• August Böckh to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 10.02.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Böckh
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 10.02.1810
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 110‒112.
  • Incipit: „[1] Heidelberg d. 10. Febr. 1810
    Hochzuverehrender Herr,
    Ew. Wohlgeboren sehr gefälliges Schreiben vom 23ten Januar wollte ich zwar von Tag zu Tag [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,A,14,2
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,4 cm
    Language
  • German
[1] Heidelberg d. 10. Febr. 1810
Hochzuverehrender Herr,
Ew. Wohlgeboren sehr gefälliges Schreiben vom 23ten Januar wollte ich zwar von Tag zu Tag beantworten, bin aber wegen mannigfacher Zerstreuung bis ietzo noch nicht dazugekommen; weshalb ich Sie zuerst um Verzeihung bitten muß. Nunmehr aber will ich auch keinen Augenblick mehr versäumen, Ihnen zu genügen, zumahl da meine Briefe gewöhnlich etwas langsam laufen, indem die Redaction zur Ersparung des theuren Portoʼs, wovon doch immer den Mitarbeitern vieles zur Last fällt, die Briefe so weit als möglich mit Gelegenheit und durch Einschluß zu besorgen pflegt.
Ihre Recension des Buchs der Liebe ist bereits im Druck; ich würde es nicht verantworten können, wenn ich eine Arbeit von Ihnen unsern Jahrbüchern entziehen und der Jenaischen Zeitung zuwenden wollte. Ihrem Nahmen sind wir immer eine Aufopferung schuldig; und ich muß eben sehen, wie ich nun mit der andern Recension und ihrem Verfasser fertig werde. Wir haben im Fache der altdeutschen Litteratur zwey rüstige und kenntnißreiche Mitarbeiter, die Brüder Grimm in Cassel, deren einer Bibliothekar des Königes, der andere Auditor beym Staatsrath ist; beyde recensiren in diesem Fache sehr schnell und gründlich; daher auch das Buch der Liebe, obgleich erst kürzlich erschienen, doch schon von ihnen beurtheilt war. Die Kritiken dieser Gelehrten haben nur den einen Fehler, daß sie etwas hart im Stil [2] sind, und daher beym großen Publicum wohl auch wenig Eindruck machen.
Auf Ihre Beurtheilung des Ariost von Gries freue ich mich sehr, so wie auf die der Winkelmannschen Schriften. Auch Götheʼs Winkelmann ist doch so alt nicht, um nicht berücksichtigt zu werden; denn unsere Jahrbücher greifen bis 1806. zurück, und in diesem Jahr ist er ia wohl, wenn ich mich recht erinere, erschienen, oder kurz vorher. Klingers Werke mögen nun immer unrecensirt bleiben. Für die Wahlverwandtschaften bitte ich aber Sorge zu tragen, zumahl da man ietzo schon in Deutschland darüber eine Menge abgeschmackter und platter Urtheile hört. Wegen der Werke des Verfassers des Lacrimas bin ich mit Ihrem gütigen Vorschlag ganz einverstanden.
Was die Anzeige Ihrer und Ihres Herrn Bruders Schriften betrifft, so habe ich seit meinem Briefe an Ew. Wohlgeboren noch einige Versuche gemacht, tüchtige Recensenten zu finden; ich glaube keine unglückliche Wahl getroffen zu haben; sollten iedoch diese Recensenten nicht bald etwas darüber liefern, so werde ich die angezeigten Werke gerne denienigen antragen, welche mir Ew. Wohlgeboren vorgeschlagen haben. Von Fr. Schlegels Gedichten bin ich schon im Besitz einer Anzeige. Mir selbst würde es ein großes Vergnügen gewährt haben, den ersten Band Ihrer dramaturgischen Vorlesungen zu übernehmen, wenn ich keinen tüchtigen Mann dafür gefunden hätte; so aber will ich es nun lieber lassen. Ohnehin habe ich seit einem Jahre die Dramatiker der Griechen nicht mehr studirt; und ich mag nicht gerne von etwas sprechen, ohne frisch davon zu kommen! So habe ich auch noch einige Bände des Schleiermacherschen Platons zu recensiren; aber mit diesen gehet es mir ebenso, [3] weil ich seit mehrern Jahren das Studium des Platon unterlassen habe, und erst später wieder darauf zurückkommen will, um dann meine angefangene Kritik und Erklärung fortzusetzen. Gegenwärtig beschäftige ich mich mit dem Pindar; ich habe kürzlich darüber eine kleine Schrift geschrieben, die auch Ihnen vielleicht nicht ganz uninteressant ist, indem ich darin zuerst ganz sichere Bestimmungen seiner Sylbenmaße und die richtige Versabtheilung ausgemittelt habe; wenn ich noch Exemplare davon hier hätte, würde ich Ihnen mit Vergnügen eines mittheilen. Daß Sie meine Schrift über die Tragiker noch nicht gelesen haben, thut mir leid, nicht etwa, weil Sie sie nicht benutzen konnten (denn ich zweifle, daß Sie darin noch besonders neue Aufschlüße gefunden, die einen bedeutenden Einfluß auf Ihre Untersuchungen hätten), sondern darum, weil ich sehr begierig wäre von Ihnen zu wissen, wie Sie über das Ganze derselben urtheilten.
