• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Pillnitz · Place of Destination: Unknown · Date: 26.09.1822
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Pillnitz
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.09.1822
  • Notations: Handschrift von Ludwig Emanuel Ernst.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.26
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21,2 x 12,8 cm
  • Incipit: „[1] Mein geliebtester Bruder,
    Deinen lieben Brief vom 18ten erhielten wir den 24t Sept., Nach dieser Berechnung müßt ihr drei Tage [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
[1] Mein geliebtester Bruder,
Deinen lieben Brief vom 18ten erhielten wir den 24t Sept., Nach dieser Berechnung müßt ihr drei Tage drauf den Geld-Brief erhalten haben, und also von dieser Seite außer Sorge gesetzet seyn. Ich setze voraus die Kinde sind noch bei Dir, der Brief ist also für alle geschrieben, theile den Kindern daraus mit wenn sie noch bei Dir sind. Das Geld konnten wir füglich nicht eher schicken, als bis wir bestimmt darüber angeordet wurden, da bisher nicht bestimmt ausgesprochen worden: „Wir gehen nun nach Paris“ sondern wir haben es nur schlüßen können aus den übrigen Anstalten. Wir sehen auch nicht, daß das Geringste dabei versäumt wäre.
Alle und jede die der Mutter darüber gesagt, ob mit tausend Thalern in Paris auszukommen sey, finden dieses reichlich, auch Tyk, der doch das Leben gern bequemlich liebt. Böttcher fand, daß man davon nicht allein leben, sondern sehr angenehm leben müße. Der Charpentier ihrem Rathe können die Kinder unbedingt folgen. Diese ganze Familie ist stolz, und vergibt sich nichts, und läßt es nicht außer Augen, daß ihre Schwistern Generalin und Ministerin ist. Den Brief von der Pfenningerin wenn ich ihn jetzt nicht beilege, hoffen wir nachzuschicken. Wir hoffen, es soll eine andere Ferngabe für Gustchen seyn, sie hat mit wenigen angefangen, soll aber jetzt hinlänglich Geld verdienen, und da sie Mignatur-Malerin ist, findet keine Jalousie statt! Gustchen in eine leichtere, und brillantere Lage zu versetzen, steht nicht in unsrer Macht, wir müßen nun auch auf die kleinen Wesen rechnen, die da sind, und auf ihre Zukunft. Ob unser Standpunkt in der Welt glänzend, oder weniger glänzend seyn soll, das hängt von einer höhern Macht, ab, da sind wir zu wenig dazu. Nur glaubʼ ich, dürfen wir etwas wagen, wenn es würklich die innere Vervollkommnung betrift, und das ist bei den jetzigen Reisen der Fall, auch sehen wir sehr deutlich, daß ihr schon der Aufenthalt in München sehr nützlich gewesen, sie hat vielmehr Freiheit im Zeichnen und Zuversicht zu sich selbst. Da Gustchen jetzt nur lernen, und nicht Geld verdienen soll wenn es ihr nicht von selbst entgegen kommt, so scheint die Geselligkeit nur eine Nebensache zu seyn, außer der Umgang, der zum Zwecke führt.
[2] Es hat sich gewis ein Talent öfterer in einer spärlichen Lage besser entwickelt, als in einer opulenten, es sind nicht alle wie du, lieber Wilhelm, die sich ganz aus eigner Kraft heben, die meisten armen Erdensöhne wollen einen stimulum haben. Zwey Dinge halte ich nothwendig zur Gemüthlichkeit eines Künstlers, 1.) daß man nicht von Schulden gedrückt werde, und das ist der Kinder ihre Sorge, 2.) daß sie von keinen häuslichen Arbeiten und Sorgen geängstigt werden.
Deswegen hat die Mutter ihnen sogleich die Sorge für die kleinen Kinder abgenommen, weil diese starke Sorge unvereinbar mit der Kunst ist, da sie aber noch sah, daß die andren häuslichen Sorgen Gustchen zu sehr interessirten, so ist dieses ein Hauptgrund mit, warum wir wünschten, daß sie reißte, um das ruhige Entfalten nicht zu hemmen.
In Ansehung dessen was für Gustchen angesucht werden soll, so ist das alles schon so gut wie berichtigt, nur darf Gustchen nicht stöhrend dazwischen kommen. Es wird wohl nicht der Ernst gewesen seyn, daß sie wollte von Paris aus selberschreibenanhalten, sonst müßte ich dich, lieber Wilhelm, bitten, wenn du es weißt, wie du den Brief an sie gelangen lassen kannst, daß sie es ja unterließe. Jetzt verdankt sie die Protection des Ministers dem Vater; wir hoffen in Zukunft wird sie sich sie selber zu verdanken haben. Ich muß dem Vater die Ehre geben, wenn er auch schon die Feder selber führt, daß er die Sache mit gehöriger Kraft und Eifer geführet hat. Einsiedel ist, wie man sich hier ausdrückt, der allmächtige in diesen Dingen, und dieser hat gegen meinen Mann bestimmt gesprochen, daß er nur die Zeit abwarten soll, daß der König die Bilder von Gustchen gesehen.
