• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Unknown · Place of Destination: Unknown · Date: 04.10.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Unknown
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 04.10.1802
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S. 480–487.
  • Incipit: „[1] Den 4.ten Oct. 02.
    Vergebens wartete ich lezten Posttag auf einige Zeilen von Ihnen.
    Schütz hat sich seitdem ganz kund gegeben; in [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36872
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.20,Nr.25
  • Number of Pages: 12 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,1 x 19,1 cm
    Language
  • German
[1] Den 4.ten Oct. 02.
Vergebens wartete ich lezten Posttag auf einige Zeilen von Ihnen.
Schütz hat sich seitdem ganz kund gegeben; in dem vom 25ten Sept. (dem Tag nach Einhändigung Ihres Schreibens) datirten, übrigens später erschienenen, Intelligenzblatt steht eine Berichtigung, unterschrieben der Recensent: Sie finden solche in dem beyliegenden Blatt sub Lit. C) abgeschrieben. Daß es Schütz ist, wäre schon aus dem Ton und Art klar genug: zudem ist diese Berichtigung mit einer wirklich fast unglaublichen Dummheit abgefaßt.
Theils weil diese Berichtigung an sich nicht geeignet war, irgend etwas zurükzunehmen, da sie vielmehr offenbar darauf abgesehen ist, die Verläumdung gegen mich nur noch auffallender in Umlauf zu setzen, theils weil alle Anstalten zum Druck schon gemacht waren, konnte ich natürlich mit demselben nicht aufhören, ja ich fand bey der Gewißheit Ihrer Zustimmung nicht einmal nöthig, darüber mit Ihnen erst Rücksprache zu nehmen, oder auch mit Goethe, der, da er von der ganzen Sache noch nichts weiß, nur mit großer Mühe erst in den Gesichtspunct hätte versetzt werden können.
Wichtiger war die Überlegung wegen des Gebrauchs der von jener Berichtigung selbst gemacht werden sollte. ‒ Sie mit Stillschweigen zu übergehen war [2] unmöglich: sie ist eine zu offenbare Wirkung Ihres Briefs, sie wirft auf den Zusammenhang des ganzen so viel Licht, und dient als ein so starker Beleg Ihrer, in der Hauptschrift avouierten Meinung, daß Schütz Verfasser der Rec. sey, daß ich der Sache etwas zu vergeben geglaubt haben würde, wenn ich nicht die mir mögliche beste Benuzung davon machen wollte. ‒ An Sie deßhalb noch zu schreiben, war schlechterdings unmöglich; das Blatt, worinn die Berichtigung befindlich, kam mir erst gestern zu Gesicht, und übrigens, da Frommann die ganze Besorgung, Austheilung in Leipzig und Versendung an Buchhändler übernommen hat, ist es von dringender Nothwendigkeit, daß die Schrift künftigen Freytag nach Leipzig abgehe. Es blieb also keine andre Möglichkeit übrig, als die Berichtigung unter den Beylagen abdrucken zu lassen, und die Bemerkungen, die Sie abschriftlich hierbey finden, und die zur Aufklärung der Sache nothwendig waren, von meiner Hand beyzufügen. Ich habe mich in Ansehung derselben, wie Sie selbst finden werden, auf das rein Factische beschränkt und durchaus nichts avouiert, was nicht in Ihrer Schrift schon, und noch bestimmter, ausgesprochen ist. Die Erläuterungen über die einzelnen Puncte will ich von diesem Briefe trennen, und auf einem besondern Blatt nieder[3]schreiben.
Es versteht sich von selbst, daß, sollte in der Sache etwas seyn, das Sie nicht auf sich nehmen zu können glaubten, (obgleich ich dieß nur insofern für möglich halte, als ich die Sache vielleicht wirklich nicht einmal stringent genug genommen habe in der Besorgniß, zu weit herauszugehen), oder sollte es Ihnen scheinen, daß ich Ihre Schreibart zu wenig erreicht habe, als daß Sie diese Bemerkungen für die Ihrigen anerkennen wollten, daß, sage ich, in jedem dieser Fälle ich mich als Verf[asser] bekenne, da die Absicht, das Ganze als rein von Ihnen, ohne Zuthat von mir, verfaßt erscheinen zu lassen, gegenüber von dem Publikum nur insofern Werth haben kann, als sie durch keine höhere verdrängt wird.
