Hochgeehrtester Herr und Freund!
Sie werden mein langes Stillschweigen auf Ihren Brief vom 6ten Mai sich schon erklärt, und werden es entschuldigt haben, sobald Sie aus den öffentlichen Blättern erfuhren, daß ich eine Freundin verlohren, mit der ich seit dreyzehn Jahren alle Schicksale zu theilen gewohnt war. Unmittelbar nach ihrem Tode bin ich nach der Schweiz gereist, und erst jetzt nach meiner Zurückkunft gewinne ich Fassung und Ruhe genug, die alten Schulden meines Briefwechsels abzutragen.
Über den Grad der Anerkennung als Schriftsteller, der mir in Deutschland zu Theil geworden, will ich mit Ihnen nicht streiten: es muß mir ja schmeichelhaft seyn, wenn Sie Recht haben. Nur das darf ich sagen, daß diese Anerkennung immer unfruchtbar für mich geblieben ist, und mir weder Annehmlichkeit noch Vortheil verschafft hat.
Ihre Anerbietungen sind aller Ehren werth, und ich bin weit entfernt, meine Foderungen höher steigern zu wollen. Nach dem allgemeinen Maaße des Ertrages schriftstellerischer Arbeiten in Deutschland, läßt sich, wie mich dünkt, nicht mehr erwarten noch begehren.
So sehr ich es wünsche, kann ich dennoch für jetzt noch keine nahen Versprechungen in Absicht auf die Fortsetzung des Shakspeare geben. Den Winter bin ich genöthigt in Paris zuzubringen; weiter hinaus [2] habe ich noch keine bestimmten Plane. Ich kann nicht voraussehen, in welche neue Lagen ich durch die Zerstörung meiner bisherigen Verhältnisse einzutreten mich bewogen finden dürfte, und ob meine künftige Lebensweise der dichterischen Muße vortheilhaft oder nachtheilig seyn wird.
Wenn die Übersetzung des Shakspeare wieder gedeihen soll, so muß ich mich eine geraume Zeit ausschließend dieser Arbeit widmen können, sonst werde ich niemals die ehemalige Fertigkeit wieder gewinnen. Ich weiß wie viele Zeit mich der Richard III und der erste Aufzug von Heinrich VIII gekostet hat. Und die Schwierigkeit ist eben, für einen solchen Zeitraum allen andern Thätigkeiten zu entsagen, und zugleich alle Störungen abzuwehren. Glauben Sie indessen, daß ich so sehr als andre Rücksichten es mir irgend erlauben, auf die Vollendung dieser Arbeit bedacht seyn werde, die mir selbst am Herzen liegt. Ich danke Ihnen bestens für die Zeichnungen von Cornelius, die ich jedoch noch nicht Gelegenheit hatte zu sehen; vermuthlich hat die Mohr- und Wintersche Buchhandlung das mir bestimmte Exemplar erst nach dem Abgang ihrer letzten Büchersendung empfangen. Meine Arbeit über die Nibelungen, die geschichtliche Untersuchung nämlich, und eine kritische und mit [3] erklärenden Anmerkungen begleitete Ausgabe des Gedichtes, hoffe ich gewiß zu Stande zu bringen, wenn mir der Himmel Gesundheit und Muße dazu verleihet. Die vielen unreifen Schriften, welche darüber immerfort in Deutschland erscheinen, haben mir dieses Unternehmen immer noch nicht verleiden können. Aber ich möchte dem Ganzen ein würdiges Äußres geben, wie es sich für ein solches Denkmal gebührt: Quartformat, großer und saubrer Druck, der Text des Gedichtes in gothischen Buchstaben, dergleichen man in England sehr schöne hat, wovon man den nöthigen Vorrath müßte verschreiben lassen. Glauben Sie, daß sich dieß anders als auf Subscription unternehmen ließe? Sagen Sie mir doch Ihre Meynung hierüber.
Leben Sie recht wohl. Ich wünsche etwas erfreuliches von Ihrem Befinden und dem Fortgange Ihrer Unternehmungen zu erfahren. Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel
Adresse:
à Paris, chez Mr le Duc de Broglie
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