• August Wilhelm von Schlegel to Ludwig Tieck

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 15.01.1830
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Ludwig Tieck
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 15.01.1830
    Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 204‒206.
  • Incipit: „[1] Bonn, den 15ten Januar 1830
    Theuerster Freund!
    Hier sende ich dir einige Späße, welche ich dich bitte mit aller möglicher Discretion anonym [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(77)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21,2 x 12,7 cm
    Language
  • German
[1] Bonn, den 15ten Januar 1830
Theuerster Freund!
Hier sende ich dir einige Späße, welche ich dich bitte mit aller möglicher Discretion anonym in eins der gelesensten Tageblätter zu bringen, deren ja eine Menge in deiner Nähe erscheint. Hast du diese erst fein säuberlich angebracht, dann will ich dir noch einige esoterische, bloß zu deinem Ergötzen mittheilen.
Den Briefwechsel habe ich erst jetzt gelesen: du kannst denken, welchen Eindruck er auf mich gemacht hat. Oft habe ich gelacht, oft großes Erbarmen mit beiden gehabt, besonders aber mit dem kranken Uhu Schiller. Daß er nicht bloß auf Friedrich, sondern auch auf mich einen so unversöhnlichen Haß geworfen hatte, war mir doch einigermaßen neu. Mir ist es recht lieb, er ist nun vogelfrei für mich, da mir bisher die Rücksicht auf ein ehemaliges Verhältniß immer noch Zwang anthat. Mit Goethe hatte ich in jener Zeit keine Ursache unzufrieden zu seyn, er benahm sich ganz loyal gegen mich, auch war er viel zu klug, um sich, wie Schiller, zu überreden, wir jungen Leute wären gar nicht da, und würden nie etwas in der Welt bedeuten. Auf Goethe bin ich eigentlich nur deswegen böse, weil er durch Bekanntmachung solcher Erbärmlichkeiten sich und seinen Freund so arg prostituirt. Eine der lustigsten Partien ist die von [2] dem Kunst-Bavian, und die enthusiastische Bewunderung der beiden großen Männer für ihn. Das arme abgeschabte Thier wird nun hier auf den Jahrmarkt gebracht, um genärrt zu werden, nachdem offenkundig geworden, daß es weder zeichnen noch malen, weder sprechen noch schreiben, weder denken noch imaginiren kann.
Ich habe etwa 20 Briefe von Schiller, und 30 von Goethe. Was meynst du, soll ich diese nun bei dieser Gelegenheit drucken lassen, und eine kurze Erzählung meiner persönlichen Verhältnisse mit beiden beifügen? Wäre es nicht vielleicht auch gut, die Aufsätze von Friedrich, welche den großen Haß entzündet haben, wieder abdrucken zu lassen? Ich erinnere mich unter andern, daß seine Anzeige der Xenien ein Meisterstück von Witz war. Ich habe deßhalb schon Reichardts Journal Deutschland verschrieben; aber die Frage ist, ob sich noch Exemplare finden. Vielleicht hast du es selbst, oder findest es in einer Familien-Bibliothek. Laß mich doch wissen.
Was meynst du überhaupt zu einem neuen Abdruck von Friedrichs jugendlichen Schriften? Was er ausdrücklich verdammt hat, z. B. die Lucinde, einige anstößige und wirklich tolle Fragmente, pp muß freilich ungedruckt bleiben: aber es sind so viel andre schöne Sachen, um die es wahrlich Schade wäre. Aus der Sammlung seiner Schriften, wie sie jetzt ist, wird niemand errathen, daß er unendlich viel gesellschaftlichen Witz besaß. Ich habe auch eine Unzahl von Briefen, noch habe ich die Packete nicht geöffnet. Es ließen sich [3] daraus vielleicht sehr interessante Auszüge machen. Kurz, ich hätte Lust, dem früheren Friedrich gegen den späteren ein Denkmal zu setzen.
