• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 18. März [1802]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 18. März [1802]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 322‒325 u. S. 638 (Kommentar).
  • Incipit: „[1] [Jena] Donnerstag d. 18 März [1802].
    Diesen Morgen habe ich Deinen Brief erhalten, worüber ich sehr froh bin, weil ich doch [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.32
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,4 x 11,4 cm
    Language
  • German
[1] [Jena] Donnerstag d. 18 März [1802].
Diesen Morgen habe ich Deinen Brief erhalten, worüber ich sehr froh bin, weil ich doch nun weiß, wie es steht. Morgen früh wird mir vermuthlich von Weimar die Botschaft von Grattenauer zukommen. Ich werde nicht ermangeln ihn zu treiben, denn mir wäre es zur Zeit ganz recht schon dort zu seyn, und hat mich einigemal, weil ich wohl glaubte, daß ich manches versäumen könnte, woran mir eben läge, meine Achtsamkeit gegen Deine vermeyntlichen Winke gereuet. Aber wirklich mußte ich sie für solche nehmen; Du schriebst unter andern, es würde nicht angenehm seyn, wenn ich Mad. Grattenauer allein zu Haus fände, und dergl. mehr. ‒ Es hat sich nun so gemacht und nicht anders, nun wollen wirs auch so nehmen. Am Ende hoffe ich denn doch noch gut hinzugelangen und Dich unter wohlwollenden Gestirnen wieder zu sehn, worauf [2] ich mich herzlich freue. ‒ Wir haben indeß wieder tiefen Winter gehabt und ich einige Tage eines sehr üblen Befindens. ‒ Der Brief, den Du mir von meiner Schwester schickst, bekümmert mich sehr. Der Tod der Mutter würde mich natürlich ruhig lassen, aber ihr Leiden geht mir durch die Seele, besonders da sie sich selbst, was es nicht wenig erhöhn muß, der lezten traurigen Tage meines Vaters dabey errinnern wird. Luise, der dieser häusliche Zustand auch eben nicht heilsam ist, hat gleich nachdem Briefe von mir bekommen, aber sie wird sich freylich wundern, daß die Antwort auf diesen so lange ausbleibt.
Schelling hat sich mit dem Gabler herum capituliren müssen. Es stand auf dem Punkt, daß er Dir die acht abgedruckten Bogen eines [3] philosophischen Gesprächs heute zusenden wollte, um es in Berlin noch ans Licht zu fördern, und in der That entscheidet sich es erst diesen Abend spät, ob es nicht mit der morgenden Post der Fall ist. Wenn Du es nicht hättest unterzubringen gewußt, so würde er Dich gebeten haben, es ebenfalls Hufelanden für Unger zuzustellen. Es ist sein Wunsch, daß ich die Möglichkeit einer solchen Bitte an Dich vorläufig erwähnen möchte, ich denke aber, sie wird nicht nothwendig seyn. ‒ Er hat einen sehr hübschen Plan zu einigen Vorlesungen über das akademische Studium für den ersten Monat des nächsten Halbjahres gemacht, wo er noch hier ist. Man setzt ihm sehr zu zu bleiben und zu lesen; ein guter Theil gründet aber besondre Hoffnungen darauf, daß er nicht lieset. [4] Schütz und Schmidt lassen Subscription einsammeln, eine bisher nie von den älteren Herrn geschehne Sache, Schad ließt Naturphilosophie, und noch ein halbes Duzend andre saubre Vögel schwirren herbey. ‒ Lieber Freund, ich rechne darauf, daß Du mir doch einige Vorlesungen aufhebst, der allerlezten wenigstens mit einer noch ganz besonders und apart geistreichen Zuhörerin die Krone aufsetzest. ‒ Die Fromman kam eigends zu mir vor ein paar Tagen, um mir die Rückkehr des Octavian anzukündigen, deren sie sich nicht wenig erfreuen, und ich möchte sagen, mehr aus Zuneigung zu Tiek als aus Eigennutz etwa. Sie schieben alles auf Malchen, an der ihnen auch weiter [5] nichts gelegen wäre, meynen sie, aber Tieks Unmuth würde ihnen weh gethan haben; er hat aber in seinen Briefe durchaus nichts davon geäußert. Ich habe nun den Oktavian wirklich schon im Hause, und wir lesen ihn diesen Abend.
