• Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Unknown · Date: 25.09.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 25.09.1793
    Printed Text
  • Bibliography: Fiebiger, Otto: Briefe an August Wilhelm Schlegel. In: Die Grenzboten 73 (1914), S. 499‒500.
  • Incipit: „[1] Hannover am 25. Sept. 1793.
    Ihren Brief erhielt ich gestern, lieber Freund, und ich eile Ihnen für die freundschaftliche Art, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-38970
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.1,Nr.22
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,7 x 18,8 cm
    Language
  • German
[1] Hannover am 25. Sept. 1793.
Ihren Brief erhielt ich gestern, lieber Freund, und ich eile Ihnen für die freundschaftliche Art, womit Sie meine Bitte erfüllt haben, zu danken. Nicht um Neuigkeiten war mir es indes dabei zu thun, sondern um die fernere Dauer unsrer wechselseitigen Verhältnisse. Alles, mein theurer Schlegel, was von Ihnen kommt, ist mir werth; denn es erinnert mich an unsre Goettingische Stunden, die mir unvergeßlich sind und die ich immer zu den angenehmsten meines Lebens rechne. Die Unbefangenheit, welche den Umgang dieser Periode begleitet, kehrt späterhin nie wieder; in die Verhältniße des [2] bürgerlichen Lebens eingetreten sind es fast immer nur diese, welche uns den Menschen nähern; und tausend Rücksichten entfernen hier Offenheit, wovon der freundschaftliche Umgang sein Hauptinteresse erhält. ‒ Oft mein theurer Freund habʼ ich in diesen letzten Zeiten Ihrer gedacht; ich mag Sie kaum an die Veranlassung erinnern; allein ein fast ähnlicher Verlust setzt mich in den Stand, Ihre Empfindungen zu theilen. ‒ Der größte Theil der politischen Neuigkeiten, welche Ihr Brief enthält, war hier bereits aus den Berichten und den Briefen von der Armee bekant. Der Verlust unsres Korps ist vorzüglich in Anbetracht seiner Stärke sehr beträchtlich gewesen. Er beläuft sich über 2000 Mann; mancher gute und wackre Offizier ist darunter. Ich kan Ihnen [3] die Sensation nicht schildern, womit die ersten Nachrichten von diesen traurigen Vorfällen hier aufgenommen wurden; Bestürzung und Niedergeschlagenheit waren algemein; auch lauteten jene Nachrichten, welche nicht offiziell, sondern von Privatpersonen waren, ungleich fürchterlicher, als sichs iezt bestätigt. Ich kan es mir denken, wie eine politische Parthie bei Ihnen diese Ereignisse aufgenommen hat; aus der leidenschaftlichen Heftigkeit, womit Faktionen sich hassen, ist es indes allein erklärbar, daß noch izt eine Trennung über den Antheil an Frankreichs Schicksal in diesem Kriege herrschen kan; denn haben seine Armeen nicht überall die schrecklichsten Verwüstungen hinterlassen, die Macht in die Hände der verworfensten Menschen geliefert und durch Begünstigung dieser [4] letztern sich eben so algemein verächtlich gemacht, als sie demjenigen bereits verhaßt sein mußten, welcher an ihrer Umstürzung aller sittlichen Begriffe, ihrer allgemeinen Theorie des Raubes kein Gefallen fand? Die Gebrechen unsrer politischen Formen fühle ich täglich tiefer; allein mit allen diesen Gebrechen gewähren sie doch dem bessern und gebildetern Theile einer Nazion mehr Ruhe und eine glücklichere Existenz, als eine Regeneration, wobei Verschlagenheit und unerschrockene Bosheit am Ende allein siegen. ‒ Verzeihen Sie mir diese Tirade, lieber Freund; allein ich werde warm, sobald ich auf diesen Punkt treffe; freilich paßt meine Theorie so wenig für den, der nur am Herkommen hängt, als für den, der alles Vorhandene als verwerflich verdammt; allein ich denke, wer zwischen zwei Partheien mitten inne steht, ist der Warheit am nächsten. ‒ Ich danke für Ihre Bemühung wegen der Werke des Hemsterhuys; es wird mir sehr angenehm sein, wenn der Buchhändler noch ein Exemplar auftreiben kan. Wenn Sie meines Wunsches und Ihres Versprechens eingedenk mir fein bald antworten, so sollen Sie auch von mir und dem, was meine litterarischen Lesereien angeht, hören. ‒ Leben Sie wol und erinnern sich meiner
Arnswaldt.
