• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: [zwischen 13. und 16.] Oktober 1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: [zwischen 13. und 16.] Oktober 1802
  • Notations: Datum (Tag) sowie Empfangsort erschlossen. – Datierung: s. Kommentar.
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S. 499–500.
  • Weitere Drucke: Plitt, G. L.: Aus Schellings Leben. In Briefen. Bd. 1: 1775‒1803. Leipzig 1869, S. 417‒419.
  • Incipit: „[1] B[erlin] d. 8 Oct. 1802
    Ihren Brief vom 8ten d[ieses] nebst dem Packet mit 50 Ex[emplaren] der Rüge, und den beyden [...]“
    Manuscript
  • Provider: Deutsches Literaturarchiv Marbach
  • Classification Number: A:Schelling 56.1465
  • Number of Pages: 4. S., hs. m. U.
  • Format: 8°
    Language
  • German
[1] B[erlin] d. 8 Oct. 1802
Ihren Brief vom 8ten d[ieses] nebst dem Packet mit 50 Ex[emplaren] der Rüge, und den beyden neuen Heften Ihrer Zeitschrift, habe ich gestern erhalten. Die jetzt wegen der Berichtigung getroffene Auskunft billige ich vollkommen. Der erste Vorschlag war vielleicht mehr für den unmittelbaren Eindruck, bey der jetzt getroffenen Maaßregel kann mir Schütz nicht vorrücken, daß ich seinen Brief geflissentlich verschwiegen und auf seine Versicherung, er sey nicht der Recensent, keine Rücksicht genommen habe.
Ich erwarte nunmehr allerdings die wüthendsten Ausfälle von seiner Seite, und sehe ihnen mit großer Gleichgültigkeit entgegen. Antworten werde ich ihm durchaus nicht, ich habe ihn selbst ehrlos erklärt und kann daher keine Worte mehr mit ihm wechseln. Es müßte in der That eine seltsame Nöthigung eintreten, wenn ich in dieser Sache wieder die Feder ergreifen sollte. Daß er seinen Brief an mich abdrucken läßt, dazu halte ich ihn auch für schamlos und niederträchtig genug. Sie meynen, ich hätte den Brief wieder [2] dahin zurückschicken sollen, von woher ich ihn empfangen. Dieses fiel mir schon deswegen nicht ein, weil er während meiner Abwesenheit angenommen worden war. Es ist wahr, ich hätte nach Lesung desselben ihn wieder versiegeln und an Unger zurückschicken können, mit dem Bedeuten, der Brief sey von der Art, daß ich ihn als nicht empfangen betrachten müsse. Aber was wäre damit gewonnen worden? Schütz würde das »nicht-annehmen-wollen« auf die letzte Anspielung beziehen; und ich wiederhohle es, ich weiß keine andre Art zu verstehen zu geben, daß man so etwas verstanden hat, als körperliche Eindringlichkeiten. Da er auch bey seinen ferneren Ausfällen auf mich, auf bloßes Anspielen sich wird einschränken müssen, um sich nicht in rechtlicher Hinsicht zu sehr in Nachtheil zu stellen, so wird er mich schwerlich auf diese Art nöthigen können, das Schweigen zu brechen.
Sollte Büchler in das Spiel gemischt werden, so versteht sichs von selbst, daß ich Ihnen sogleich eine Abschrift von seiner Krankheitsgeschichte nebst den Beylagen besorge, so wie auch von Ihrem eignen damaligen Berichte. Ich habe nur [3] geglaubt, es sey für jetzt besser, diesem unbekannten Menschen für jetzt keinen Anlaß zu geben, sich mit einer Rechtfertigung vor das Publicum zu drängen, wodurch der verdrießliche Handel nur verlängert werden würde.
Das wäre ja wohl das Nothwendige hierüber. Über die andre Angelegenheit habe ich nichts zu erwiedern, als daß ich das Nöthige erwarte.
Ich schreibe in großer Eil. Die neuen Hefte habe ich natürlich seit gestern noch nicht lesen können, doch sehe ich schon aus dem bloßen Durchblättern das große Interesse derselben u freue mich auf die Lectüre.
Ich bin begierig, welchen Eindruck das Spanische Schauspiel auf Sie machen wird, von Goethe habe ich noch nichts darüber vernommen. Diesen Winter werde ich vermuthlich zum Behuf meiner Vorlesungen noch allerley poetische Stücke aus dem Petrarca, Guarini, Cervantes u.s.w. übersetzen.
Daß Ihnen mein Heft nicht uninteressant ist, muß mich sehr erfreuen. Melden Sie mir doch ob Fernow in Jena ankommt u wirklich liest. Hier haben über sogenannte [4] Ästhetik noch Kiesewetter u Bendavid Vorlesungen angekündigt. Ich fürchte aber die Competenz ganz u gar nicht. Von Merkel hat es auch so geheißen. Er treibt sich wieder herum. Frankfurt hat er nach einem empfangenen u. eingesteckten Affront, nämlich ein paar Ohrfeigen von einem dasigen Steuerrath an der Tafel eines Generals verlassen. Gedicke hat sich sehr für ihn beworben, daß er in Frankf[urt] als Professor möchte angesetzt werden, worauf das Zeugniß der Universität gefodert u ziemlich protestirend ausgefallen seyn soll.
