• August Wilhelm von Schlegel to Karl August Reimer

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 03.02.1835
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Karl August Reimer
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.02.1835
  • Notations: Zur Korrektur des Empfängers s. Körner 1930, Bd. 2, S. 232.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 515‒516.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 3 Febr. [18]35
    Ich möchte, mein hochgeehrtester Herr und Freund, gern meinen guten Willen beweisen: deswegen schicke ich Ihnen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37212
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.8,Nr.73
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,9 x 13,1 cm
    Language
  • German
[1] Bonn d. 3 Febr. [18]35
Ich möchte, mein hochgeehrtester Herr und Freund, gern meinen guten Willen beweisen: deswegen schicke ich Ihnen hier ein paar süße Kleinigkeiten für den Almanach. Dabei auch eine unschuldig gepfefferte, gegen deren Einrückung ich Ihrer Protestation entgegensehe.
Ich kann mich nicht rühmen, den letzten Almanach genau und kritisch gelesen zu haben. Nach dem allgemeinen Eindruck finde ich darin so wie in den vorhergehenden eine zu große Monotonie. Mich dünkt in den älteren von Bürger und Voß herausgegebenen war mehr Mannigfaltigkeit. Es ist wahr, im Versbau ist ein großer Fortschritt zu bemerken. Wenn nun gefragt wird, wodurch diese Erweiterung der Deutschen Verskunst, diese größere Biegsamkeit der Sprache bewirkt worden, so darf ich mich wohl mit nennen. Junge Dilettanten bedienen sich solcher Formen ohne vielleicht zu wissen, wer die ersten Vorbilder ins Land gebracht hat. [2] Zugleich ist eine unglückliche Leichtigkeit entstanden: Alles ist da, außer der Gehalt. Wem entfällt nicht der Muth zum Lesen, wenn Lieder in ganzen Säcken ausgeschüttet werden? Auch sind in Strophen gebrachte Anekdoten noch lange keine Romanzen.
Würden Ihnen einige Indische Sittensprüche genehm seyn? Die, welche ich geben könnte, haben einen ganz andern Charakter als die Rückertischen: theils weil die Originale einfacher sind, theils weil ich anders nachbilde.
Litterarische Scherze hätte ich wohl einige, aber nicht alles ist druckbar. Überhaupt ist dieß ein schlimmes Handwerk. Epigramme, in die blaue Luft hinaus gemacht, taugen ein für allemal nichts. Sind sie nun auf lebende Schriftsteller gerichtet, und die Leute sterben lange Jahre nachher des schönsten natürlichen Todes, so heißt es: – „Er hat sie todt geärgert.“ Auf Verstorbene, deren Schriften aber noch vorhanden sind, (wo auch wohl aus dem Nachlasse viel feindseliges und lächerliches ans Licht kommt, wie wir es jetzt [3] an den Briefwechseln erleben): – „Er läßt die Leute sogar im Grabe nicht ruhn.“ – Auf einen erst auftauchenden Tages-Scribenten: – „Was hat ihm der arme Schlucker zu Leide gethan?“ – Auf einen berühmten: – „Er verachtet die Stimme des Publicums.“ – u.s.w. Bei dem Zetermordio, welches über den Almanach von [18]32 entstand, hatte ich es sehr bequem: ich war in Paris, und vernahm kaum ein entferntes Summen, und meine Deutschen Pariser Freunde, Alex. von Humboldt, Koreff pp bezeugten großes Ergötzen. Aber wie war Ihnen dabei zu Muthe? Sagen Sie es offenherzig. – Übrigens glaube ich, der Lärm entstand großentheils durch die Nennung meines Namens. Einige meiner besten Epigramme auf den Schillerischen Briefwechsel, hatten früher in dem Leipziger Unterhaltungsblatt (1830, Nr. 49) anonym gestanden, und scheinen gar nicht bemerkt worden zu seyn.
Wenn ich sage, daß das Deutsche Publicum mich vergessen hat, so behaupte ich nicht, daß mir [4] damit etwas besonderes widerfahre: ich theile dieß mit vielen vortrefflichen Männern und Werken.