Sollten aber diese Bedenklichkeiten nicht eintreten, und Sie wollen im Allgemeinen die Sache auf sich nehmen, so stehen Ihnen noch die zwey Wege offen, entweder dieß ohne weitere Erklärung, oder mit folgender zu thun: daß Sie einem Bevollmächtigten ‒ (als welchen Sie mich alsdann gar nicht zu nennen brauchen) ‒ für alle eintretende Fälle und Alles, was zum Besten der Sache nothwendig wäre, vollkommnes Recht ertheilt haben, in Ihrem Namen zu handeln, und daß, was er gethan, als von Ihnen selbst gethan angesehen werden müsse. ‒ Gewissermaßen hatte ich mir dieses Recht auf den, von mir vorhergesehnen, Fall, daß Schütz, da der Druck nicht [4] nach meinen Wünschen beschleunigt werden konnte, zuvor⌜zu⌝kommen suchen würde, wirklich schon zum Voraus in Gedanken nehmen müssen. Glücklicher Weise hat ihn seine Dummheit, die mit der des Prediger Jenisch ohngefähr gleichgesetzt werden kann, so geleitet, daß sein Zuvorkommen nur gedient hat, ihn selbst noch tiefer zu verwickeln, und die Sache in ein helleres Licht zu setzen.
Die Betrachtung, welche Sie für den lezten Fall bestimmen könnte, wäre, daß sich nach einer Berechnung, die ich Sie anzustellen bitte, finden könnte, daß unmöglich das am 29ten Sept. ausgegebne Int.Blatt in der Zeit nach Berlin gehen, und Ihre Bemerkungen darüber hier ankommen konnten. Bey dieser Berechnung muß jedoch in Anschlag gebracht werden, daß die Schrift in Leipzig nicht eher als von Morgen über 8. Tag, Dienstag den 12. d[ieses] ankommen kann, und daß ich hier kein Exemp[lar] werde in’s Publikum kommen lassen, als höchstens den 14ten dess[elben]. Da ich es Ihnen nun den 1sten d[ieses] schicken, und Ihre Antwort wenigstens den 11ten hier seyn konnte, man auch übrigens im Publikum nicht genau bestimmen kann, wie schnell der Druck nachher vor sich gegangen, und wie schleunig die Versendung nach Leipzig betrieben worden, (wo die Austheilung doch auch erst ⌜frühestens⌝ am 14ten d[ieses] geschehen kann) so fragt sich, inwiefern die Zeit in dieser [5] Berechnung ausreichend gefunden werde?
Sie erhalten mit nächster Freytagspost die ersten Exemplare; entscheiden Sie, ob es rathsam ist vor dem Termin der Bekanntmachung in Leipzig etwas davon dort auszubreiten. Die Auflage ist zu 1000. bestimmt worden; Schreibpapier und 12. Exemp[lare] Velin: Format Medianoctav, Lettern, ⌜lateinisch⌝ ohngefähr 1 oder ½ Grad kleiner als die meiner Zeitschrift, aber im dritten Grad durchschossen ‒ dies alles nach Frommanns Rath, der sich höchst bereitwillig gezeigt und alles gethan hat, was ich von ihm wünschen konnte. Theils die Hinzufügung der Schützischen Berichtigung und der Anmerkungen darüber, theils weil auch noch Röschlaubs Urtheil in der Sache angekommen ist, wird ⌜über⌝ 14. gedruckte Seiten nothwendig machen, so daß, da noch zwey Blätter zum Umschlag und Schmutztitel, da das Ganze bloß gefalzt werden soll, übrig bleiben müssen, das Ganze wohl an 2 Bogen gehen könnte. Es kam mir darauf nicht an, und ich wollte nicht sparen, da ohnehin die Kosten des Satzes dieselben sind und nur die des Papiers höher kommen. Was aus der Lit. Z. abgedruckt wird, wird um es abzusondern mit ganz kleinen Lettern gedruckt, sollten auch noch die Beylagen überhaupt um einen Grad enger [6] durchschossen werden, so kann es auf 1½ Bogen reducirt werden. Hierüber habe ich die Entscheidung Frommannen überlassen, der selbst für das gute Äußere davon besorgt ist.
Hiermit glaube ich Alles diese Sache betreffende gesagt zu haben, und erwarte nun noch für gewiß, am Mittwoch Ihre Billigung der Ihnen vorgeschlagnen Verændrung in Ihrer Schrift, um sie bey der Correctur zu machen zu erhalten.
Um von einigen andern Dingen noch hinzuzusetzen, soviel möglich, versäumen Sie ja nicht, im Original oder in einer Anzeige der Greifswaldischen Blätter die höchst lustige Palinodie Kosegartens zu lesen, der sich von der neuern ästhet[ischen] Schule wieder lossagt, nachdem er vorher mit aller Gewalt nach dem Objectiven u. Naiven gestrebt hat. ‒ Voß ist seit einigen Wochen hier, u. gesonnen sich auch hier niederzulassen.
