• August Wilhelm von Schlegel to Ernst zu Münster

  • Place of Dispatch: Stockholm · Place of Destination: Unknown · Date: 15.03.1813
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Ernst zu Münster
  • Place of Dispatch: Stockholm
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 15.03.1813
    Printed Text
  • Bibliography: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Hg. von der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Band 48. Hildesheim 1976, S. 362– 364.
  • Incipit: „[1] Hochgebohrener Graf!
    Wiewohl ich nie das Glück hatte Ew. Excellenz persönlich bekannt zu werden, darf ich mir wohl schmeicheln, daß mein [...]“
    Manuscript
  • Provider: Hannover, Niedersächsisches Landesarchiv. Hauptstaatsarchiv
  • Classification Number: Dep. 110 A, Nr. 71
    Language
  • German
[1] Hochgebohrener Graf!
Wiewohl ich nie das Glück hatte Ew. Excellenz persönlich bekannt zu werden, darf ich mir wohl schmeicheln, daß mein Name als Schriftsteller Ihnen nicht fremd geblieben seyn wird. Ich bin aus Hannover gebürtig; mein Vater war der General-Superintendent, Consistorial-Rath und Hofprediger Schlegel, der während seiner langen Dienstjahre oft besondere Beweise der Zufriedenheit 1) unsers Allergnädigsten Königs empfangen hat. Ich selbst habe nie ein Amt in meinem Vaterlande bekleidet noch gesucht, weil ich die unabhängige Muße eines gelehrten Lebens vorzog. Dieß hat mich der Nothwendigkeit überhoben, bey der unrechtmäßigen Einverleibung der Churhannöverischen Staaten in Frankreich und das sogenannte Königreich Westphalen entweder meine Stelle einzubüßen, oder einen Eid abzulegen, [2] der nach meinen Begriffen wider Pflicht und Gewissen streitet. Seit neun Jahren habe ich die Tochter des berühmten Necker, Frau von Staël-Holstein auf ihren Reisen begleitet, und die Aufsicht über die Erziehung ihrer Söhne übernommen. Mein Aufenthalt in den meisten Ländern Europaʼs gab mir Gelegenheit, viele der bedeutendsten Männer in der politischen Welt, und die innern Verhälnisse der Staaten kennen zu lernen. Schon vor zwey Jahren zogen mir meine Gesinnungen, wiewohl ich sie immer mit Vorsicht äußerte, so lange sie nicht in Handlungen übergehen konnten, die Verbannung aus Frankreich zu. Seit der Unterdrückung meines Vaterlandes war es mein herrschender Wunsch und Gedanke, für die Herstellung einer verfassungsmäßigen Freyheit in Deutschland nach besten Kräften wirksam zu seyn, sobald sich eine Möglichkeit dazu zeigte. Diese ist jetzt erschienen. Nach dem beyspiellosen Ausgange des Russischen Feldzugs vereinigt sich alles, um zu den größten Hoffnungen zu berechtigen, und im ganzen Norden von Deutschland offenbart sich unverkennbar das Gefühl, jetzt sey der Augenblick gekommen, sich für immer dem verhaßten und erniedrigenden ausländischen Joch zu entreißen; und falls er versäumt würde, sey [3] für immer alles verlohren. Es ist die Pflicht jedes ächtgesinnten Deutschen thätig einzugreifen, entweder mit vereinzelten Kräften, oder, was mir vorzüglicher scheint, indem man die Absichten der hohen Häupter des Bundes gegen die Französische Alleinherrschaft zu fördern sucht.
Ich würde mich Ew. Excellenz sogleich nach meiner Ankunft hier im vorigen Herbst unterthänig zu erkennen gegeben haben: allein ich wünschte zugleich eine Probe meiner Fähigkeit zu Geschäften vorlegen zu können, und wartete daher die Erscheinung beyliegender Schrift ab. Sie ist dazu bestimmt, in diesem Lande die öffentliche Meynung, welche nur durch eine Überlegenheit des Geistes und Charakters, wie sie der Kronprinz von Schweden besitzt, in die rechte Bahn gelenkt werden konnte, noch mehr zu befestigen, und im Auslande die Anmaßungen und die verderbliche Politik Napoleons in einer gedrängten Übersicht dazustellen.
