• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 26.05.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.05.1801
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S.352–354.
  • Incipit: „[1] Berlin d. 26 Mai 1.
    Verzeihen Sie, theuerster Freund, daß ich Ihnen nicht früher geantwortet habe; ich rechne indessen darauf, daß [...]“
    Manuscript
  • Provider: Deutsches Literaturarchiv Marbach
  • Classification Number: A.Schelling 57.1524
  • Number of Pages: 4 S., hs. m. U.
  • Format: 8°
    Language
  • German
[1] Berlin d. 26 Mai 1.
Verzeihen Sie, theuerster Freund, daß ich Ihnen nicht früher geantwortet habe; ich rechne indessen darauf, daß das, was in meinen Briefen an Carolinen Sie interessiren kann, mit für sie geschrieben ist und Ihnen mitgetheilt wird.
Meine neuesten Gedichte werden Sie gelesen haben; ich konnte während meines Aufenthalts hier noch nicht mehr zu Stande bringen, da ich, unter den besonders anfänglich viel Zeit wegnehmenden Zerstreuungen doch anderthalb Stük vom Shakspeare übersetzt habe. Indessen hoffe ich nun noch einiges für den Alm[anach] zu machen. Von Tieck habe ich seit seiner Abreise noch nichts neues erhalten, ich kann ihn in der Entfernung nicht mehr so eindringlich mahnen. C[aroline] hat mir in ihren letzten Briefen ein paar kleine Gedichte in Distichen abgeschrieben. Wenn Sie uns in dieser Art etwas geben wollten, so würde es sehr willkommen seyn, um so mehr, da es uns noch fast ganz an Gedichten in antiken Formen fehlt, außer daß letzthin Mnioch ein vortreffliches Gedicht geschickt hat, worin er bey der Darstellung der antiken und modernen Weltansicht, auch [2] die classischen und gereimten Sylbenmaße, die Stanze dem Hexameter, u die Terzine der Elegie sehr treffend entgegensetzt.
In Röschlaubs Distichen hat mir besonders der Einfall gut gefallen, daß Reinhold in dem Strickstrumpf des Idealismus fremd wie der Fuß gesteckt habe. Einer Erklärung würden sie wohl für die meisten Leser bedürfen, und wir sind in der Überlegung, ob wir wegen dieses Einen Falles von der vorläufig angenommen Maxime, nichts, was auf literarische Gegenstände Bezug hat, in den Alm[anach] aufzunehmen, abweichen sollen.
Sie reden von Veränderungen in den letzten Worten des Pfarrers. Ich weiß keine Stelle, wo mir dergleichen noch nothwendig schienen; und würde besorgen etwas zu verderben, wenn ich sie vornehmen sollte. Wenn Sie also selbst andre Lesearten einrücken wollen, so will ich Ihnen eine Abschrift des Gedichtes schicken. Aber wie gesagt, ich glaube, es bedarf ihrer nicht.
Beym Studium der alten Metrik biete ich sehr gern meine Dienste an. Ich freue mich überhaupt auf die mündliche Mittheilung über Ihre poetischen Arbeiten und Plane.
[3] Ich habe Auftrag gegeben, Ihnen ein Exemplar von den Charakteristiken u Kritiken einzuhändigen, so wie auch von Fichte’s Nicolai. Übernähmen Sie von diesem vielleicht eine Anzeige in der Erlanger Zeitung? Fichte’n wäre es lieb, wenn bald davon die Rede wäre. – Der sonnenklare Bericht kann Sie nicht besonders interessirt haben, dagegen hoffe ich, wird Ihnen der Brief an Reinhold große Freude machen. Es ist in meinen Augen ein polemisches Meisterstück, eben so bewundernswürdig von Seiten der Dialektik als der Urbanität, wiewohl das letzte nicht anerkannt werden wird, weil die so beliebte Humanität fehlt. Uberhaupt scheint mir der Bericht für das Volk, der Nicolai für die gesamte lesende Welt, und der Reinhold für die Vornehmen, d. h. die Virtuosen und Kenner geschrieben zu seyn.
F[ichte] ist übrigens wohl und gut aufgeräumt. Ich sah letzthin zu meiner großen Freude das neue Stück von Ihrem Journal bey ihm, und habe mir sogleich ausbedungen, es zu bekommen, wenn er es nicht mehr braucht.
Von wem mag denn die Rec. des Athenäums [4] in der Erl. Zeitung seyn? Ich bekomme sie jetzt nicht zu lesen, wie überhaupt keine gelehrten Blätter: es wäre bey der unbestimmten Kürze meines hiesigen Aufenthalts zu umständlich eine Anstalt deswegen zu treffen, und am Ende verliert man auch nichts und kann seine Gedanken um so ungestörter auf das richten, was man ausführen will.
Lassen Sie mich bald wieder etwas von sich hören, und melden Sie mir auch, wie Sie Carolinens Gesundheit jetzt finden. Ich hoffe, die schöne Jahrszeit wird einen günstigen Einfluß auf sie haben. Leben Sie recht wohl
AWSchlegel.