Goethe wird nächstens Vater, Mephistopheles verheyrathet sich mit einer Fräulein (v. Koppenfels) und Schiller ist in den Reichsadelstand erhoben worden.
Vor 4. Wochen schrieb Ihr Bruder an Frommann, Plato wäre auf der Diligence von Paris. Dieser, der über sämmtliche seine Autoren höchst wüthig, darauf wieder getröstet war, ist nun über die sanfte Allmähligkeit, mit der er anlangt, und darüber, quʼil ne met pas plus de diligence à lui parvenir, aufs Neue in Verzweiflung.
Ihr Heft der Ästhetik macht mir ein unnennbares Vergnügen; es entzückt mich es zu lesen. Einen Theil davon lasse ich wirklich ganz abschreiben, einen andern lese ich mit der Feder in der Hand.
Haben Sie den besten Dank dafür, u. leben Sie wohl.
_
[7] Einige Nachtrœge zur Erläuterung der Bemerkungen.
Ad 1) Diese versteht sich von selbst, und war der Hauptpunct, der herausgehoben werden mußte, um die Identitæt Schützens und des Rec. in’s Licht zu setzen.
Ad 2) Ebenso diese Bemerkung, da die ebenso dumme als wissentliche Lüge, die von so dummen Leuten ist, einzig die Absicht haben konnte, einen Vorwand, der unabhängig von Ihrem Schreiben an Schütz erschiene, zu haben.
Ad 3) Diese schien nothwendig bloß auf den Fall, daß das dort Angegebne geschähe, wegen der enormen Flüchtigkeit der Leser, für die eine zweyte Erklärung über Ihren Brief ordentlich beweisend seyn könnte, und weil, wenn Schütz selbst zu dumm ist, wie ich überzeugt bin, die Dummheit seiner Erklärung einzusehen, andre seyn werden, die ihn darauf aufmerksam machen, so daß, wenn er nicht, wie ich vermuthe, in der festen Überzeugung ist: es sey auf eine gerichtliche Klage angesehen, der hier angenommne Fall wirklich zu erwarten ist.
Ad 4) Auch hier mußte 1) dem Beweis zuvorgekommen werden, den Sch[ütz] aus einem [8] Zeugniß der Drucker führen könnte, die ihm natürlich soviel nur seyn kann zu Gebot sind. Das Lesepublikum ist so flüchtig, daß, wenn versichert wird, das Blatt vom 25ten sey am oder vor dem 24ten schon in Druck gewesen, es nicht daran denkt, daß daraus noch nichts für die einzelne Anzeige folgt. 2) fand ich nöthig den Fall daß ein Rec. genannt würde zu berühren, weil wenn keiner, dann die Sache ganz evident wird, und die Schmach desto sicherer auf Schütz zurükfällt, wenn einer: dieser sicher von Schütz entweder gleich anfänglich oder doch jezt subornirt war, und weil in dem Falle, daß dieser ⌜(Schütz)⌝ die Schmach von sich ab, auf jenen wälzen zu können glaubte, zum Voraus, noch deutlicher, als in Ihrer Schrift, bemerkt sey, daß ein großer, ja der größte Theil derselben nichts desto weniger auf ihm hafte. ‒ Die Rede ist mit Absicht so ‒ zweydeutig ‒ gestellt, daß man sie auf das allgemeine Anweisen des Rec[ensenten] zu einer solchen Anzeige, oder auch auf ein Manœuvre der Art, wie das von Kotzebue bey dem Bahrdt pp gebrauchte, beziehen kann, gerichtlich also die lezte Intention nicht bewiesen werden kann.
Ad 5) Versteht sich von selbst, und enthält nichts, was nicht in Ihrer Schrift schon steht.
⌜Verzeihung der Flüchtigkeit! dieß lezte mußte in großer Eile geschrieben werden.⌝

[9] BEYLAGEN.
A.
Anzeige der Flugschrift: Lob der neuesten Philosophie in der A. L. Z. 1802. No. 225.
B.
Schreiben an Hofrath Schütz von A. W. Schlegel.
C.
Nachtrag zu der Rüge an das Publikum.
„Nachdem voranstehender Brief Freytags den 24ten Sept. Morgens, um alle Ausflüchte von Seiten des Hofrath Schütz abzuschneiden, durch einen sichern Menschen ihm selbst unmittelbar eingehändigt worden war, erschien folgende von dem Recensenten des Lobs d. n. Ph. unterzeichnete
Berichtigung.
