• August Wilhelm von Schlegel to Johann Diederich Gries

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 23.07.1803
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Diederich Gries
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 23.07.1803
  • Notations: Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 157‒159.
  • Incipit: „[1] Berlin1) d. 23ten Jul 1803
    Es war mir sehr erfreulich, mein werthester Freund, heute ganz unerwartet einmal wieder einen Brief von [...]“
    Manuscript
  • Provider: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
  • Classification Number: SUB Hamburg : CS 4 : Schlegel AW : 19‒21
  • Number of Pages: 6 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
    Language
  • German
[1] Berlin1) d. 23ten Jul 1803
Es war mir sehr erfreulich, mein werthester Freund, heute ganz unerwartet einmal wieder einen Brief von Ihnen zu empfangen. Ich bedaure nur, daß der Jon so spät zu Ihnen gelangt ist, den Sie nach meiner Absicht früher hätten erhalten sollen.
Von Ihrem Unternehmen mit dem Ariost hatte ich schon etwas gehört: ich wünsche den besten Fortgang und vor allem ausdauernde Geduld und gute Laune. Wenn es einem Veteranen erlaubt ist, Ihnen einen Rath zu ertheilen, so möchte ich Sie ermahnen mit Sprache und Versbau recht dreist zu Werke zu gehen, und sich innerhalb der Gränzen, über die wir beyde einverstanden sind, auf keine Weise zu beschränken, auch nicht in Ansehung der männlichen und weiblichen Reime. – Was Sie etwa von meinem übersetzten Gesange gebrauchen können, ist Ihnen gern erb- und eigenthümlich überlassen.
[2] Um sogleich auf Ihre Anfrage zu antworten, so habe ich leider unterlassen bey meinem Shakspeare einen ausdrücklichen Vertrag über die Stärke der Auflage zu schließen. So viel ich habe erfahren können sind zuerst etwa 1200 Exemplare und davon 100 auf Velin, seit dem 3ten Bande aber 150 auf Velin, vielleicht 1200 Schreibpapier und dann noch ein paar hundert auf Druckpapier gedruckt worden, so daß die ganze Zahl sich wenigstens auf 1800 Exemplare beläuft. – 1000 gewöhnliche Exemplare und 100 auf Velin ist immer schon eine hübsche Auflage, so ist auch die von meinem Spanischen Theater bedungen. Wenn Sie dieses gelesen haben, so wird Ihnen einleuchtend geworden seyn, daß man im Fach der poetischen Übersetzungen unermüdlich arbeiten kann, ohne einander in den Weg zu kommen. Vom Calderon giebt es 108 Stücke, (die allegorischen nicht mit gerechnet) worunter der größere Theil nicht weniger vortrefflich ist, als die hier gewählten, die übrigen Spanischen Dramatiker nicht zu erwähnen. Sie sehen also, daß ich mir [3] hier ebenfalls die Bahn zu einer Weltumseglung eröffnet habe, die noch unübersehbarer ist, als die ihrige mit dem Ariost. Nehmen Sie dazu, daß ich den Shakspeare gewiß vollende und mit Eifer darauf bedacht bin. Es scheint also, wir haben uns in das dramatische und epische Fach getheilt. Im letzten habe ich in Octaven und im ernsten heroischen Tone noch nichts selber versucht, durch Camoens könnte ich vielleicht dazu veranlaßt werden, und dann würde ich eher im Stande seyn, gründlich über Ihren Tasso zu sprechen.
Doch das scheint mir ausgemacht, daß durch alle diese Arbeiten neue Quellen in der Sprache geöffnet werden, und daß sich schon jetzt vieles bewerkstelligen läßt, was vor wenigen Jahren noch geradezu unmöglich war.
