• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 28. Januar [1805]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 28. Januar [1805]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 184‒187.
  • Incipit: „[1] München den 28ten Januar [1805]
    Wie lange mein liebster Freund habe ich nun nicht geschrieben wie lange keine Zeile von Ihnen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,33
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 11,2 cm
    Language
  • German
[1] München den 28ten Januar [1805]
Wie lange mein liebster Freund habe ich nun nicht geschrieben wie lange keine Zeile von Ihnen gesehn. Ich habe mir selbst die heftigsten Vorwürfe gemacht das ich Ihnen nicht geschrieben habe, aber Sie denken wohl noch mit der alten Liebe an mich? Wäre es wohl möglich das ich Sie anders wiedersehe als Sie mich verlaßen haben? Wie oft quälen diese Gedanken mein Herz und geben mir eine Muhtlosigkeit die es nun noch gemacht das ich das Schreiben immer länger aufgeschoben habe. Und dan glaubte ich Sie wären schon abgereist und wuste nicht ob Briefe Sie treffen und auch wen[n] meine Briefe Sie träffen konte ich nicht wissen ob Ihre Antwort zu mir gelangen wirde da ich ihnen keinen langen Auffenthaltsort angeben konte den[n] hier in München bleiben wir nur so lange weil meines Bruders Ankunft sich gegen meine Hoffnung ver[2]zögert. Hier bleiben wir nun wohl noch länger als zwei Wochen wen[n] Sie mir schreiben wolten wen[n] Sie noch in Coppet sind so könte es mich wohl noch treffen. Ach lieber Freund wie hart ist es das ich zweiflen muß ob Sie es thun werden. Wen[n] Sie nicht mehr in Coppet sind dan kan ich freilig leider keine Briefe mehr haben und ich muß es erwarten ob ich Sie in Rom so finde wie mein Herz es wünscht. Ich hätte freilig auf Ihren Brief wohl antworten sollen aber aus vielfachen Schmerzen konte ich nicht. Sie haben mir durch ein Misverständniß unglaublich wehe gethan so das es mir viele Wochen alle Freude und Gesundheit raubte, Sie haben angenommen das ich Ihnen Vorwürfe machte über Geld da doch das was ich darüber sagte Ihnen nur anführen solte warum ich es überhaupt gewagt habe solche Foderung an Sie zu machen, was ich Ihnen vorwarf war das Sie mich gegen Ihre heiligsten Versprechun[3]gen so vergessen und vernachlässigen konten und eben was Sie zu Ihrer Rechtfertigung anführen das hat mich am meisten geschmerzt das es Ihres Bruders wegen geschehen ist. Und nun ist es den[n] nun nicht dasselbe? Haben Sie mir wieder geschrieben? es gab eine Zeit wo es Ihnen unmöglig gewesen wäre nicht wieder zu schreiben auch wen[n] ich nicht geantwortet hätte. Soll es nun doch sein waß Sie immer als die gröste Kränkung die ich Ihnen zufügen könte von sich gewiesen haben das Sie für mich nichts mehr empfänden sich an mich eben so erinnerten wie alle Ihre andere Freunde. Dan freilig fiehlen meine schönsten Hoffnungen nieder und ich hätte nicht allein einen Bruder, meine Kinder hätten einen Vater verlohren. Wie unzählige Thränen mich diese Worte kosten das ich sie an Sie richten muß das ich Ihr Herz daran erinren muß will ich nicht sagen. Gott weiß es drückt mich vieles schwer und wen[n] Sie wisten wie viele Leiden [4] ich in der Zeit erlebt habe doppelt wirde es Sie schmerzen das Sie sie mir durch ein so gewissenloses Stilschweigen vermehrt hätten. Es ist mein Herz nicht so fest wie ich oft geglaubt habe, Bernhardis unerschöpfliche Niederträchtigkeit hat mich so angegriffen das ich seit mehr als 4 Mohnahten unaufhörlig an den heftigsten Kopfschmerzen leide die gar nicht so gewöhnlich unerträglich sind sondern da sie mit meinen andern Übeln zusammenhangen und eigentlich durch die