• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 27.05.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.05.1809
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 42‒44.
  • Weitere Drucke: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 202–207 sowie 208–209.
  • Incipit: „[1] München den 27.t May. 1809.
    Ich habe Deinen Brief erhalten, geliebter Freund und Bruder, und danke Dir herzlich das Du mir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,28
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18 x 11,4 cm
    Language
  • German
[1] München den 27.t May. 1809.
Ich habe Deinen Brief erhalten, geliebter Freund und Bruder, und danke Dir herzlich das Du mir so schnell geantwortet hast. Doch hatt es mir eben so sehr leid gethan über die Vorwürffe die Du mir machst. Kein Mensch sollte wohl weniger als Du überzeugt sein das ich im eignen kleinlichen Interesse ganz und gar befangen wäre, da ich mich meine ganze Lebenszeit hindurch bemüht habe das Gegentheil darzuthun. Indessen was Du von mir scheinst wissen zu wollen darüber kann ich durchaus keine Nachricht geben, den[n] ich habe nichts erfahren, als nur blos viel eitles Geschwätz wovon kein Wort wahr war, und übrigens klagt man hier alles erst durch den weitesten Umweg zu erfahren, direkt gar nichts, blos neue Moden aus Paris, alles andre ist Stumm und völlig abgeschnitten. Denn Tag vorher ehe ich Deinen Brief erhielt habe ich erst einige bestimmte Nachricht von Friedrich erhalten. Clemens Brentano kam nemlich her um seine Schwester Bettina abzuhohlen nach Landshut, und der sagte mir denn, das er drei und einen halben Tag dort zugebracht, in welcher Zeit er sehr viel Langeweile gehabt weil er durchaus nichts habe thun können, es wäre also wohl zu erwarten gewesen das er uns geschrieben hätte. Er hatt sehr wohl ausgesehn, Federbusch und Säbel getragen, und den Titel eines Hofsekrätair geführt. Nachher habe ich durch Jacobi erfahren das [2] er an die niederträchtige Stransky geschrieben hatt, die Liebelei die er mit ihr geführt, trotz dem das sie ihn selbst aufs schändlichste belogen und betrogen hatt; und dies hatt selbst müssen eingestehn, trotz dem das er weis das dafür das sie in Wien, mit ihrem Manne 4 Monathe lang von meiner Schwester ist ernährt, und gekleidet sogar worden, und verbraucht hatt was meine Schwester selbst entbehrte, trotz dem das er weis, das sie zur Vergeltung hier meine Schwester aufs niederträchtigste Verläumdet und dadurch ihr grossen Schaden gethan hatt, in dem sie unter andern behauptet sie habe im Hause meiner Schwester 2500 fl. zugesezt und dergleichen mehr. Trotz dem er das alles weis, und noch fingirte Fieberfantasien in welchen sie die Lügen bestätigt die sie vorher ihm und meiner Schwester aufgeheftet, und endlich alles das durch ihren Beichtvater getrieben als Lügen erklären muste, ja das man seine Freundschaft noch dazu gebraucht um nachzusagen meine Schwester habe diese saubern Eheleute mit Gewallt entzweit und sie mit Gewallt im Hause gehalten, um sie Friedrich zu verkuppeln. Trotz dem er dies alles weis hatt er nur ihr geschrieben, aber nicht an uns gedacht, das wir Dir Nachricht von ihm bestimmt hätten geben können. Ich schrieb Dir nicht eher als heut, weil wie gesagt ich es erst vor wenigen Tagen erfahren habe, und dennoch würde ich es Dir nicht schreiben wenn Dein Brief nicht zu bittere Vowürffen enthielte über mein Stillschweigen von ihm, ich muß Dir also schreiben was ich von ihm weis. Meine Schwester ist fortgesezt krank doch schreibt sie Dir selbst.
Vorgestern haben wir einen Brief von Knorring aus Wien erhalten nach langem sehnen zum erstenmahle wieder, er ist wohl und [3] gesund und denkt in ohngefähr 8 Tagen hier zu sein. Vieleicht kann ich Dir dann mancherlei schreiben, wenn es nicht vieleicht dann schon ganz unnütz ist, welches ich beinahe zu glauben anfange. Wahrscheinlich wird meine Schwester so wie er kömmt nach Baden gehn am Rhein, oder in ein andres Bad. Ich bleibe dann noch hier um noch mancherlei zu vollenden. Der Printz wünscht mich noch einmahl zu sprechen, und hatt mich fragen lassen um die Länge meines Auffenthalts hier, oder ob ich wohl wieder zurückkäme. Ich erwarte in acht Tagen eine zweite Antwort von ihm, da er fortgesezt in Salzburg ist. Ich habe auch einen Former hier gefunden und werde nun Deine Büste ordentlich formen lassen, schreibe mir nur noch einmahl an wenn ich Abgüsse schikken soll. Schelling ist fertig, und wird in kurzen auch abgeformt, nun soll es auf den Bruder, und Lessing losgehen.
