• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 16.01.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 16.01.1810
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 105‒109.
  • Incipit: „[1] [Wien 16. Januar 1810]
    Mein liebenswürdiger guter Bruder ich grüße Sie von ganzen Herzen! ich war schon auf mich selber böse [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,6
  • Number of Pages: 7 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,4 x 11,8 cm
    Language
  • German
[1] [Wien 16. Januar 1810]
Mein liebenswürdiger guter Bruder ich grüße Sie von ganzen Herzen! ich war schon auf mich selber böse daß ich Ihnen den Ausbruch meiner erregten Empfindung so ganz brühwarm zuschickte, und Ihnen Gott weis wie viel unangenehme Empfindungen verursachte – ich kann es aber nun doch im Grunde gar nicht bereuen; besser ist es doch als hätte ich es wieder auf dem Herzen behalten, und es in sich hinein fressen lassen. Weiß ich es doch nun ganz gewiß daß es nichts war als liebliche Tickereien und daß ich Ihnen Unrecht that; was ich Ihnen hiemit ganz demütig, aber nicht ohne innern Triumpf, abgebeten haben will. Jene mögen nun ferner gegen mich reden was ihnen beliebt – die Treulosigkeit gegen Friedrich hatte mich so ergriffen; bei größerer Ruhe hätte ich freilich auch darüber mich trösten müßen, denn sie werden sich selber am meisten dadurch schaden! – Ist es aber nicht recht traurig wie der Ludwig zu Grunde geht mit allen seinen Gaben? mir ist dabei zu Muthe wie im Tannhäuser, wo man die Leute in den Venusberg einem alten Fiedler nachtaumeln sehen muß, ohne sie zurückhalten zu können. Daß er sich hier, wie früher schon im Lovel, und eigentlich doch auch im Golo, so recht deutlich wie in einem Spiegel sah, erregt ein recht tiefes Grausen und Mitleiden, manchmal wünschte ich recht er wäre früher schon gestorben! – Recht wenige Keime und Blüthen reifen doch in der Welt zur Frucht, die allermeisten tragen einen Wurm in sich der sie verdirbt; sollen wir noch klagen wenn sie als Blüthe abgeschüttelt werden? ist es nicht ein schöners Loos? ist es nicht vielmehr als die erreichte Bestimmung anzusehen, als jenes Verderben, welches nur äußerlich [2] Vollkommenheit lügt, und innen des tiefsten Verderbens voll ist? – Ich habe diesen Ludwig sehr geliebt! – Eine Saite berührte ich, die ich vielleicht auf keinen Fall hätte schriftlich berühren müßen. Mündlich würden wir uns gewiß gleich verstehen, so bald nichts feindliches mehr zwischen uns treten kann. Wir hätten sehr viel noch darüber zu reden – schreiben läßt sich nicht die Hälfte; so viel glauben Sie mir nur: man hat Ihnen nicht die Wahrheit gesagt! Ich wusste es damals schon; daß ich aber schwieg daß ich mich verleumden ließ, daß ich mich nicht (ich will nicht sagen, rächte, dazu fühlte ich keinen Trieb;) sondern mich bei Ihnen zu rechtfertigen suchte, das geschah: erstlich; weil alle Selbstrechtfertigung auf so niedrige Beschuldigung nichts nützt; es hätte einen Zank gegeben, und zwar nicht von der edelsten Sorte, zu welchem es mir an Fähigkeit gebricht (ich glaube ich könnte mich viel eher duelliren als mich mit weiblicher Zungenfertigkeit zanken.) Zweitens; hätte eine solche Rechtfertigung mit deren Folgen, möglicher Weise einen, wo nicht auf immer, doch auf längere Zeit dauernden Zwiespalt zwischen Ihnen und Ihrem Bruder bewirken können (welchen man auch eigentlich beabsichtigte, denn die Batterieen waren nur in