entstehen sind sie angreiffend das ich das Gedächtniß wie alle Haare dadurch verliehre. Ich kann es nicht aussprechen wie es mich erschüttert nur einen Brief von ihm zu sehen, ein von ihm beschriebnes Blat auch wen[n] ich den Inhalt nicht weiß macht mir den ganzen Tag Fieber. Ich kann es nicht vergessen wie nahe ich diesem Menschen verbunden gewesen bin, dieser fürchterliche Irrthum wird mir so lange ich lebe schmerzlich [5] sein. In diesem Zustande der Pein nun habe ich mit jedem Tage mit der schmerzlichsten Sehnsucht Briefe von Ihnen erwartet und immer vergeblich und noch ist es eben so. Sie wissen von meinem Bruder das ich in München bin, das Ihr Herz Sie nicht bewogen hat hieher zu schreiben es ist zu schmerzlig. Ich war in der lezten Zeit in Weimar in einer furchtbahren Spanung da Bernhardi geschrieben hatte er wolle hinkommen. Seine Niederträchtigkeit gieng so weit das er nun die Rolle umkehrte und that als ob ich durch mein Verhältniß mit Ihnen und mit Knorring seine Ehre beleidigte. Nun schrieb [er] er wolte hinkommen und sich selbst davon überzeugen in wie weit dies gegründet sei. Da ich befürchten muste gleich todt bei seinem Anblick zu bleiben und auch bei meiner Schwäche der Arzt es befürchtete so war ich ängstlich abzureisen und doch wolte ich meinen ältesten Bruder erwarten den wir aufgefodert [6] hatten mich solange zu begleiten bis der andere zu mir kommen könte. Die doppelte Angst quälte mich nun das B[ernhardi] kommen und das der Bruder nicht kommen wirde und ich höchst ungern mit Knorring allein gereist wäre. Ich dan auch hätte glauben müssen daß jeder Funke der Liebe zu mir in meines Bruders Brust erloschen wäre. Er kam aber und hat mich hieher nach München begleitet und wir erwarten nun hier den andern Bruder der mag jezt wohl in Berlin sein um seine und meine Sachen in Ordnung zu bringen. Wäre mir doch der Himmel so günstig das ich mit dem Menschen in gar keiner Verbindung mehr wäre. Er ist den[n] auch würklich ein Par Tage nach meiner Abreise in Weimar angekommen. Und der Mensch der nun in allen Briefen den Verzweiflungsvollen spielt über die Trennung von mir und seinen Kindern hat sich nun so in Weimar wo er sich nur zwei Tage aufgehalten hat gezeigt das [7] ich Ihnen die Stelle darüber aus meines Bruders Brief abschreiben will. (Bernhardi hat sein hier sein göttlig gezeichnet, den Abend vor seiner Abreise hatt er mit einer Menge Schauspieler und Schauspielerinnen Punsch bei Stoll getrunken wo sich alle sinnloß besoffen haben und der grausamste Schmuz im Zimmer gewesen ist. Der Kutscher wurde anfangs um 12 Uhr in der Nacht bestelt da er dort aber noch nicht scheiden wolte kam er um 2 Uhr früh wieder, Bernhardi wolte gar nicht fort und der Kutscher traf ihn in einer so indezenten Umarmung mit Madame Beker aus der er sich gar nicht loßreissen konte das dem Herrn Beker es endlig zu toll wurde und dieser ihn gegen die Wand warf und seine Frau mit Ohrfeigen regalirte. Darüber wurde grosser Lärm und Heulen von seiten der Damen so das die Schildwacht hinauf gehen wolte und sie arrestiren. Der Kutscher besänftigte diese noch indem er versicherte man nehme dort nur zärtlig Abschied. Endlig wurde er von Stoll dem Kutscher und einigen an[8]dern in den Schlitten geschaft wo er sich den[n] so schmutzig aufgeführt das er in Artschau wo auf dem Wege nach Jena die Kutscher anzuhalten pflegen in dem Schlitten angefrohren war. Da der Kutscher es nicht allein dem Docktor Herder erzählen wird und dieser es nicht mir allein erzält hat so glaube ich bist Du hier wohl in jedermanns Augen volkommen gerechtfertigt Du magst thun was Du wilst). Dies ist nun der Mensch der mein Betragen untersuchen