Caroline macht mir Hoffnung, Sie würden mir von einer neuen Arbeit Goethe’s Nachricht ertheilen. Ich will Sie darum recht sehr gebeten haben.
[1] Berlin d. 26 Mai 1.
Verzeihen Sie, theuerster Freund, daß ich Ihnen nicht früher geantwortet habe; ich rechne indessen darauf, daß das, was in meinen Briefen an Carolinen Sie interessiren kann, mit für sie geschrieben ist und Ihnen mitgetheilt wird.
Meine neuesten Gedichte werden Sie gelesen haben; ich konnte während meines Aufenthalts hier noch nicht mehr zu Stande bringen, da ich, unter den besonders anfänglich viel Zeit wegnehmenden Zerstreuungen doch anderthalb Stük vom Shakspeare übersetzt habe. Indessen hoffe ich nun noch einiges für den Alm[anach] zu machen. Von Tieck habe ich seit seiner Abreise noch nichts neues erhalten, ich kann ihn in der Entfernung nicht mehr so eindringlich mahnen. C[aroline] hat mir in ihren letzten Briefen ein paar kleine Gedichte in Distichen abgeschrieben. Wenn Sie uns in dieser Art etwas geben wollten, so würde es sehr willkommen seyn, um so mehr, da es uns noch fast ganz an Gedichten in antiken Formen fehlt, außer daß letzthin Mnioch ein vortreffliches Gedicht geschickt hat, worin er bey der Darstellung der antiken und modernen Weltansicht, auch [2] die classischen und gereimten Sylbenmaße, die Stanze dem Hexameter, u die Terzine der Elegie sehr treffend entgegensetzt.
In Röschlaubs Distichen hat mir besonders der Einfall gut gefallen, daß Reinhold in dem Strickstrumpf des Idealismus fremd wie der Fuß gesteckt habe. Einer Erklärung würden sie wohl für die meisten Leser bedürfen, und wir sind in der Überlegung, ob wir wegen dieses Einen Falles von der vorläufig angenommen Maxime, nichts, was auf literarische Gegenstände Bezug hat, in den Alm[anach] aufzunehmen, abweichen sollen.
Sie reden von Veränderungen in den letzten Worten des Pfarrers. Ich weiß keine Stelle, wo mir dergleichen noch nothwendig schienen; und würde besorgen etwas zu verderben, wenn ich sie vornehmen sollte. Wenn Sie also selbst andre Lesearten einrücken wollen, so will ich Ihnen eine Abschrift des Gedichtes schicken. Aber wie gesagt, ich glaube, es bedarf ihrer nicht.
Beym Studium der alten Metrik biete ich sehr gern meine Dienste an. Ich freue mich überhaupt auf die mündliche Mittheilung über Ihre poetischen Arbeiten und Plane.
[3] Ich habe Auftrag gegeben, Ihnen ein Exemplar von den Charakteristiken u Kritiken einzuhändigen, so wie auch von Fichte’s Nicolai. Übernähmen Sie von diesem vielleicht eine Anzeige in der Erlanger Zeitung? Fichte’n wäre es lieb, wenn bald davon die Rede wäre. – Der sonnenklare Bericht kann Sie nicht besonders interessirt haben, dagegen hoffe ich, wird Ihnen der Brief an Reinhold große Freude machen. Es ist in meinen Augen ein polemisches Meisterstück, eben so bewundernswürdig von Seiten der Dialektik als der Urbanität, wiewohl das letzte nicht anerkannt werden wird, weil die so beliebte Humanität fehlt. Uberhaupt scheint mir der Bericht für das Volk, der Nicolai für die gesamte lesende Welt, und der Reinhold für die Vornehmen, d. h. die Virtuosen und Kenner geschrieben zu seyn.
F[ichte] ist übrigens wohl und gut aufgeräumt. Ich sah letzthin zu meiner großen Freude das neue Stück von Ihrem Journal bey ihm, und habe mir sogleich ausbedungen, es zu bekommen, wenn er es nicht mehr braucht.
Von wem mag denn die Rec. des Athenäums [4] in der Erl. Zeitung seyn? Ich bekomme sie jetzt nicht zu lesen, wie überhaupt keine gelehrten Blätter: es wäre bey der unbestimmten Kürze meines hiesigen Aufenthalts zu umständlich eine Anstalt deswegen zu treffen, und am Ende verliert man auch nichts und kann seine Gedanken um so ungestörter auf das richten, was man ausführen will.
Lassen Sie mich bald wieder etwas von sich hören, und melden Sie mir auch, wie Sie Carolinens Gesundheit jetzt finden. Ich hoffe, die schöne Jahrszeit wird einen günstigen Einfluß auf sie haben. Leben Sie recht wohl
AWSchlegel.
Caroline macht mir Hoffnung, Sie würden mir von einer neuen Arbeit Goethe’s Nachricht ertheilen. Ich will Sie darum recht sehr gebeten haben.
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