Indem ich die Feder ergreife, um Ihnen zu schreiben, weiß ich nicht, wovon ich zuerst reden soll. In diesem Augenblicke lege ich Ihre Essais littéraires et historiques aus der Hand; ich habe freilich jetzt eben nur die Vorrede gelesen, aber nachdem ich sie gelesen hatte, drängte mich mein Gefühl den Brief an Sie anzufangen, den ich schon seit mehreren Tagen mir vorgenommen hatte zu schreiben. Diese Übersicht über einen bewegten Theil Ihres Lebens, diese ruhige Selbstbetrachtung, diese Klarheit, Feinheit und Eleganz der Darstellung rief mir alle die liebenswürdigen Züge Ihres Charakters ins Gedächtniß zurück. Einige Übertreibungen tadle ich, nämlich daß Sie sagen, das deutsche Publicum habe Sie vergessen, und daß Sie viel unternommen und wenig vollendet hätten; wenn auch jetzt mancher an Ihnen zum Ritter werden will, so wird man dann, wenn man Sie vermissen muß, Ihren hohen Werth erkennen, und auch jetzt wird es hoffentlich noch viele geben, die nicht minder als ich einsehen, was Ihnen unsre Literatur und unser ganzer Bildungszustand verdankt: wovon ich jetzt nicht weiter reden will, da ich nicht das erste Mal mich auf diese Weise gegen Sie äußere.
Die nächste Veranlassung, welche mir gegeben war, Ihnen zu schreiben, auch ehe ich Ihr schönes Werk erhielt, wissen Sie. Es ist Ihr Brief vom .. März d. J. welchen Sie an mich gerichtet haben, um das Schreiben des akademischen Ausschusses für die Herausgabe der Werke Friedrichs des Zweiten zu beantworten. Sobald es thunlich war, eine Sitzung zu halten, habe ich dem Ausschuß Ihr gefälliges Schreiben vorgelegt. Da es nicht an den Ausschuß, sondern persönlich an mich gerichtet war, hat mir der Ausschuß in der Sitzung vom 21. April aufgetragen, dasselbe in meinem Namen zu beantworten, und ich thue dieses ohne alle Förmlichkeit, ganz vertraulich: ist diese meine ergebenste Erwiederung nicht mit meiner eigenen Hand geschrieben, so liegt der Grund davon bloß darin, daß ich Sie mit meiner kleinen und schlechten Schrift nicht belästigen wollte, keinesweges aber habe ich die Kanzleihand vorgezogen, um meiner Antwort einen höhern Charakter der Officialität zu geben. Doch versteht es sich von selbst, daß dasjenige, was ich im Auftrage des Ausschusses schreibe, als eine von diesem ausgehende officielle Erklärung anzusehen ist.
Es scheint mir kaum nöthig, eine ausführliche Rechtfertigung alles dessen zu geben, was in dem Schreiben des Ausschusses v. 21. Dec. vor. J. gesagt worden. Wir wollen alle das Gelingen des Werks, womit wir beauftragt sind; dieses wird aber dadurch nicht gefördert, daß wir, wenn auch noch so scharfsinnig, einer gegen den andern die in unsrer Correspondenz aufgestellten Behauptungen zu vertheidigen bemüht sind. Nur Eine Bemerkung erlauben Sie mir. Ich kann weder Inconsequenz noch Widerspruch darin finden, wenn die Commission in der Allerhöchsten Kabinetsordre es nicht ausgesprochen finden will, daß Se Maj. der König Sie mit der Herstellung der sprachlichen Correctheit in den Werken Friedrichs des Zweiten beauftragt habe, und dennoch Ihre hierauf bezüglichen Mittheilungen von Anfang an mit der größten Bereitwilligkeit, ja mit großer Freude und mit einer Billigung empfangen hat, die auch in Ihrer Abwesenheit in den Versammlungen des Ausschusses wiederholt ausgesprochen worden ist. Was der Ausschuß in dem Schreiben an Ew. Hochwohlgeboren mit jener Berufung auf die Allerhöchste Kabinetsordre, wie er sie aufgefaßt, [2] hat sagen wollen, ist nur dieses: Wenn Se Maj. der König Sie mit der Herstellung der sprachlichen Correctheit ausdrücklich beauftragt hätte, so würde der Ausschuß nicht verpflichtet noch veranlaßt seyn, eine Berathung über die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen vorzunehmen, sondern es würde dieses Geschäft und die Verantwortlichkeit dafür ganz Ihnen überlassen. Wenn nun aber der Ausschuß, vermöge seiner Auslegung der königlichen Worte, nicht glaubt daß er ohne Verantwortung für jene Änderungen sei, so ist es damit gewiß doch vereinbar, daß er von Ihnen, als dem genauen Kenner der Sprache, in welcher Friedrich geschrieben hat, und als einem Mann von dem feinsten Geschmack und der sichersten Beurtheilung des Sprachlichen lieber als von irgend einem andern Correcturen für jene Schriften empfängt, und Sie sogar drängt, diese recht bald mitzutheilen. Da Sie in Ihrem letzten gefälligen Schreiben selber bemerken, ohne Zustimmung des bevollmächtigten Collegiums sei es unmöglich irgendetwas zur Ausführung zu bringen, so sind wir vollkommen in Übereinstimmung, und weder Sie noch wir werden nöthig haben, die eine oder die andre Auslegung der königlichen Worte gegen die andere Partei geltend zu machen.