will der meine Kinder durchaus verlangt der meint sie kommen ihm mehr zu als mir. Sie sehen zu welcher unglaublichen Tiefe er gesunken. Schriftlig ist es nicht möglig zu erzählen wie er mich noch gequält hat mit welchen Niederträchtigkeiten Sie werden erstaunen wen[n] ich es mündlich thue. Und in so vielerlei Verdruß und Trübsall konten Sie theurer Freund mich so verlassen das auch nicht ein tröstendes Wort mich berührte. Ich bin oft recht kranck [9] gewesen mehr als ich dem Bruder sagen mochte, dan glaubte ich oft ich wirde Sie niemals wiedersehen und dan schmerzte es mich oft wen[n] ich dachte Sie wirden es sich wen[n] ich gestorben wäre niemals vergeben haben mich so unfreundlig ohne ein Wort gelassen zu haben. Auch jezt bin ich noch nicht wohl die Reise hat mich mehr angegriffen als ich glaubte ich bin oft bis unter der Brust geschwollen doch versäume ich nichts weder mit Baden noch mit starken Brühen und ich hoffe alles von dem Frühling und denke oft Sie sollen mich doch ziemlich wohl wiedersehn. Dagegen sind die Kinder so wohl wie zwei blühende Blumen besonders Ihr Liebling Felix ist ein schönes Kind und hat so herliche Augen wie sie sich ein Mensch nur immer wünschen mag und wie alle Künstler behaupten einen herlichen Körper. Ich habe hier die wenigen gesunden Stunden benutzt und mein Trauerspiel Egidio und Isabella fertig geschrieben. Ich habe dabei [10] immer an Sie gedacht weil Sie immer den Wunsch geäussert haben etwas von der Art von mir zu sehen, ich freue mich darauf wen[n] wir uns wiedersehn es Ihnen vorzulesen. Mein Bruder hat hier auf der Bibliothek vieles gefunden was ihn interessirt, er arbeitet von neuen seine Nibelungen um.
Wenn Sie wisten wie trostloß es mir ist diesen Brief abzuschiken da ich nicht weiß ob ich noch eine Antwort erhalte oder nicht. Leben Sie wohl mein geliebter Freund und rufen Sie sich mein Bild lebendig in Ihr Gedächtniß zurik wen[n] es darin mat und erloschen ist. Leben Sie wohl.
S[ophie] Tieck

Adressiren Sie Ihre Antwort lieber an Knorring wir wohnen auf dem Kreutz Nr. 197.
[1] München den 28ten Januar [1805]
Wie lange mein liebster Freund habe ich nun nicht geschrieben wie lange keine Zeile von Ihnen gesehn. Ich habe mir selbst die heftigsten Vorwürfe gemacht das ich Ihnen nicht geschrieben habe, aber Sie denken wohl noch mit der alten Liebe an mich? Wäre es wohl möglich das ich Sie anders wiedersehe als Sie mich verlaßen haben? Wie oft quälen diese Gedanken mein Herz und geben mir eine Muhtlosigkeit die es nun noch gemacht das ich das Schreiben immer länger aufgeschoben habe. Und dan glaubte ich Sie wären schon abgereist und wuste nicht ob Briefe Sie treffen und auch wen[n] meine Briefe Sie träffen konte ich nicht wissen ob Ihre Antwort zu mir gelangen wirde da ich ihnen keinen langen Auffenthaltsort angeben konte den[n] hier in München bleiben wir nur so lange weil meines Bruders Ankunft sich gegen meine Hoffnung ver[2]zögert. Hier bleiben wir nun wohl noch länger als zwei Wochen wen[n] Sie mir schreiben wolten wen[n] Sie noch in Coppet sind so könte es mich wohl noch treffen. Ach lieber Freund wie hart ist es das ich zweiflen muß ob Sie es thun werden. Wen[n] Sie nicht mehr in Coppet sind dan kan ich freilig leider keine Briefe mehr haben und ich muß es erwarten ob ich Sie in Rom so finde wie mein Herz es wünscht. Ich hätte freilig auf Ihren Brief wohl antworten sollen aber aus vielfachen Schmerzen konte ich nicht. Sie haben mir durch ein Misverständniß unglaublich wehe gethan so das es mir viele Wochen alle Freude und Gesundheit raubte, Sie haben angenommen das ich Ihnen Vorwürfe machte über Geld da doch das was ich darüber sagte Ihnen nur anführen