In meiner Rec. der Broschüre L. d. n. Ph. welche in der A. L. Z. No. 225. abgedruckt ist, habe ich unter andern Stellen auch folgende ausgehoben
Nur verhüte der Himmelpppp
Anm. (Die ganze Stelle ist wiederholt, u. cursiv gedruckt)⌝
Sollte man glauben, daß es Leute gäbe, die dieses von einem wirklich vorsäzlichen Todschlag, den Hr. Prof. Schelling begangen, verstanden haben. Ich [10] eile also, um solchen Leuten, die nichts verstehen wo möglich, das Verständniß zu öffnen mit dieser Erklärung, daß die angezogne Stelle des Ungenannten, lediglich wie der offenbare Zusammenhang giebt, von einer nach der Sage böser Leute ausgefallenen Kur des Hn. Prof. Schelling zu verstehen sey, und daß ich so wenig als irgend ein andrer vernünftiger Mensch sie anders habe verstehen können und mögen, auch an dieser Sage, die der mir unbekannte Verf[asser] selbst für ein Gerede böser Leute erklärt, nicht den mindesten Antheil habe nehmen, noch solche für glaubhaft oder gegründet habe erklären wollen.“
⌜NB. Diese ganze Berichtigung wie die Rec. wird mit kleinerer Schrift gedruckt.⌝
Hierüber ergeben sich von selbst folgende Anmerkungen.
1) Den 24ten Sept. Morgens erhält Hofrath Schütz das unter B) abgedruckte Schreiben; im Intelligenzblatt vom 25ten Sept. wird die obige Berichtigung des Recensenten eingerückt. Es verdient zu weiterer Erklärung noch angeführt zu werden, daß alle Blätter von einem früheren Datum, als dem der Einhändigung des Schreibens, schon vor dem 24ten ausgegeben waren, und daß, sichern Nachrichten zufolge, das Int.blatt vom Sonnabend, als dem 25ten, erst am darauf folgenden Mittwoch, als dem 29ten Sept. ausgegeben wurde.
2) In der Berichtigung des Recensenten bemerkt man ein offenbares Bestreben, sich das Ansehen der Unabhängigkeit von irgend einer besondern an den [11] Hofrath Schütz ergangnen Erklärung zu geben, und da ihm weder irgend eine öffentliche Rüge seiner Rec. noch das ihm selbst mangelnde Ehrgefühl einen andern Vorwand seiner Berichtigung an die Hand geben konnte, greift er in dieser Rücksicht zu der groben Fiction von Leuten, die das in jener Stelle Enthaltene von einem vorsäzlichen Todschlag verstanden haben.
3) Den Schein der Unabhängigkeit von dem an Hofrath Schütz erlaßnen Schreiben wird dieser ⌜der Berichtigung⌝ des Rec[ensenten] auch noch dadurch geben können, daß er jenes Schreibens hintennach als eines neuen Veranlassungsgrundes einer zweyten Erklärung oder Berichtigung erwähnt, welches als einer fernern möglichen Auskunft zum Voraus zu bemerken nicht überflüssig scheint.
4) Es wird dem Hofrath Schütz frey stehen, zu versichern daß ihm die Rec. wie die Berichtigung von außenher eingesandt worden: es wird aber auch dem Publikum frey stehen, zu glauben, was ihm nach den vorliegenden Umständen als das Wahrscheinlichste vorkommen wird, auch in dem Fall, daß ein unbestimmter Beweis vorgebracht würde, daß das Blatt vom 25ten Sept. vor dem 24ten in der Druckerei gewesen, oder daß selbst wirklich irgend ein obscurer Mensch sich finden sollte, der ⌜sich zu der⌝ Schande der Recens. wie der Berichtigung ⌜wenigstens so weit als sie auf ihn als Recens[enten] fällt, bekennen wollte.⌝
5) Schließlich ist zu bemerken, daß der Rec[ensent] durch seine Berichtigung geständig geworden ist: er habe die in der Stelle des Lobs d. n. Ph. enthaltne ehrenrührige Beschuldigung ⌜ausdrücklich⌝ als eine Sage böser Leute, also mit dem Bewußtseyn, ein Pasquillant zu seyn, in der [12] A. L. Z. abdrucken lassen und durch sie verbreitet.
D.
Folgende Urtheile des Hofrath Marcus in B[amberg] und Prof. Röschlaub in Landshut über den Inhalt jener in dem Lob d. n. Ph. enthaltnen, in der A. L. Z. wiederholten, Verläumdung, sind von ihnen selbst zum Druck mitgetheilt worden.
