• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 02.08.1797
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 02.08.1797
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 4‒5.
  • Incipit: „[1] Berlin. Den 2ten August. 97.
    Eben bekomme ich den dritten Bogen des Caesar zur <letzten> Correctur. Ich vergleiche Zeile für Zeile [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.88
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,8 x 11,5 cm
    Language
  • German
[1] Berlin. Den 2ten August. 97.
Eben bekomme ich den dritten Bogen des Caesar zur <letzten> Correctur. Ich vergleiche Zeile für Zeile des M[anu]scr[i]pts mit dem Gedruckten. Der Cettel läßt nicht ab von seiner Unart; wahrsch[einlich] ließt er bloß das Gedruckte, denn er läßt oft grausame Fehler stehn. Ich hoffe, es soll exemplarisch correct gedruckt werden. – Schicke mir auch bald wieder M[a]n[us]cr[ip]t und schreibe es recht genau, <weil ich mich sklavisch danach richte.>
Ifflanden hat Unger den Sh.[akespear] gegeben. Ich sah ihn neulich bey ihm. Es ist einer der angenehmsten Gesellschafter, und witzigst[en]Erzähler, die ich gesehn. Nur spricht er etwas allein und hat gar nicht die Gabe, auch andre sprechen zu machen. – Er fing auch gleich sehr artig <an> von <Deinem> Sh.[akespear] zu reden. Doch konnte ich in der Gesellschaft wo es war, weder ein recht umständliches Gespräch darüber anfangen noch auch gleich mit der Thüre ins Haus fallen. Unger meynt es hätte viel Schwierigkeit, ging[e] aber doch vielleicht. – Jetzt ist Iff.[land] auf drey Wochen ins Bad gereißt. – Ich werde mich hinter Fleck zu stecken suchen, der fast in jedem Sh.[akespear]schen Stück eine große vortheilhafte Rolle finden würde, welches mit Iffland der Fall gar nicht ist. –
[2] Der Prometheus hat mir schon manche angenehme Stunde gemacht. Er hat mich innig gefreut. Wäre ich, während so mancher Zerstreuungen und im Gedränge großer und dringender Arbeiten nur einigermaaßen im Stande, Deiner Auffoderung jetzt Genüge zu leisten! Du weißt, wie viel Zeit ich brauche, ehe der Eindruck den ein Werk der Dichtkunst mir giebt, sich nur mittheilen läßt, geschweige denn zum Urtheile reift.
Ich mußte mich erst kunstmäßig aeschylisiren, um Deine Behandlung mit der wahrscheinlichen der Alten zu vergleichen. Im Geist möchte wohl da eine der wesentlichsten Verschiedenheiten seyn, daß mehr ΗΘΟΣ in seiner Darstellung gewesen seyn muß. Was die Philosophie betrifft, so mag er, um bey der Modesprache zu bleiben, leicht eben so viel praktische enthalten haben, aber gewiß nicht so viel theoretische: und in der Vereinigung beyder scheint mir hier doch eigent[lich] das Wesentliche zu liegen. Ueberhaupt werde ich in der Folge (denn ich bleibe gewiß Deiner Anfrage die Antwort nicht schuldig) nicht vergleichen, [3] nicht tadeln, auch nicht die Eigenheit dieses einzelnen Gedichts entwickeln, sondern vor allem den Charakter der Dichtart zu der Pygm.[alion] und Prom.[etheus] gehört, zu bestimmen suchen. Da diese Form Dir so ganz eigenthümlich ist, da Du immer darin so fortschreitest, da sie dabey in ihren Eigenschaften und Merkmahlen so äußerst bestimmt ist: so ist es gewiß für den Kunstfreund sehr interessant, darüber Rechenschaft zu geben, und auch für den Künstler selbst halte ich diese Untersuchung für die einzig praktisch recht fruchtbare.
In Rücksicht des Sonnenwagens stimmte mein Gefühl mit Sch[iller]s Kritik überein, nicht bloß beym ersten Lesen sondern auch oft nachher. – Zu sinnlich finde ich die Stelle nicht. Die von dem Kampf der alten und neuen Götter und der folgenden Zerstörung ists noch mehr und thut doch so gut. Eher ists ein hors dʼœuvre, ein üppiger Auswuchs. –
Unter dem Einzelnen hat mich Prom.[etheus] [4] letzte Rede über die Menschheit und Freyheit am herrlichsten ergriffen.
Es ist wohl noch in keinem Deiner Gedichte, ja vielleicht in keinem Deiner Geisteswerke so viel Ernst, Würde, Männlichkeit, Hoheit ruhige Gewalt.
Im Uebrigen sind mir Karol.[ine], Goethe und S.[chiller] zuvorgekommen.
Deine Beschreibung von Eschens Bevoßung und von dem Voßirten Virgil hat mir unendlich viel Freude gemacht. Mir wäre es auch eben Recht, wenn ich mit dem hölzernen Kerl an einander geriethe.
Ich habe hier von Goethe zwey herrliche Lieder, die Bajadere und an Mignon gesehn. Auch von Schiller ein Reiterlied aus dem Wallenstein, voll Natur und einigen dreisten und doch nicht überspannten Zügen. Zelter ist aber doch ein gemeiner Kerl, demʼs andre Gedichte wohl auch thäten.