solte warum ich es überhaupt gewagt habe solche Foderung an Sie zu machen, was ich Ihnen vorwarf war das Sie mich gegen Ihre heiligsten Versprechun[3]gen so vergessen und vernachlässigen konten und eben was Sie zu Ihrer Rechtfertigung anführen das hat mich am meisten geschmerzt das es Ihres Bruders wegen geschehen ist. Und nun ist es den[n] nun nicht dasselbe? Haben Sie mir wieder geschrieben? es gab eine Zeit wo es Ihnen unmöglig gewesen wäre nicht wieder zu schreiben auch wen[n] ich nicht geantwortet hätte. Soll es nun doch sein waß Sie immer als die gröste Kränkung die ich Ihnen zufügen könte von sich gewiesen haben das Sie für mich nichts mehr empfänden sich an mich eben so erinnerten wie alle Ihre andere Freunde. Dan freilig fiehlen meine schönsten Hoffnungen nieder und ich hätte nicht allein einen Bruder, meine Kinder hätten einen Vater verlohren. Wie unzählige Thränen mich diese Worte kosten das ich sie an Sie richten muß das ich Ihr Herz daran erinren muß will ich nicht sagen. Gott weiß es drückt mich vieles schwer und wen[n] Sie wisten wie viele Leiden [4] ich in der Zeit erlebt habe doppelt wirde es Sie schmerzen das Sie sie mir durch ein so gewissenloses Stilschweigen vermehrt hätten. Es ist mein Herz nicht so fest wie ich oft geglaubt habe, Bernhardis unerschöpfliche Niederträchtigkeit hat mich so angegriffen das ich seit mehr als 4 Mohnahten unaufhörlig an den heftigsten Kopfschmerzen leide die gar nicht so gewöhnlich unerträglich sind sondern da sie mit meinen andern Übeln zusammenhangen und eigentlich durch die entstehen sind sie angreiffend das ich das Gedächtniß wie alle Haare dadurch verliehre. Ich kann es nicht aussprechen wie es mich erschüttert nur einen Brief von ihm zu sehen, ein von ihm beschriebnes Blat auch wen[n] ich den Inhalt nicht weiß macht mir den ganzen Tag Fieber. Ich kann es nicht vergessen wie nahe ich diesem Menschen verbunden gewesen bin, dieser fürchterliche Irrthum wird mir so lange ich lebe schmerzlich [5] sein. In diesem Zustande der Pein nun habe ich mit jedem Tage mit der schmerzlichsten Sehnsucht Briefe von Ihnen erwartet und immer vergeblich und noch ist es eben so. Sie wissen von meinem Bruder das ich in München bin, das Ihr Herz Sie nicht bewogen hat hieher zu schreiben es ist zu schmerzlig. Ich war in der lezten Zeit in Weimar in einer furchtbahren Spanung da Bernhardi geschrieben hatte er wolle hinkommen. Seine Niederträchtigkeit gieng so weit das er nun die Rolle umkehrte und that als ob ich durch mein Verhältniß mit Ihnen und mit Knorring seine Ehre beleidigte. Nun schrieb [er] er wolte hinkommen und sich selbst davon überzeugen in wie weit dies gegründet sei. Da ich befürchten muste gleich todt bei seinem Anblick zu bleiben und auch bei meiner Schwäche der Arzt es befürchtete so war ich ängstlich abzureisen und doch wolte ich meinen ältesten Bruder erwarten den wir aufgefodert [6] hatten mich solange zu begleiten bis der andere zu mir kommen könte. Die doppelte Angst quälte mich nun das B[ernhardi] kommen und das der Bruder nicht kommen wirde und ich höchst ungern mit Knorring allein gereist wäre. Ich dan auch hätte glauben müssen daß jeder Funke der Liebe zu mir in meines Bruders Brust erloschen wäre. Er kam aber und hat mich hieher nach München begleitet und wir erwarten nun hier den andern Bruder der mag jezt wohl in Berlin sein um seine und meine Sachen in Ordnung zu bringen. Wäre mir doch der Himmel so günstig das ich mit dem Menschen in gar keiner Verbindung mehr wäre. Er ist den[n] auch würklich ein Par Tage nach meiner Abreise in Weimar angekommen. Und der Mensch der nun in allen Briefen den Verzweiflungsvollen spielt über die Trennung