• Elisabeth Wilhelmine van Nuys to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 25.06.1808 bis 02.07.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Elisabeth Wilhelmine van Nuys
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 25.06.1808 bis 02.07.1808
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 559‒562.
  • Incipit: „[1] W[ien] Juni 25 [180]8
    Vor drei Stunden sind endlich die ersehntesten aller Zeilen mir zu Händen gekommen. Frl. S[chiffenhuber] saß mir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,22,7
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 20,2 x 12,4 cm
    Language
  • German
  • English
[1] W[ien] Juni 25 [180]8
Vor drei Stunden sind endlich die ersehntesten aller Zeilen mir zu Händen gekommen. Frl. S[chiffenhuber] saß mir grade gegen über, und sie laß es in den veränderten Zügen woher die frohe Nachricht kommen müsse! Vieles ist freilich in dieser mir noch zu wünschen übrig geblieben, zumal da der Br[uder] noch immer nicht erschienen – ich noch keine der tausendfachen Fragen die der Geist dem abwesenden Freunde macht, beantwortet sehe! –
27 Gestern endlich ist auch der ersehnte Brud[er] gekommen! o wie habʼ ich in allen Zügen gesucht das wohlthätige hoher Aehnlichkeit zu finden, aber – das ansprechende fehlt; obgleich beym öfnen des Mundes, bei jedem frohen Ausbruch im lachen vorzüglich jene [2] sich zeigt; ich bot daher alles auf die glückliche Wirkung die diese Erscheinung und die gestrige Nachricht auf mich machte an den Tag zu legen – und so gelang es mir zum öftern lachen mit hinzureißen; auf die eigenste Weise war ich glücklicher in diesen Momenten. Heute leider folgt dafür schon eine Buße da ich unglaublich matt wieder mich fühle, überhaupt ist noch jede Bewegung unmöglich ohne geführt zu werden, ach wie wird dem reizendsten aller Pläne dieses im Wege stehen! Morgen habʼ ich Hofnung den B[ruder] wieder zu sehen, dann erst ein mehrers da mich jenes jetzt so ausschließlich beschäftigt.
29 Mit einem ungeahndeten Trübsinn haben mich die Aeußerungen D[eines] B[ruders] über jenen Pl[an] erfüllt – ich habe Ursache als ganz entschieden anzunehmen daß er die Ausführung nicht [3] gerne sieht, er scheint zu fürchten: so versteckt sich dieß auch an den Tag legt daß die Dortkunft D[einen] Verhältnissen mit – im Wege stehen, oder noch deutlicher – schaden könne – schildert den Aufenthalt in G[enf] als unausstehlich, als höchst kostbar, und den bey D[ir] nur auf Augenblicke denkbar. Darf demnach der Wunsch noch genährt werden? – Daß Tisch[bein] einen andern Weg genommen glaub ich geschrieben zu haben aber D[eine] M[inna] hat sichʼs nicht erwehren können andere Erkundigungen zu veranlassen und belohnen diese sich günstig – entspricht auch das physische Befinden diesem – lauten die fernern Nachrichten die von m[einem] Freunde wie bis jetzt; dann – o dann wird doch noch jedem Hindernisse Troz geboten und wäre es – auch nur für – ich möchte sagen Augenblicke! oder wär es besser den Frühling abzuwarten? Ist die Aussicht sicher daß A[lbert] abgeholt werde? Dieser war ein paar mahl auf Augenblicke [4] hier, und zwei mal habʼ ich ihn geladen, diesem ist er nicht nachgekommen. – Jetzt verhindert leider eine Reise nach Baden ein mehrers. Die Aertzte – (ich habe nehmlich auf aller theilnehmenden Rath auch noch Hoser angenommen) jene also wollen die tour nach Ba[den]. Die Bar[onin] Matt hatt dort ihre Wohnung erlaubt, eine Zofe ist die Begleiterin, and all the rest ceases; I believe I shall even stay the winter here tho every one advices to come to town. E[lise] writes she does not wonder of M[inna]ʼs desire to go to – but – she thinks the yourney very long and – partycularly expensif if this was no matter of consequence, all the rest would or rather – should be no Hinderniß!