Unter allen Menschen die ich hier gesehn hatt mir, welches Dich in erstaunen setzen wird Jacobi fast am besten gefallen, und wir werden scheint es sehr gut mit einander fertig, sein Haus hatt auch einen sehr schönen Sallon, worin zu sein ich mich immer freue. Schellings sind sehr freundlich, doch liesse sich manches darüber sagen. Langer misfällt mir durchaus, und ein Paar Portraite die ich von seiner Hand bei Jacobi gesehen sind so unter aller Critik elend das ich darüber erstaunt bin, und doch sind es Kniestücke von wirklich sehr schönen Frauen, und sind besondre Effekte darin gesucht.
Die andern Künstler habe ich noch gar nicht besucht, es sind auch keine hier. Leider ist Gallerie und KupferstichCabinet, noch nicht [4] wieder zurück.
Der Bruder hatt die Idee Du soltest nach Baden hinkommen die Rheingegend gefällt Dir ja auch, und ihr hättet euch ja in so langer Zeit nicht gesehen, der Weg sei kurtz, und Dir vieleicht eine große Erhohlung. Ich glaube wohl er hatt recht aber ob es zu stande kommt weis ich nicht. Wie sehr hätte ich nicht gewünscht Du möchtest mit mir hieher reisen und wie guth wäre es Dir und uns vieleicht gewesen. Aber was nicht sein soll muß man vieleicht auch nicht wollen. Der Gedanke die grosse Reise wovon Du immer wieder schreibst und ich so viel schon dort gehört habe gehört für mich zu dem vielen Schmerzlichen was mir begegnet. Nützlich ist sie einmal gewiß nicht für Dich, und welche Trennung für uns, die dann kein Ende absieht. Allein was helfen meine Klagen, sie ändern weder Deine Entschliessungen noch die Deiner Freundinn, möchten auch keinen Einfluß auf die Handlungen anderer haben. Meiner Schwester krank sein hatt mich abgehalten bis jezt so fleissig zu sein als ich gewünscht habe, und deshalb ist die Zeichnung von Albertine noch nicht wieder zurück, ich hoffe sie aber in kurtzem zu senden. Empfiehl mich bestens der Frau von Stael, und wer sich sonst um mich kümmern mag.
Tausend Grüsse vom Bruder und Felix. Lezterer hatt zu viel zu lernen, und da das schreiben sehr langsam geth Dir heut noch nicht geschrieben, ersterer ist noch völlig lahm an der rechten Hand, und kann also noch nicht schreiben.
Lebe wohl und behalt mich lieb wie ich Dich ewig lieb behalte.
Dein Freund und Bruder
Fr.[iedrich] Tieck.
[1] München den 27.t May. 1809.
Ich habe Deinen Brief erhalten, geliebter Freund und Bruder, und danke Dir herzlich das Du mir so schnell geantwortet hast. Doch hatt es mir eben so sehr leid gethan über die Vorwürffe die Du mir machst. Kein Mensch sollte wohl weniger als Du überzeugt sein das ich im eignen kleinlichen Interesse ganz und gar befangen wäre, da ich mich meine ganze Lebenszeit hindurch bemüht habe das Gegentheil darzuthun. Indessen was Du von mir scheinst wissen zu wollen darüber kann ich durchaus keine Nachricht geben, den[n] ich habe nichts erfahren, als nur blos viel eitles Geschwätz wovon kein Wort wahr war, und übrigens klagt man hier alles erst durch den weitesten Umweg zu erfahren, direkt gar nichts, blos neue Moden aus Paris, alles andre ist Stumm und völlig abgeschnitten. Denn Tag vorher ehe ich Deinen Brief erhielt habe ich erst einige bestimmte Nachricht von Friedrich erhalten. Clemens Brentano kam nemlich her um seine Schwester Bettina abzuhohlen nach Landshut, und der sagte mir denn, das er drei und einen halben Tag dort zugebracht, in welcher Zeit er sehr viel Langeweile gehabt weil er durchaus nichts habe thun können, es wäre also wohl zu erwarten gewesen das er uns geschrieben hätte. Er hatt sehr wohl ausgesehn, Federbusch und Säbel getragen, und den Titel eines Hofsekrätair geführt. Nachher habe ich durch Jacobi erfahren das [2] er an die niederträchtige Stransky geschrieben hatt, die Liebelei die er mit ihr geführt, trotz dem das sie ihn selbst aufs schändlichste belogen und betrogen hatt; und dies hatt selbst müssen eingestehn, trotz dem das er weis das dafür das sie in Wien, mit ihrem Manne 4 Monathe lang von meiner Schwester ist ernährt, und gekleidet sogar worden, und verbraucht hatt was meine Schwester selbst entbehrte, trotz dem das er weis, das sie zur Vergeltung hier meine Schwester aufs niederträchtigste Verläumdet und dadurch ihr grossen Schaden gethan hatt, in dem sie unter andern behauptet sie habe im Hause meiner Schwester 2500 fl. zugesezt und dergleichen mehr. Trotz dem er das alles weis, und noch fingirte Fieberfantasien in welchen sie die Lügen bestätigt die sie vorher ihm und meiner Schwester aufgeheftet, und endlich alles das durch ihren Beichtvater getrieben als Lügen erklären muste, ja das man seine Freundschaft noch dazu gebraucht um nachzusagen meine Schwester habe diese saubern Eheleute mit Gewallt entzweit und sie mit Gewallt im Hause gehalten, um sie Friedrich zu verkuppeln. Trotz dem er dies alles weis hatt er nur ihr geschrieben, aber nicht an uns gedacht, das wir Dir Nachricht von ihm bestimmt hätten geben können. Ich schrieb Dir nicht eher als heut, weil wie gesagt ich es erst vor wenigen Tagen erfahren habe, und dennoch würde ich es Dir nicht schreiben wenn Dein Brief nicht zu bittere Vowürffen enthielte über mein Stillschweigen von ihm, ich muß Dir also schreiben was ich von ihm weis. Meine Schwester ist fortgesezt krank doch schreibt sie Dir selbst.
