Morgens um 7 Uhr
Geliebte Sophie!
Deinen Brief vom 10ten Nov. habe ich gestern Mittag empfangen, und kann Dir nicht sagen, wie er mich verstört hat. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, mit verzweiflungsvollen Gedanken gerungen, und bin in einem fieberhaften Zustande. Meine Hand zittert beym Schreiben. Wenn ich durch den Schmerz über Deine veränderte Gesinnung krank würde, – hier wo ich mich hinbegeben habe und mich tausend Unbequemlichkeiten unterziehe, bloß in der Absicht Dir eine angenehme Zukunft zu sichern, – hier wo ich einsam und verlassen von allen mir befreundeten Wesen bin, – es würde Dich gereuen. Ich sende Dir mit Auslassung des Unwesentlichen eine Abschrift Deiner beyden Briefe. Was ist denn nun zwischen dem ersten und zehnten November vorgefallen, das Dich so verwandeln konnte? Mein Brief von Neuwied. Mir sind die Worte nicht gegenwärtig, aber ich bin mir bewußt, daß er meiner Absicht nach nichts als gutes und liebes enthielt, wie ich denn auch nichts anders für Dich im Herzen trage. Deine Klage über meine vornehmen Launen in den letzten Tagen unsers Beysammenseyns widerlegt sich selbst. Würdest Du mir, wenn Du da[2]mals diese Klage auf der Seele gehabt hättest, wenige Stunden nach meiner Abreise einen so zärtlichen Brief nachgesendet haben? Ich habe Deine Thränen beym Abschiede gesehen, und Du hast mir mündlich ganz andre Zeugnisse, ganz andre Zusicherungen für die Zukunft gegeben.
Leide ich nicht schon genug durch diese grausame Trennung? Kannst Du es über Dich gewinnen, mir noch aus der Ferne durch den herben Ausdruck Deiner Kälte Schmerzen zu bereiten, da ich von Dir unter allen Mühen des Lebens Trost und freundlichen Zuspruch und Aufheiterung hoffen durfte? Liebe Sophie, bedenke es wohl! – Wie soll ich Muth, Fassung und Gegenwart des Geistes in meiner neuen schwierigen Laufbahn behalten, wenn Du so mit mir umgehst? Es steht in Deiner Gewalt, mein ganzes Daseyn zu vernichten, – ich weiß aber nicht, ob Du Dich dieses Triumphes nachher erfreuen wirst.