July 2 – Daß noch diese Zeilen in meinen Händen würdʼ ich mir nimmer verzeihen wenn nicht D[ein] Br[uder] [5] sie einzuschließen sich erboten hätte ohne bis jetzt – geschrieben zu haben. Ich traue ihm der liebenswürdigen Eigenschaften wahrlich sehr viele zu, doch gehört die eines Eilboten nicht eben dazu, aber diese würde immer die letzte seyn welche ich von ihm erwarten würde. Vor einigen Tagen habʼ ich ihm mit der Pichler und Col[lin] bekandtgemacht, heute erwartʼ ich ihn mit Faßb[inder] und Retz[er]. Hornm[ayr] schrieb mir nach dem Abschiede vom 22t Mai Er hofe: die Liebe die er für D[ich] hege D[einem] Br[uder] beweisen zu können, dieser H[ormayr] ganz ein so thätiger Freund seiner Freunde, als treflicher, und im Cabin[et] anerkannter Kopf seyn; ich habe nicht versäumt dieses dem B[ruder] zu sagen; es thut gar zu wohl, beim Eintritt in eine fremde Welt zu wissen: wer Vertrauen verdient. Der gute Col[lin] welcher sehr empfindlich sein soll gegen körperliche [6] Schmerzen kam einst als D[eine] arme M[inna] grade am heftigsten litt, und einen so furchtbaren Schrei ausstieß daß man es vieleicht im Garten des Nachbarn hören konnte dieß kann er gar nicht vergessen; wie heftig in den ersten zwölf Tagen der Schmerz war läst sich nicht darstellen; 12 Schlaflose Nächte waren im Gefolge und Arzneien war die einzige Nahrung. Erkältung am letzten Tage konnte es nicht seyn aber – wohl nach dem Bade en question etc.
Für Mangel an Vorsicht zu büßen gehört nach meiner Art zu empfinden zu den schrecklichsten Gefühlen. Thank Heavens! this horrible period has passed by, surely you better are able to judge what I sufferd so lonesome after such a separation – in such a distance of my friends. My Harriott the only beeing [7] who belong to me – I did send her in the country to a family, where I knew her to be in very good hands; my acquaintances here did not lose in my opinion this I must confess, but most of them went to bathing places etc – not wishing to keep this any longer from my worthy fr[iend].
A visit of Y[our] B[rother] did interrupt these conclusion. I told him concerning the yourn[ey] I mentiond above having observed – he answerd: he never should wish my writing so to you, for fear y[ou] might judge wrong his opinion about M[inna]ʼs going, but as it is written, I must mention this tho I am not afraid your D[ea]r[e]st Soul can abuse of any confidence!
[8] Yesterday I read a Letter from Weim[ar] – where y[ou]r not having appeared but beeing gone to Hannover was mentiond as a news – but more was spoken of Go[e]thes Faust changed into a tragedy of which the first volume appeared, and of which many others were to follow – it is sayd there, that all the ennemies of G[oethe] could never hurt his reputation so much, then he had done himself, by this diabolic work; tho the Prom[etheus] would call it heavenly – Retz[er] got this Letter and did show it to Seckend[orf] of which I wunderd indeed.
God bless my dearest, my worthy friend! I wish and hope the mountains he is surrounded of, the sollitude which reigns there may not influence too serious upon his disposition – I pray he never may take resolutions then those he once mentiond when surrounded with snow and ice we went to the Prater.
Red with indulgence for surely my poor mind is yet as faible as it has been more then 6 weeks before my Illness. Donʼt you remember how often I complained when I came home of Y[ou]r most interresting Lectures my mind refused in an unusual way to follow and more to remind in following you.