Zugleich füge ich einen handschriftlichen Aufsatz über die Deutschen Angelegenheiten bey, den ich in den ersten Tagen meines Hierseyns dem Kronprinzen übergab, welcher ihn mit Aufmerksamkeit prüfte und in seiner Gegenwart dem Englischen und Russischen Gesandten vorlesen ließ. Herr Pozzo di Borgo [4] hat mich aufgemuntert, Ew. Excellenz diesen Aufsatz mitzutheilen; ich habe ihn ganz so gelassen, wie ich ihn in Eil entworfen hatte, und muß daher um gütige Nachsicht bitten. Natürlich habe ich am meisten hervorgehoben, was auf Schweden Bezug hat. Es ist aber meine innigste Überzeugung, daß das Königlich Großbritannische Haus nicht nur in vollen Besitzstand wieder eintreten, sondern durch Benutzung der Zeitumstände einen größeren Einfluß als je im Deutschen Reiche gewinnen wird und muß.
Ew. Excellenz erlauben mir, bey dieser Gelegenheit meinen Bruder Friedrich Schlegel zu erwähnen, der von gleichem Eifer wie ich für die Vaterländische Sache beseelt ist. Er trat vor dem Ausbruche des letzten Krieges als Secretär bey der Staats-Canzley in Österreichische Dienste; seine Feder wurde häufig zur Belebung des öffentlichen Geistes gebraucht, und die heftigen Anfeindungen der Französischen Zeitschriften ließen seinen Gesinnungen genugsam Gerechtigkeit widerfahren. Seit dem Friedensschlusse und der Veränderung des politischen Systems in Österreich, hat [5] er durch seine erst vor einer zahlreichen Versammlung gehaltenen, dann gedruckten Vorlesungen über die neuere Geschichte, die Deutschen über die Ursachen des Verfalls ihrer Verfassung, welcher sie längst dem ausländischen Einfluß und endlich dem ausländischen Joch überliefert hat, aufzuklären versucht. Diese Wahrheiten machten, leider zu spät, allgemein tiefen Eindruck; Ihre Erkenntniß kann für die Folge nützlich werden.
Ich ersuche Ew. Excellenz um die Gewogenheit, ein Exemplar der beyfolgenden Druckschrift nebst meinen huldigenden Gesinnungen zu den Füßen Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Regenten zu legen. Meine Bereitwilligkeit, jeden Auftrag, jede Sendung, die Se. Königliche Hoheit in den Deutschen Angelegenheiten mir zu ertheilen geruhen möchte, mit äußerster Anstrengung meiner geistigen und körperlichen Kräfte auszuführen, hat keine Gränzen, und es ist mein höchster Ehrgeiz meine Treue gegen unsern Allergnädigsten Landesherrn in diesem wichtigen Zeitpunkte zu bewähren.
[6] Wofern Se. Königl. Hoheit, der Kronprinz von Schweden, mich nicht in hierauf bezüglichen Geschäften bey sich zurückhält, wie ich zu erwarten Ursache habe, so gedenke ich im Frühlinge nach England zu kommen. Auf jeden Fall hege ich die unschätzbare Hoffnung, in der Person Ew. Excellenz bald mit einem Staatsmanne näher bekannt zu werden, dessen Name in Deutschland allgemein mit Verehrung genannt wird. Möge Ihre Gegenwart in den ohne Zweifel in kurzem von fremden Gewalten befreyten Hannöverischen Staaten bald alle unsre Landsleute mit den frohesten Erwartungen einer bessern Zukunft erfüllen.
Außer den Exemplaren meiner Schrift, welche ich die Ehre habe Sr. Königl. Hoheit und Ew. Excellenz unterthänig zu überreichen, bin ich so frey noch einige beyzufügen, mit der Bitte sie gewogentlich an ihre Bestimmung verabfolgen zu lassen.
