Geliebter Freund und Bruder.
Schon seit sehr langer Zeit habe ich dir schreiben wollen, und hätt es auch schon längst gethan, wenn ich früher hätt mit gewißheit rechnen können, das die Briefe dich auch richtig träfen, vor acht Tagen habe ich erst Fr.[au] v. St.[aëls] Adresse in Wien erfahren, und nun sitze ich hier und schreibe. Noch länger habe ich aber eine Nachricht von dir meinem theuren Freund erwartet gehabt, und bin nicht ohne grosse Sorgen über dein langes stillschweigen, ich fürchte nemlich das Fr[au] v. St[aël] mit der ausführung des Basreliefs sehr unzufrieden gewesen ist, und diese hipochondrische Laune quält mich oft so sehr, daß ich nur durch das Versprechen welches ich mir selbst thue das wenn es ist ihr unentgeltlich ein andres in Bronze zu machen, beruhigen kann, und da ich doch hoffen kann mit der Zeit in eine bessre laage zu kommen, so führ ich dies auch gewiß noch aus. Oft bilde ich mir auch ein du seist böse über uns, ob gleich dein lezter Brief so sehr freundlich war, oder das schlimmste unter allen, du seist krank, wie du es ja schon einmahl in Frankreich warst. Wohl ist es wahr das ich mich oft ängstige dich oder andre unsre Freunde nicht wieder zu sehn. Wie schnell verrinnt nicht das Leben, und welch elender Zufall vernichtet es nicht oft ehe es möglich war irgend eine Stufe der Ruhe oder des Glücks zu erreichen. Für leztres sind mir immer meine Eltern, besonders meine Mutter noch im Angedenken, die in Tausendfachen Sorgen ihr Leben hingebracht, und ohne glüklich gewesen zu sein, oder auch nur ihre Kinder glüklich zu sehen sterben muste. Mit diesen Gedanken vereinigt sich bei mir zugleich immer die Reue, als hätt ich in so vielem unnützen streben mein Leben hingebracht und so grosse Stüke in höchst trauriger Unthätigkeit, besonders quält mich ein langer Auffenthalt hier ohne Frucht, und mir ist dann immer zu Muthe als sei es allein meine Schuld, und hätt kein äusseres Unglük mich abhalten sollen, unablässig zu arbeiten, denn warlich diese Unthätigkeit hatt mein Leiden wenigstens sehr gemehrt, und besonders darum fange ich an recht fleissig zu werden, und will wenn mir die Mittel fehlen zu grössern Sachen, zeichnen und mahlen. Jezt arbeite ich die Büste des Kardinal Vikar zu vollenden, dan will ich die der Herzogin fertig machen, dan eine Büste von Goethe welche der Kronprinz von Bayern bei mir bestellt hat, sehr wünschte ich auch so die deinige unter Händen zu haben, mit welchem Entzüken würde ich die ausarbeiten, und mit welchem müheseeligen Fleiß. Aber hast du wirklich deine treuen Freunde vergessen? Fast sollte man es glauben, oder bist auch du in der Zeit so fleissig gewesen? und wir sehen nächstens einen neuen Band Shakespear [2] und Calderon. Dies ist aber wohl vergebene Hoffnung, und da Deutschland zu Grunde geth verlassen es auch alle seine Kinder und Anhänger, vieleicht sollte man streben im Geistigen Reiche zu gewinnen, was man so irdisch verlohren gehen sieht, und darum macht es einem eine Empfindung des Schmerzes, das du der so eigentlich deutsch ist in Französischer Sprache schreibst, und dergleichen. Der Fr[au] v. St.[aël] Corinne habe ich noch nicht zu sehn bekommen, aber gehört das eine Übersetzung davon welche du gemacht sehr in der Litteraturzeitung getadelt [wurde], worüber sich die Humboldtische Familie sehr erfreut zu haben scheint. Doch genug davon. Ich habe jezt wieder deine Elegie über Rom im Zimmer und lese sie öfter und freue mich daran, und da es das einzige ist was ich von deinen Sachen hier habe, so muß sie mir dich ganz vergegenwärtigen, und daß ich die Zeichnungen dazu noch nicht gemacht kömmt bloß weil ich sie mir nicht schön genug machen kan, angefangen waren sie schon mehrere mahle, aber immer wieder verworffen. Doch bin ich jezt mit der Roma einig, ich habe ein kleines Modell davon gemacht, welches Schik so hübsch findet, das man es als Scul[p]tur brauchen könnte, und wirklich war ich auch ernst gesinnt es gelegentlich als Scul[p]tur auszuführen, und dan in Marmor für dich, wenn du wieder von dir hören läßt, und es dir Freude machen kann. Schik läßt dich sehr