• Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Unknown · Date: 05.03.1789
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 05.03.1789
    Printed Text
  • Bibliography: Fiebiger, Otto: Briefe an August Wilhelm Schlegel. In: Die Grenzboten 73 (1914), S. 497‒499.
  • Incipit: „[1] Hannover am 5. März 1789.
    Sie koennen gewiß, mein Bester, unsre Goettingschen Abendunterhaltungen nicht mit der Sehnsucht zurückwünschen als ich, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-38970
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.1,Nr.21
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,3 x 19,1 cm
    Language
  • German
  • English
[1] Hannover am 5. März 1789.
Sie koennen gewiß, mein Bester, unsre Goettingschen Abendunterhaltungen nicht mit der Sehnsucht zurückwünschen als ich, der ich den Abgang derselben bei dem Mangel eines vertrauten Umgangs, ganz nach meinem Sinne, doppelt fühle.
Geschäftsmänner, die nur für ihre Geschäfte leben, und das thun doch hier die meisten, sind für den ungenießbar, der etwas mehr als schaale Zeitungsunterhaltung sucht und doch wird man seines Lebens nur zur Hälfte froh ohne ein menschliches Wesen, dem [2] man auch seine geheimsten Gedanken und Empfindungen vertrauensvoll mittheilen kan, und mit dem man Liebe zu denselben Geistesbeschäftigungen theilt.
Meine ietzige einsame Muße hat die Neigung zu poetischer Lektüre, der ich in den leztern Jahren zum Theil entsagen mußte, wieder erweckt und ich habe Sie mir oft zum Theilnehmer des Genußes gewünscht, den sie mir verschafft hat. Vereinigen sich einmal Zeit und Lust bei Ihnen, so lesen Sie ia den Adone des Marino, dem ich mehrere sehr angenehme Abende verdanke.
Man wird durch Züge eines recht großen poetischen Genies, welches besonders in den Schilderungen sichtbar ist, für den Mangel an Geschmack schadlos gehalten, der nicht selten darinn beleidigt. Das Ganze ist eine so abentheuerliche Komposizion, als sie sich nur in der Imaginazion ihres Schöpfers gestalten könnte, allein die Details sind ungemein schön und die Versifikazion [3] so reizend und leicht als sie nur in den größten Meisterstücken der ital[iänischen] Poesie gefunden werden mag. ‒ Die beiden poetischen Samlungen von Kosegarten und Langbein, deren Sie gegen mich erwähnten, habe ich bereits gelesen und bin im ganzen mit Ihrem Urtheil über den Werth derselben einstimmig. Nur scheinen Sie mir dem ersteren der beiden Herren mehr Ehre widerfahren zu lassen, als er in der That verdient. Eine wilde zügellose Fantasie und etwas poetische Sprache, die er größtentheils Klopstock und Stolberg abgeborgt hat, sind sein ganzer Beruf zur Dichtkunst und er wird Lesern von Geschmack schwerlich gefallen. Unaufhörlich ringt er nach kühnen gigantischen Bildern, die ihm nicht selten verunglücken und die mir nur zu deutlich bewiesen haben, daß sein Feuer an einem fremden Heerde angezündet sei. Oft wird sein Ausdruck durch seine Seltsamkeit possierlich; so erinnere ich mich, gleich in einem der erstern Stücke gelesen zu haben: ihr brausen die Eingeweide von Mitleid. Am meisten aber hat mich die Nachahmung der obengenannten beiden großen [4] Dichter beleidigt, die sich in dem Ideengang und der Sprache fast eines jeden Gedichts verräth, so sehr auch der V[er]f[asser] versichert, daß er alle Spur von Nachahmung vertilgt habe. Sie haben Recht, daß Langbein ungleich genießbarer ist, allein ich fürchte, daß seine Gedichte nur wenige Meßen überleben werden, denn wie Johnson einmal sagte, there is too little salt in to keep it sweet.
Ich soll heute Abend einem Schauspiel beiwohnen, welches sicher das erste seiner Art ist, das man in Hannovers Mauern erblickt hat; eine Gesellschaft von Friseurs und ihren Weibern stellt ein Stück von Stephanie vor einer sehr zalreichen Gesellschaft im Redoutensal vor. Da die Post erst morgen früh abgeht, so werde ich Ihnen den Ausgang noch mit einigen Zeilen in einem Postskript bekannt machen.
Leben Sie recht wol, bester Freund, so wie mein Herz es Ihnen wünscht und lassen Sie mich bald von Ihnen und Ihren Beschäftigungen etwas hören.