von mir und seinen Kindern hat sich nun so in Weimar wo er sich nur zwei Tage aufgehalten hat gezeigt das [7] ich Ihnen die Stelle darüber aus meines Bruders Brief abschreiben will. (Bernhardi hat sein hier sein göttlig gezeichnet, den Abend vor seiner Abreise hatt er mit einer Menge Schauspieler und Schauspielerinnen Punsch bei Stoll getrunken wo sich alle sinnloß besoffen haben und der grausamste Schmuz im Zimmer gewesen ist. Der Kutscher wurde anfangs um 12 Uhr in der Nacht bestelt da er dort aber noch nicht scheiden wolte kam er um 2 Uhr früh wieder, Bernhardi wolte gar nicht fort und der Kutscher traf ihn in einer so indezenten Umarmung mit Madame Beker aus der er sich gar nicht loßreissen konte das dem Herrn Beker es endlig zu toll wurde und dieser ihn gegen die Wand warf und seine Frau mit Ohrfeigen regalirte. Darüber wurde grosser Lärm und Heulen von seiten der Damen so das die Schildwacht hinauf gehen wolte und sie arrestiren. Der Kutscher besänftigte diese noch indem er versicherte man nehme dort nur zärtlig Abschied. Endlig wurde er von Stoll dem Kutscher und einigen an[8]dern in den Schlitten geschaft wo er sich den[n] so schmutzig aufgeführt das er in Artschau wo auf dem Wege nach Jena die Kutscher anzuhalten pflegen in dem Schlitten angefrohren war. Da der Kutscher es nicht allein dem Docktor Herder erzählen wird und dieser es nicht mir allein erzält hat so glaube ich bist Du hier wohl in jedermanns Augen volkommen gerechtfertigt Du magst thun was Du wilst). Dies ist nun der Mensch der mein Betragen untersuchen will der meine Kinder durchaus verlangt der meint sie kommen ihm mehr zu als mir. Sie sehen zu welcher unglaublichen Tiefe er gesunken. Schriftlig ist es nicht möglig zu erzählen wie er mich noch gequält hat mit welchen Niederträchtigkeiten Sie werden erstaunen wen[n] ich es mündlich thue. Und in so vielerlei Verdruß und Trübsall konten Sie theurer Freund mich so verlassen das auch nicht ein tröstendes Wort mich berührte. Ich bin oft recht kranck [9] gewesen mehr als ich dem Bruder sagen mochte, dan glaubte ich oft ich wirde Sie niemals wiedersehen und dan schmerzte es mich oft wen[n] ich dachte Sie wirden es sich wen[n] ich gestorben wäre niemals vergeben haben mich so unfreundlig ohne ein Wort gelassen zu haben. Auch jezt bin ich noch nicht wohl die Reise hat mich mehr angegriffen als ich glaubte ich bin oft bis unter der Brust geschwollen doch versäume ich nichts weder mit Baden noch mit starken Brühen und ich hoffe alles von dem Frühling und denke oft Sie sollen mich doch ziemlich wohl wiedersehn. Dagegen sind die Kinder so wohl wie zwei blühende Blumen besonders Ihr Liebling Felix ist ein schönes Kind und hat so herliche Augen wie sie sich ein Mensch nur immer wünschen mag und wie alle Künstler behaupten einen herlichen Körper. Ich habe hier die wenigen gesunden Stunden benutzt und mein Trauerspiel Egidio und Isabella fertig geschrieben. Ich habe dabei [10] immer an Sie gedacht weil Sie immer den Wunsch geäussert haben etwas von der Art von mir zu sehen, ich freue mich darauf wen[n] wir uns wiedersehn es Ihnen vorzulesen. Mein Bruder hat hier auf der Bibliothek vieles gefunden was ihn interessirt, er arbeitet von neuen seine Nibelungen um.
Wenn Sie wisten wie trostloß es mir ist diesen Brief abzuschiken da ich nicht weiß ob ich noch eine Antwort erhalte oder nicht. Leben Sie wohl mein geliebter Freund und rufen Sie sich mein Bild lebendig in Ihr Gedächtniß zurik wen[n] es darin mat und erloschen ist. Leben Sie wohl.
S[ophie] Tieck

Adressiren Sie Ihre Antwort lieber an Knorring wir wohnen auf dem Kreutz Nr. 197.
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