einer falschen Attake gegen mich gewendet,) den ich aber auf jede Weise, und auf jede Unkosten nicht wollte entstehen lassen; mir schien nichts so wichtig als Euer gutes Vernehmen; was meine Rechtfertigung betraf, so überließ ich sie der Zeit. Es ist mir mit Gottes Hülfe alles gelungen. – Man spricht so viel von dem [3] Sinn der Gerechtigkeit, den die Männer ausschließend besitzen sollen, aber ich will noch den ersten Mann sehen der einer Frau Gerechtigkeit in zweifelhaften Fällen widerfahren ließe, deren Gunst er nicht besitzt, oder nicht zu besitzen hofft oder doch wenigstens besessen hat; Eine nur findet Recht, die übrigen mögen zusehen! – Kommen Sie, lassen Sie sich etwas den Krieg machen; war es denn billig mich so ungehört frischweg zu verdammen? und hätte man mein freiwilliges Stillschweigen und resigniren nicht in Gerechtigkeits pflegender Ueberlegung ziehen sollen? – Hausrath und Meubles von Bedeutung ist während der Zeit daß wir jenes Haus bewohnten meines Wissens nicht verdorben worden; über unbedeutende Stücke weiß ich auch nicht wie man so sicher behaupten konnte, daß ich die Schuld des Verderbens sey, da die Anklägerin damals ein halbes Jahr krank war, und vor ihrer Abreise keine Revision gehalten hat; wenigstens habe ich keine Art von Inventarium erhalten, und der Zustand alles Hausraths ist von ihr nicht anerkannt worden. Was die Gelage betrifft die wir in den Zimmern sollen gehalten haben, so weiß ich wahrhaftig nicht was man darunter versteht, es müßte denn der sogenannte Doctorschmaus seyn, den Ihr Bruder damals zu geben gezwungen war, und der dem Wort Gelag doch nicht schicklich entspricht. Sie hatten uns bei Ihrer Abreise das Haus übergeben ohne uns den zufälligen Gebrauch der großen Zimmer zu untersagen; jene Gelegenheit sie zu benützen zeigte sich, und wir benutzten sie, um die [4] Kosten zu ersparen, deren jene Ceremonie schon ohnehin genug gekostet hatte. Die Verstorbene fand bei ihrer Zurückkunft alle Zimmer sauber und geordnet, und uns nicht mehr im Hause. Wir hätten vielleicht Sie erst vorher um die Erlaubniß bitten müßen jenen Schmaus in Ihrem Zimmer geben zu dürfen, dazu war aber die Zeit zu kurz und wir hielten uns ihrer gewiß; nachher schrieb Ihnen Friedrich auch darüber nach Braunschweig und dankte Ihnen. Diese Art von Beschuldigungen gehören ganz zu denen die ich früher schon erleiden musste, über den Knaben, der das Haus mit Ungeziefer und Aussatz sollte angesteckt haben! – Gestehen Sie mir nur lieber Wilhelm, solche Dinge darf man Ihnen von keiner Frau erzählen die Sie gern mögen! – Wie soll ich aber nun auf jene große bittre Beschuldigung kommen, deren Sie erwähnen wobei es mir ganz kalt überläuft; mein guter Bruder wie hat man Ihnen solche Abscheulichkeiten von mir weiß gemacht! Die Wahrheit ist daß ich in Bocklet mit keinen einzigen Menschen weder von dem Kinde noch von ihrer Mutter geredet habe. Als ich hinkam fand ich einen Brief an den Hofrath Markus, worin man ihn und die ganze Badegesellschaft für mich, und für die Paulus warnte, als die nichtswürdigsten gemeinsten Creaturen; diesen Brief habe ich gelesen, nachdem ich vorher das feyerliche Versprechen an den Hofrath Markus geben musste, Ihnen nichts davon zu schreiben; ich habe mein Versprechen gehalten, so lange die Schreiberin lebte. Sie hatte sich in ihrem eitlen Dünkel wohl nicht einfallen lassen [5] daß Markus einen solchen Verrath, der gering geachteten Paulus zu Gefallen, an