Ich höre, daß Sie in der Ehescheidungsklage meiner vortrefflichen Freundin, Madame Sophie Tieck, gegen den Professor Bernhardi in Berlin eine für diese verehrungswerthe Frau und für mich höchst ehrenrührige Beschuldigung gerichtlich bezeugt und eidlich erhärtet haben.
Zwar habe ich niemals mit Ihnen in vertrautem Umgange gelebt, was schon der große Abstand unsrer Erziehung, unsrer Lebensweise und unsers Geschmacks unmöglich machte; doch hat ehemals eine Art von freundschaftlichem Verhältnisse zwischen uns Statt gefunden, und ich habe bey verschiedenen Gelegenheiten, z. B. bey der Anklage gegen Sie wegen des Atheismus, nur allzu lebhaft Ihre Partey genommen. Ich habe eine Schrift von Ihnen, deren Druck die Preußische Regierung in ihren Landen verweigert hatte, und woran gemäßigte und verständige Menschen manches zu tadeln fanden, auf meine Gefahr und Verantwortlichkeit herausgegeben. Wiewohl meine Überzeugungen niemals mit den Ihrigen übereinstimmten, so habe ich dieß nicht öffentlich geäußert, vielmehr mit entschiedner Achtung von Ihnen gesprochen. Ich hatte also Ursache, mich von Ihrer Seite keiner [2] so ausgesuchten Feindseligkeit, die mich in der Person einer verehrten Freundin kränkt, zu versehen.
Was Madame Bernhardi betrifft, so haben Sie während der ersten Zeit Ihres Aufenthalts in Berlin ihren Umgang sehr aufgesucht, ihr großes Zutrauen und ausgezeichnete Hochachtung bewiesen. Sie kann in Ihren Augen schwerlich einen andern Fehler haben, als daß sie Ihre Schwächen und Lächerlichkeiten zu gut durchschaute, wovon sie aber niemals einen üblen Gebrauch machte, sondern gewissermaßen ihre Einsicht unter den Glauben gefangen nahm, daß ein Mann, der so zuversichtlich als ein Wiederhersteller der Menschheit auftrat, und auch von einigen Zeitgenossen dafür anerkannt wurde, doch einen bedeutenden innern Werth haben müsse, wenn er auch in der Nähe oft bedauernswürdig klein erschien.
Außer solchen persönlichen Rücksichten hatten Sie aber noch einen sehr triftigen Grund, sich ganz und gar nicht in diesen Handel zu mischen. Es ist der, daß Madame Bernhardi gar füglich in ihrer Klage Herrn Bernhardiʼs Umgang mit Ihnen als einen Zug seines schlechten Betragens hätte anführen können. Während er Frau und Kinder darben ließ, versplitterte er sein letztes Geld, um gemeinschaftlich mit Ihnen sich zu betrinken, und liederliche Häuser zu besuchen. Dieses kann ich bezeugen, da die psychologische Neugier [3] wie ein Metaphysiker sich benimmt, wenn er durch übermäßigen Gebrauch des Weines sich um das von ihm demonstrirte Bewußtseyn, und um den Gebrauch der von ihm behaupteten sittlichen Freyheit gebracht hat, mich antrieb, einigemal den dritten Mann abzugeben, während der Eckel vor dem Gemeinen mich bald wieder von diesen Gelagen entfernte.
Was aber Sie, einen Sittenlehrer, der so viel von Wahrhaftigkeit geschwatzt hat, vor allen Dingen hätte abhalten sollen, zu bezeugen, Sie hätten zwischen Madame Bernhardi und mir irgend etwas bemerkt, das auf eine unerlaubte Verbindung schließen ließe, ist dieß, daß es eine Lüge ist, eine grobe, schändliche, unverantwortliche Lüge. Sie haben nichts andres gesehen, Sie haben nichts andres sehen können, weil nichts andres Statt gefunden hat, als den Ausdruck der ehrerbietigsten brüderlichen Zärtlichkeit gegen diese eben so sehr durch ihren Geist und Charakter als durch ihr Unglück ausgezeichnete Frau. Diese Gesinnung habe ich keine Ursache gefunden je zu verhehlen, weil man sich des Guten nicht schämen soll; ich habe sie beständig in Hrn. Bernhardiʼs Gegenwart kundgegeben, der doch wohl nicht von sich wird bekennen wollen, daß er deswegen einen Verdacht gegen mich gehegt, während er sichs gefallen ließ, von meinen Wohlthaten zu leben. Ich hatte mich mit dem redlichen Bruder meiner Freundin, dem [4] Bildhauer Tieck, verbündet, und dieser Bund war an dem Sterbebette seiner Eltern noch fester geschlossen worden, durch jede Aufopferung und Anstrengung seine Schwester aus dem unaussprechlichen Leiden, worein sie ohne ihre Schuld versunken war, zu retten. Da Hrn. Bernhardiʼs Umstände so zerrüttet waren, daß er seine geringen Einkünfte ganz zur Bezahlung der Wucherzinsen, und für seine eignen Bedürfnisse verbrauchte; da er dabey so gränzenlos träge und unfähig war, daß er durchaus nichts erwerben konnte noch wollte, und außer den wenigen Schulstunden nichts that als essen und schlafen: so setzten wir sie in Stand, nicht nur ihren Hausstand zu bestreiten, sondern auch nach und nach alle für ihn gemachten Schulden zu bezahlen. Ich darf sagen, daß ich das Leben ihrer Kinder gerettet, die bey Krankheiten, ja der jüngere