Unter Bezeugung meiner ehrerbietigsten Gesinnungen habe ich die Ehre zu seyn
Stockholm, d. 15ten März 1813.
Ew. Excellenz
gehorsamster Diener
August Wilhelm Schlegel
1) „der Zufriedenheit“ übergeschrieben.
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[1] Hochgebohrener Graf!
Wiewohl ich nie das Glück hatte Ew. Excellenz persönlich bekannt zu werden, darf ich mir wohl schmeicheln, daß mein Name als Schriftsteller Ihnen nicht fremd geblieben seyn wird. Ich bin aus Hannover gebürtig; mein Vater war der General-Superintendent, Consistorial-Rath und Hofprediger Schlegel, der während seiner langen Dienstjahre oft besondere Beweise der Zufriedenheit 1) unsers Allergnädigsten Königs empfangen hat. Ich selbst habe nie ein Amt in meinem Vaterlande bekleidet noch gesucht, weil ich die unabhängige Muße eines gelehrten Lebens vorzog. Dieß hat mich der Nothwendigkeit überhoben, bey der unrechtmäßigen Einverleibung der Churhannöverischen Staaten in Frankreich und das sogenannte Königreich Westphalen entweder meine Stelle einzubüßen, oder einen Eid abzulegen, [2] der nach meinen Begriffen wider Pflicht und Gewissen streitet. Seit neun Jahren habe ich die Tochter des berühmten Necker, Frau von Staël-Holstein auf ihren Reisen begleitet, und die Aufsicht über die Erziehung ihrer Söhne übernommen. Mein Aufenthalt in den meisten Ländern Europaʼs gab mir Gelegenheit, viele der bedeutendsten Männer in der politischen Welt, und die innern Verhälnisse der Staaten kennen zu lernen. Schon vor zwey Jahren zogen mir meine Gesinnungen, wiewohl ich sie immer mit Vorsicht äußerte, so lange sie nicht in Handlungen übergehen konnten, die Verbannung aus Frankreich zu. Seit der Unterdrückung meines Vaterlandes war es mein herrschender Wunsch und Gedanke, für die Herstellung einer verfassungsmäßigen Freyheit in Deutschland nach besten Kräften wirksam zu seyn, sobald sich eine Möglichkeit dazu zeigte. Diese ist jetzt erschienen. Nach dem beyspiellosen Ausgange des Russischen Feldzugs vereinigt sich alles, um zu den größten Hoffnungen zu berechtigen, und im ganzen Norden von Deutschland offenbart sich unverkennbar das Gefühl, jetzt sey der Augenblick gekommen, sich für immer dem verhaßten und erniedrigenden ausländischen Joch zu entreißen; und falls er versäumt würde, sey [3] für immer alles verlohren. Es ist die Pflicht jedes ächtgesinnten Deutschen thätig einzugreifen, entweder mit vereinzelten Kräften, oder, was mir vorzüglicher scheint, indem man die Absichten der hohen Häupter des Bundes gegen die Französische Alleinherrschaft zu fördern sucht.
Ich würde mich Ew. Excellenz sogleich nach meiner Ankunft hier im vorigen Herbst unterthänig zu erkennen gegeben haben: allein ich wünschte zugleich eine Probe meiner Fähigkeit zu Geschäften vorlegen zu können, und wartete daher die Erscheinung beyliegender Schrift ab. Sie ist dazu bestimmt, in diesem Lande die öffentliche Meynung, welche nur durch eine Überlegenheit des Geistes und Charakters, wie sie der Kronprinz von Schweden besitzt, in die rechte Bahn gelenkt werden konnte, noch mehr zu befestigen, und im Auslande die Anmaßungen und die verderbliche Politik Napoleons in einer gedrängten Übersicht dazustellen.