grüssen. Er ist seit dem 7. Xbr [=Dezember] des vorigen Jahrs Vater von einen Knaben, und mit seiner Frau so glüklich, das du deine Freude haben würdest ihn zu sehn, und daß man sehr den Wunsch haben sollte sich auch zu verheurathen, und oft thut es mir leid das ich nicht eher in meinem Leben daran gedacht habe. Koch ist aber noch bis dato ohne Kinder, und scheint auch so zu bleiben. Er hatt jezt Hoffnung als Tiroler von Bayern eine Pension zu bekommen, und so über jede Sorge des künftigen Lebens weg gehoben zu sein, ich wollt ich hätt die gleiche Aussicht, und es kann sein das du mir in mancher Hinsicht nützlich sein könntest. Du schriebst mir früher, das du mit Caroline Schelling in München Abrede wegen des Monuments nehmen wolltest. Hast du es gethan? Wenn Schelling dir nun befreundet genug noch ist, das er auf deine Bitte was thut, so solltest du ihn schreiben das er sich für mich intressirt in München. Ich weis er gilt dort viel, und Niemand kann ja auch mich mit so gutem Gewissen empfehlen, da er so viel von mir in Weimar gesehn, und ja selbst sein eignes Portrait gezeichnet besizt, was ja so viele Menschen so gut gefunden haben. Der Kronprinz von Baiern verwendet viel auf Scul[p]tur, natürlich aber bekömmt er meist Elende, oder nur mittelmäßige Sachen, so das diese Arbeiten fast nur wie Unterstützungen an[3]gesehn werden. Ich habe auch wie schon gesagt die Büste Goethes für ihn zu machen. Aus Stutgard hatt man mit sehr glänzenden Vorschlägen, nehmlich 2000 Gulden Gehalt, und freies Logis, oder 560 Gulden dafür, den Bildhauer Danneker hinrufen wollen, noch ist mir aber unbekannt, ob er es angenommen, ja so gar wahrscheinlich das er es ausschlägt. Könnten diese Herrn nichts rechtlich grosses für unser einen thun? Du weist sonst so gut Rath zu geben, weist du keinen für mich? oder wie steth es mit denen Bekantschaften die du in München gemacht? Schreibe mir doch etwas, oder laß es durch die Schwester schreiben wenn sie schon im Wien ist. Ich lege dir einen Zettel für sie ein. Ist sie noch nicht da kannst du ihn behalten bis sie kömmt, er enthält nur die wiederhohlung eines Briefs den ich ihr nach Prag geschrieben habe. Versäume nicht im Wien die Bekantschaft eines der talentreichsten jezt lebenden Künstler zu machen, nemlich des Mahler Wächter aus Stutgard. Obgleich seine Zeichnungen schöner als seine Gemählde sein sollen. Er ist äusserst originell in seinen Erfindungen, grandios so viel ich gehört in der Zeichnung, und von äusserst liebenswürdigen Charakter. Dabei ein sehr frommer Mensch, der hier in Rom wahrhaft aus Glauben und Frömmigkeit katolisch wurde, und im Wien sehr einsam, und fast unterdrükt leben soll, obgleich er jezt wohlhabend sein muß, da sein Vater gestorben, der sehr reich war, und ihn früher weil er katolisch geworden, und eine arme Italienerin geheurathet hatte, sehr ohne unterstützung ließ. – Wenn ich das möglich machen könnte dich im Frühjahr in Deutschland zu sehen würde ich sehr glüklich sein, doch zweifle ich fast. Ich habe ordentlich nach und nach einen Aberglauben gewonnen, das wenn ich nur einmal auf kurze Zeit Rom verlassen könnte so würde es mir darnach viel glüklicher gehn. Zugleich möcht ich dann in Deutschland deine und vielleicht auch Schellings Büsten machen. Vor allen Dingen geliebter Freund gieb mir einige Nachricht von dir, das man sieth du lebst noch, und denkst noch deiner alten Freunde. Mir ist hier die Bearbeitung der Niebelungen des H. von der Hagen zu Gesicht gekommen, es will mir aber nicht recht behagen. Ich weis nicht weshalb er viele Wörter gelassen, noch weshalb er andre geändert. Mich ärgert die Saumseeligkeit meines Bruders, er hätte leicht die seinige druken lassen können, jezt hatt die beste Ehre, und den besten Verkauf ein andrer weggenommen. Leb wohl und behalt mich lieb wie ich dich lieb und theuer behalte. dein Bruder
Fr.[iedrich] Tiek
Seckendorf und Stoll geben ja in Wien eine Zeitschrift heraus, ist es nicht zu Elend, so sage ihnen doch sie sollen hier unsern Freund Keller als Correspondent anwerben.
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