ihr begehen würde! Wir wussten nicht an wen sie noch dergleichen Briefe geschrieben haben möchte, und hielten also für das Beste sie, und ihre Bekanntschaft so viel als möglich zu verleugnen. Ich war unter dem Nahmen meines Vaters dort, und gab mich als von Berlin kommend an, um auf keine Weise befragt zu werden. Auch geschah dieses nicht, außer bei einer Fête in Aschach bei einer jungen hübschen Frau, die sich gern Ihrer erinnern mochte; Sie hatten ihr bei Ihrem Aufenthalt im Bade, Ihre Aufmerksamkeit geschenkt; ihren Namen habe ich vergessen, so viel ich mich erinnere war es ein italiänischer Nahme; ihr Mann war Director in der Provinz oder vom Bade. Nun bei dieser waren wir, und Markus neckte sie mit ihrer Zuneigung zu Ihnen und sagte ihr, sie könne sich bei mir nach Ihnen erkundigen ich wäre Ihnen verwandt. Als ich nun diese Verwandtschaft erklärt und berichtigt hatte, nahm sie mich auf die Seite, und frug mich ob Sie nicht der rechte Vater von dem seeligen Kinde, und die Mutter, nur die Stiefmutter sey? sie stritten gegen jedermann der das Gegentheil behauptete: Natürlich sagte ich, das Gegentheil wäre wahr, darauf ergoß sie sich in Lobe über Ihre väterliche Liebe zu dem Kinde und der Mutter erwähnte sie nicht weiter, auch ich schwieg. Dann traf es sich daß ich von einem [6] Mädchen bedient wurde, die auch das Kind in ihrer Krankheit bedient hatte. Sie erzählte mir viel von den letzten Stunden des Kindes, ohne nur im geringsten den Antheil zu ahnden den ich daran nahm, außer denjenigen welchen jeder Fremde an solcher Erzählung nehmen musste; dieses Mädchen führte mich auch einen frühen Morgen in aller Stille zu dem Grabe des Kindes; kein andrer hat je meinen Besuch daselbst erfahren, und ich habe mit niemand darüber oder über ihre Krankheit geredet; viel ward freilich darüber geredet im Bade. Daß jene Beschuldigung Verleumdung ist, können Sie schon daraus ermessen, daß der Brief an Markus viel früher geschrieben war als ich daselbst ankam; was hatte Sie denn also schon damals gegen mich? und wie war ich nicht darin heruntergerissen? – – – Nun genug dieser letzte Punkt hat mich so angegriffen, daß ich kaum die Feder zu führen vermag. – Ich wollte Sie wären hier! ich möchte Sie wohl noch einmal sehen vor der entsetzlichen Reise. – Ihren schönen reichen Brief vom 4ten December habe ich mit unendlicher Freude gelesen. Besonders danke ich Ihnen für die Beschreibung des Dramaʼs welches Sie aufgeführt haben. Sehen hätte ich es wohl mögen! mir geht es eigentlich auch wie der Frau v. Stael; ich hatte gar keine Vorstellung von Ihrem theatralischen [7] Talent. Ja dieser Werner! ich weiß nicht wie mirs mit ihm geht, ich muß ihn anerkennen, aber einen ungeheuren Widerwillen habe ich gegen seine Verzuckungen, die mir doch mehr Ohnmacht als Kraft zu verrathen scheinen. – adieu lieber Wilhelm ich schreibe Ihnen recht bald wieder, aber nichts mehr von Gegenständen die uns verdrießlich sind; trauen Sie mir nur immer nichts so böses zu. – Ich werde wohl eine Reise zu meinen Söhnen nach Dresden machen müßen, so bald ich Geld dazu habe. Es ist sehr nothwendig daß ich es nicht lange verschiebe, vorher schreibe ich Ihnen aber noch. Ein ruhiges Zusammenleben mit Friedrich, wo wir des Lebens ohne Noth und Kummer noch eine Weile genießen könnten ist uns wohl noch lange nicht bestimmt, vielleicht niemals; und es ist nur ein nutzloses ringen wenn wir ausschließend darnach streben wollten.