1.
Urtheil des HR. Marcus.
pp
2.
Urtheil des Prof. Röschlaub
pp
[1] Den 4.ten Oct. 02.
Vergebens wartete ich lezten Posttag auf einige Zeilen von Ihnen.
Schütz hat sich seitdem ganz kund gegeben; in dem vom 25ten Sept. (dem Tag nach Einhändigung Ihres Schreibens) datirten, übrigens später erschienenen, Intelligenzblatt steht eine Berichtigung, unterschrieben der Recensent: Sie finden solche in dem beyliegenden Blatt sub Lit. C) abgeschrieben. Daß es Schütz ist, wäre schon aus dem Ton und Art klar genug: zudem ist diese Berichtigung mit einer wirklich fast unglaublichen Dummheit abgefaßt.
Theils weil diese Berichtigung an sich nicht geeignet war, irgend etwas zurükzunehmen, da sie vielmehr offenbar darauf abgesehen ist, die Verläumdung gegen mich nur noch auffallender in Umlauf zu setzen, theils weil alle Anstalten zum Druck schon gemacht waren, konnte ich natürlich mit demselben nicht aufhören, ja ich fand bey der Gewißheit Ihrer Zustimmung nicht einmal nöthig, darüber mit Ihnen erst Rücksprache zu nehmen, oder auch mit Goethe, der, da er von der ganzen Sache noch nichts weiß, nur mit großer Mühe erst in den Gesichtspunct hätte versetzt werden können.
Wichtiger war die Überlegung wegen des Gebrauchs der von jener Berichtigung selbst gemacht werden sollte. ‒ Sie mit Stillschweigen zu übergehen war [2] unmöglich: sie ist eine zu offenbare Wirkung Ihres Briefs, sie wirft auf den Zusammenhang des ganzen so viel Licht, und dient als ein so starker Beleg Ihrer, in der Hauptschrift avouierten Meinung, daß Schütz Verfasser der Rec. sey, daß ich der Sache etwas zu vergeben geglaubt haben würde, wenn ich nicht die mir mögliche beste Benuzung davon machen wollte. ‒ An Sie deßhalb noch zu schreiben, war schlechterdings unmöglich; das Blatt, worinn die Berichtigung befindlich, kam mir erst gestern zu Gesicht, und übrigens, da Frommann die ganze Besorgung, Austheilung in Leipzig und Versendung an Buchhändler übernommen hat, ist es von dringender Nothwendigkeit, daß die Schrift künftigen Freytag nach Leipzig abgehe. Es blieb also keine andre Möglichkeit übrig, als die Berichtigung unter den Beylagen abdrucken zu lassen, und die Bemerkungen, die Sie abschriftlich hierbey finden, und die zur Aufklärung der Sache nothwendig waren, von meiner Hand beyzufügen. Ich habe mich in Ansehung derselben, wie Sie selbst finden werden, auf das rein Factische beschränkt und durchaus nichts avouiert, was nicht in Ihrer Schrift schon, und noch bestimmter, ausgesprochen ist. Die Erläuterungen über die einzelnen Puncte will ich von diesem Briefe trennen, und auf einem besondern Blatt nieder[3]schreiben.
Es versteht sich von selbst, daß, sollte in der Sache etwas seyn, das Sie nicht auf sich nehmen zu können glaubten, (obgleich ich dieß nur insofern für möglich halte, als ich die Sache vielleicht wirklich nicht einmal stringent genug genommen habe in der Besorgniß, zu weit herauszugehen), oder sollte es Ihnen scheinen, daß ich Ihre Schreibart zu wenig erreicht habe, als daß Sie diese Bemerkungen für die Ihrigen anerkennen wollten, daß, sage ich, in jedem dieser Fälle ich mich als Verf[asser] bekenne, da die Absicht, das Ganze als rein von Ihnen, ohne Zuthat von mir, verfaßt erscheinen zu lassen, gegenüber von dem Publikum nur insofern Werth haben kann, als sie durch keine höhere verdrängt wird.
