• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 07.04.1813
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 07.04.1813
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 540‒541.
  • Incipit: „[1] Wien, den 7ten April 1813.
    Geliebter Bruder, ich werde Dir heute nur einige Zeilen schreiben können. Ich war sehr unwohl und [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.194a
  • Number of Pages: 4S., hs.
  • Format: 19,8 x 11,7 cm
    Language
  • German
[1] Wien, den 7ten April 1813.
Geliebter Bruder, ich werde Dir heute nur einige Zeilen schreiben können. Ich war sehr unwohl und fühle mich noch etwas matt. ‒ Ich schicke einige Hefte von dem Museum mit, aber nicht alle, weil August sagt, daß er sehr wenig Platz habe. Es sind nun schon vor geraumer Zeit drey Briefe an Dich abgegangen, mit drey verschiedenen Gelegenheiten durch Graf Bernstorff, die Gräfin Düben und durch Genz oder vielmehr mit einem nach Schweden gehenden Courier. In jedem war eine Einlage aus Bern; der beyfolgende Brief wird schon ziemlich alt seyn, denn er war es schon als er in meine Hände kam. Da ich glaubte, daß Dir an den Berner Briefen mehr gelegen seyn würde, so habe ich diesen bey den vorigen Gelegenheiten den Vorzug gegeben.
[2] Wie ist es aber nur zugegangen, daß ich den ganzen Winter, seit Deinem Briefe aus Petersburg auch nicht eine Zeile von Dir erhalten habe? Es müssen doch Briefe verlohren gegangen sein; anders kann ich es mir durchaus nicht erklären. Wie sehr wünschtʼ ich, daß Du Dein Versprechen halten und in diesem Frühjahr nach Deutschland zurück kommen möchtest. Wie viel große Dinge jetzt geschehen, das weißt Du eben so gut, zum Theil auch wohl noch besser als wir. Warum eilst Du also nicht zurück zum Vaterlande? Und was kann Dich dort noch länger fesseln?
Ich habe einen traurigen Winter zugebracht. Die Verändrung des Courses, und die schreckliche Theurung, welche jetzt hier herscht, haben mich in ziemliche Geldnoth versetzt. Das Hauptübel aber war meine Gesundheit ‒ noch nie war ich so schwer, unlustig und ganz unfähig zu allem Erfreulichen und geistig Nothwendigen.
[3] Ich fühlte wohl, daß mir eine große Krankheit im Körper liege. Endlich ist es vor Kurzem zum Ausbruch gekommen. Zwar ist es durch die schnelle und doch schonende Behandlung des Artztes nicht zu einer vollkommenen Lungenentzündung gekommen. Indessen war es doch nah dran, und ich fühle wohl daß eine große Revoluzion in meinem Körper vorgegangen ist, die auch eine eben solche in meiner ganzen Lebensart nach sich ziehen muß. Ich werde mich noch lange Zeit auf das äußerste in Acht nehmen müssen; indessen wird die Veränderung wahrscheinlich für meinen geistigen Zustand eher vortheilhaft als nachtheilig seyn, da ich nun meinen Körper besser habe kennen lernen; indem ich auf alle Krankheiten eher gefaßt war, als auf diese.
Gestern ist auch Philipp nach Breslau abgegangen zu den freywilligen Jägern. Es war eigentlich nicht wohl zu vermeiden, am wenigsten konnte oder mochte ich ihm gegen seinen Entschluß etwas in den Weg legen. [4] Vorher hat er jedoch noch das Bild einer sehr schönen Frau, deren Du Dich vielleicht noch erinnerst, der Gräfin Julie Zichy vollendet. ‒ Steffens ist auch bey den Jägern, so auch der junge Körner, der als Theaterdichter hier viel Beyfall gefunden. Fouqué ist auch wieder in Diensten. Es ist alles in Bewegung! ‒ Ich hätte Philipp sehr gern nach Breslau begleitet, um wenigstens zu sehen, was da geschieht, und Orts Gelegenheit zu ersehen. Aber zuerst fehlte es an Gelde, und auch besorgte ich, man könnte es mir hier mißdeuten, als ein völliges Weggehen, ehe ich dort noch etwas sichres hätte. Auch eröffnen sich wunderbarer Weise grade jetzt zum erstenmale einige ganz hoffnungsvolle Aussichten für mich hier; ich traue zwar noch nicht sehr darauf, will aber doch das Meinige thun, darf also jetzt den Platz nicht verlassen. Auch hoffe ich mit Gewißheit, daß wir hier nicht lange mehr müßige Zuschauer seyn werden. Man wird bald genug wollen müssen. Lebe herzlich wohl und komme.
Friedrich.
