Theuerster Bruder, die Sorge wie und auf welche Art ich nach Wien kommen werde, ist gehoben denn ich bin schon hier! Möchte ich doch jedes andre sich aufthürmende Hinderniß eben so glücklich übersteigen! Friedrich schrieb mir, daß eine Erlaubniß sich auf unbestimmte Zeit hier aufzuhalten ihm gewiß sey; zugleicher Zeit zeigte sich eine gute Gelegenheit mit wenigen Kosten her zu kommen, ich ergriff sie also ohne mich lange zu besinnen, weil im spätern Winter die guten Gelegenheiten eben nicht so häufig vorkommen möchten. Die ganze Reise hat mich ungefähr 130 Papier Gulden gekostet; so viel hatte ich noch; und eben so viel habe ich auch noch mit gebracht. Es war freilich etwas viel gewagt; mehr als ich wusste, mehr als ich gewagt haben würde wenn ich die Schwierigkeiten des hiesigen Lebens so genau gekannt hätte, als ich sie jetzt kenne; jedoch gereut es mich bis jetzt noch nicht, denn ich bin gewiß wenn ich auch jetzt in den ersten Wochen einen etwas größeren Geldaufwand veranlasse, so werde ich in Kurzem hier eine Einrichtung getroffen haben, die in jeder Rücksicht ersprießlicher, so wohl in der Oekonomie des Geldes, als der Zeit seyn wird; denn Friedrich ist doch, obgleich er seine Einrichtungen so klug als möglich gemacht, eben durch sie, in seinen Arbeiten sehr gestört, [2] und ich hoffe, ich werde dies bald ändern. Seit den 1ten bin ich hier, und wohne mit Friedrich auf einem einzigen Zimmer ohne die allermindeste Bequemlichkeit, und gehe Mittags mit ihm auf eine Restauration, die, weil wir zu Abend gar nichts essen nicht zu theuer ausfällt. So kann es aber nicht bleiben, wir sind zu sehr gestört, haben gar keine Aufwartung etc etc. Ende dieses Monats werden wir ein kleines Quartier mit einer Küche beziehen (welches der freundlich thätige, brave Collin uns verschafft) ich werde eine Magd annehmen, und es soll alles weit besser gehen! Nach allem was ich höre und erfahre, werden wir, (den Hauszins ausgenommen) nicht viel mehr als in Kölln, und gewis nicht mehr als in Dresden oder in irgend einer andern bedeutenden Stadt brauchen; und dies wenige mehr, auch nicht anders als zu den hier ganz unentbehrlichen Luxus, als da ist, etwas bessere Kleidung u. dgl. Für mich selber habe ich weder Wünsche noch Absichten sähe ich Friedrich in einem ihm angemessenen Wirkungskreis, und in der nöthigen Ruhe und Verfassung seine Werke zu vollenden; habe ich vollends die entfernte Aussicht meine Kinder in seine Nähe zu bringen damit sie seines Unterrichts und seiner Führung genießen, so habe ich Alles erreicht was ich mir zu hoffen je erkühnte! Bei Charlotte in Dresden konnte ich doch auch schicklicher Weise nicht länger zu Gaste seyn. [3] Glauben Sie mir also, nach dieser gewis aufrichtigen Versicherung daß weder Selbstsucht noch Eitelkeit mich herführten, vielleicht früher als die Vorsichtigkeit es gut heißen möchte, ich hoffe ihm hier nützlich zu werden, so bald die ersten Schwierigkeiten überstanden seyn werden. Die größte machte uns das Auffinden einer schicklichen Wohnung, es hat unendliches Laufen und Sorgen gekostet bis wir erst zu der Hoffnung gelangen konnten zu Ende dieses Monats eine zu erhalten; so eben war Collin hier und brachte mir die Versichrung davon, und dennoch traue ich noch nicht ganz, bis ich nicht wirklich darin sitzen werde; es ist ein wahres Elend, mit dieser Seltenheit der Wohnungen. Die beinah noch größere Schwierigkeit, ist unser geringer Geldvorrath, da eine Einrichtung sey sie noch so gering, und daß tägliche Leben doch immer etwas erfordern! Die Hoffnung zur Vorlesung ist freilich immer vorhanden, aber die Möglichkeit daß es doch damit schief geht, und das Auslangen bis dahin – – – kurz es ist hart und schwer, aber ich glaube fest: der uns bis jetzt nicht sinken ließ, der wird uns ferner halten, und nicht ohne Beruf ißt Friedrichs Leben hier, alles überzeugt mich davon daß sein rechtes Wirken erst hier angehen wird; und mein schönster Beruf ist es, ihm nützlich zu werden zu Erreichung seiner Zwecke. Daß Sie nun doch diesen Winter nicht herkommen ist recht traurig! ich hatte mich schon so sehr gefreut Sie wieder zu sehen, wann wird dies nun geschehen? dürfen wir nicht wieder an ein schönes Zusammenleben denken? – Friedrich cultivirt die Gönner und Freunde nach allen Kräften; er hat die Bekanntschaft von Riedeler, den Lehrer des Kronprinzen gemacht, der ihm wichtig seyn kann, der ihn auch schon mit guten Rath wegen der Vorlesung an die Hand gegangen ist; ferner mit Spendo, dem Director der theologischen Facultät. [4] Hofrath von Zeiller hat ihn sehr theilnehmend aufgenommen, und so gar ihm nicht undeutlich merken lassen daß er sich dem Erzherzog Johann müßte vorstellen lassen, so bald dieser wieder hier seyn wird. Der Erzherzog hat mit ihm von Friedrich, und von seinen historischen Studien günstig gesprochen. Bei der Gräfin Chotek war er diesen Morgen, sie hat sich sehr lange aufs artigste mit ihm unterhalten. Beim Grafen Sickingen war er auch diesen Morgen; dort hat er aber heute etwas nicht sehr erfreuliches vernommen, nemlich daß der Graf wieder auf 3 bis vier Wochen verreisen wird, daß auch des Kaisers Rückkunft sich etwas verzögert, daß es also mit der Vorlesung wieder etwas hinausgeschoben wird. Daß ist immer sehr sehr unangenehm, wegen des Geldes sowohl, als auch wegen der ruhigen Stimmung zur Arbeit, besonders des Karls, die wohl nicht erfolgen kann, so lange jene Angelegenheit nicht gediehen ist. Wie mir diese Arbeit des Karls am Herzen liegt kann ich gar nicht beschreiben; ich hasse Alles was sich dieser in den Weg legt. – Von Genz hat Friedrich dieser Tagen einen überaus schmeichelhaften Brief, voller der wärmsten Versicherungen der Freundschaft und Theilnahme erhalten; er ist entzückt vom Werke über Indien! Sie sind alle entzückt davon, niemand aber reicht ihm thätige Hülfe. Wir wollen nun einmal sehen was die eigentlichen Großen thun werden seine Werke zu befördern! – Lieber Wilhelm rechnen Sie mir es immer als eine Selbstverleugnung an daß ich Ihnen immer fort schreibe ohne einmal zu erfahren, ob Sie meine Briefe gar erhalten? Lassen Sie mich doch bald einmal von Ihnen erfahren daß Sie mir gut sind. Ihre
Dorothea Schlegel