Sollten aber diese Bedenklichkeiten nicht eintreten, und Sie wollen im Allgemeinen die Sache auf sich nehmen, so stehen Ihnen noch die zwey Wege offen, entweder dieß ohne weitere Erklärung, oder mit folgender zu thun: daß Sie einem Bevollmächtigten ‒ (als welchen Sie mich alsdann gar nicht zu nennen brauchen) ‒ für alle eintretende Fälle und Alles, was zum Besten der Sache nothwendig wäre, vollkommnes Recht ertheilt haben, in Ihrem Namen zu handeln, und daß, was er gethan, als von Ihnen selbst gethan angesehen werden müsse. ‒ Gewissermaßen hatte ich mir dieses Recht auf den, von mir vorhergesehnen, Fall, daß Schütz, da der Druck nicht [4] nach meinen Wünschen beschleunigt werden konnte, zuvor⌜zu⌝kommen suchen würde, wirklich schon zum Voraus in Gedanken nehmen müssen. Glücklicher Weise hat ihn seine Dummheit, die mit der des Prediger Jenisch ohngefähr gleichgesetzt werden kann, so geleitet, daß sein Zuvorkommen nur gedient hat, ihn selbst noch tiefer zu verwickeln, und die Sache in ein helleres Licht zu setzen.
Die Betrachtung, welche Sie für den lezten Fall bestimmen könnte, wäre, daß sich nach einer Berechnung, die ich Sie anzustellen bitte, finden könnte, daß unmöglich das am 29ten Sept. ausgegebne Int.Blatt in der Zeit nach Berlin gehen, und Ihre Bemerkungen darüber hier ankommen konnten. Bey dieser Berechnung muß jedoch in Anschlag gebracht werden, daß die Schrift in Leipzig nicht eher als von Morgen über 8. Tag, Dienstag den 12. d[ieses] ankommen kann, und daß ich hier kein Exemp[lar] werde in’s Publikum kommen lassen, als höchstens den 14ten dess[elben]. Da ich es Ihnen nun den 1sten d[ieses] schicken, und Ihre Antwort wenigstens den 11ten hier seyn konnte, man auch übrigens im Publikum nicht genau bestimmen kann, wie schnell der Druck nachher vor sich gegangen, und wie schleunig die Versendung nach Leipzig betrieben worden, (wo die Austheilung doch auch erst ⌜frühestens⌝ am 14ten d[ieses] geschehen kann) so fragt sich, inwiefern die Zeit in dieser [5] Berechnung ausreichend gefunden werde?
Sie erhalten mit nächster Freytagspost die ersten Exemplare; entscheiden Sie, ob es rathsam ist vor dem Termin der Bekanntmachung in Leipzig etwas davon dort auszubreiten. Die Auflage ist zu 1000. bestimmt worden; Schreibpapier und 12. Exemp[lare] Velin: Format Medianoctav, Lettern, ⌜lateinisch⌝ ohngefähr 1 oder ½ Grad kleiner als die meiner Zeitschrift, aber im dritten Grad durchschossen ‒ dies alles nach Frommanns Rath, der sich höchst bereitwillig gezeigt und alles gethan hat, was ich von ihm wünschen konnte. Theils die Hinzufügung der Schützischen Berichtigung und der Anmerkungen darüber, theils weil auch noch Röschlaubs Urtheil in der Sache angekommen ist, wird ⌜über⌝ 14. gedruckte Seiten nothwendig machen, so daß, da noch zwey Blätter zum Umschlag und Schmutztitel, da das Ganze bloß gefalzt werden soll, übrig bleiben müssen, das Ganze wohl an 2 Bogen gehen könnte. Es kam mir darauf nicht an, und ich wollte nicht sparen, da ohnehin die Kosten des Satzes dieselben sind und nur die des Papiers höher kommen. Was aus der Lit. Z. abgedruckt wird, wird um es abzusondern mit ganz kleinen Lettern gedruckt, sollten auch noch die Beylagen überhaupt um einen Grad enger [6] durchschossen werden, so kann es auf 1½ Bogen reducirt werden. Hierüber habe ich die Entscheidung Frommannen überlassen, der selbst für das gute Äußere davon besorgt ist.
Hiermit glaube ich Alles diese Sache betreffende gesagt zu haben, und erwarte nun noch für gewiß, am Mittwoch Ihre Billigung der Ihnen vorgeschlagnen Verændrung in Ihrer Schrift, um sie bey der Correctur zu machen zu erhalten.
Um von einigen andern Dingen noch hinzuzusetzen, soviel möglich, versäumen Sie ja nicht, im Original oder in einer Anzeige der Greifswaldischen Blätter die höchst lustige Palinodie Kosegartens zu lesen, der sich von der neuern ästhet[ischen] Schule wieder lossagt, nachdem er vorher mit aller Gewalt nach dem Objectiven u. Naiven gestrebt hat. ‒ Voß ist seit einigen Wochen hier, u. gesonnen sich auch hier niederzulassen.