Damit Du Dir unter den lezthin erwähnten Kotzebübischen Persönlichkeiten keine Elephanten vorstellst, so will ich Dir sagen, was es für kleine blinde Mücken waren. Der alte Herr schweigt zwar wie eine Mauer und ist so klug gewesen sich alles das von Schellingen erzählen zu lassen, was dieser von ihm wissen wollte. Aber mir hats die Niethammer berichtet, die das Stück hier bey Gruners hat vorlesen hören, und mit vieler Langeweile dafür bezahlte. [6] Es war nichts als eine miserable völlig hors dʼœuvre Rolle eines Poeten, der viel von Sonetten spricht (wofür Goethe jedesmal Gedicht gesetzt hatte), einen frommen Allmanach herausgiebt und zuletzt jemand mit einer Ehrenpforte droht. Dieses lezte ist es, worauf er so bestand, und was Goethe durchaus nicht zugab. ‒ Ja, die Kleinstädter wären den Kleinstädtern sehr gefährlich gewesen, sagte G. zu Schelling, hat aber, selbst bey vollen Bechern und einer sehr ausgelaßnen Laune, sich nicht so weit herauslocken lassen, von den beyden Briefen zu sprechen.
Der Iffland ist doch ein F[ilou?], daß er mit dem Ion so zögert und den Regulus so pronirt. Goethe hat sich unbarm[7]herzig über das Ionische Gutachten moquirt, was so fürstlich ästhetisch aussehn solle, und wobey er doch so aus der Rolle fiele und in die Natur hinein, daß er dick grosmühtig thäte. Er hat durch Kirmes schreiben lassen, das Honorar möge Dir dort ausgezahlt werden.
Apropos, da kam in der lezten Woche ein Päckchen von der LZ. an Dich adressirt, das ich für einen bloßen Catalog hielt, welches es auch war, und es öffnete, fand aber beyliegende Bescheerung darin, die ich mitbringen wollte, aber nun doch schicke, im Fall etwas zu verfügen wäre. ‒ Ritter ist jetzt wieder hier bey Frommans. ‒ Der Katalog war [8] nicht etwa der Winklerische, sondern ein simpler Büchercatalog und nichts merkwürdiges darin als drey oder viermal Jacob Böhms Werke.
Nun lebe wohl, Freund, es ist eben nicht mein Wille Dir noch einmal zu schreiben. Grüße Deine Freunde.
[1] [Jena] Donnerstag d. 18 März [1802].
Diesen Morgen habe ich Deinen Brief erhalten, worüber ich sehr froh bin, weil ich doch nun weiß, wie es steht. Morgen früh wird mir vermuthlich von Weimar die Botschaft von Grattenauer zukommen. Ich werde nicht ermangeln ihn zu treiben, denn mir wäre es zur Zeit ganz recht schon dort zu seyn, und hat mich einigemal, weil ich wohl glaubte, daß ich manches versäumen könnte, woran mir eben läge, meine Achtsamkeit gegen Deine vermeyntlichen Winke gereuet. Aber wirklich mußte ich sie für solche nehmen; Du schriebst unter andern, es würde nicht angenehm seyn, wenn ich Mad. Grattenauer allein zu Haus fände, und dergl. mehr. ‒ Es hat sich nun so gemacht und nicht anders, nun wollen wirs auch so nehmen. Am Ende hoffe ich denn doch noch gut hinzugelangen und Dich unter wohlwollenden Gestirnen wieder zu sehn, worauf [2] ich mich herzlich freue. ‒ Wir haben indeß wieder tiefen Winter gehabt und ich einige Tage eines sehr üblen Befindens. ‒ Der Brief, den Du mir von meiner Schwester schickst, bekümmert mich sehr. Der Tod der Mutter würde mich natürlich ruhig lassen, aber ihr Leiden geht mir durch die Seele, besonders da sie sich selbst, was es nicht wenig erhöhn muß, der lezten traurigen Tage meines Vaters dabey errinnern wird. Luise, der dieser häusliche Zustand auch eben nicht heilsam ist, hat gleich nachdem Briefe von mir bekommen, aber sie wird sich freylich wundern, daß die Antwort auf diesen so lange ausbleibt.