Gott erhalte Sie uns.
Dorothea Schlegel
[8]
[1] [Wien 16. Januar 1810]
Mein liebenswürdiger guter Bruder ich grüße Sie von ganzen Herzen! ich war schon auf mich selber böse daß ich Ihnen den Ausbruch meiner erregten Empfindung so ganz brühwarm zuschickte, und Ihnen Gott weis wie viel unangenehme Empfindungen verursachte – ich kann es aber nun doch im Grunde gar nicht bereuen; besser ist es doch als hätte ich es wieder auf dem Herzen behalten, und es in sich hinein fressen lassen. Weiß ich es doch nun ganz gewiß daß es nichts war als liebliche Tickereien und daß ich Ihnen Unrecht that; was ich Ihnen hiemit ganz demütig, aber nicht ohne innern Triumpf, abgebeten haben will. Jene mögen nun ferner gegen mich reden was ihnen beliebt – die Treulosigkeit gegen Friedrich hatte mich so ergriffen; bei größerer Ruhe hätte ich freilich auch darüber mich trösten müßen, denn sie werden sich selber am meisten dadurch schaden! – Ist es aber nicht recht traurig wie der Ludwig zu Grunde geht mit allen seinen Gaben? mir ist dabei zu Muthe wie im Tannhäuser, wo man die Leute in den Venusberg einem alten Fiedler nachtaumeln sehen muß, ohne sie zurückhalten zu können. Daß er sich hier, wie früher schon im Lovel, und eigentlich doch auch im Golo, so recht deutlich wie in einem Spiegel sah, erregt ein recht tiefes Grausen und Mitleiden, manchmal wünschte ich recht er wäre früher schon gestorben! – Recht wenige Keime und Blüthen reifen doch in der Welt zur Frucht, die allermeisten tragen einen Wurm in sich der sie verdirbt; sollen wir noch klagen wenn sie als Blüthe abgeschüttelt werden? ist es nicht ein schöners Loos? ist es nicht vielmehr als die erreichte Bestimmung anzusehen, als jenes Verderben, welches nur äußerlich [2] Vollkommenheit lügt, und innen des tiefsten Verderbens voll ist? – Ich habe diesen Ludwig sehr geliebt! – Eine Saite berührte ich, die ich vielleicht auf keinen Fall hätte schriftlich berühren müßen. Mündlich würden wir uns gewiß gleich verstehen, so bald nichts feindliches mehr zwischen uns treten kann. Wir hätten sehr viel noch darüber zu reden – schreiben läßt sich nicht die Hälfte; so viel glauben Sie mir nur: man hat Ihnen nicht die Wahrheit gesagt! Ich wusste es damals schon; daß ich aber schwieg daß ich mich verleumden ließ, daß ich mich nicht (ich will nicht sagen, rächte, dazu fühlte ich keinen Trieb;) sondern mich bei Ihnen zu rechtfertigen suchte, das geschah: erstlich; weil alle Selbstrechtfertigung auf so niedrige Beschuldigung nichts nützt; es hätte einen Zank gegeben, und zwar nicht von der edelsten Sorte, zu welchem es mir an Fähigkeit gebricht (ich glaube ich könnte mich viel eher duelliren als mich mit weiblicher Zungenfertigkeit zanken.) Zweitens; hätte eine solche Rechtfertigung mit deren Folgen, möglicher Weise einen, wo nicht auf immer, doch auf längere Zeit dauernden Zwiespalt zwischen Ihnen und Ihrem Bruder bewirken können (welchen man auch eigentlich beabsichtigte, denn die Batterieen waren nur in einer falschen Attake gegen mich gewendet,) den ich aber auf jede Weise, und auf jede Unkosten nicht wollte entstehen lassen; mir schien nichts so wichtig als Euer gutes Vernehmen; was meine Rechtfertigung betraf, so überließ ich sie der Zeit. Es ist mir mit Gottes Hülfe alles gelungen. – Man spricht so viel von dem [3] Sinn der