Ich weiß nicht, was Ihrem Briefe begegnet seyn muß, liebe Freundin, er ist über 14 Tage unterwegs gewesen, ich habe ihn erst ganz vor kurzem erhalten. Zuvörderst antworte ich Ihnen in Betreff des kleinen Anliegens, worüber Sie mir Ihr Zutrauen schenken; und möchte ich es nach Ihrem Wunsche können! Aber leider muß ich zu meiner Beschämung und meinem Verdruß gestehen, daß es mich in einem Augenblicke trifft, wo ich gerade nicht im Stande bin, einen so unbedeutenden Dienst zu leisten. Niemals ist es mir verdrießlicher gewesen, nicht bey Vorrath zu seyn. Damit Sie nicht etwa glauben, es mangle mir an gutem Willen, – doch ich darf wohl kaum diesen Argwohn von Ihnen besorgen, – will ich Ihnen anvertrauen, daß ich ebenfalls nicht bloß für mich zu sorgen habe. Verschiedne mir auf das nächste befreundete Personen haben entweder durch den Zustand meines Vaterlandes an ihren Einkünften sehr eingebüßt, oder sind sonst in schlimmen Lagen, so daß ich eintreten muß, um die Schuld des Glückes an ihnen wieder gut zu machen. Dieß hat für jetzt meine Mittel erschöpft. Hätten Sie es mir nur früher gemeldet, so hätte ich [2] Maaßregeln deßfall nehmen können. Jetzt aber ist der Zeitraum gar zu kurz. Kann es Ihnen in ein paar Monaten noch nützlich seyn, gegen Ende Februars, so werde ich mir eine Freude aus dieser unbedeutenden Dienstleistung machen.
Seyn Sie mir nur um des Himmels willen nicht böse, ich bin verdrießlich genug auf mich selbst. Es würde mich doppelt schmerzen in einem Augenblicke, wo die unbefangne Schilderung Ihrer Lage, Ihrer Sanftmuth bey mancher Anfechtung, Ihrer stillen Bestrebungen Ihr Loos ohne jemandes Nachtheil zu bessern, Ihrer mütterlichen Liebe und Sorge für die Ihrigen, mich mit wahrer Theilnahme erfüllt und ganz für Sie gewinnt. Fahren Sie nur so fort, der Segen kann nicht ausbleiben. Wie würde es mich freuen, in Paris zu wohnen und zur Annehmlichkeit Ihres Lebens etwas beytragen zu können. Doch hoffe ich nächsten Sommer oder Herbst wenigstens einige Wochen dort zum Besuche zu seyn, und der artigen kleinen Freundin zu beweisen, daß meine Kräfte jetzt ganz wider meinen Willen hinter meinem Eifer zurückbleiben. Schreiben Sie mir recht bald wieder um mich über Ihre Stimmung zu beruhigen.
Friedrich erkundigt sich mit vielem Antheil darnach, wie es Ihnen geht. Leider hat er selbst immer [3] noch mit Schwierigkeiten und Sorgen zu kämpfen. Seine Frau ist ihm über Dresden nach Wien gefolgt, und sie bringen dort den Winter zusammen zu.
Es ist tausendmal Schade, wenn häusliches Ungemach Sie hindert, Ihr schönes Talent auszuüben. Ich habe noch nichts von Ihnen gelesen, was mir so viel Vergnügen gemacht hätte als die Winternacht in Arabien. Sie ist mit leichter Fülle lieblich hingegossen, ich möchte sagen hingehaucht. Auch im Versbau und Ausdruck haben Sie wie mich dünkt, sehr gewonnen: ich wüßte an diesem Stück selbst in Kleinigkeiten fast nichts auszustellen.
Mit dem Prometheus, das kommt zu spät. Ungeachtet aller Mühe, die ich mir in Wien gab ihm das Leben zu fristen, ist seine Fackel erloschen. Herausgeber und Verleger haben sich überworfen, und ich glaube, es wird wohl bey dem zuletzt erschienenen sechsten Stücke sein Bewenden haben. Wer ist denn der Hr. Pilat, der Sie bewogen hat dem Prometheus etwas zu bestimmen?
Dergleichen Sachen wie die Winternacht müßten, wie ich denken sollte, Cotta für sein Morgenblatt sehr willkommen seyn. Freylich müssen Sie sich dabey ausbedingen, daß er sie gehörig bezahlt. [4] Frau von St.[aël] war ganz entzückt von Ihrer aus dem Persischen übersetzten Ode, und hat sie mit vielem Rühmen in ihrem Kreise mitgetheilt.
Nun, liebes und liebenswürdiges Kind, leben Sie recht wohl, bleiben Sie freundlich gegen mich gesinnt und schreiben Sie mir bald wieder.