Daß der König nur besonders darauf aufmerksam gemacht werden wird, versteht sich von selbst, sobald es Einsiedel wünscht, und Vitzthum hat guten Willen, wenngleich nicht eigne Kraft. Diesmal kommt der König etwas später herauf, und also müßen wir ein paar Wochen länger warten. Die Kinder können auch ganz ruhig dabey seyn, sie kriegen [3] ihr bestimmtes Geld, es komme nun her wo es wolle
Der Beichtvater der Königin, der besonders von Gustchens heiliger Familie entzückt ist, und überhaupt sich sehr für sie interessirt, hat Gustch es sehr bei der Königin und der Prinzessin gelobt. Überhaupt erreget Gustchen schon etwas Neid, Rentsch und Arnold, ihre alten Lehrer, liegen noch immer am Teiche Bethesda und können zu nichts kommen, ungeachtet Rentsch schon seit langer Zeit Stunden bei der jüngsten Vitzthum giebt
So wie wir nach Dresden kommen, wird die Bittschrift überreicht.
Was die Zeichnung von Gustchen betrift, so sind wir, lieber Wilhelm, deiner Meinung, daß wir uns auch sehr darüber gewundert haben; aber wir können die Sache einmal nicht ändern wie sie ist. Freilich gehört diese Zeichnung dem Prinz Johann, der sie auch nicht wieder fahren läßt, aber, da alle Herschaften ohne Ausnahme, also der König auch, dieselbe Zeichnung besitzen wollen, so ist höchstwarscheinlich vom Könige selbst diese Aeußerung geschehen, sonst würden sie nicht so gewaltsam darauf bestehen, daß wir sie schon einmal zurückgegeben haben, müßt ihr übersehen haben, man würde es meinem Mann sehr verübeln, und es ihm für Geitz auslegen, daß er nichts daran wenden wolle, wie auch Vitzthum schon so etwas äußerte, welches meinen Mann etwas verschnupfte. Nach München konnten wir es nicht schicken, weil wir dort keinen Freund haben, der es uns besorgte, in Wien soll der Steinabdruck jetzt schon vervollkommt seyn. Friedrich hat sich auch sehr thätig bewiesen, es wird sie Schnorr, der beste Lithograph, aus Freundschaft für Friedrichen übernehmen.
[4] Tyk hat mir gesagt, er hätte im Steinabdruck sehr schöne Sachen von Wien aus gesehen. Wir haben also die beste Hofnung, daß die Sache gut ausfallen werde. Nur wünschen wir erst Nachricht zu haben, von der Ankunft des Bildes, daß es glücklich gegangen ist, und daß die Zeit eingehalten werde. Wenn es zum 12ten Octbr hier ist, so ist alles gut. Für Gustchen kann es von grosem Nutzen seyn. Über die Lithographie bin ich Wilhelms Meinung, sobald es classische Werke betrift, bei ephemereschen Werken wo es nur auf Zartheit ankommt und daß es der Sache Handzeichnung so nahe als möglich gleich komme, glaube ich, ist dieser Abdruck sehr hübsch.
Deine Liebe, mit der Du Gustchen behandelst, und alles was sie angeht betreibest, bleibt in unser Herz geschrieben; Gustchen hat Recht gehabt, sich so nach deine persönlichen Bekanntschaft zu sehnen, es giebt ihr einen neuen Impuls. Auch können wir sie nun mit Deinem Rathe und Beistand ausgestattet, viel ruhiger nach Paris reisen laßen, ich brauche Dich nicht zu bitten, daß Du immer ihr Freund bleibest, rathe ihr doch auch, daß sie die Academie ja recht benutze, je mehr sie zeichnet, je mehr wird ihr Talent Freiheit gewinnen, sich zu entfalten.
Sind die Kinder noch da, so ruffen wir ihnen noch ein Lebet wohl zu. Wir möchten nun so bald als möglich Briefe von ihnen haben.
Pillnitz d. 26. Sept. 1822. Charlotte Ernst.
[1] Mein geliebtester Bruder,
Deinen lieben Brief vom 18ten erhielten wir den 24t Sept., Nach dieser Berechnung müßt ihr drei Tage drauf den Geld-Brief erhalten haben, und also von dieser Seite außer Sorge gesetzet seyn. Ich setze voraus die Kinde sind noch bei Dir, der Brief ist also für alle geschrieben, theile den Kindern daraus mit wenn sie noch bei Dir sind. Das Geld konnten wir füglich nicht eher schicken, als bis wir bestimmt darüber angeordet wurden, da bisher nicht bestimmt ausgesprochen worden: „Wir gehen nun nach Paris“ sondern wir haben es nur schlüßen können aus den übrigen Anstalten. Wir sehen auch nicht, daß das Geringste dabei versäumt wäre.
