• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Amsterdam · Date: 07.04.1795
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 07.04.1795
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 227‒228.
  • Incipit: „[1] Den 7ten April 1795.
    Meine Freude, theuerster Bruder, als ich heute Deinen Brief empfieng war so groß, als meine Ungeduld bisher [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.61
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,5 x 11,3 cm
    Language
  • German
[1] Den 7ten April 1795.
Meine Freude, theuerster Bruder, als ich heute Deinen Brief empfieng war so groß, als meine Ungeduld bisher quälend gewesen war. Sie war um so größer, da Dein Brief uns Alles versichert, was wir wünschten. Laß Dich in Gedanken herzlich umarmen, und Dir meine Freude mittheilen über die Hoffnung Dich wiederzusehen. –
Es versteht sich, daß ich gleich heute Deine Aufträge besorgt habe. Unser Freund hat an einer Krankheit viel gelitten, deren Ursache mehr Unruhe und Leiden des Gemüths, als körperliche Uebel gewesen zu seyn scheinen. Doch war er nach s.[einem] lezten Briefe völlig [2] wieder gesund, wird am 12ten dieses seinen bisherigen Aufenthalt verlassen, und sich am bestimmten Orte seiner Absicht gemäß mit seiner Familie einrichten. Er wird sich freuen von Dir zu hören und Dich zärtlich grüßen, und sollte er nicht ganz wieder bey Kräften gewesen seyn, so wird ihn mein Brief sehr wohl treffen. –
Ach theuerster Freund! Die Freude, Dich vielleicht bald wiederzusehen, sollte mir wohl genügen, aber der Mensch ist ein ungenügsames Wesen. Möchten wir uns an einem Orte vereinigen können, wo ein freundlicher Himmel uns umgäbe, wo keine einengenden Verhältnisse uns beschränkten. Meine un[3]verrückte Vorliebe für die Alten rechtfertigt vielleicht meine Neigung für Rom, entschuldigt den sonst thörichten Wunsch, an der Tiber mit dem geliebtesten Bruder wenigstens einige Jahre gemeinschaftlich zu leben. Während Du in Ital.[ienischen] Bibliotheken Manches fändest, was Dir zu Deinen litterarischen Absichten bis iezt fehlte, würde ich in den Griech.[ischen] Schätzen wühlen. Ja ich traue Dir den Sinn für bildende Kunst, die Kentniße zu, das zu vollenden, was Winkelmann anfieng. Ein rühmliches Werk! Dieser schöne Traum ist vielleicht nicht ohne Wahrheit. Ich zwar muß der Neigung entsagen, wenigstens noch für mehrere Jahre, den Ort zu sehen, der das Ziel eines [4] Jeden ist, der die Alten liebt. Aber es wird Dir vielleicht merkwürdig auffallen, daß der Ort für alle Deine Absichten der günstigste ist, wie ich Dir nicht zu entwickeln brauche. Vielleicht wirst Du Dich auch mit dieser Hoffnung angenehm beschäftigen, die mich so ganz beseelte, während ich diese Zeit über mich sehr mit der Römischen Gesch.[ichte] beschäftigte, so daß mein Wahlspruch war: Romam quaero. – Wenn es nur einen festen aber besonnenen Entschluß braucht um glücklich zu seyn, mein Freund, so ist man nicht weit vom Glücke entfernt.