Ewig
Ihr Ihnen ganz eigner
K. Fr. Arnswaldt.
Ich glaubte Ihnen recht viel von der Friseurskomödie sagen zu koennen; allein zu schlecht, um zu amüsieren und zu gut, um darüber zu lachen, hab ich sie gleich nach dem ersten Akt verlassen.
[1] Hannover am 5. März 1789.
Sie koennen gewiß, mein Bester, unsre Goettingschen Abendunterhaltungen nicht mit der Sehnsucht zurückwünschen als ich, der ich den Abgang derselben bei dem Mangel eines vertrauten Umgangs, ganz nach meinem Sinne, doppelt fühle.
Geschäftsmänner, die nur für ihre Geschäfte leben, und das thun doch hier die meisten, sind für den ungenießbar, der etwas mehr als schaale Zeitungsunterhaltung sucht und doch wird man seines Lebens nur zur Hälfte froh ohne ein menschliches Wesen, dem [2] man auch seine geheimsten Gedanken und Empfindungen vertrauensvoll mittheilen kan, und mit dem man Liebe zu denselben Geistesbeschäftigungen theilt.
Meine ietzige einsame Muße hat die Neigung zu poetischer Lektüre, der ich in den leztern Jahren zum Theil entsagen mußte, wieder erweckt und ich habe Sie mir oft zum Theilnehmer des Genußes gewünscht, den sie mir verschafft hat. Vereinigen sich einmal Zeit und Lust bei Ihnen, so lesen Sie ia den Adone des Marino, dem ich mehrere sehr angenehme Abende verdanke.
Man wird durch Züge eines recht großen poetischen Genies, welches besonders in den Schilderungen sichtbar ist, für den Mangel an Geschmack schadlos gehalten, der nicht selten darinn beleidigt. Das Ganze ist eine so abentheuerliche Komposizion, als sie sich nur in der Imaginazion ihres Schöpfers gestalten könnte, allein die Details sind ungemein schön und die Versifikazion [3] so reizend und leicht als sie nur in den größten Meisterstücken der ital[iänischen] Poesie gefunden werden mag. ‒ Die beiden poetischen Samlungen von Kosegarten und Langbein, deren Sie gegen mich erwähnten, habe ich bereits gelesen und bin im ganzen mit Ihrem Urtheil über den Werth derselben einstimmig. Nur scheinen Sie mir dem ersteren der beiden Herren mehr Ehre widerfahren zu lassen, als er in der That verdient. Eine wilde zügellose Fantasie und etwas poetische Sprache, die er größtentheils Klopstock und Stolberg abgeborgt hat, sind sein ganzer Beruf zur Dichtkunst und er wird Lesern von Geschmack schwerlich gefallen. Unaufhörlich ringt er nach kühnen gigantischen Bildern, die ihm nicht selten verunglücken und die mir nur zu deutlich bewiesen haben, daß sein Feuer an einem fremden Heerde angezündet sei. Oft wird sein Ausdruck durch seine Seltsamkeit possierlich; so erinnere ich mich, gleich in einem der erstern Stücke gelesen zu haben: ihr brausen die Eingeweide von Mitleid. Am meisten aber hat mich die Nachahmung der obengenannten beiden großen [4] Dichter beleidigt, die sich in dem Ideengang und der Sprache fast eines jeden Gedichts verräth, so sehr auch der V[er]f[asser] versichert, daß er alle Spur von Nachahmung vertilgt habe. Sie haben Recht, daß Langbein ungleich genießbarer ist, allein ich fürchte, daß seine Gedichte nur wenige Meßen überleben werden, denn wie Johnson einmal sagte, there is too little salt in to keep it sweet.
Ich soll heute Abend einem Schauspiel beiwohnen, welches sicher das erste seiner Art ist, das man in Hannovers Mauern erblickt hat; eine Gesellschaft von Friseurs und ihren Weibern stellt ein Stück von Stephanie vor einer sehr zalreichen Gesellschaft im Redoutensal vor. Da die Post erst morgen früh abgeht, so werde ich Ihnen den Ausgang noch mit einigen Zeilen in einem Postskript bekannt machen.
Leben Sie recht wol, bester Freund, so wie mein Herz es Ihnen wünscht und lassen Sie mich bald von Ihnen und Ihren Beschäftigungen etwas hören.
Ewig
Ihr Ihnen ganz eigner
K. Fr. Arnswaldt.
Ich glaubte Ihnen recht viel von der Friseurskomödie sagen zu koennen; allein zu schlecht, um zu amüsieren und zu gut, um darüber zu lachen, hab ich sie gleich nach dem ersten Akt verlassen.
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