Schelling hat sich mit dem Gabler herum capituliren müssen. Es stand auf dem Punkt, daß er Dir die acht abgedruckten Bogen eines [3] philosophischen Gesprächs heute zusenden wollte, um es in Berlin noch ans Licht zu fördern, und in der That entscheidet sich es erst diesen Abend spät, ob es nicht mit der morgenden Post der Fall ist. Wenn Du es nicht hättest unterzubringen gewußt, so würde er Dich gebeten haben, es ebenfalls Hufelanden für Unger zuzustellen. Es ist sein Wunsch, daß ich die Möglichkeit einer solchen Bitte an Dich vorläufig erwähnen möchte, ich denke aber, sie wird nicht nothwendig seyn. ‒ Er hat einen sehr hübschen Plan zu einigen Vorlesungen über das akademische Studium für den ersten Monat des nächsten Halbjahres gemacht, wo er noch hier ist. Man setzt ihm sehr zu zu bleiben und zu lesen; ein guter Theil gründet aber besondre Hoffnungen darauf, daß er nicht lieset. [4] Schütz und Schmidt lassen Subscription einsammeln, eine bisher nie von den älteren Herrn geschehne Sache, Schad ließt Naturphilosophie, und noch ein halbes Duzend andre saubre Vögel schwirren herbey. ‒ Lieber Freund, ich rechne darauf, daß Du mir doch einige Vorlesungen aufhebst, der allerlezten wenigstens mit einer noch ganz besonders und apart geistreichen Zuhörerin die Krone aufsetzest. ‒ Die Fromman kam eigends zu mir vor ein paar Tagen, um mir die Rückkehr des Octavian anzukündigen, deren sie sich nicht wenig erfreuen, und ich möchte sagen, mehr aus Zuneigung zu Tiek als aus Eigennutz etwa. Sie schieben alles auf Malchen, an der ihnen auch weiter [5] nichts gelegen wäre, meynen sie, aber Tieks Unmuth würde ihnen weh gethan haben; er hat aber in seinen Briefe durchaus nichts davon geäußert. Ich habe nun den Oktavian wirklich schon im Hause, und wir lesen ihn diesen Abend.
Damit Du Dir unter den lezthin erwähnten Kotzebübischen Persönlichkeiten keine Elephanten vorstellst, so will ich Dir sagen, was es für kleine blinde Mücken waren. Der alte Herr schweigt zwar wie eine Mauer und ist so klug gewesen sich alles das von Schellingen erzählen zu lassen, was dieser von ihm wissen wollte. Aber mir hats die Niethammer berichtet, die das Stück hier bey Gruners hat vorlesen hören, und mit vieler Langeweile dafür bezahlte. [6] Es war nichts als eine miserable völlig hors dʼœuvre Rolle eines Poeten, der viel von Sonetten spricht (wofür Goethe jedesmal Gedicht gesetzt hatte), einen frommen Allmanach herausgiebt und zuletzt jemand mit einer Ehrenpforte droht. Dieses lezte ist es, worauf er so bestand, und was Goethe durchaus nicht zugab. ‒ Ja, die Kleinstädter wären den Kleinstädtern sehr gefährlich gewesen, sagte G. zu Schelling, hat aber, selbst bey vollen Bechern und einer sehr ausgelaßnen Laune, sich nicht so weit herauslocken lassen, von den beyden Briefen zu sprechen.
Der Iffland ist doch ein F[ilou?], daß er mit dem Ion so zögert und den Regulus so pronirt. Goethe hat sich unbarm[7]herzig über das Ionische Gutachten moquirt, was so fürstlich ästhetisch aussehn solle, und wobey er doch so aus der Rolle fiele und in die Natur hinein, daß er dick grosmühtig thäte. Er hat durch Kirmes schreiben lassen, das Honorar möge Dir dort ausgezahlt werden.
Apropos, da kam in der lezten Woche ein Päckchen von der LZ. an Dich adressirt, das ich für einen bloßen Catalog hielt, welches es auch war, und es öffnete, fand aber beyliegende Bescheerung darin, die ich mitbringen wollte, aber nun doch schicke, im Fall etwas zu verfügen wäre. ‒ Ritter ist jetzt wieder hier bey Frommans. ‒ Der Katalog war [8] nicht etwa der Winklerische, sondern ein simpler Büchercatalog und nichts merkwürdiges darin als drey oder viermal Jacob Böhms Werke.
Nun lebe wohl, Freund, es ist eben nicht mein Wille Dir noch einmal zu schreiben. Grüße Deine Freunde.
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