Was endlich die Angelegenheit betrifft, welche mir aufzutragen Ew. Wohlgeboren mich werth achteten, so habe ich mich zwar umgesehen, einen Mann dafür zu finden; allein dergleichen Leute sind hier, wo das iuristische Brodstudium die meisten Köpfe beschäftigt, sehr selten. Ich wüßte daher niemand dazu, als den Secretär unserer Jahrbücher, welcher ein Mann von sehr vieler Litteratur ist, aber doch wohl zu wenig Savoir faire und nicht genug Geist haben möchte, um Hrn v. Barante, dessen Buch auch hier bekannt ist, ganz zu genügen. Überdies höre ich, daß Hr Chamisso, gewesener Preußischer Officier, eine Professur an dem Lyceum zu NapoleonVille erhalten hat; da dieser nun die Deutsche Litteratur und Philosophie genug kennt, und sie selbst so studirt hat, wie Hr v. Barante als Fremder es thun [4] muß, so könnte wohl dieser die Stelle am besten versehen; und wenn er es nicht selbst kann wegen äußerer Umstände, so könnte er dem Hrn. Präfecten wohl am besten einen Mann recommandiren. Ohnehin giebt es wohl keine Stadt, wo leichter ein dieser Stelle gewachsener Mann zu finden wäre, als in Berlin, wo Hr. Chamisso bekannt genug ist.
Ich bedauere, daß ich Ew. Wohlgeboren Auftrag nicht besser erfüllen kann; gewissenhaft habe ich ihn wenigstens erfüllt. Und besser ist es doch, niemand zu empfehlen, als mit dem Empfohlenen keine Ehre einzulegen.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung habe ich die Ehre zu seyn
Ew. Wohlgeboren
gehorsamer Diener
Böckh
[1] Heidelberg d. 10. Febr. 1810
Hochzuverehrender Herr,
Ew. Wohlgeboren sehr gefälliges Schreiben vom 23ten Januar wollte ich zwar von Tag zu Tag beantworten, bin aber wegen mannigfacher Zerstreuung bis ietzo noch nicht dazugekommen; weshalb ich Sie zuerst um Verzeihung bitten muß. Nunmehr aber will ich auch keinen Augenblick mehr versäumen, Ihnen zu genügen, zumahl da meine Briefe gewöhnlich etwas langsam laufen, indem die Redaction zur Ersparung des theuren Portoʼs, wovon doch immer den Mitarbeitern vieles zur Last fällt, die Briefe so weit als möglich mit Gelegenheit und durch Einschluß zu besorgen pflegt.
Ihre Recension des Buchs der Liebe ist bereits im Druck; ich würde es nicht verantworten können, wenn ich eine Arbeit von Ihnen unsern Jahrbüchern entziehen und der Jenaischen Zeitung zuwenden wollte. Ihrem Nahmen sind wir immer eine Aufopferung schuldig; und ich muß eben sehen, wie ich nun mit der andern Recension und ihrem Verfasser fertig werde. Wir haben im Fache der altdeutschen Litteratur zwey rüstige und kenntnißreiche Mitarbeiter, die Brüder Grimm in Cassel, deren einer Bibliothekar des Königes, der andere Auditor beym Staatsrath ist; beyde recensiren in diesem Fache sehr schnell und gründlich; daher auch das Buch der Liebe, obgleich erst kürzlich erschienen, doch schon von ihnen beurtheilt war. Die Kritiken dieser Gelehrten haben nur den einen Fehler, daß sie etwas hart im Stil [2] sind, und daher beym großen Publicum wohl auch wenig Eindruck machen.