Y[ou]r B[rother] I suppose writes you what Bar.[on] Sek[endorf] mentiond (it happend to be here) about y[ou]r Lectures. He wishes to know if it is understood wright that you ʼill the Bogen 24 fl in Sachson money?
[1] W[ien] Juni 25 [180]8
Vor drei Stunden sind endlich die ersehntesten aller Zeilen mir zu Händen gekommen. Frl. S[chiffenhuber] saß mir grade gegen über, und sie laß es in den veränderten Zügen woher die frohe Nachricht kommen müsse! Vieles ist freilich in dieser mir noch zu wünschen übrig geblieben, zumal da der Br[uder] noch immer nicht erschienen – ich noch keine der tausendfachen Fragen die der Geist dem abwesenden Freunde macht, beantwortet sehe! –
27 Gestern endlich ist auch der ersehnte Brud[er] gekommen! o wie habʼ ich in allen Zügen gesucht das wohlthätige hoher Aehnlichkeit zu finden, aber – das ansprechende fehlt; obgleich beym öfnen des Mundes, bei jedem frohen Ausbruch im lachen vorzüglich jene [2] sich zeigt; ich bot daher alles auf die glückliche Wirkung die diese Erscheinung und die gestrige Nachricht auf mich machte an den Tag zu legen – und so gelang es mir zum öftern lachen mit hinzureißen; auf die eigenste Weise war ich glücklicher in diesen Momenten. Heute leider folgt dafür schon eine Buße da ich unglaublich matt wieder mich fühle, überhaupt ist noch jede Bewegung unmöglich ohne geführt zu werden, ach wie wird dem reizendsten aller Pläne dieses im Wege stehen! Morgen habʼ ich Hofnung den B[ruder] wieder zu sehen, dann erst ein mehrers da mich jenes jetzt so ausschließlich beschäftigt.
29 Mit einem ungeahndeten Trübsinn haben mich die Aeußerungen D[eines] B[ruders] über jenen Pl[an] erfüllt – ich habe Ursache als ganz entschieden anzunehmen daß er die Ausführung nicht [3] gerne sieht, er scheint zu fürchten: so versteckt sich dieß auch an den Tag legt daß die Dortkunft D[einen] Verhältnissen mit – im Wege stehen, oder noch deutlicher – schaden könne – schildert den Aufenthalt in G[enf] als unausstehlich, als höchst kostbar, und den bey D[ir] nur auf Augenblicke denkbar. Darf demnach der Wunsch noch genährt werden? – Daß Tisch[bein] einen andern Weg genommen glaub ich geschrieben zu haben aber D[eine] M[inna] hat sichʼs nicht erwehren können andere Erkundigungen zu veranlassen und belohnen diese sich günstig – entspricht auch das physische Befinden diesem – lauten die fernern Nachrichten die von m[einem] Freunde wie bis jetzt; dann – o dann wird doch noch jedem Hindernisse Troz geboten und wäre es – auch nur für – ich möchte sagen Augenblicke! oder wär es besser den Frühling abzuwarten? Ist die Aussicht sicher daß A[lbert] abgeholt werde? Dieser war ein paar mahl auf Augenblicke [4] hier, und zwei mal habʼ ich ihn geladen, diesem ist er nicht nachgekommen. – Jetzt verhindert leider eine Reise nach Baden ein mehrers. Die Aertzte – (ich habe nehmlich auf aller theilnehmenden Rath auch noch Hoser angenommen) jene also wollen die tour nach Ba[den]. Die Bar[onin] Matt hatt dort ihre Wohnung erlaubt, eine Zofe ist die Begleiterin, and all the rest ceases; I believe I shall even stay the winter here tho every one advices to come to town. E[lise] writes she does not wonder of M[inna]ʼs desire to go to – but – she thinks the yourney very long and – partycularly expensif if this was no matter of consequence, all the rest would or rather – should be no Hinderniß!
