• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Coppet · Date: 22.10.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 22.10.1811
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 235‒236.
  • Incipit: „[1] Wien den 22ten October 1811
    Geliebter Bruder,
    Ich habe seit undenklichen Zeiten keine Nachricht von Dir und bin desfalls in der äußersten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,25
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 15,5 x 10,1 cm
    Language
  • German
[1] Wien den 22ten October 1811
Geliebter Bruder,
Ich habe seit undenklichen Zeiten keine Nachricht von Dir und bin desfalls in der äußersten Unruhe und Besorgniß. Mein langer Brief vom 7ten August, nach Zürich gerichtet, ist nicht an Dich gelangt. Ich fürchte beynah, es könnte dem letzten unterm 25ten September nach Bern gerichteten eben so ergangen seyn. Desfalls will ich es noch auf einen andern Wege versuchen, das Wesentlichste was ich Dir zu sagen habe, zu Dir gelangen zu lassen. Du hast mich aufgefodert, was freylich in einer solchen vielfach bedingten Lage schwer ist, einen bestimmten Rath zu ertheilen. Indessen, je mehr ich alles überlege, und je länger Eure Entscheidung zögert, je geneigter fühle ich mich zu einem solchen ganz entschiedenem Rathschluß. [2] Es sind durchaus nur zwey Wege möglich, die ergriffen werden können. Entweder St.[ael] erfüllt wirklich das was man wünscht, wozu man sie scheint hindrängen zu wollen, und fügt sich den willkührlichen Foderungen; dann muß es aber nicht halb geschehen, und Du mußt alsdann nothwendig auch Deinen jetzigen Aufenthalt verlassen. Oder aber Ihr kommt und zwar gleich und so bald als möglich. Auch in dem Fall, daß man hier in dieser Frist oder noch länger hinaus, nicht ganz so angenehm sich befände, als man gewiß zu anfang aufgenommen seyn wird; so bleibt selbst eine große Reise länger und leichter von hier aus möglich als von einem andren Orte. – Welches von beyden an sich erwählenswerth, ist nun freylich Eure Sache zu bestimmen; was meine heißesten Wünsche sind, darf ich nicht erst sagen. Nur empfehle ich noch einmal Vorsicht und Klugheit; Pr.[ag] zu Anfang, und durchaus [3] nicht W.[ien]. – Was M.[ontmorency] und die R.[écamier] betrift, so hatte ich von Henriette einen Wink darüber erhalten, der aber sehr unbestimmt. Gestern ist Alex.[ander] Humbold hier angekommen und hat uns die betrübte Nachricht an der ich herzlichen Antheil nehme, leider bestätigt.
Niebelungica wäre viel zu schreiben; denn ich habe mich in der letzten Zeit mit der Edda und den Nordischen Sachen viel beschäftigt. Aber dazu ist jetzt keine Zeit in dieser gespannten Stimmung des Gemüths, bis ich erst von Dir weiß. – Ich bin nun ganz und gar mit dem Deutschen Museum beschäftigt, welches Neujahr 1812 beginnt. Ich bin nun ganz begeistert dafür, und wünsche und hoffe nichts mehr, als einige Kapitel Deiner NiebelungenSchrift gleich im ersten Heft geben zu können; denn das würde nicht nur der glänzendste Anfang, sondern auch die beste Ankündigung für den Geist des Ganzen seyn. Ich bitte Dich [4] inständig, Dir diese Sache angelegen seyn und mir das Manuscript sobald als möglich zu kommen zu lassen.
Wir sind die Zeit her mit Umziehen sehr beschäftigt und dadurch ich allerdings auch gestört gewesen. Indessen ist die neue Wohnung (Neuthor Bastey N° 1244.) gut. – Damit Du siehst, wie sicher ich auf Dein Wiedersehn rechne, füge ich noch zwey kleine Bitten an. Bringe mir doch die Oeuvres posthumes von St. Martin mit (Du solltest Deine Bücher und Papiere nicht länger in C.[oppet] lassen); ich möchte sie für das Museum benutzen. Desgleichen wäre mir auch 5–10 Pfund Caffée sehr lieb, 5 Pfund darf jeder Franzose mit sich führen zu eignem Gebrauch. Ist ein andrer der Ueberbringer, so geb ich die Auslage in Silbergeld gern gleich zurück. Hier ist gar keiner mehr zu haben, und dennoch dieses Wesen meiner Gesundheit leider unentbehrlich.
