Werthester Freund!
Verzeihen Sie, daß ich so lange, Anfangs über Zerstreuungen, nachher über Geschäften versäumt habe, Ihnen mein Andenken schriftlich zu erneuern. Die Nachrichten, welche mir meine Freundin aus einem freundschaftlichen Briefe von Ihnen an sie mitgetheilt hat, von Ihrem Aufenthalte auf dem Lande nach der verdrießlichen Messe, von Ihrem und Ihrer Familie Wohlseyn, haben mir große Freude gemacht. Sie wissen wohl, daß ich nie aufhören kann, lebhaften Antheil an Ihnen zu nehmen. Mir ist es, seit ich Leipzig verließ, ungemein wohl gegangen, ich habe eine Menge interessante Bekanntschaften gemacht, und hier allgemein die beste Aufnahme gefunden, und Jena wird für jetzt mein bleibender Aufenthalt. – Mancherley Umstände in meiner hiesigen Lage machten es rathsam, meine Verbindung mit Carolinen noch mehr zu beschleunigen. In wenigen Tagen reise ich nach Braunschweig und bin in weniger als zwey Wochen, von jetzt an gerechnet, schon wieder mit ihr in Jena. Sie kennen vielleicht die hiesige Gegend – sie ist artig und wir werden auf einem Gartenhause wohnen, das eine sehr hübsche Aussicht hat.
In Weimar war ich noch nicht: ich hatte einen großen Reiz weniger hinzugehn, da Wieland abwesend, und Göthe den größten Theil der Zeit hier gewesen ist. Ich werde aber noch vor der Reise nach Braunschweig hingehen, und mich alsdann mit HE. Böttiger über die Ausgabe des Propertius besprechen. Deswegen habe ich Ihnen auch seinen Prospectus zu der ganzen Unternehmung noch nicht wieder zurückgeschickt. Ich habe hier allerley erfahren, was mich befürchten macht, daß es mit dem Buchhändler Michaelis nicht allzu gut steht. Sollten Sie etwas ihn betreffend erfahren, so werden Sie mich recht sehr verbinden, wenn Sie es mir mittheilen wollen. Noch habe ich ihm kein Manuskript von Shakespeare geschickt, und ich muß gestehen, ich schöbe es gern so lange auf, bis ich über seine Lage beruhigt seyn könnte.
Meine Übersetzung des Romeo hat bei Göthen, dem ich sie ganz vorgelesen, großen Befall gefunden.
Bey dem Aufenthalte in Leipzig habe ich vergessen, meine Schuld wegen der Handausgabe von Wielands Werken abzutragen, und mir die seitdem erschienene Lieferung auszubitten. Es kann ja nun wohl auf Michaelis in Ordnung gebracht werden, wo sich vielleicht Meßgelegenheit findet. Noch eine Bitte. In den Jahren 60–67 sind in Leipzig (es ist mir entfallen bey welchem Buchhändler) und zugleich in Kopenhagen die Werke meines Oheims Johann Elias Schlegel, der besonders als dramatischer Dichter bekannt gewesen ist, in fünf Bänden groß Oktav, verlegt worden. Es läge mir sehr daran ein Exemplar davon zu haben. Wollten Sie darnach herum fragen? Wenn es irgendwo sich noch in Buchläden findet, so muß es in Leipzig seyn. Dyk wird wohl Bescheid davon wissen.
Leben Sie recht wohl und vergnügt mein werthester Freund, und empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste Ihrer lieben Frau.
Ganz der Ihrige
A. W. Schlegel
Meine Addresse ist: an den Rath Schlegel in Jena.
Vielleicht wissen Sie schon aus der Litt. Zeitung, daß mir der Fürst von Schwarzburg Rudolstadt diesen Titel ertheilt hat.