäme, wie so angenehm würde das mir und der Mutter seyn! Was aber die itzige Besetzung der hiesigen Rectorstelle anbetrifft: so will ich Dir schreiben, was ich aus Heiligers eignem Munde davon weiß. Ich besuchte ihn vor ohngefähr acht Tagen als meinen Gartennachbar des Vormittags eine Stunde, und zwar als eben Struve ihm seine Beförderung zur altonaischen Stelle gemeldet hatte. Heiliger that nun, als ob er sich in Ansehung ihrer Besetzung meinen Rath erbäte. Er nannte mir alle, so wohl die sich darum bewarben, als auch die von ihm in Betrachtung gezogen wurden. Director Köppe machte den Anfang, und wurde von ihm wegen seiner homerischen Arbeiten mit Lobe genannt. Heinrichs, der göttingische Repetent, war der zweyte. Doch er schien nicht sehr für ihn zu seyn; denn obwohl derselbe die erforderliche Gelehrsamkeit besäße, schiene er ihm doch noch zu [2] jung zu seyn, und das Andenken, dass er hier in Prima gesessen, bey vielen selbst unter den Schülern noch zu frisch. Er gieng zu dem dritten, auch einem hiesigen Eingebornen über, nämlich Herrn Ruperti, voritzt, wo ich nicht irre, in Stralsund, der darum nachgesuchet. Aber auch bey dem hatte er das zu erinnern, dass er zu jung sey, und vielleicht noch jetzt hier vorhandne Schüler seiner sich noch erinnern möchten. Außerdem hatte sich noch der Hildesheimische Rector (sein Name war, wo ich nicht irre Meyer, und er hat mich nachher selbst besuchet, um von mir an H. Heiligern empfohlen zu werden) darum beworben. Auf den aber schien er nicht sehr zu achten. Dagegen setzte er nun hinzu, dass er deshalben an Herrn Professor Niemeyer in Halle, als Inspector des Waysenhauses geschrieben; der ihm einen jungen Mann (dessen Name mir wieder entfallen ist) empfohlen; bei welchen zwar wohl seine Jugend mir Bedenken verursachen könne, indem er erst 26 Jahre alt sey; indessen sey er doch schon der erste Lehrer am Pädagogio des Waisenhauses, überaus geschickt; und sey nun gesonnen zum Magister zu promoviren, und in die akademische Laufbahn zu treten; auf welchen Fall man jedoch suchen würde, ihn zugleich beym Pädagogio beyzubehalten. Er schloß diese seine Aufzählung, dass man gemeiniglich in Ansehung der Schulgelehrsamkeit bey Subjecten aus Obersachsen eher seine Rechnung fände, mit dem Beyfügen, dass er nicht wisse, warum es damit in Niedersachsen nicht so glücken wolle; welches mir denn Anlass gab, das für einen Hauptmangel unserer hiesigen Schule zu erklären, dass Oberprima und Unterprima in Eins verbunden und nicht vielmehr zwo Classen wären.
Aus dem allen wirst Du nun selbst beurtheilen; inwiefern, wenn man un[3]ter der Hand sich für Dich bewerben wollte, ein glücklicher Erfolg wahrscheinlich seyn möchte; da auch Du einige Zeit hiesiger Primaner, und nicht etwan erst 26, sondern erst 24 Jahre alt bist; auch kein Obersachse bist; und nicht, wie (Heinrichs ausgenommen) alle übrige Competenten schon ein Schulamt anderwärts verwaltet.
Hierbey fallen mir noch folgende beide Zweifel ein. Als ehemaliges Mitglied des Altstädter Ministeriums erinnere ich mich, dass bey Besetzung der dasigen Schulstellen die, auf welche reflectirt wird, oder die darum nachgesuchet, in Gegenwart des Magistrats und Ministeriums Probelectionen halten müssen. So viel erinnere ich mich nun zwar wohl, dass Ballhorn seine Probelection allein hielt, ohne einen Concurrenten neben sich zu haben. Aber mein Gedächtniß müßte mir sehr ungetreu seyn, wenn nicht vor Sextroh verschiedene andere Subjecte mit mislungnen, oder doch nicht Heiligerns vollen Beyfall findenden Probelectionen ihr Heil versuchet gehabt. Die Reisekosten dazu bekommen sie zwar wohl, wie mir dunkel vorschwebt, aus dem geistlichen Lohnregister; aber vermuthlich nicht hinlänglich; aber wer will sich dem Verdrusse, einen Kicks (wie der bey Heiligerns Geschmacke auch dem besten begegnen könnte) gewagt zu haben, aussetzen. Wenn denn auch eine solche Concurrenz von Probelectionen nicht nothwendig ist; bedenklich genug, wenn sie möglich ist; und schlimm genug, wenn sie ein Mann wie Heiliger in seiner Gewalt hat.
Mein zweyter Zweifel. Der Uebergang aus einer solchen Schulstelle ins Predigtamt ist, wie Du weißt, leicht; aber der ist Dir verschlossen. Sollte hingegen der Uebergang von solch einer Schulstelle, als das Rectorat ist, zu einem Professorate auch leicht sein? Würde Sextroh Professor worden seyn, wenn er nicht zuvor Pastor in Göttingen worden wäre? Aber auch diese Schwierigkeit abgerechnet; so kann es doch kein andrer seyn, als zu einer außerordentlichen Professur. Das wäre denn ein Uebergang von wenig[4]stens 700 Thl. (Struve, wenn ich recht gehöret, hat es durch vielen Privatunterricht bis an 1000 Thl. gebracht) zu 100 oder 200 Thl. Würde Dir das behagen?
Du mußst in Ansehung Deiner bey der Kenntniß aller Localumstände Dir am besten zu rathen wissen. Die Mutter spannt die Bedingungen ein wenig hoch. Du wirst am besten wissen, wie weit Du sie, wenn überhaupt die Sache Deiner Convenienz gemäß ist, herabstimmen kannst und willst.
Findest Du indessen Aufenthalt oder Lage Dir nicht zuträglich: so ist mein Rath, dass Du Dich in Göttingen zum Magister habilitirst und Collegia zu lesen anfängst, und durch Einschränkungen und Arbeiten, es sey nun durch Privatissima, oder gelehrte Schriften Dich so einrichtest, dass Deine Unterstützung (da wir auch Fritzen noch in Leipzig zu unterhalten haben) unsre Kräfte nicht übersteige. Die stärkere Besoldung, die ich durch unsres Jacobi Tod gewinne, dürfte zwar wohl, so wie die Aspecten itzt sind, vor Ostern schwerlich eintreten; denn sie muss mir erst vom Könige conferirt werden, welches vor der Besetzung der vacanten Stelle nicht zu geschehen pflegt. Aber dann tritt sie gewiss ein; und das sind doch 150 Thl. mehr; das was ich künftig für rigorosa und Colloquia bekomme angerechnet.
Nachrichten brauche ich, da der Brief der Mutter dergleichen enthält, nicht hinzufügen. Deine Tante versichert Dich ihrer Liebe. Deinen Brief habe ich Carlen nach Harburg nachgeschickt. Es versteht sich bloß den an ihn; nicht den, welchen Du gar nicht communicirt haben willst. Ich bin
Dein treuer Vater
D. Joh. Adolf Schlegel
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