Schreibe mir bald, und empfiehl mich angelegentlich deiner lieben Frau, deinen Töchtern, und der edlen und liebenswürdigen Gräfin von Finkenstein. Entschuldige so gut du kannst, mein sündhaftes Nichtschreiben. Es ist ein Laster, wogegen alle guten Vorsätze nichts helfen. Deine Frau hat mir durch Zusendung deines Porträts, gezeichnet von Auguste Buttlar, eine große Freude gemacht. Alle Freunde finden es meisterlich getroffen. Ich habe an meine Nichte nach Wien geschrieben, aber seit geraumer Zeit kein Lebenszeichen von ihr empfangen. Ich weiß nicht einmal ihre Adresse in der großen Hauptstadt. Warum verweilt sie immer dort, und wendet sich nicht nach Berlin, überhaupt nach dem Norden von Deutschland? Für Holland und die Niederlande könnte ich ihr sehr nachdrückliche Empfehlungen an die Königin schaffen und geben.
Ich halte jetzt wieder meine Wintervorlesungen für die Damen, die stärker besucht sind als je. Da würdest du die schönsten Frauen und Mädchen von Bonn beysammen sehn.
Vor einiger Zeit, da ich in einer schlaflosen Nacht deinen Fortunat las, habe ich, wie ich fürchte, durch mein Lachen alle Nachbarn aufgeweckt. Unser berühmter Arzt, von Walther, bewundert besonders die Consultation der Ärzte. Bloß wegen der Hörner-Scenen muß ich dich für einen Wohlthäter der Menschheit erklären.
[4] Ich hecke immer allerlei Späße aus, die in meinem Portefeuille bleiben. Gedruckt sind nur ein paar kritische Vorreden in Lateinischer Sprache. Im vorigen Jahre sind zwei starke Bände Indischer Texte erschienen, bald ist wieder einer fertig. Du würdest diese Dinge wohl bewundern, wenn sie dir in einer verständlichen Sprache zugebracht würden, welches denn auch geschehen soll. So eben habe ich Briefe aus Indien. Ich bin zum Mitgliede der literarischen Gesellschaft in Bombay ernannt. Zugleich kündigt mir der Gouverneur, General Malcolm, eine Sendung von Manuscripten und anderen Asiatischen Antiquitäten an, die auch bereits in London angekommen ist.
Nun lebe recht wohl, grüße Alle, schreibe mir bald und behalte mich lieb. Wenn du wieder nach Bonn kommst, soll besser für Logis gesorgt seyn, denn ich habe das obere Stockwerk einrichten lassen. Die edlen Rosse stolzieren noch immer vor meinem Wagen.
Mit tausend herzlichen Wünschen
ganz der Deinige
A W v Schl.
[1] Bonn, den 15ten Januar 1830
Theuerster Freund!
Hier sende ich dir einige Späße, welche ich dich bitte mit aller möglicher Discretion anonym in eins der gelesensten Tageblätter zu bringen, deren ja eine Menge in deiner Nähe erscheint. Hast du diese erst fein säuberlich angebracht, dann will ich dir noch einige esoterische, bloß zu deinem Ergötzen mittheilen.
Den Briefwechsel habe ich erst jetzt gelesen: du kannst denken, welchen Eindruck er auf mich gemacht hat. Oft habe ich gelacht, oft großes Erbarmen mit beiden gehabt, besonders aber mit dem kranken Uhu Schiller. Daß er nicht bloß auf Friedrich, sondern auch auf mich einen so unversöhnlichen Haß geworfen hatte, war mir doch einigermaßen neu. Mir ist es recht lieb, er ist nun vogelfrei für mich, da mir bisher die Rücksicht auf ein ehemaliges Verhältniß immer noch Zwang anthat. Mit Goethe hatte ich in jener Zeit keine Ursache unzufrieden zu seyn, er benahm sich ganz loyal gegen mich, auch war er viel zu klug, um sich, wie Schiller, zu überreden, wir jungen Leute wären gar nicht da, und würden nie etwas in der Welt bedeuten. Auf Goethe bin ich eigentlich nur deswegen böse, weil er durch Bekanntmachung solcher Erbärmlichkeiten sich und seinen Freund so arg prostituirt. Eine der lustigsten Partien ist die von [2] dem Kunst-Bavian, und die enthusiastische Bewunderung der beiden großen Männer für ihn. Das arme abgeschabte Thier wird nun hier auf den Jahrmarkt gebracht, um genärrt zu werden, nachdem offenkundig geworden, daß es weder zeichnen noch malen, weder sprechen noch schreiben, weder denken noch imaginiren kann.