Wie Sie in Ihrem verehrten Schreiben vom März mit Recht bemerken, ist jene Arbeit der Correctur mühselig und undankbar, und die collegialische Verhandlung darüber wird dadurch sehr erschwert, ja bis auf einen gewissen Grad unmöglich gemacht, daß Sie nicht hier anwesend sind; ein Umstand, der früher allerdings nicht in seinem ganzen Gewichte erkannt worden. Soll ich aber meine offene Meinung sagen, so kann von einem Geist und einem Gelehrten Ihres Ranges das Durchcorrigiren von dreißig Bänden fremder Werke, welches sich am Ende doch nur auf Kleinigkeiten erstreckt, nicht verlangt werden; der Ausschuß ist Ihnen genug verpflichtet, wenn Sie die zwei ersten Bände durchmustern. Sie haben dies theils schon geleistet theils versprochen, und man kann die übrigen Bände dem jungen Ackermann zur Correctur unter der Aufsicht des Ausschusses überlassen, zumal nachdem dieser an Ihrer Behandlung ein Muster hat. Es wäre freilich zweckmäßig gewesen, wenn der Genannte sich in dieser Beziehung mit ihnen in Verbindung gesetzt hätte; ist dies nicht geschehen, so trage ich die Schuld davon nicht, da ich mehrmals geäußert habe, der A.[ckermann] möchte sich an Sie wenden. Wenn nun der Ausschuß nicht in Sie dringen will, mehr als zwei Bände zu revidiren, so wünscht er dagegen, in Übereinstimmung mit der Erwartung Sr Majestät des Königs, nichts angelegentlicher, als daß Sie die Vorrede oder Introduction zu dem ganzen Werke schreiben möchten; dieses Geschäft ist gewiß nicht undankbar, sondern vielmehr bietet sich Ihnen hier ein großer Stoff dar, welchem nur Sie gewachsen seyn dürften; und der Auftrag ist Ihres Namens würdig. Sie sind dabei auf keine Weise beschränkt, und der Ausschuß versichert Sie im Voraus seines vollkommensten Vertrauens: was ich nur deshalb hinzufüge, weil Sie in Beziehung auf die Veränderungen an diesem Vertrauen gezweifelt haben. Der Ausschuß ersucht Sie durch mich, möglichst bald an diese Vorrede Hand anzulegen: was Sie, außer dem Ihnen bekannten Material, sonst noch für die Vorrede nöthig zu haben glauben, bitte ich zu fordern. Wie sich von selbst versteht, erscheint die Vorrede unter Ihrem Namen, und es kann Ihnen also nicht zugemuthet werden, irgend etwas darin zu sagen, was nicht aus Ihrem Geiste entsprungen ist: nur freilich werden Sie dem Publicum mit wenigen Worten über die Art Rechenschaft geben müssen, wie die neue Ausgabe behandelt worden, und auf die freiern Grundsätze aufmerksam machen, vermöge deren dasjenige, was früher anstößig schien, in dieser Ausgabe ans Licht kom[3]men konnte.
Die Überzeugung, daß Ihre Introduction ein Meisterwerk werden wird, drängt mich Ihnen die Beschleunigung derselben ans Herz zu legen, und Sie zu bitten, die kleinen, doch am Ende nur auf Mißverständnissen beruhenden Differenzen zwischen Ihnen und dem Ausschuß zu vergessen; folgen Sie, ich bitte, Ihrer Begeisterung für den großen König, und stiften Sie ihm und Sich in jener Introduction ein beider würdiges Denkmal, zu dessen Bearbeitung Sie Ihre Zeit tausendmal edler und genußreicher verwenden werden, als wenn Sie dem König die Sprachfehler mit oder ohne Einschluß des Rhetorischen, verbesserten. Wie ich hoffe, stimmen Sie diesem meinem Urtheile bei, und geben mir hiervon bald, wenn auch nur mit wenigen Worten, die schriftliche Versicherung.
Mit der vollkommensten Hochachtung und alter Verehrung
von Herzen der Ihrige
Böckh
Berlin d. 4. Mai 1842