Hochgebohrner Herr Graf!
Schon längst nahm ich mir vor, an Sie zu schreiben, um Ihnen zu bezeugen, wie die großmüthige Gewogenheit, womit Sie mich so zuvorkommend überhäuften, zu den werthesten und unvergeßlichsten Erinnerungen meines Lebens gehört. Allein ich hätte gewünscht, Ihnen zugleich die Nachricht ertheilen zu können, daß meine bewunderte Gönnerin den nächsten Winter wieder in Wien zubringen werde, und leider ist es jetzt zweifelhafter als je geworden, ob die Ausführung dieses schönen Planes nicht unter die große Zahl der frommen Wünsche, welche unerfüllt bleiben, gestellt werden muß. Sie wissen, wie in den jetzigen Zeiten mancherley Rücksichten es oft unmöglich machen, sogar über die nächste Zukunft sich im voraus zu bestimmen.
Unterdessen lasse ich meine Vorlesungen drucken, die ich hoffentlich in wenigen Monaten Ihnen zuzusenden die Ehre haben werde. Einen so glänzend ehrenvollen Erfolg, als den, welcher mir damit in Wien, großentheils durch Ihre gewichtige Verwendung, zu theil wurde, kann ich nun wohl nicht zum zweytenmale hoffen. Indessen ist mir dabey die Gelegenheit unendlich erwünscht, über die Aufnahme, die [2] ich, von des Kaisers Majestät und der Erherzoge Kaiserlichen Hoheiten an, bey den Ersten und Edelsten Wiens gefunden, meine Gesinnungen öffentlich aus vollem Herzen zu äußern.
Seit ich die glücklichen österreichischen Staaten verließ, habe ich beynahe ganz Deutschland durchreist, und überall ein unglückliches Volk gefunden, das wie eine zerstreute Heerde in der Irre geht, und dem es leider noch immer an klaren Einsichten über den einzig möglichen Rückweg zu seinem Heile gebricht. Unterdessen vertiefen sich unsere Gelehrten in die müßigsten und ertödtendsten Speculationen, oder sie sind wie dienstbare Krämer bereit, die neu herbeygeschaffte Waare handwerksmäßig verfertigter Gesetze und unpassender Einrichtungen durch ihren Unterricht feil zu bieten.
Gewiß könnte durch bessere, wache und deutschgesinnte Schriftsteller viel gutes gewirkt oder wenigstens vorbereitet werden, wenn die so oft misbrauchte Presse auch einmal benutzt würde, der lange überschrieenen und unterdrückten Wahrheit Luft zu machen und zwar von dort aus, wo dieß einzig in deutschredenden Landen noch möglich ist. Es würde mein höchster Ehrgeiz seyn, zu einem so großen Zwecke nach dem Maaß meiner Kräfte mitzuwirken.
Die lebhaftesten Danksagungen habe ich Ihnen, Hochgebohrner Herr Graf, zu machen, für den aufmunternden Empfang, womit Sie meinem Bruder entgegengekommen sind. Er schreibt [3] mir, ihm seyen so eben während Ihrer Abwesenheit Schwierigkeiten wegen der Fortdauer seines Aufenthaltes in Wien gemacht worden. Ich stelle mir vor, dieß wird nur eine Förmlichkeit gewesen, und das Misverständniß hoffentlich schon gehoben seyn. Denn unmöglich kann irgend eine Behörde einen Fremden ungern in der Hauptstadt sehen, welchen der Monarch selbst aufgemuntert hat dahin zu kommen. Seine Kaiserliche Majestät hatten die Gnade, als ich meinen Bruder wegen seiner vorhabenden Reise dem allerhöchsten Schutze empfahl, zu äußern: „Sie wüßten, daß unsre Gesinnungen gut seyen; Sie genehmigten vorläufig die angesuchte Zueignung des historischen Schauspieles über Carl V; mein Bruder werde für das Studium der österreichischen Geschichte in Wien viele handschriftliche Quellen benutzen können.“ Gewiß kann man nicht leicht einen größeren Beweis von Zutrauen geben als den, welchen ich hiedurch für meinen Bruder zu erlangen das Glück hatte.
Sollten misdeutete Stellen aus längst vergeßnen Jugendschriften gegen ihn benutzt worden seyn, so werden Sie, als ein tiefer Kenner der Weltverhältnisse, dieß selbst gehörig zu würdigen und bey Andern in das rechte Licht zu stellen wissen. Kurz vor meiner Abreise nahm ich mir die Freyheit, Sie auf eine Wiener Zeitschrift aufmerksam zu machen, welche sich dieses Kunstgriffes unaufhörlich in gehäßigen Absichten bedient, und unter anderm bey meiner Beschreibung der Vermählungsfeyer die [4] schuldige Ehrerbietung gegen die Regierung und den Hof gar sehr aus den Augen gesetzt hatte. Ich für meine Person bin es gewohnt, durch unwürdige Verdrehungen angegriffen zu werden und dabey zu schweigen: allein es schmerzt mich, wenn das Gute, das man wirken könnte, durch die neidischen Bestrebungen der talentlosen Unwissenheit gehemmt wird.
Verzeihen Sie, daß ich es wage, Sie nochmals von unsern Angelegenheiten mit jener zutraulichen Offenheit zu unterhalten, der Sie so oft ein geneigtes Ohr zu leihen pflegten. Der ruhmvolle Name, welchen Sie führen, erweckt sogleich den Begriff altdeutscher Biederkeit, und der erste Augenblick des Umganges mit Ihnen bestätigt diese vorgefaßte Meynung bis zur vollsten Überzeugung. Empfangen Sie die Versicherung der ehrerbietigen und dankbaren Gesinnungen, womit ich nie aufhören werde zu seyn
Ew. Hochgebohren
gehorsamster
A. W. Schlegel
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