Ihre Zeilen, mein werthester Herr und Freund, hat mir der Schreiber gebracht, und mich dabey wohl hundertmal Monsieur le Conseiller de régence genannt. Ich bin mit der Antwort auf Ihren Brief vom 31sten Aug. in Ihrer Schuld, Sie müssen nicht so genau mit mir rechnen: bey dem beständigen Wechsel des Aufenthalts und der zerstreuenden Unruhe des Lagerlebens versäumt man gar manches. Hier haben wir ein paar Wochen in großer Ruhe zugebracht, aber ich war sonst sehr beschäftigt. Es hat mir sehr leid gethan, in Potsdam zu erfahren, daß Sie mich dort verfehlt hatten. Ihren Wunsch, wegen der Übersetzung des Werkes über Deutschland, habe ich längst erfüllt. Da aber die Briefe, bey dem großen Umwege, den sie nach England nehmen müssen, allerley Zufälligkeiten unterworfen sind, so lege ich ein Briefchen an Frau von Stael, desselben Inhalts bey, und bitte Sie solches nur mit einer Oblate versiegelt an Ihren Correspondenten in London zu befördern. Die Adresse habe ich bloß der leichteren Nachfrage wegen darauf gesetzt, denn Frau von Stael ist jetzt auf dem Lande in Richmond. Der Londoner Buchhändler findet es nicht vortheilhaft, das Original erscheinen zu lassen während alle Welt auf dem Lande zerstreut ist. Die Erscheinung bleibt also bis zum Schlusse Novembers ausgesetzt. Dieß wird für die gewiß nicht leichte Übersetzung um so mehr Muße gewähren, wenn man nur den Buchhändler bewegen kann mit den einzelnen Bänden herauszurücken.
Wenn Sie ein Exemplar meiner Comparaison de la Phèdre de Racine auftreiben können, so bitte ich Sie, solches an Frau von Stael zu senden, wir möchten diese kleine Schrift dort wieder drucken lassen.
Mit meinem Verfehlen Schleiermachers, das ist eine wahrhaft tragische Geschichte. Indessen hoffe ich die Zeit wird kommen, sich für alles zu entschädigen, und sich mit den Freunden in Berlin bey voller Muße über alles zu besprechen. Es ist seit einigen Wochen eine Art von Stillstand in den Begebenheiten eingetreten, aber ich denke es wird bald wieder zu entscheidenden Schlägen kommen. Unsere Feldherrn zeichnet eben so sehr geduldige Vorsicht und Klugheit aus, als der rasche Entschluß, wenn die Zeit dazu da ist.
Ich habe noch nicht erfahren können, ob meine Antidania, die unverdienter Weise von Ihrer Censur verhaftet worden ist, wirklich losgegeben worden. Es ist nicht billig, daß man mir in meinem PrivatKriege mit dem Könige von Dänemark die Hände bindet. Er hat Hamburg besetzt, und meinen Freund Baudissin ins Gefängniß gesteckt: ohne vollkommne Genugthuung werde ich niemals Frieden mit ihm schließen. Der Plan, diese Monarchie zu vertheilen, ist übrigens alt: Don Quixote hatte schon in Ermangelung einer Insel, dem Sancho Pansa eins von den Königreichen Dänemark oder Sobradisa zugedacht.
Sie könnten mir eine große Gefälligkeit erweisen. Mein Bruder in Wien steht für mich in Handel wegen eines kostbaren Manuscripts, wofür 100 Ducaten gefodert werden, das man aber hoffentlich wohlfeiler abläßt. Könnten Sie nicht eine Anstalt in Wien treffen, daß der Kaufpreis, den mein Bruder nicht wohl vorschießen kann, auf Ihre Rechnung gezahlt würde, wenn der Fall eintritt? Ich habe einen Creditbrief auf Schicklers, vermöge dessen, Sie die Summe sogleich wieder gezahlt bekämen.
Dürfte ich Sie auch um Besorgung des inliegenden Briefes nach der Schweiz über Wien bitten? Er müßte aber dort frankirt werden. Es liegt mir an der schleunigen Besorgung.
Bezeugen Sie HE. Wolf meine Verehrung. Seine günstige Äußerung über mich war mir bey meiner Entfernung von Deutschland entgangen. Es ist ein Beweis liberaler Gesinnung von einem so großen Gelehrten, die Arbeiten solcher Dilettanten wie ich bin, über die Classiker, zu schätzen. Ich hätte wohl Lust, die Geschichte des griechischen Theaters, insbesondre die der Komödie nach den vorhandnen Fragmenten ausführlicher zu bearbeiten.
Leben Sie tausendmal wohl, und grüßen Sie die Berlinischen Freunde, die sich meiner erinnern.
Der Ihrige
Schlegel