Melden Sie mir doch gefälligst den Empfang, und wenn die Zeit des Druckes herankommt, erinnern Sie mich durch ein paar Zeilen, damit ich zusammensuche, was ich etwa habe.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel
Wie mag es denn mit dem Absatze meiner Kritischen Schriften ergangen seyn? Und mit Tiecks Shakspeare? – Seine Vogelscheuche ist allerliebst.
[1] Bonn d. 3 Febr. [18]35
Ich möchte, mein hochgeehrtester Herr und Freund, gern meinen guten Willen beweisen: deswegen schicke ich Ihnen hier ein paar süße Kleinigkeiten für den Almanach. Dabei auch eine unschuldig gepfefferte, gegen deren Einrückung ich Ihrer Protestation entgegensehe.
Ich kann mich nicht rühmen, den letzten Almanach genau und kritisch gelesen zu haben. Nach dem allgemeinen Eindruck finde ich darin so wie in den vorhergehenden eine zu große Monotonie. Mich dünkt in den älteren von Bürger und Voß herausgegebenen war mehr Mannigfaltigkeit. Es ist wahr, im Versbau ist ein großer Fortschritt zu bemerken. Wenn nun gefragt wird, wodurch diese Erweiterung der Deutschen Verskunst, diese größere Biegsamkeit der Sprache bewirkt worden, so darf ich mich wohl mit nennen. Junge Dilettanten bedienen sich solcher Formen ohne vielleicht zu wissen, wer die ersten Vorbilder ins Land gebracht hat. [2] Zugleich ist eine unglückliche Leichtigkeit entstanden: Alles ist da, außer der Gehalt. Wem entfällt nicht der Muth zum Lesen, wenn Lieder in ganzen Säcken ausgeschüttet werden? Auch sind in Strophen gebrachte Anekdoten noch lange keine Romanzen.
Würden Ihnen einige Indische Sittensprüche genehm seyn? Die, welche ich geben könnte, haben einen ganz andern Charakter als die Rückertischen: theils weil die Originale einfacher sind, theils weil ich anders nachbilde.
Litterarische Scherze hätte ich wohl einige, aber nicht alles ist druckbar. Überhaupt ist dieß ein schlimmes Handwerk. Epigramme, in die blaue Luft hinaus gemacht, taugen ein für allemal nichts. Sind sie nun auf lebende Schriftsteller gerichtet, und die Leute sterben lange Jahre nachher des schönsten natürlichen Todes, so heißt es: – „Er hat sie todt geärgert.“ Auf Verstorbene, deren Schriften aber noch vorhanden sind, (wo auch wohl aus dem Nachlasse viel feindseliges und lächerliches ans Licht kommt, wie wir es jetzt [3] an den Briefwechseln erleben): – „Er läßt die Leute sogar im Grabe nicht ruhn.“ – Auf einen erst auftauchenden Tages-Scribenten: – „Was hat ihm der arme Schlucker zu Leide gethan?“ – Auf einen berühmten: – „Er verachtet die Stimme des Publicums.“ – u.s.w. Bei dem Zetermordio, welches über den Almanach von [18]32 entstand, hatte ich es sehr bequem: ich war in Paris, und vernahm kaum ein entferntes Summen, und meine Deutschen Pariser Freunde, Alex. von Humboldt, Koreff pp bezeugten großes Ergötzen. Aber wie war Ihnen dabei zu Muthe? Sagen Sie es offenherzig. – Übrigens glaube ich, der Lärm entstand großentheils durch die Nennung meines Namens. Einige meiner besten Epigramme auf den Schillerischen Briefwechsel, hatten früher in dem Leipziger Unterhaltungsblatt (1830, Nr. 49) anonym gestanden, und scheinen gar nicht bemerkt worden zu seyn.
Wenn ich sage, daß das Deutsche Publicum mich vergessen hat, so behaupte ich nicht, daß mir [4] damit etwas besonderes widerfahre: ich theile dieß mit vielen vortrefflichen Männern und Werken.
Melden Sie mir doch gefälligst den Empfang, und wenn die Zeit des Druckes herankommt, erinnern Sie mich durch ein paar Zeilen, damit ich zusammensuche, was ich etwa habe.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel
Wie mag es denn mit dem Absatze meiner Kritischen Schriften ergangen seyn? Und mit Tiecks Shakspeare? – Seine Vogelscheuche ist allerliebst.
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