Zugleich füge ich einen handschriftlichen Aufsatz über die Deutschen Angelegenheiten bey, den ich in den ersten Tagen meines Hierseyns dem Kronprinzen übergab, welcher ihn mit Aufmerksamkeit prüfte und in seiner Gegenwart dem Englischen und Russischen Gesandten vorlesen ließ. Herr Pozzo di Borgo [4] hat mich aufgemuntert, Ew. Excellenz diesen Aufsatz mitzutheilen; ich habe ihn ganz so gelassen, wie ich ihn in Eil entworfen hatte, und muß daher um gütige Nachsicht bitten. Natürlich habe ich am meisten hervorgehoben, was auf Schweden Bezug hat. Es ist aber meine innigste Überzeugung, daß das Königlich Großbritannische Haus nicht nur in vollen Besitzstand wieder eintreten, sondern durch Benutzung der Zeitumstände einen größeren Einfluß als je im Deutschen Reiche gewinnen wird und muß.
Ew. Excellenz erlauben mir, bey dieser Gelegenheit meinen Bruder Friedrich Schlegel zu erwähnen, der von gleichem Eifer wie ich für die Vaterländische Sache beseelt ist. Er trat vor dem Ausbruche des letzten Krieges als Secretär bey der Staats-Canzley in Österreichische Dienste; seine Feder wurde häufig zur Belebung des öffentlichen Geistes gebraucht, und die heftigen Anfeindungen der Französischen Zeitschriften ließen seinen Gesinnungen genugsam Gerechtigkeit widerfahren. Seit dem Friedensschlusse und der Veränderung des politischen Systems in Österreich, hat [5] er durch seine erst vor einer zahlreichen Versammlung gehaltenen, dann gedruckten Vorlesungen über die neuere Geschichte, die Deutschen über die Ursachen des Verfalls ihrer Verfassung, welcher sie längst dem ausländischen Einfluß und endlich dem ausländischen Joch überliefert hat, aufzuklären versucht. Diese Wahrheiten machten, leider zu spät, allgemein tiefen Eindruck; Ihre Erkenntniß kann für die Folge nützlich werden.
Ich ersuche Ew. Excellenz um die Gewogenheit, ein Exemplar der beyfolgenden Druckschrift nebst meinen huldigenden Gesinnungen zu den Füßen Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Regenten zu legen. Meine Bereitwilligkeit, jeden Auftrag, jede Sendung, die Se. Königliche Hoheit in den Deutschen Angelegenheiten mir zu ertheilen geruhen möchte, mit äußerster Anstrengung meiner geistigen und körperlichen Kräfte auszuführen, hat keine Gränzen, und es ist mein höchster Ehrgeiz meine Treue gegen unsern Allergnädigsten Landesherrn in diesem wichtigen Zeitpunkte zu bewähren.
[6] Wofern Se. Königl. Hoheit, der Kronprinz von Schweden, mich nicht in hierauf bezüglichen Geschäften bey sich zurückhält, wie ich zu erwarten Ursache habe, so gedenke ich im Frühlinge nach England zu kommen. Auf jeden Fall hege ich die unschätzbare Hoffnung, in der Person Ew. Excellenz bald mit einem Staatsmanne näher bekannt zu werden, dessen Name in Deutschland allgemein mit Verehrung genannt wird. Möge Ihre Gegenwart in den ohne Zweifel in kurzem von fremden Gewalten befreyten Hannöverischen Staaten bald alle unsre Landsleute mit den frohesten Erwartungen einer bessern Zukunft erfüllen.
Außer den Exemplaren meiner Schrift, welche ich die Ehre habe Sr. Königl. Hoheit und Ew. Excellenz unterthänig zu überreichen, bin ich so frey noch einige beyzufügen, mit der Bitte sie gewogentlich an ihre Bestimmung verabfolgen zu lassen.
Unter Bezeugung meiner ehrerbietigsten Gesinnungen habe ich die Ehre zu seyn
Stockholm, d. 15ten März 1813.
Ew. Excellenz
gehorsamster Diener
August Wilhelm Schlegel
1) „der Zufriedenheit“ übergeschrieben.
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· Beilage , 05.10.1812
· Hannover, Niedersächsisches Landesarchiv. Hauptstaatsarchiv
· Dep. 110 A, Nr. 71
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