Gerechtigkeit, den die Männer ausschließend besitzen sollen, aber ich will noch den ersten Mann sehen der einer Frau Gerechtigkeit in zweifelhaften Fällen widerfahren ließe, deren Gunst er nicht besitzt, oder nicht zu besitzen hofft oder doch wenigstens besessen hat; Eine nur findet Recht, die übrigen mögen zusehen! – Kommen Sie, lassen Sie sich etwas den Krieg machen; war es denn billig mich so ungehört frischweg zu verdammen? und hätte man mein freiwilliges Stillschweigen und resigniren nicht in Gerechtigkeits pflegender Ueberlegung ziehen sollen? – Hausrath und Meubles von Bedeutung ist während der Zeit daß wir jenes Haus bewohnten meines Wissens nicht verdorben worden; über unbedeutende Stücke weiß ich auch nicht wie man so sicher behaupten konnte, daß ich die Schuld des Verderbens sey, da die Anklägerin damals ein halbes Jahr krank war, und vor ihrer Abreise keine Revision gehalten hat; wenigstens habe ich keine Art von Inventarium erhalten, und der Zustand alles Hausraths ist von ihr nicht anerkannt worden. Was die Gelage betrifft die wir in den Zimmern sollen gehalten haben, so weiß ich wahrhaftig nicht was man darunter versteht, es müßte denn der sogenannte Doctorschmaus seyn, den Ihr Bruder damals zu geben gezwungen war, und der dem Wort Gelag doch nicht schicklich entspricht. Sie hatten uns bei Ihrer Abreise das Haus übergeben ohne uns den zufälligen Gebrauch der großen Zimmer zu untersagen; jene Gelegenheit sie zu benützen zeigte sich, und wir benutzten sie, um die [4] Kosten zu ersparen, deren jene Ceremonie schon ohnehin genug gekostet hatte. Die Verstorbene fand bei ihrer Zurückkunft alle Zimmer sauber und geordnet, und uns nicht mehr im Hause. Wir hätten vielleicht Sie erst vorher um die Erlaubniß bitten müßen jenen Schmaus in Ihrem Zimmer geben zu dürfen, dazu war aber die Zeit zu kurz und wir hielten uns ihrer gewiß; nachher schrieb Ihnen Friedrich auch darüber nach Braunschweig und dankte Ihnen. Diese Art von Beschuldigungen gehören ganz zu denen die ich früher schon erleiden musste, über den Knaben, der das Haus mit Ungeziefer und Aussatz sollte angesteckt haben! – Gestehen Sie mir nur lieber Wilhelm, solche Dinge darf man Ihnen von keiner Frau erzählen die Sie gern mögen! – Wie soll ich aber nun auf jene große bittre Beschuldigung kommen, deren Sie erwähnen wobei es mir ganz kalt überläuft; mein guter Bruder wie hat man Ihnen solche Abscheulichkeiten von mir weiß gemacht! Die Wahrheit ist daß ich in Bocklet mit keinen einzigen Menschen weder von dem Kinde noch von ihrer Mutter geredet habe. Als ich hinkam fand ich einen Brief an den Hofrath Markus, worin man ihn und die ganze Badegesellschaft für mich, und für die Paulus warnte, als die nichtswürdigsten gemeinsten Creaturen; diesen Brief habe ich gelesen, nachdem ich vorher das feyerliche Versprechen an den Hofrath Markus geben musste, Ihnen nichts davon zu schreiben; ich habe mein Versprechen gehalten, so lange die Schreiberin lebte. Sie hatte sich in ihrem eitlen Dünkel wohl nicht einfallen lassen [5] daß Markus einen solchen Verrath, der gering geachteten Paulus zu Gefallen, an ihr begehen würde! Wir wussten nicht an wen sie noch dergleichen Briefe geschrieben haben möchte, und hielten also für das Beste sie, und ihre Bekanntschaft so viel als möglich zu verleugnen. Ich war unter dem