Ich bitte Dich, sobald als möglich, das übrige vom Inferno [5] an mich zu schicken, weil Schiller schon mehreremale deshalb gebeten. Das Erste wird im Dritten Stücke erscheinen und ich hoffe es in diesen Tagen zu erhalten. Herder hat es in einem Billet an Schiller sehr gelobt, und ersucht, falls Sein Name etwas bey dir vermöchte Dich um die Fortsetzung zu bitten. Sch.[iller] wünscht das Ganze zu haben, und hat immer an Dich schreiben wollen. Eine Bedingung habe ich zu spät erfahren, daß nehmlich erst in zwey Jahren die Sachen anderweit gedruckt werden dürften. Schwerlich wird es aber damit ernstlich gemeynt seyn, und da mir nichts gesagt ist, in der Addreße nichts erwähnt worden, so bist Du zu nichts verpflichtet. Es wäre indessen nicht [6] übel, wenn Du ein Paar Zeilen an Schiller schriebst und deswegen auch eine Anfrage ergehen ließest. Dagegen sind die Bedingungen gut, so daß sie mich in Deiner Stelle zu einem Aufschub verführen könnten, der Dir den Vortheil einer künftigen Retouchirung gewährte, da doch vielleicht an gelehrten Notizen wegen Mangel an Bibl.[iotheken] Dir manches übrig geblieben ist. Das Honorar ist für den Bogen 5 Louisdʼor. Soviel giebt Dir wohl kein andrer Verleger. Das Publikum ist zahlreich (es waren schon im Januar 1 000 Exempl.[are] bestellt) und einigermaaßen ausgesucht. Der Gesellschaft der Mitarbeiter brauchst Du Dich auch nicht zu schämen. Nur bitte ich so bald als möglich [7] zu schicken, und was nicht schon geschrieben ist, lieber in 4° als in 8° zu schreiben. Denn wenn Körner wegen des Formats eine Abschrift verlangt, so kann ich sie, obwohl es völlig überflüßig, doch nicht gut verweigern, welches mich genirt. Doch riethe ich, daß Du ihm zwar verbindlich schriebst, aber ihn doch zugleich etwas kurz hieltest.
Meine Arbeiten gehn recht gut vorwärts. An der Berl.[iner] Mon.[ats-] Schr.[ift] nehme ich regelmäßigen Antheil und habe verschiedenes an sie abgeschickt. Auch an den Merkur habe ich etwas abgeschickt, und werde vielleicht Mehreres nachfolgen lassen, so wie auch an die Fried.[ens-]Prälim[inarien]. – Mit einem Buchhändler, der viel Neigung bezeugt mein Verleger zu werden, [8] bin ich zwar noch nicht ganz Eins, hoffe es aber doch bald zu seyn. Davon bey Deiner Zurückkunft mehr.
Dein Brief vom 16ten Jan.[uar] ist angekommen; dagegen müssen aber viele Briefe an Dich verlohren gegangen seyn, wenn Du sie nicht etwan noch nach Absendung Deines Briefes erhalten hast.
Charlotte grüßt Dich herzlich und hat sich gleichfalls sehr gefreut.
Möchte dieß Blatt ein glücklicheres Schicksal haben, als die der Sybille und möchte es Dir meinen herzlichen Gruß recht schnell überbringen. Laß Dich herzlich umarmen.
Dein Friedrich Schlegel.
[1] Den 7ten April 1795.
Meine Freude, theuerster Bruder, als ich heute Deinen Brief empfieng war so groß, als meine Ungeduld bisher quälend gewesen war. Sie war um so größer, da Dein Brief uns Alles versichert, was wir wünschten. Laß Dich in Gedanken herzlich umarmen, und Dir meine Freude mittheilen über die Hoffnung Dich wiederzusehen. –
Es versteht sich, daß ich gleich heute Deine Aufträge besorgt habe. Unser Freund hat an einer Krankheit viel gelitten, deren Ursache mehr Unruhe und Leiden des Gemüths, als körperliche Uebel gewesen zu seyn scheinen. Doch war er nach s.[einem] lezten Briefe völlig [2] wieder gesund, wird am 12ten dieses seinen bisherigen Aufenthalt verlassen, und sich am bestimmten Orte seiner Absicht gemäß mit seiner Familie einrichten. Er wird sich freuen von Dir zu hören und Dich zärtlich grüßen, und sollte er nicht ganz wieder bey Kräften gewesen seyn, so wird ihn mein Brief sehr wohl treffen. –
Ach theuerster Freund! Die Freude, Dich vielleicht bald wiederzusehen, sollte mir wohl genügen, aber der Mensch ist ein ungenügsames Wesen. Möchten wir uns an einem Orte vereinigen können, wo ein freundlicher Himmel uns umgäbe, wo keine einengenden Verhältnisse uns beschränkten. Meine un[3]verrückte Vorliebe für die Alten rechtfertigt vielleicht meine Neigung für Rom, entschuldigt den sonst thörichten Wunsch, an der Tiber mit dem geliebtesten Bruder wenigstens einige Jahre gemeinschaftlich zu leben. Während Du in Ital.[ienischen] Bibliotheken Manches fändest, was Dir zu Deinen litterarischen Absichten bis iezt fehlte, würde ich in den Griech.[ischen] Schätzen wühlen. Ja ich traue Dir den Sinn für bildende Kunst, die Kentniße zu, das zu vollenden, was Winkelmann anfieng. Ein rühmliches Werk! Dieser schöne Traum ist vielleicht nicht ohne Wahrheit. Ich zwar muß der Neigung entsagen, wenigstens noch für mehrere Jahre, den Ort zu sehen, der das Ziel eines [4] Jeden ist, der die Alten liebt. Aber es wird Dir vielleicht merkwürdig auffallen, daß der Ort für alle Deine Absichten der günstigste ist, wie ich Dir nicht zu entwickeln brauche. Vielleicht wirst Du Dich auch mit dieser Hoffnung angenehm beschäftigen, die mich so ganz beseelte, während ich diese Zeit über mich sehr mit der Römischen Gesch.[ichte] beschäftigte, so daß mein Wahlspruch war: Romam quaero. – Wenn es nur einen festen aber besonnenen Entschluß braucht um glücklich zu seyn, mein Freund, so ist man nicht weit vom Glücke entfernt.