Ich will nicht hoffen, daß ich durch meine Sonette aus dem Petrarca ein so hartes und unverdientes Gericht verursacht haben sollte; wenigstens scheint mir das Ihrem Brief beygelegte ungemein gut gelungen. Es ist [4] grade eins von den schwierigen, wegen der Bizarrerie der Reime und Ausdrücke. Sie haben sehr glücklich die Wörter des zweyten Reims beybehalten, das auffallende des ersten bezeichnet, und selbst die abweichende Stellung des Terzets beobachtet. Ich vermisse bloß den Zeus ungern, und möchte da eine kleine Änderung vorschlagen, etwa mit entlade. – Sie wissen vielleicht, daß ich jetzt eben auf dem Punkte bin, ein Taschenbuch herauszugeben unter dem Titel: Blumensträuße Italiänischer, Spanischer, Portugiesischer Poesie. Ich bitte Sie daher um Erlaubniß das übersandte Sonett darin einrücken zu dürfen, noch mehr würden Sie mich verbinden, wenn Sie mir auch die übrigen deren Sie erwähnen, als Beytrag dazu schicken wollten. Sonst rührt zwar in diesem Taschenbuche alles von mir her, aber gerade beym Petrarca habe ich schon ein paar von Freunden übersetzte Stücke. Ich habe verschiedne Canzonen übersetzt und noch mehr Sonette als Sie kennen, ich möchte gern eine etwas bedeutende Masse von diesem Dichter geben.
Übrigens werden Sie aus diesem Taschen[5]buche schöne Sachen von Spaniern und von Camoens kennen lernen, wenn sie anders in der Übersetzung noch schön geblieben sind. Wollen Sie mir aber jene Beyträge schenken, so müßte ich sie mir ohne allen Aufschub erbitten, denn der Druck fängt nächstens an. Melden Sie zugleich, wie es mit Ihrem Namen dabey gehalten werden soll. Es freut mich, daß Sie nichts in die Polychorda [geben], die, wo ich nicht irre, Sie auch mit in die Ankündigung gezogen hatte. Ich glaube, man ist bey der Wahl des Titels auf die ursprüngliche Bedeutung von chorda zurückgegangen, welches Darm heißt; und da im Altdeutschen Barm ebenfalls Gedärm bedeutet, so wird es wohl auf etwas erbärmliches hinauslaufen.
Leben Sie recht wohl und behalten Sie mich in gutem Andenken.
Ihr
A. W. Schlegel
Von Shakspeare habe ich 20 Frey-Exemplare erhalten, 10 Schreibpapier und 10 Velin.
[6] Von hiesigen Buchhändlern weiß ich jetzt keinen, von dem sonderlich viel für ein solches Unternehmen wie das mit dem Ariost zu erwarten stünde, außer HE. Reimer der mein Verleger beym Spanischen Theater ist, und ich glaube, er wird jetzt ziemlich besetzt seyn.
Doch sind mir von Seiten der Voßischen Buchhandlung verschiedentlich Anträge gekommen, dort etwas dieser Art in Verlag zu geben. Wenn Sie mir Aufträge ertheilen wollen, werde ich sie mit allem Eifer besorgen.

1) Im Original: Jena.
[1] Berlin1) d. 23ten Jul 1803
Es war mir sehr erfreulich, mein werthester Freund, heute ganz unerwartet einmal wieder einen Brief von Ihnen zu empfangen. Ich bedaure nur, daß der Jon so spät zu Ihnen gelangt ist, den Sie nach meiner Absicht früher hätten erhalten sollen.
Von Ihrem Unternehmen mit dem Ariost hatte ich schon etwas gehört: ich wünsche den besten Fortgang und vor allem ausdauernde Geduld und gute Laune. Wenn es einem Veteranen erlaubt ist, Ihnen einen Rath zu ertheilen, so möchte ich Sie ermahnen mit Sprache und Versbau recht dreist zu Werke zu gehen, und sich innerhalb der Gränzen, über die wir beyde einverstanden sind, auf keine Weise zu beschränken, auch nicht in Ansehung der männlichen und weiblichen Reime. – Was Sie etwa von meinem übersetzten Gesange gebrauchen können, ist Ihnen gern erb- und eigenthümlich überlassen.