Goethe wird nächstens Vater, Mephistopheles verheyrathet sich mit einer Fräulein (v. Koppenfels) und Schiller ist in den Reichsadelstand erhoben worden.
Vor 4. Wochen schrieb Ihr Bruder an Frommann, Plato wäre auf der Diligence von Paris. Dieser, der über sämmtliche seine Autoren höchst wüthig, darauf wieder getröstet war, ist nun über die sanfte Allmähligkeit, mit der er anlangt, und darüber, quʼil ne met pas plus de diligence à lui parvenir, aufs Neue in Verzweiflung.
Ihr Heft der Ästhetik macht mir ein unnennbares Vergnügen; es entzückt mich es zu lesen. Einen Theil davon lasse ich wirklich ganz abschreiben, einen andern lese ich mit der Feder in der Hand.
Haben Sie den besten Dank dafür, u. leben Sie wohl.
_
[7] Einige Nachtrœge zur Erläuterung der Bemerkungen.
Ad 1) Diese versteht sich von selbst, und war der Hauptpunct, der herausgehoben werden mußte, um die Identitæt Schützens und des Rec. in’s Licht zu setzen.
Ad 2) Ebenso diese Bemerkung, da die ebenso dumme als wissentliche Lüge, die von so dummen Leuten ist, einzig die Absicht haben konnte, einen Vorwand, der unabhängig von Ihrem Schreiben an Schütz erschiene, zu haben.
Ad 3) Diese schien nothwendig bloß auf den Fall, daß das dort Angegebne geschähe, wegen der enormen Flüchtigkeit der Leser, für die eine zweyte Erklärung über Ihren Brief ordentlich beweisend seyn könnte, und weil, wenn Schütz selbst zu dumm ist, wie ich überzeugt bin, die Dummheit seiner Erklärung einzusehen, andre seyn werden, die ihn darauf aufmerksam machen, so daß, wenn er nicht, wie ich vermuthe, in der festen Überzeugung ist: es sey auf eine gerichtliche Klage angesehen, der hier angenommne Fall wirklich zu erwarten ist.
Ad 4) Auch hier mußte 1) dem Beweis zuvorgekommen werden, den Sch[ütz] aus einem [8] Zeugniß der Drucker führen könnte, die ihm natürlich soviel nur seyn kann zu Gebot sind. Das Lesepublikum ist so flüchtig, daß, wenn versichert wird, das Blatt vom 25ten sey am oder vor dem 24ten schon in Druck gewesen, es nicht daran denkt, daß daraus noch nichts für die einzelne Anzeige folgt. 2) fand ich nöthig den Fall daß ein Rec. genannt würde zu berühren, weil wenn keiner, dann die Sache ganz evident wird, und die Schmach desto sicherer auf Schütz zurükfällt, wenn einer: dieser sicher von Schütz entweder gleich anfänglich oder doch jezt subornirt war, und weil in dem Falle, daß dieser ⌜(Schütz)⌝ die Schmach von sich ab, auf jenen wälzen zu können glaubte, zum Voraus, noch deutlicher, als in Ihrer Schrift, bemerkt sey, daß ein großer, ja der größte Theil derselben nichts desto weniger auf ihm hafte. ‒ Die Rede ist mit Absicht so ‒ zweydeutig ‒ gestellt, daß man sie auf das allgemeine Anweisen des Rec[ensenten] zu einer solchen Anzeige, oder auch auf ein Manœuvre der Art, wie das von Kotzebue bey dem Bahrdt pp gebrauchte, beziehen kann, gerichtlich also die lezte Intention nicht bewiesen werden kann.
Ad 5) Versteht sich von selbst, und enthält nichts, was nicht in Ihrer Schrift schon steht.
⌜Verzeihung der Flüchtigkeit! dieß lezte mußte in großer Eile geschrieben werden.⌝

[9] BEYLAGEN.
A.
Anzeige der Flugschrift: Lob der neuesten Philosophie in der A. L. Z. 1802. No. 225.
B.
Schreiben an Hofrath Schütz von A. W. Schlegel.
C.
Nachtrag zu der Rüge an das Publikum.
„Nachdem voranstehender Brief Freytags den 24ten Sept. Morgens, um alle Ausflüchte von Seiten des Hofrath Schütz abzuschneiden, durch einen sichern Menschen ihm selbst unmittelbar eingehändigt worden war, erschien folgende von dem Recensenten des Lobs d. n. Ph. unterzeichnete
Berichtigung.