July 2 – Daß noch diese Zeilen in meinen Händen würdʼ ich mir nimmer verzeihen wenn nicht D[ein] Br[uder] [5] sie einzuschließen sich erboten hätte ohne bis jetzt – geschrieben zu haben. Ich traue ihm der liebenswürdigen Eigenschaften wahrlich sehr viele zu, doch gehört die eines Eilboten nicht eben dazu, aber diese würde immer die letzte seyn welche ich von ihm erwarten würde. Vor einigen Tagen habʼ ich ihm mit der Pichler und Col[lin] bekandtgemacht, heute erwartʼ ich ihn mit Faßb[inder] und Retz[er]. Hornm[ayr] schrieb mir nach dem Abschiede vom 22t Mai Er hofe: die Liebe die er für D[ich] hege D[einem] Br[uder] beweisen zu können, dieser H[ormayr] ganz ein so thätiger Freund seiner Freunde, als treflicher, und im Cabin[et] anerkannter Kopf seyn; ich habe nicht versäumt dieses dem B[ruder] zu sagen; es thut gar zu wohl, beim Eintritt in eine fremde Welt zu wissen: wer Vertrauen verdient. Der gute Col[lin] welcher sehr empfindlich sein soll gegen körperliche [6] Schmerzen kam einst als D[eine] arme M[inna] grade am heftigsten litt, und einen so furchtbaren Schrei ausstieß daß man es vieleicht im Garten des Nachbarn hören konnte dieß kann er gar nicht vergessen; wie heftig in den ersten zwölf Tagen der Schmerz war läst sich nicht darstellen; 12 Schlaflose Nächte waren im Gefolge und Arzneien war die einzige Nahrung. Erkältung am letzten Tage konnte es nicht seyn aber – wohl nach dem Bade en question etc.
Für Mangel an Vorsicht zu büßen gehört nach meiner Art zu empfinden zu den schrecklichsten Gefühlen. Thank Heavens! this horrible period has passed by, surely you better are able to judge what I sufferd so lonesome after such a separation – in such a distance of my friends. My Harriott the only beeing [7] who belong to me – I did send her in the country to a family, where I knew her to be in very good hands; my acquaintances here did not lose in my opinion this I must confess, but most of them went to bathing places etc – not wishing to keep this any longer from my worthy fr[iend].
A visit of Y[our] B[rother] did interrupt these conclusion. I told him concerning the yourn[ey] I mentiond above having observed – he answerd: he never should wish my writing so to you, for fear y[ou] might judge wrong his opinion about M[inna]ʼs going, but as it is written, I must mention this tho I am not afraid your D[ea]r[e]st Soul can abuse of any confidence!
[8] Yesterday I read a Letter from Weim[ar] – where y[ou]r not having appeared but beeing gone to Hannover was mentiond as a news – but more was spoken of Go[e]thes Faust changed into a tragedy of which the first volume appeared, and of which many others were to follow – it is sayd there, that all the ennemies of G[oethe] could never hurt his reputation so much, then he had done himself, by this diabolic work; tho the Prom[etheus] would call it heavenly – Retz[er] got this Letter and did show it to Seckend[orf] of which I wunderd indeed.
God bless my dearest, my worthy friend! I wish and hope the mountains he is surrounded of, the sollitude which reigns there may not influence too serious upon his disposition – I pray he never may take resolutions then those he once mentiond when surrounded with snow and ice we went to the Prater.
Red with indulgence for surely my poor mind is yet as faible as it has been more then 6 weeks before my Illness. Donʼt you remember how often I complained when I came home of Y[ou]r most interresting Lectures my mind refused in an unusual way to follow and more to remind in following you.
Y[ou]r B[rother] I suppose writes you what Bar.[on] Sek[endorf] mentiond (it happend to be here) about y[ou]r Lectures. He wishes to know if it is understood wright that you ʼill the Bogen 24 fl in Sachson money?
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