Vorgestern haben wir einen Brief von Knorring aus Wien erhalten nach langem sehnen zum erstenmahle wieder, er ist wohl und [3] gesund und denkt in ohngefähr 8 Tagen hier zu sein. Vieleicht kann ich Dir dann mancherlei schreiben, wenn es nicht vieleicht dann schon ganz unnütz ist, welches ich beinahe zu glauben anfange. Wahrscheinlich wird meine Schwester so wie er kömmt nach Baden gehn am Rhein, oder in ein andres Bad. Ich bleibe dann noch hier um noch mancherlei zu vollenden. Der Printz wünscht mich noch einmahl zu sprechen, und hatt mich fragen lassen um die Länge meines Auffenthalts hier, oder ob ich wohl wieder zurückkäme. Ich erwarte in acht Tagen eine zweite Antwort von ihm, da er fortgesezt in Salzburg ist. Ich habe auch einen Former hier gefunden und werde nun Deine Büste ordentlich formen lassen, schreibe mir nur noch einmahl an wenn ich Abgüsse schikken soll. Schelling ist fertig, und wird in kurzen auch abgeformt, nun soll es auf den Bruder, und Lessing losgehen.
Unter allen Menschen die ich hier gesehn hatt mir, welches Dich in erstaunen setzen wird Jacobi fast am besten gefallen, und wir werden scheint es sehr gut mit einander fertig, sein Haus hatt auch einen sehr schönen Sallon, worin zu sein ich mich immer freue. Schellings sind sehr freundlich, doch liesse sich manches darüber sagen. Langer misfällt mir durchaus, und ein Paar Portraite die ich von seiner Hand bei Jacobi gesehen sind so unter aller Critik elend das ich darüber erstaunt bin, und doch sind es Kniestücke von wirklich sehr schönen Frauen, und sind besondre Effekte darin gesucht.
Die andern Künstler habe ich noch gar nicht besucht, es sind auch keine hier. Leider ist Gallerie und KupferstichCabinet, noch nicht [4] wieder zurück.
Der Bruder hatt die Idee Du soltest nach Baden hinkommen die Rheingegend gefällt Dir ja auch, und ihr hättet euch ja in so langer Zeit nicht gesehen, der Weg sei kurtz, und Dir vieleicht eine große Erhohlung. Ich glaube wohl er hatt recht aber ob es zu stande kommt weis ich nicht. Wie sehr hätte ich nicht gewünscht Du möchtest mit mir hieher reisen und wie guth wäre es Dir und uns vieleicht gewesen. Aber was nicht sein soll muß man vieleicht auch nicht wollen. Der Gedanke die grosse Reise wovon Du immer wieder schreibst und ich so viel schon dort gehört habe gehört für mich zu dem vielen Schmerzlichen was mir begegnet. Nützlich ist sie einmal gewiß nicht für Dich, und welche Trennung für uns, die dann kein Ende absieht. Allein was helfen meine Klagen, sie ändern weder Deine Entschliessungen noch die Deiner Freundinn, möchten auch keinen Einfluß auf die Handlungen anderer haben. Meiner Schwester krank sein hatt mich abgehalten bis jezt so fleissig zu sein als ich gewünscht habe, und deshalb ist die Zeichnung von Albertine noch nicht wieder zurück, ich hoffe sie aber in kurtzem zu senden. Empfiehl mich bestens der Frau von Stael, und wer sich sonst um mich kümmern mag.
Tausend Grüsse vom Bruder und Felix. Lezterer hatt zu viel zu lernen, und da das schreiben sehr langsam geth Dir heut noch nicht geschrieben, ersterer ist noch völlig lahm an der rechten Hand, und kann also noch nicht schreiben.
Lebe wohl und behalt mich lieb wie ich Dich ewig lieb behalte.
Dein Freund und Bruder
Fr.[iedrich] Tieck.
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