[2] Um sogleich auf Ihre Anfrage zu antworten, so habe ich leider unterlassen bey meinem Shakspeare einen ausdrücklichen Vertrag über die Stärke der Auflage zu schließen. So viel ich habe erfahren können sind zuerst etwa 1200 Exemplare und davon 100 auf Velin, seit dem 3ten Bande aber 150 auf Velin, vielleicht 1200 Schreibpapier und dann noch ein paar hundert auf Druckpapier gedruckt worden, so daß die ganze Zahl sich wenigstens auf 1800 Exemplare beläuft. – 1000 gewöhnliche Exemplare und 100 auf Velin ist immer schon eine hübsche Auflage, so ist auch die von meinem Spanischen Theater bedungen. Wenn Sie dieses gelesen haben, so wird Ihnen einleuchtend geworden seyn, daß man im Fach der poetischen Übersetzungen unermüdlich arbeiten kann, ohne einander in den Weg zu kommen. Vom Calderon giebt es 108 Stücke, (die allegorischen nicht mit gerechnet) worunter der größere Theil nicht weniger vortrefflich ist, als die hier gewählten, die übrigen Spanischen Dramatiker nicht zu erwähnen. Sie sehen also, daß ich mir [3] hier ebenfalls die Bahn zu einer Weltumseglung eröffnet habe, die noch unübersehbarer ist, als die ihrige mit dem Ariost. Nehmen Sie dazu, daß ich den Shakspeare gewiß vollende und mit Eifer darauf bedacht bin. Es scheint also, wir haben uns in das dramatische und epische Fach getheilt. Im letzten habe ich in Octaven und im ernsten heroischen Tone noch nichts selber versucht, durch Camoens könnte ich vielleicht dazu veranlaßt werden, und dann würde ich eher im Stande seyn, gründlich über Ihren Tasso zu sprechen.
Doch das scheint mir ausgemacht, daß durch alle diese Arbeiten neue Quellen in der Sprache geöffnet werden, und daß sich schon jetzt vieles bewerkstelligen läßt, was vor wenigen Jahren noch geradezu unmöglich war.
Ich will nicht hoffen, daß ich durch meine Sonette aus dem Petrarca ein so hartes und unverdientes Gericht verursacht haben sollte; wenigstens scheint mir das Ihrem Brief beygelegte ungemein gut gelungen. Es ist [4] grade eins von den schwierigen, wegen der Bizarrerie der Reime und Ausdrücke. Sie haben sehr glücklich die Wörter des zweyten Reims beybehalten, das auffallende des ersten bezeichnet, und selbst die abweichende Stellung des Terzets beobachtet. Ich vermisse bloß den Zeus ungern, und möchte da eine kleine Änderung vorschlagen, etwa mit entlade. – Sie wissen vielleicht, daß ich jetzt eben auf dem Punkte bin, ein Taschenbuch herauszugeben unter dem Titel: Blumensträuße Italiänischer, Spanischer, Portugiesischer Poesie. Ich bitte Sie daher um Erlaubniß das übersandte Sonett darin einrücken zu dürfen, noch mehr würden Sie mich verbinden, wenn Sie mir auch die übrigen deren Sie erwähnen, als Beytrag dazu schicken wollten. Sonst rührt zwar in diesem Taschenbuche alles von mir her, aber gerade beym Petrarca habe ich schon ein paar von Freunden übersetzte Stücke. Ich habe verschiedne Canzonen übersetzt und noch mehr Sonette als Sie kennen, ich möchte gern eine etwas bedeutende Masse von diesem Dichter geben.
Übrigens werden Sie aus diesem Taschen[5]buche schöne Sachen von Spaniern und von Camoens kennen lernen, wenn sie anders in der Übersetzung noch schön geblieben sind. Wollen Sie mir aber jene Beyträge schenken, so müßte ich sie mir ohne allen Aufschub erbitten, denn der Druck fängt nächstens an. Melden Sie zugleich, wie es mit Ihrem Namen dabey gehalten werden soll. Es freut mich, daß Sie nichts in die Polychorda [geben], die, wo ich nicht irre, Sie auch mit in die Ankündigung gezogen hatte. Ich glaube, man ist bey der Wahl des Titels auf die ursprüngliche Bedeutung von chorda zurückgegangen, welches Darm heißt; und da im Altdeutschen Barm ebenfalls Gedärm bedeutet, so wird es wohl auf etwas erbärmliches hinauslaufen.
Leben Sie recht wohl und behalten Sie mich in gutem Andenken.
Ihr
A. W. Schlegel
Von Shakspeare habe ich 20 Frey-Exemplare erhalten, 10 Schreibpapier und 10 Velin.
[6] Von hiesigen Buchhändlern weiß ich jetzt keinen, von dem sonderlich viel für ein solches Unternehmen wie das mit dem Ariost zu erwarten stünde, außer HE. Reimer der mein Verleger beym Spanischen Theater ist, und ich glaube, er wird jetzt ziemlich besetzt seyn.
Doch sind mir von Seiten der Voßischen Buchhandlung verschiedentlich Anträge gekommen, dort etwas dieser Art in Verlag zu geben. Wenn Sie mir Aufträge ertheilen wollen, werde ich sie mit allem Eifer besorgen.

1) Im Original: Jena.
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