[1] Die besten Grüße von meiner Frau. Du kannst leicht denken, daß es ihr weh gethan hat, den Philipp von sich zu lassen. Aber Du weißt auch, wie entschlossen sie immer zu allem Rechten.
[1] Wien, den 7ten April 1813.
Geliebter Bruder, ich werde Dir heute nur einige Zeilen schreiben können. Ich war sehr unwohl und fühle mich noch etwas matt. ‒ Ich schicke einige Hefte von dem Museum mit, aber nicht alle, weil August sagt, daß er sehr wenig Platz habe. Es sind nun schon vor geraumer Zeit drey Briefe an Dich abgegangen, mit drey verschiedenen Gelegenheiten durch Graf Bernstorff, die Gräfin Düben und durch Genz oder vielmehr mit einem nach Schweden gehenden Courier. In jedem war eine Einlage aus Bern; der beyfolgende Brief wird schon ziemlich alt seyn, denn er war es schon als er in meine Hände kam. Da ich glaubte, daß Dir an den Berner Briefen mehr gelegen seyn würde, so habe ich diesen bey den vorigen Gelegenheiten den Vorzug gegeben.
[2] Wie ist es aber nur zugegangen, daß ich den ganzen Winter, seit Deinem Briefe aus Petersburg auch nicht eine Zeile von Dir erhalten habe? Es müssen doch Briefe verlohren gegangen sein; anders kann ich es mir durchaus nicht erklären. Wie sehr wünschtʼ ich, daß Du Dein Versprechen halten und in diesem Frühjahr nach Deutschland zurück kommen möchtest. Wie viel große Dinge jetzt geschehen, das weißt Du eben so gut, zum Theil auch wohl noch besser als wir. Warum eilst Du also nicht zurück zum Vaterlande? Und was kann Dich dort noch länger fesseln?
Ich habe einen traurigen Winter zugebracht. Die Verändrung des Courses, und die schreckliche Theurung, welche jetzt hier herscht, haben mich in ziemliche Geldnoth versetzt. Das Hauptübel aber war meine Gesundheit ‒ noch nie war ich so schwer, unlustig und ganz unfähig zu allem Erfreulichen und geistig Nothwendigen.
[3] Ich fühlte wohl, daß mir eine große Krankheit im Körper liege. Endlich ist es vor Kurzem zum Ausbruch gekommen. Zwar ist es durch die schnelle und doch schonende Behandlung des Artztes nicht zu einer vollkommenen Lungenentzündung gekommen. Indessen war es doch nah dran, und ich fühle wohl daß eine große Revoluzion in meinem Körper vorgegangen ist, die auch eine eben solche in meiner ganzen Lebensart nach sich ziehen muß. Ich werde mich noch lange Zeit auf das äußerste in Acht nehmen müssen; indessen wird die Veränderung wahrscheinlich für meinen geistigen Zustand eher vortheilhaft als nachtheilig seyn, da ich nun meinen Körper besser habe kennen lernen; indem ich auf alle Krankheiten eher gefaßt war, als auf diese.
Gestern ist auch Philipp nach Breslau abgegangen zu den freywilligen Jägern. Es war eigentlich nicht wohl zu vermeiden, am wenigsten konnte oder mochte ich ihm gegen seinen Entschluß etwas in den Weg legen. [4] Vorher hat er jedoch noch das Bild einer sehr schönen Frau, deren Du Dich vielleicht noch erinnerst, der Gräfin Julie Zichy vollendet. ‒ Steffens ist auch bey den Jägern, so auch der junge Körner, der als Theaterdichter hier viel Beyfall gefunden. Fouqué ist auch wieder in Diensten. Es ist alles in Bewegung! ‒ Ich hätte Philipp sehr gern nach Breslau begleitet, um wenigstens zu sehen, was da geschieht, und Orts Gelegenheit zu ersehen. Aber zuerst fehlte es an Gelde, und auch besorgte ich, man könnte es mir hier mißdeuten, als ein völliges Weggehen, ehe ich dort noch etwas sichres hätte. Auch eröffnen sich wunderbarer Weise grade jetzt zum erstenmale einige ganz hoffnungsvolle Aussichten für mich hier; ich traue zwar noch nicht sehr darauf, will aber doch das Meinige thun, darf also jetzt den Platz nicht verlassen. Auch hoffe ich mit Gewißheit, daß wir hier nicht lange mehr müßige Zuschauer seyn werden. Man wird bald genug wollen müssen. Lebe herzlich wohl und komme.
Friedrich.
[1] Die besten Grüße von meiner Frau. Du kannst leicht denken, daß es ihr weh gethan hat, den Philipp von sich zu lassen. Aber Du weißt auch, wie entschlossen sie immer zu allem Rechten.
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