Ich habe etwa 20 Briefe von Schiller, und 30 von Goethe. Was meynst du, soll ich diese nun bei dieser Gelegenheit drucken lassen, und eine kurze Erzählung meiner persönlichen Verhältnisse mit beiden beifügen? Wäre es nicht vielleicht auch gut, die Aufsätze von Friedrich, welche den großen Haß entzündet haben, wieder abdrucken zu lassen? Ich erinnere mich unter andern, daß seine Anzeige der Xenien ein Meisterstück von Witz war. Ich habe deßhalb schon Reichardts Journal Deutschland verschrieben; aber die Frage ist, ob sich noch Exemplare finden. Vielleicht hast du es selbst, oder findest es in einer Familien-Bibliothek. Laß mich doch wissen.
Was meynst du überhaupt zu einem neuen Abdruck von Friedrichs jugendlichen Schriften? Was er ausdrücklich verdammt hat, z. B. die Lucinde, einige anstößige und wirklich tolle Fragmente, pp muß freilich ungedruckt bleiben: aber es sind so viel andre schöne Sachen, um die es wahrlich Schade wäre. Aus der Sammlung seiner Schriften, wie sie jetzt ist, wird niemand errathen, daß er unendlich viel gesellschaftlichen Witz besaß. Ich habe auch eine Unzahl von Briefen, noch habe ich die Packete nicht geöffnet. Es ließen sich [3] daraus vielleicht sehr interessante Auszüge machen. Kurz, ich hätte Lust, dem früheren Friedrich gegen den späteren ein Denkmal zu setzen.
Schreibe mir bald, und empfiehl mich angelegentlich deiner lieben Frau, deinen Töchtern, und der edlen und liebenswürdigen Gräfin von Finkenstein. Entschuldige so gut du kannst, mein sündhaftes Nichtschreiben. Es ist ein Laster, wogegen alle guten Vorsätze nichts helfen. Deine Frau hat mir durch Zusendung deines Porträts, gezeichnet von Auguste Buttlar, eine große Freude gemacht. Alle Freunde finden es meisterlich getroffen. Ich habe an meine Nichte nach Wien geschrieben, aber seit geraumer Zeit kein Lebenszeichen von ihr empfangen. Ich weiß nicht einmal ihre Adresse in der großen Hauptstadt. Warum verweilt sie immer dort, und wendet sich nicht nach Berlin, überhaupt nach dem Norden von Deutschland? Für Holland und die Niederlande könnte ich ihr sehr nachdrückliche Empfehlungen an die Königin schaffen und geben.
Ich halte jetzt wieder meine Wintervorlesungen für die Damen, die stärker besucht sind als je. Da würdest du die schönsten Frauen und Mädchen von Bonn beysammen sehn.
Vor einiger Zeit, da ich in einer schlaflosen Nacht deinen Fortunat las, habe ich, wie ich fürchte, durch mein Lachen alle Nachbarn aufgeweckt. Unser berühmter Arzt, von Walther, bewundert besonders die Consultation der Ärzte. Bloß wegen der Hörner-Scenen muß ich dich für einen Wohlthäter der Menschheit erklären.
[4] Ich hecke immer allerlei Späße aus, die in meinem Portefeuille bleiben. Gedruckt sind nur ein paar kritische Vorreden in Lateinischer Sprache. Im vorigen Jahre sind zwei starke Bände Indischer Texte erschienen, bald ist wieder einer fertig. Du würdest diese Dinge wohl bewundern, wenn sie dir in einer verständlichen Sprache zugebracht würden, welches denn auch geschehen soll. So eben habe ich Briefe aus Indien. Ich bin zum Mitgliede der literarischen Gesellschaft in Bombay ernannt. Zugleich kündigt mir der Gouverneur, General Malcolm, eine Sendung von Manuscripten und anderen Asiatischen Antiquitäten an, die auch bereits in London angekommen ist.
Nun lebe recht wohl, grüße Alle, schreibe mir bald und behalte mich lieb. Wenn du wieder nach Bonn kommst, soll besser für Logis gesorgt seyn, denn ich habe das obere Stockwerk einrichten lassen. Die edlen Rosse stolzieren noch immer vor meinem Wagen.
Mit tausend herzlichen Wünschen
ganz der Deinige
A W v Schl.
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