Noch ein lächerlicher Competent mit Vorlesungen ist hier, ein Prof. Harl aus Salzburg, ein weggelaufner Geistlicher, der eine entsprungne Nonne geheirathet hat. Er will über Pädagogik, besonders für Damen lesen, es wäre der Mühe werth, Ihnen die Ankündigung zu schicken, ich lege sie einmal bey einem Packete bey.
Kotzebue ist hier, ich habe aber weder ihn noch sein Taschenbuch, worin er mich ja bedacht haben soll, gesehen.
Leben Sie recht wohl Der Ihrige
AWS.
[1] B[erlin] d. 8 Oct. 1802
Ihren Brief vom 8ten d[ieses] nebst dem Packet mit 50 Ex[emplaren] der Rüge, und den beyden neuen Heften Ihrer Zeitschrift, habe ich gestern erhalten. Die jetzt wegen der Berichtigung getroffene Auskunft billige ich vollkommen. Der erste Vorschlag war vielleicht mehr für den unmittelbaren Eindruck, bey der jetzt getroffenen Maaßregel kann mir Schütz nicht vorrücken, daß ich seinen Brief geflissentlich verschwiegen und auf seine Versicherung, er sey nicht der Recensent, keine Rücksicht genommen habe.
Ich erwarte nunmehr allerdings die wüthendsten Ausfälle von seiner Seite, und sehe ihnen mit großer Gleichgültigkeit entgegen. Antworten werde ich ihm durchaus nicht, ich habe ihn selbst ehrlos erklärt und kann daher keine Worte mehr mit ihm wechseln. Es müßte in der That eine seltsame Nöthigung eintreten, wenn ich in dieser Sache wieder die Feder ergreifen sollte. Daß er seinen Brief an mich abdrucken läßt, dazu halte ich ihn auch für schamlos und niederträchtig genug. Sie meynen, ich hätte den Brief wieder [2] dahin zurückschicken sollen, von woher ich ihn empfangen. Dieses fiel mir schon deswegen nicht ein, weil er während meiner Abwesenheit angenommen worden war. Es ist wahr, ich hätte nach Lesung desselben ihn wieder versiegeln und an Unger zurückschicken können, mit dem Bedeuten, der Brief sey von der Art, daß ich ihn als nicht empfangen betrachten müsse. Aber was wäre damit gewonnen worden? Schütz würde das »nicht-annehmen-wollen« auf die letzte Anspielung beziehen; und ich wiederhohle es, ich weiß keine andre Art zu verstehen zu geben, daß man so etwas verstanden hat, als körperliche Eindringlichkeiten. Da er auch bey seinen ferneren Ausfällen auf mich, auf bloßes Anspielen sich wird einschränken müssen, um sich nicht in rechtlicher Hinsicht zu sehr in Nachtheil zu stellen, so wird er mich schwerlich auf diese Art nöthigen können, das Schweigen zu brechen.
Sollte Büchler in das Spiel gemischt werden, so versteht sichs von selbst, daß ich Ihnen sogleich eine Abschrift von seiner Krankheitsgeschichte nebst den Beylagen besorge, so wie auch von Ihrem eignen damaligen Berichte. Ich habe nur [3] geglaubt, es sey für jetzt besser, diesem unbekannten Menschen für jetzt keinen Anlaß zu geben, sich mit einer Rechtfertigung vor das Publicum zu drängen, wodurch der verdrießliche Handel nur verlängert werden würde.
Das wäre ja wohl das Nothwendige hierüber. Über die andre Angelegenheit habe ich nichts zu erwiedern, als daß ich das Nöthige erwarte.
Ich schreibe in großer Eil. Die neuen Hefte habe ich natürlich seit gestern noch nicht lesen können, doch sehe ich schon aus dem bloßen Durchblättern das große Interesse derselben u freue mich auf die Lectüre.
Ich bin begierig, welchen Eindruck das Spanische Schauspiel auf Sie machen wird, von Goethe habe ich noch nichts darüber vernommen. Diesen Winter werde ich vermuthlich zum Behuf meiner Vorlesungen noch allerley poetische Stücke aus dem Petrarca, Guarini, Cervantes u.s.w. übersetzen.
Daß Ihnen mein Heft nicht uninteressant ist, muß mich sehr erfreuen. Melden Sie mir doch ob Fernow in Jena ankommt u wirklich liest. Hier haben über sogenannte [4] Ästhetik noch Kiesewetter u Bendavid Vorlesungen angekündigt. Ich fürchte aber die Competenz ganz u gar nicht. Von Merkel hat es auch so geheißen. Er treibt sich wieder herum. Frankfurt hat er nach einem empfangenen u. eingesteckten Affront, nämlich ein paar Ohrfeigen von einem dasigen Steuerrath an der Tafel eines Generals verlassen. Gedicke hat sich sehr für ihn beworben, daß er in Frankf[urt] als Professor möchte angesetzt werden, worauf das Zeugniß der Universität gefodert u ziemlich protestirend ausgefallen seyn soll.
Noch ein lächerlicher Competent mit Vorlesungen ist hier, ein Prof. Harl aus Salzburg, ein weggelaufner Geistlicher, der eine entsprungne Nonne geheirathet hat. Er will über Pädagogik, besonders für Damen lesen, es wäre der Mühe werth, Ihnen die Ankündigung zu schicken, ich lege sie einmal bey einem Packete bey.
Kotzebue ist hier, ich habe aber weder ihn noch sein Taschenbuch, worin er mich ja bedacht haben soll, gesehen.
Leben Sie recht wohl Der Ihrige
AWS.
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