Geliebter Bruder, dieß sind nur einige flüchtige Zeilen; li[e]sse sich nur alles schreiben, meine Gedanken sind immer bey Euch. Meine Frau grüßt herzlich.
Friedrich.
[1] Wien den 22ten October 1811
Geliebter Bruder,
Ich habe seit undenklichen Zeiten keine Nachricht von Dir und bin desfalls in der äußersten Unruhe und Besorgniß. Mein langer Brief vom 7ten August, nach Zürich gerichtet, ist nicht an Dich gelangt. Ich fürchte beynah, es könnte dem letzten unterm 25ten September nach Bern gerichteten eben so ergangen seyn. Desfalls will ich es noch auf einen andern Wege versuchen, das Wesentlichste was ich Dir zu sagen habe, zu Dir gelangen zu lassen. Du hast mich aufgefodert, was freylich in einer solchen vielfach bedingten Lage schwer ist, einen bestimmten Rath zu ertheilen. Indessen, je mehr ich alles überlege, und je länger Eure Entscheidung zögert, je geneigter fühle ich mich zu einem solchen ganz entschiedenem Rathschluß. [2] Es sind durchaus nur zwey Wege möglich, die ergriffen werden können. Entweder St.[ael] erfüllt wirklich das was man wünscht, wozu man sie scheint hindrängen zu wollen, und fügt sich den willkührlichen Foderungen; dann muß es aber nicht halb geschehen, und Du mußt alsdann nothwendig auch Deinen jetzigen Aufenthalt verlassen. Oder aber Ihr kommt und zwar gleich und so bald als möglich. Auch in dem Fall, daß man hier in dieser Frist oder noch länger hinaus, nicht ganz so angenehm sich befände, als man gewiß zu anfang aufgenommen seyn wird; so bleibt selbst eine große Reise länger und leichter von hier aus möglich als von einem andren Orte. – Welches von beyden an sich erwählenswerth, ist nun freylich Eure Sache zu bestimmen; was meine heißesten Wünsche sind, darf ich nicht erst sagen. Nur empfehle ich noch einmal Vorsicht und Klugheit; Pr.[ag] zu Anfang, und durchaus [3] nicht W.[ien]. – Was M.[ontmorency] und die R.[écamier] betrift, so hatte ich von Henriette einen Wink darüber erhalten, der aber sehr unbestimmt. Gestern ist Alex.[ander] Humbold hier angekommen und hat uns die betrübte Nachricht an der ich herzlichen Antheil nehme, leider bestätigt.
Niebelungica wäre viel zu schreiben; denn ich habe mich in der letzten Zeit mit der Edda und den Nordischen Sachen viel beschäftigt. Aber dazu ist jetzt keine Zeit in dieser gespannten Stimmung des Gemüths, bis ich erst von Dir weiß. – Ich bin nun ganz und gar mit dem Deutschen Museum beschäftigt, welches Neujahr 1812 beginnt. Ich bin nun ganz begeistert dafür, und wünsche und hoffe nichts mehr, als einige Kapitel Deiner NiebelungenSchrift gleich im ersten Heft geben zu können; denn das würde nicht nur der glänzendste Anfang, sondern auch die beste Ankündigung für den Geist des Ganzen seyn. Ich bitte Dich [4] inständig, Dir diese Sache angelegen seyn und mir das Manuscript sobald als möglich zu kommen zu lassen.
Wir sind die Zeit her mit Umziehen sehr beschäftigt und dadurch ich allerdings auch gestört gewesen. Indessen ist die neue Wohnung (Neuthor Bastey N° 1244.) gut. – Damit Du siehst, wie sicher ich auf Dein Wiedersehn rechne, füge ich noch zwey kleine Bitten an. Bringe mir doch die Oeuvres posthumes von St. Martin mit (Du solltest Deine Bücher und Papiere nicht länger in C.[oppet] lassen); ich möchte sie für das Museum benutzen. Desgleichen wäre mir auch 5–10 Pfund Caffée sehr lieb, 5 Pfund darf jeder Franzose mit sich führen zu eignem Gebrauch. Ist ein andrer der Ueberbringer, so geb ich die Auslage in Silbergeld gern gleich zurück. Hier ist gar keiner mehr zu haben, und dennoch dieses Wesen meiner Gesundheit leider unentbehrlich.
Geliebter Bruder, dieß sind nur einige flüchtige Zeilen; li[e]sse sich nur alles schreiben, meine Gedanken sind immer bey Euch. Meine Frau grüßt herzlich.
Friedrich.
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