[1] ich schicke diesen Brief Ihrem H[errn] Bruder zur Besorgung; ist Ihnen für die Zukunft an meinen fernern Briefen gelegen, so erbitte ich mir eine Adreße.
[1] Hannover am 25. Sept. 1793.
Ihren Brief erhielt ich gestern, lieber Freund, und ich eile Ihnen für die freundschaftliche Art, womit Sie meine Bitte erfüllt haben, zu danken. Nicht um Neuigkeiten war mir es indes dabei zu thun, sondern um die fernere Dauer unsrer wechselseitigen Verhältnisse. Alles, mein theurer Schlegel, was von Ihnen kommt, ist mir werth; denn es erinnert mich an unsre Goettingische Stunden, die mir unvergeßlich sind und die ich immer zu den angenehmsten meines Lebens rechne. Die Unbefangenheit, welche den Umgang dieser Periode begleitet, kehrt späterhin nie wieder; in die Verhältniße des [2] bürgerlichen Lebens eingetreten sind es fast immer nur diese, welche uns den Menschen nähern; und tausend Rücksichten entfernen hier Offenheit, wovon der freundschaftliche Umgang sein Hauptinteresse erhält. ‒ Oft mein theurer Freund habʼ ich in diesen letzten Zeiten Ihrer gedacht; ich mag Sie kaum an die Veranlassung erinnern; allein ein fast ähnlicher Verlust setzt mich in den Stand, Ihre Empfindungen zu theilen. ‒ Der größte Theil der politischen Neuigkeiten, welche Ihr Brief enthält, war hier bereits aus den Berichten und den Briefen von der Armee bekant. Der Verlust unsres Korps ist vorzüglich in Anbetracht seiner Stärke sehr beträchtlich gewesen. Er beläuft sich über 2000 Mann; mancher gute und wackre Offizier ist darunter. Ich kan Ihnen [3] die Sensation nicht schildern, womit die ersten Nachrichten von diesen traurigen Vorfällen hier aufgenommen wurden; Bestürzung und Niedergeschlagenheit waren algemein; auch lauteten jene Nachrichten, welche nicht offiziell, sondern von Privatpersonen waren, ungleich fürchterlicher, als sichs iezt bestätigt. Ich kan es mir denken, wie eine politische Parthie bei Ihnen diese Ereignisse aufgenommen hat; aus der leidenschaftlichen Heftigkeit, womit Faktionen sich hassen, ist es indes allein erklärbar, daß noch izt eine Trennung über den Antheil an Frankreichs Schicksal in diesem Kriege herrschen kan; denn haben seine Armeen nicht überall die schrecklichsten Verwüstungen hinterlassen, die Macht in die Hände der verworfensten Menschen geliefert und durch Begünstigung dieser [4] letztern sich eben so algemein verächtlich gemacht, als sie demjenigen bereits verhaßt sein mußten, welcher an ihrer Umstürzung aller sittlichen Begriffe, ihrer allgemeinen Theorie des Raubes kein Gefallen fand? Die Gebrechen unsrer politischen Formen fühle ich täglich tiefer; allein mit allen diesen Gebrechen gewähren sie doch dem bessern und gebildetern Theile einer Nazion mehr Ruhe und eine glücklichere Existenz, als eine Regeneration, wobei Verschlagenheit und unerschrockene Bosheit am Ende allein siegen. ‒ Verzeihen Sie mir diese Tirade, lieber Freund; allein ich werde warm, sobald ich auf diesen Punkt treffe; freilich paßt meine Theorie so wenig für den, der nur am Herkommen hängt, als für den, der alles Vorhandene als verwerflich verdammt; allein ich denke, wer zwischen zwei Partheien mitten inne steht, ist der Warheit am nächsten. ‒ Ich danke für Ihre Bemühung wegen der Werke des Hemsterhuys; es wird mir sehr angenehm sein, wenn der Buchhändler noch ein Exemplar auftreiben kan. Wenn Sie meines Wunsches und Ihres Versprechens eingedenk mir fein bald antworten, so sollen Sie auch von mir und dem, was meine litterarischen Lesereien angeht, hören. ‒ Leben Sie wol und erinnern sich meiner
Arnswaldt.
[1] ich schicke diesen Brief Ihrem H[errn] Bruder zur Besorgung; ist Ihnen für die Zukunft an meinen fernern Briefen gelegen, so erbitte ich mir eine Adreße.
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