Ich bitte Dich, sobald als möglich, das übrige vom Inferno [5] an mich zu schicken, weil Schiller schon mehreremale deshalb gebeten. Das Erste wird im Dritten Stücke erscheinen und ich hoffe es in diesen Tagen zu erhalten. Herder hat es in einem Billet an Schiller sehr gelobt, und ersucht, falls Sein Name etwas bey dir vermöchte Dich um die Fortsetzung zu bitten. Sch.[iller] wünscht das Ganze zu haben, und hat immer an Dich schreiben wollen. Eine Bedingung habe ich zu spät erfahren, daß nehmlich erst in zwey Jahren die Sachen anderweit gedruckt werden dürften. Schwerlich wird es aber damit ernstlich gemeynt seyn, und da mir nichts gesagt ist, in der Addreße nichts erwähnt worden, so bist Du zu nichts verpflichtet. Es wäre indessen nicht [6] übel, wenn Du ein Paar Zeilen an Schiller schriebst und deswegen auch eine Anfrage ergehen ließest. Dagegen sind die Bedingungen gut, so daß sie mich in Deiner Stelle zu einem Aufschub verführen könnten, der Dir den Vortheil einer künftigen Retouchirung gewährte, da doch vielleicht an gelehrten Notizen wegen Mangel an Bibl.[iotheken] Dir manches übrig geblieben ist. Das Honorar ist für den Bogen 5 Louisdʼor. Soviel giebt Dir wohl kein andrer Verleger. Das Publikum ist zahlreich (es waren schon im Januar 1 000 Exempl.[are] bestellt) und einigermaaßen ausgesucht. Der Gesellschaft der Mitarbeiter brauchst Du Dich auch nicht zu schämen. Nur bitte ich so bald als möglich [7] zu schicken, und was nicht schon geschrieben ist, lieber in 4° als in 8° zu schreiben. Denn wenn Körner wegen des Formats eine Abschrift verlangt, so kann ich sie, obwohl es völlig überflüßig, doch nicht gut verweigern, welches mich genirt. Doch riethe ich, daß Du ihm zwar verbindlich schriebst, aber ihn doch zugleich etwas kurz hieltest.
Meine Arbeiten gehn recht gut vorwärts. An der Berl.[iner] Mon.[ats-] Schr.[ift] nehme ich regelmäßigen Antheil und habe verschiedenes an sie abgeschickt. Auch an den Merkur habe ich etwas abgeschickt, und werde vielleicht Mehreres nachfolgen lassen, so wie auch an die Fried.[ens-]Prälim[inarien]. – Mit einem Buchhändler, der viel Neigung bezeugt mein Verleger zu werden, [8] bin ich zwar noch nicht ganz Eins, hoffe es aber doch bald zu seyn. Davon bey Deiner Zurückkunft mehr.
Dein Brief vom 16ten Jan.[uar] ist angekommen; dagegen müssen aber viele Briefe an Dich verlohren gegangen seyn, wenn Du sie nicht etwan noch nach Absendung Deines Briefes erhalten hast.
Charlotte grüßt Dich herzlich und hat sich gleichfalls sehr gefreut.
Möchte dieß Blatt ein glücklicheres Schicksal haben, als die der Sybille und möchte es Dir meinen herzlichen Gruß recht schnell überbringen. Laß Dich herzlich umarmen.
Dein Friedrich Schlegel.
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