Die Post geht ab. –
Sonderbar ists daß Du immer historische Mythen philosophisch poetisirst. Ich habe daraus geschlossen: daß Du eine Historie machen mußt.
[1] Berlin. Den 2ten August. 97.
Eben bekomme ich den dritten Bogen des Caesar zur <letzten> Correctur. Ich vergleiche Zeile für Zeile des M[anu]scr[i]pts mit dem Gedruckten. Der Cettel läßt nicht ab von seiner Unart; wahrsch[einlich] ließt er bloß das Gedruckte, denn er läßt oft grausame Fehler stehn. Ich hoffe, es soll exemplarisch correct gedruckt werden. – Schicke mir auch bald wieder M[a]n[us]cr[ip]t und schreibe es recht genau, <weil ich mich sklavisch danach richte.>
Ifflanden hat Unger den Sh.[akespear] gegeben. Ich sah ihn neulich bey ihm. Es ist einer der angenehmsten Gesellschafter, und witzigst[en]Erzähler, die ich gesehn. Nur spricht er etwas allein und hat gar nicht die Gabe, auch andre sprechen zu machen. – Er fing auch gleich sehr artig <an> von <Deinem> Sh.[akespear] zu reden. Doch konnte ich in der Gesellschaft wo es war, weder ein recht umständliches Gespräch darüber anfangen noch auch gleich mit der Thüre ins Haus fallen. Unger meynt es hätte viel Schwierigkeit, ging[e] aber doch vielleicht. – Jetzt ist Iff.[land] auf drey Wochen ins Bad gereißt. – Ich werde mich hinter Fleck zu stecken suchen, der fast in jedem Sh.[akespear]schen Stück eine große vortheilhafte Rolle finden würde, welches mit Iffland der Fall gar nicht ist. –
[2] Der Prometheus hat mir schon manche angenehme Stunde gemacht. Er hat mich innig gefreut. Wäre ich, während so mancher Zerstreuungen und im Gedränge großer und dringender Arbeiten nur einigermaaßen im Stande, Deiner Auffoderung jetzt Genüge zu leisten! Du weißt, wie viel Zeit ich brauche, ehe der Eindruck den ein Werk der Dichtkunst mir giebt, sich nur mittheilen läßt, geschweige denn zum Urtheile reift.
Ich mußte mich erst kunstmäßig aeschylisiren, um Deine Behandlung mit der wahrscheinlichen der Alten zu vergleichen. Im Geist möchte wohl da eine der wesentlichsten Verschiedenheiten seyn, daß mehr ΗΘΟΣ in seiner Darstellung gewesen seyn muß. Was die Philosophie betrifft, so mag er, um bey der Modesprache zu bleiben, leicht eben so viel praktische enthalten haben, aber gewiß nicht so viel theoretische: und in der Vereinigung beyder scheint mir hier doch eigent[lich] das Wesentliche zu liegen. Ueberhaupt werde ich in der Folge (denn ich bleibe gewiß Deiner Anfrage die Antwort nicht schuldig) nicht vergleichen, [3] nicht tadeln, auch nicht die Eigenheit dieses einzelnen Gedichts entwickeln, sondern vor allem den Charakter der Dichtart zu der Pygm.[alion] und Prom.[etheus] gehört, zu bestimmen suchen. Da diese Form Dir so ganz eigenthümlich ist, da Du immer darin so fortschreitest, da sie dabey in ihren Eigenschaften und Merkmahlen so äußerst bestimmt ist: so ist es gewiß für den Kunstfreund sehr interessant, darüber Rechenschaft zu geben, und auch für den Künstler selbst halte ich diese Untersuchung für die einzig praktisch recht fruchtbare.
In Rücksicht des Sonnenwagens stimmte mein Gefühl mit Sch[iller]s Kritik überein, nicht bloß beym ersten Lesen sondern auch oft nachher. – Zu sinnlich finde ich die Stelle nicht. Die von dem Kampf der alten und neuen Götter und der folgenden Zerstörung ists noch mehr und thut doch so gut. Eher ists ein hors dʼœuvre, ein üppiger Auswuchs. –
Unter dem Einzelnen hat mich Prom.[etheus] [4] letzte Rede über die Menschheit und Freyheit am herrlichsten ergriffen.
Es ist wohl noch in keinem Deiner Gedichte, ja vielleicht in keinem Deiner Geisteswerke so viel Ernst, Würde, Männlichkeit, Hoheit ruhige Gewalt.
Im Uebrigen sind mir Karol.[ine], Goethe und S.[chiller] zuvorgekommen.
Deine Beschreibung von Eschens Bevoßung und von dem Voßirten Virgil hat mir unendlich viel Freude gemacht. Mir wäre es auch eben Recht, wenn ich mit dem hölzernen Kerl an einander geriethe.
Ich habe hier von Goethe zwey herrliche Lieder, die Bajadere und an Mignon gesehn. Auch von Schiller ein Reiterlied aus dem Wallenstein, voll Natur und einigen dreisten und doch nicht überspannten Zügen. Zelter ist aber doch ein gemeiner Kerl, demʼs andre Gedichte wohl auch thäten.
Die Post geht ab. –
Sonderbar ists daß Du immer historische Mythen philosophisch poetisirst. Ich habe daraus geschlossen: daß Du eine Historie machen mußt.
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