schon bey der Geburt aus Mangel an allem hätten verkommen müssen, da die guten Eltern meiner Freundin damals schon todt waren, wenn ihre Pflege auf Hrn. Bernhardiʼs Sorge gewartet hätte. Aber meinem Freunde für seine Schwester diese Vorschüsse gethan zu haben, auch wenn sie nur mit äußerster Anstrengung meiner Kräfte herbeygeschafft werden konnten, achte ich für ein geringes: der Gedanke, zur Rettung eines Wesens von so seltnem Werth beyzutragen, belohnte mich reichlich. Wessen ich [5] mich aber in der Welt rühme, das ist die Geduld, womit ich mehrere Jahre in der widerwärtigen Nähe Hrn. Bernhardiʼs ausgehalten, und sein empörendes Betragen mit angesehen; das ist der Muth, womit ich in dieses Fegefeuer der viehischen Rohheit hinabgestiegen bin, um meine Freundin daraus zu befreyen. Ich sah, daß Ihre Gesundheit unterlag, daß sie zu Grunde gehen mußte, wenn es länger so fortgedauert hätte. Hr. Hufeland, ein weiser und menschenfreundlicher Arzt, beurtheilte ihren Zustand eben so. Er sagte mir oft, die Zerrüttung ihrer Gesundheit rühre großentheils aus dem Gemüthe her, und er wisse keinen andern Rath für sie, als sich aus ihrer häuslichen Umgebung weg, und in ein milderes Klima zu begeben. Hiezu war sie mehr als berechtigt, nachdem sie Hrn. Bernhardiʼs Umstände so weit wieder hergestellt, daß sie seit ihrer Verheirathung vielmehr ihn, als er sie und ihre Kinder ernährt hatte. Auf den Umgang dieser zart und edel gesinnten Frau, dem er jede wüste Trinkgesellschaft vorzog, konnte er weiter keinen Anspruch machen; die Fortdauer eines ehelichen Lebens, wie er es verlangte, machte nach Hrn. Hufelands Ausspruch ihr Gesundheitszustand unmöglich; und Bernhardi konnte sich glücklich schätzen, daß den, so viel an ihm lag, verwahrlosten Kindern [6] ohne sein Zuthun die sorgfältigste Pflege und vortheilhafteste Erziehung zu Theil wurde. So wenig dachte meine Freundin auf die Behauptung ihrer Rechte, daß, wenn er sie nur bey diesem neuen Lebensplane nicht beunruhigt hätte, seine vergangenen Schlechtigkeiten immerhin ungerügt geblieben wären. Nur zu ihrer Nothwehr hat sie die Klage gegen ihn anhängig gemacht.
Daß Menschen wie Ihr Trinkgeselle und Sie Selbst ein Verhältniß wie das, welches zwischen meiner Freundin und mir meine Verehrung und meine Bestrebungen für sie begründeten, da ich bey ihr die Stelle eines abwesenden Bruders, bey ihren Kindern die erledigte Vaterstelle vertrat, nicht begreifen können, daß sie es aufs schnödeste misdeuten, darf mich nicht befremden. Hr. Bernhardi war freylich damals sehr weit davon entfernt, dergleichen zu äußern: er zitterte vor dem Gedanken, sich meinen Unwillen zuzuziehen, da er von meiner Freygebigkeit seine Ernährung erwartete.
Bedenken Sie nun, wie wir hier einander gegenüberstehen, und fragen Sie sich selbst, ob ich nicht in Ihrer Seele tief erröthen muß. Ich mit dem redlichen und uneigennützigen Bestreben, einem unverdienten Unglück abzuhelfen; Sie als der Verfolger zweyer unschuldigen Kinder, die, wenn sie Hrn. Bernhardi übergeben werden, durch seine Verwahrlosung und sein Beyspiel in Elend und Verderbniß gerathen [7] müssen; als der Verfolger einer Frau, die sich endlich aus langer Unterdrückung zu retten versucht hat, nachdem durch das Erlittne die Ruhe ihres Gemüthes und ihre Gesundheit leider schon auf immer zerrüttet ist. Ich im Bunde mit ihren abgeschiednen Eltern, mit einem treugesinnten Bruder, mit einem hülfreichen Arzt, mit vielen vortrefflichen und bedeutenden Personen im Anslande, denen die Eigenschaften meiner Freundin Achtung, ihr Schicksal Theilnahme einflößte; Sie als der Spießgeselle eines wüsten nichtswürdigen Menschen, der sich der geheiligten Namen eines Gatten und Vaters unwürdig gemacht hat, gegen den die öffentliche Verachtung längst entschied, von dem wir durch sein eignes Geständniß ein eigentliches Verbrechen wissen. Ihr Zeugniß gegen Madame Bernhardi steht in derselben Reihe mit dem einer liederlichen Dienstmagd; das meinige zu ihren Gunsten, in Betreff der liebevollen und vortrefflichen Erziehung, die sie ihren Kindern ertheilt, schließt sich an das einer erhabenen, durch ihre Tugend und Frömmigkeit berühmten Fürstin, an das Zeugniß der Erzherzogin Marie Anne von Österreich an.
Ich wiederhohle es, Ihre Beschuldigung gegen Madame Bernhardi und mich ist eine Lüge, eine schamlose und boshafte Lüge. Dieß werde ich überall erklären, wo der Handel in Frage kommt, und [8] Sie dabey mit den Namen belegen, die dem Erfinder einer solchen Lüge zustehen, und wo ich Sie auch wieder antreffen möge, werde ich Ihnen vor den Augen aller Welt begegnen, wie Sie es verdienen.
A W Schlegel