Auf Ihre Beurtheilung des Ariost von Gries freue ich mich sehr, so wie auf die der Winkelmannschen Schriften. Auch Götheʼs Winkelmann ist doch so alt nicht, um nicht berücksichtigt zu werden; denn unsere Jahrbücher greifen bis 1806. zurück, und in diesem Jahr ist er ia wohl, wenn ich mich recht erinere, erschienen, oder kurz vorher. Klingers Werke mögen nun immer unrecensirt bleiben. Für die Wahlverwandtschaften bitte ich aber Sorge zu tragen, zumahl da man ietzo schon in Deutschland darüber eine Menge abgeschmackter und platter Urtheile hört. Wegen der Werke des Verfassers des Lacrimas bin ich mit Ihrem gütigen Vorschlag ganz einverstanden.
Was die Anzeige Ihrer und Ihres Herrn Bruders Schriften betrifft, so habe ich seit meinem Briefe an Ew. Wohlgeboren noch einige Versuche gemacht, tüchtige Recensenten zu finden; ich glaube keine unglückliche Wahl getroffen zu haben; sollten iedoch diese Recensenten nicht bald etwas darüber liefern, so werde ich die angezeigten Werke gerne denienigen antragen, welche mir Ew. Wohlgeboren vorgeschlagen haben. Von Fr. Schlegels Gedichten bin ich schon im Besitz einer Anzeige. Mir selbst würde es ein großes Vergnügen gewährt haben, den ersten Band Ihrer dramaturgischen Vorlesungen zu übernehmen, wenn ich keinen tüchtigen Mann dafür gefunden hätte; so aber will ich es nun lieber lassen. Ohnehin habe ich seit einem Jahre die Dramatiker der Griechen nicht mehr studirt; und ich mag nicht gerne von etwas sprechen, ohne frisch davon zu kommen! So habe ich auch noch einige Bände des Schleiermacherschen Platons zu recensiren; aber mit diesen gehet es mir ebenso, [3] weil ich seit mehrern Jahren das Studium des Platon unterlassen habe, und erst später wieder darauf zurückkommen will, um dann meine angefangene Kritik und Erklärung fortzusetzen. Gegenwärtig beschäftige ich mich mit dem Pindar; ich habe kürzlich darüber eine kleine Schrift geschrieben, die auch Ihnen vielleicht nicht ganz uninteressant ist, indem ich darin zuerst ganz sichere Bestimmungen seiner Sylbenmaße und die richtige Versabtheilung ausgemittelt habe; wenn ich noch Exemplare davon hier hätte, würde ich Ihnen mit Vergnügen eines mittheilen. Daß Sie meine Schrift über die Tragiker noch nicht gelesen haben, thut mir leid, nicht etwa, weil Sie sie nicht benutzen konnten (denn ich zweifle, daß Sie darin noch besonders neue Aufschlüße gefunden, die einen bedeutenden Einfluß auf Ihre Untersuchungen hätten), sondern darum, weil ich sehr begierig wäre von Ihnen zu wissen, wie Sie über das Ganze derselben urtheilten.
Was endlich die Angelegenheit betrifft, welche mir aufzutragen Ew. Wohlgeboren mich werth achteten, so habe ich mich zwar umgesehen, einen Mann dafür zu finden; allein dergleichen Leute sind hier, wo das iuristische Brodstudium die meisten Köpfe beschäftigt, sehr selten. Ich wüßte daher niemand dazu, als den Secretär unserer Jahrbücher, welcher ein Mann von sehr vieler Litteratur ist, aber doch wohl zu wenig Savoir faire und nicht genug Geist haben möchte, um Hrn v. Barante, dessen Buch auch hier bekannt ist, ganz zu genügen. Überdies höre ich, daß Hr Chamisso, gewesener Preußischer Officier, eine Professur an dem Lyceum zu NapoleonVille erhalten hat; da dieser nun die Deutsche Litteratur und Philosophie genug kennt, und sie selbst so studirt hat, wie Hr v. Barante als Fremder es thun [4] muß, so könnte wohl dieser die Stelle am besten versehen; und wenn er es nicht selbst kann wegen äußerer Umstände, so könnte er dem Hrn. Präfecten wohl am besten einen Mann recommandiren. Ohnehin giebt es wohl keine Stadt, wo leichter ein dieser Stelle gewachsener Mann zu finden wäre, als in Berlin, wo Hr. Chamisso bekannt genug ist.
Ich bedauere, daß ich Ew. Wohlgeboren Auftrag nicht besser erfüllen kann; gewissenhaft habe ich ihn wenigstens erfüllt. Und besser ist es doch, niemand zu empfehlen, als mit dem Empfohlenen keine Ehre einzulegen.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung habe ich die Ehre zu seyn
Ew. Wohlgeboren
gehorsamer Diener
Böckh
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