Nahmen meines Vaters dort, und gab mich als von Berlin kommend an, um auf keine Weise befragt zu werden. Auch geschah dieses nicht, außer bei einer Fête in Aschach bei einer jungen hübschen Frau, die sich gern Ihrer erinnern mochte; Sie hatten ihr bei Ihrem Aufenthalt im Bade, Ihre Aufmerksamkeit geschenkt; ihren Namen habe ich vergessen, so viel ich mich erinnere war es ein italiänischer Nahme; ihr Mann war Director in der Provinz oder vom Bade. Nun bei dieser waren wir, und Markus neckte sie mit ihrer Zuneigung zu Ihnen und sagte ihr, sie könne sich bei mir nach Ihnen erkundigen ich wäre Ihnen verwandt. Als ich nun diese Verwandtschaft erklärt und berichtigt hatte, nahm sie mich auf die Seite, und frug mich ob Sie nicht der rechte Vater von dem seeligen Kinde, und die Mutter, nur die Stiefmutter sey? sie stritten gegen jedermann der das Gegentheil behauptete: Natürlich sagte ich, das Gegentheil wäre wahr, darauf ergoß sie sich in Lobe über Ihre väterliche Liebe zu dem Kinde und der Mutter erwähnte sie nicht weiter, auch ich schwieg. Dann traf es sich daß ich von einem [6] Mädchen bedient wurde, die auch das Kind in ihrer Krankheit bedient hatte. Sie erzählte mir viel von den letzten Stunden des Kindes, ohne nur im geringsten den Antheil zu ahnden den ich daran nahm, außer denjenigen welchen jeder Fremde an solcher Erzählung nehmen musste; dieses Mädchen führte mich auch einen frühen Morgen in aller Stille zu dem Grabe des Kindes; kein andrer hat je meinen Besuch daselbst erfahren, und ich habe mit niemand darüber oder über ihre Krankheit geredet; viel ward freilich darüber geredet im Bade. Daß jene Beschuldigung Verleumdung ist, können Sie schon daraus ermessen, daß der Brief an Markus viel früher geschrieben war als ich daselbst ankam; was hatte Sie denn also schon damals gegen mich? und wie war ich nicht darin heruntergerissen? – – – Nun genug dieser letzte Punkt hat mich so angegriffen, daß ich kaum die Feder zu führen vermag. – Ich wollte Sie wären hier! ich möchte Sie wohl noch einmal sehen vor der entsetzlichen Reise. – Ihren schönen reichen Brief vom 4ten December habe ich mit unendlicher Freude gelesen. Besonders danke ich Ihnen für die Beschreibung des Dramaʼs welches Sie aufgeführt haben. Sehen hätte ich es wohl mögen! mir geht es eigentlich auch wie der Frau v. Stael; ich hatte gar keine Vorstellung von Ihrem theatralischen [7] Talent. Ja dieser Werner! ich weiß nicht wie mirs mit ihm geht, ich muß ihn anerkennen, aber einen ungeheuren Widerwillen habe ich gegen seine Verzuckungen, die mir doch mehr Ohnmacht als Kraft zu verrathen scheinen. – adieu lieber Wilhelm ich schreibe Ihnen recht bald wieder, aber nichts mehr von Gegenständen die uns verdrießlich sind; trauen Sie mir nur immer nichts so böses zu. – Ich werde wohl eine Reise zu meinen Söhnen nach Dresden machen müßen, so bald ich Geld dazu habe. Es ist sehr nothwendig daß ich es nicht lange verschiebe, vorher schreibe ich Ihnen aber noch. Ein ruhiges Zusammenleben mit Friedrich, wo wir des Lebens ohne Noth und Kummer noch eine Weile genießen könnten ist uns wohl noch lange nicht bestimmt, vielleicht niemals; und es ist nur ein nutzloses ringen wenn wir ausschließend darnach streben wollten.
Gott erhalte Sie uns.
Dorothea Schlegel
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