In meiner Rec. der Broschüre L. d. n. Ph. welche in der A. L. Z. No. 225. abgedruckt ist, habe ich unter andern Stellen auch folgende ausgehoben
Nur verhüte der Himmelpppp
Anm. (Die ganze Stelle ist wiederholt, u. cursiv gedruckt)⌝
Sollte man glauben, daß es Leute gäbe, die dieses von einem wirklich vorsäzlichen Todschlag, den Hr. Prof. Schelling begangen, verstanden haben. Ich [10] eile also, um solchen Leuten, die nichts verstehen wo möglich, das Verständniß zu öffnen mit dieser Erklärung, daß die angezogne Stelle des Ungenannten, lediglich wie der offenbare Zusammenhang giebt, von einer nach der Sage böser Leute ausgefallenen Kur des Hn. Prof. Schelling zu verstehen sey, und daß ich so wenig als irgend ein andrer vernünftiger Mensch sie anders habe verstehen können und mögen, auch an dieser Sage, die der mir unbekannte Verf[asser] selbst für ein Gerede böser Leute erklärt, nicht den mindesten Antheil habe nehmen, noch solche für glaubhaft oder gegründet habe erklären wollen.“
⌜NB. Diese ganze Berichtigung wie die Rec. wird mit kleinerer Schrift gedruckt.⌝
Hierüber ergeben sich von selbst folgende Anmerkungen.
1) Den 24ten Sept. Morgens erhält Hofrath Schütz das unter B) abgedruckte Schreiben; im Intelligenzblatt vom 25ten Sept. wird die obige Berichtigung des Recensenten eingerückt. Es verdient zu weiterer Erklärung noch angeführt zu werden, daß alle Blätter von einem früheren Datum, als dem der Einhändigung des Schreibens, schon vor dem 24ten ausgegeben waren, und daß, sichern Nachrichten zufolge, das Int.blatt vom Sonnabend, als dem 25ten, erst am darauf folgenden Mittwoch, als dem 29ten Sept. ausgegeben wurde.
2) In der Berichtigung des Recensenten bemerkt man ein offenbares Bestreben, sich das Ansehen der Unabhängigkeit von irgend einer besondern an den [11] Hofrath Schütz ergangnen Erklärung zu geben, und da ihm weder irgend eine öffentliche Rüge seiner Rec. noch das ihm selbst mangelnde Ehrgefühl einen andern Vorwand seiner Berichtigung an die Hand geben konnte, greift er in dieser Rücksicht zu der groben Fiction von Leuten, die das in jener Stelle Enthaltene von einem vorsäzlichen Todschlag verstanden haben.
3) Den Schein der Unabhängigkeit von dem an Hofrath Schütz erlaßnen Schreiben wird dieser ⌜der Berichtigung⌝ des Rec[ensenten] auch noch dadurch geben können, daß er jenes Schreibens hintennach als eines neuen Veranlassungsgrundes einer zweyten Erklärung oder Berichtigung erwähnt, welches als einer fernern möglichen Auskunft zum Voraus zu bemerken nicht überflüssig scheint.
4) Es wird dem Hofrath Schütz frey stehen, zu versichern daß ihm die Rec. wie die Berichtigung von außenher eingesandt worden: es wird aber auch dem Publikum frey stehen, zu glauben, was ihm nach den vorliegenden Umständen als das Wahrscheinlichste vorkommen wird, auch in dem Fall, daß ein unbestimmter Beweis vorgebracht würde, daß das Blatt vom 25ten Sept. vor dem 24ten in der Druckerei gewesen, oder daß selbst wirklich irgend ein obscurer Mensch sich finden sollte, der ⌜sich zu der⌝ Schande der Recens. wie der Berichtigung ⌜wenigstens so weit als sie auf ihn als Recens[enten] fällt, bekennen wollte.⌝
5) Schließlich ist zu bemerken, daß der Rec[ensent] durch seine Berichtigung geständig geworden ist: er habe die in der Stelle des Lobs d. n. Ph. enthaltne ehrenrührige Beschuldigung ⌜ausdrücklich⌝ als eine Sage böser Leute, also mit dem Bewußtseyn, ein Pasquillant zu seyn, in der [12] A. L. Z. abdrucken lassen und durch sie verbreitet.
D.
Folgende Urtheile des Hofrath Marcus in B[amberg] und Prof. Röschlaub in Landshut über den Inhalt jener in dem Lob d. n. Ph. enthaltnen, in der A. L. Z. wiederholten, Verläumdung, sind von ihnen selbst zum Druck mitgetheilt worden.
1.
Urtheil des HR. Marcus.
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2.
Urtheil des Prof. Röschlaub
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