Alle und jede die der Mutter darüber gesagt, ob mit tausend Thalern in Paris auszukommen sey, finden dieses reichlich, auch Tyk, der doch das Leben gern bequemlich liebt. Böttcher fand, daß man davon nicht allein leben, sondern sehr angenehm leben müße. Der Charpentier ihrem Rathe können die Kinder unbedingt folgen. Diese ganze Familie ist stolz, und vergibt sich nichts, und läßt es nicht außer Augen, daß ihre Schwistern Generalin und Ministerin ist. Den Brief von der Pfenningerin wenn ich ihn jetzt nicht beilege, hoffen wir nachzuschicken. Wir hoffen, es soll eine andere Ferngabe für Gustchen seyn, sie hat mit wenigen angefangen, soll aber jetzt hinlänglich Geld verdienen, und da sie Mignatur-Malerin ist, findet keine Jalousie statt! Gustchen in eine leichtere, und brillantere Lage zu versetzen, steht nicht in unsrer Macht, wir müßen nun auch auf die kleinen Wesen rechnen, die da sind, und auf ihre Zukunft. Ob unser Standpunkt in der Welt glänzend, oder weniger glänzend seyn soll, das hängt von einer höhern Macht, ab, da sind wir zu wenig dazu. Nur glaubʼ ich, dürfen wir etwas wagen, wenn es würklich die innere Vervollkommnung betrift, und das ist bei den jetzigen Reisen der Fall, auch sehen wir sehr deutlich, daß ihr schon der Aufenthalt in München sehr nützlich gewesen, sie hat vielmehr Freiheit im Zeichnen und Zuversicht zu sich selbst. Da Gustchen jetzt nur lernen, und nicht Geld verdienen soll wenn es ihr nicht von selbst entgegen kommt, so scheint die Geselligkeit nur eine Nebensache zu seyn, außer der Umgang, der zum Zwecke führt.
[2] Es hat sich gewis ein Talent öfterer in einer spärlichen Lage besser entwickelt, als in einer opulenten, es sind nicht alle wie du, lieber Wilhelm, die sich ganz aus eigner Kraft heben, die meisten armen Erdensöhne wollen einen stimulum haben. Zwey Dinge halte ich nothwendig zur Gemüthlichkeit eines Künstlers, 1.) daß man nicht von Schulden gedrückt werde, und das ist der Kinder ihre Sorge, 2.) daß sie von keinen häuslichen Arbeiten und Sorgen geängstigt werden.
Deswegen hat die Mutter ihnen sogleich die Sorge für die kleinen Kinder abgenommen, weil diese starke Sorge unvereinbar mit der Kunst ist, da sie aber noch sah, daß die andren häuslichen Sorgen Gustchen zu sehr interessirten, so ist dieses ein Hauptgrund mit, warum wir wünschten, daß sie reißte, um das ruhige Entfalten nicht zu hemmen.
In Ansehung dessen was für Gustchen angesucht werden soll, so ist das alles schon so gut wie berichtigt, nur darf Gustchen nicht stöhrend dazwischen kommen. Es wird wohl nicht der Ernst gewesen seyn, daß sie wollte von Paris aus selberschreibenanhalten, sonst müßte ich dich, lieber Wilhelm, bitten, wenn du es weißt, wie du den Brief an sie gelangen lassen kannst, daß sie es ja unterließe. Jetzt verdankt sie die Protection des Ministers dem Vater; wir hoffen in Zukunft wird sie sich sie selber zu verdanken haben. Ich muß dem Vater die Ehre geben, wenn er auch schon die Feder selber führt, daß er die Sache mit gehöriger Kraft und Eifer geführet hat. Einsiedel ist, wie man sich hier ausdrückt, der allmächtige in diesen Dingen, und dieser hat gegen meinen Mann bestimmt gesprochen, daß er nur die Zeit abwarten soll, daß der König die Bilder von Gustchen gesehen.
Daß der König nur besonders darauf aufmerksam gemacht werden wird, versteht sich von selbst, sobald es Einsiedel wünscht, und Vitzthum hat guten Willen, wenngleich nicht eigne Kraft. Diesmal kommt der König etwas später herauf, und also müßen wir ein paar Wochen länger warten. Die Kinder können auch ganz ruhig dabey seyn, sie kriegen [3] ihr bestimmtes Geld, es komme nun her wo es wolle
Der Beichtvater der Königin, der besonders von Gustchens heiliger Familie entzückt ist, und überhaupt sich sehr für sie interessirt, hat Gustch es sehr bei der Königin und der Prinzessin gelobt. Überhaupt erreget Gustchen schon etwas Neid, Rentsch und Arnold, ihre alten Lehrer, liegen noch immer am Teiche Bethesda und können zu nichts kommen, ungeachtet Rentsch schon seit langer Zeit Stunden bei der jüngsten Vitzthum giebt
So wie wir nach Dresden kommen, wird die Bittschrift überreicht.
Was die Zeichnung von Gustchen betrift, so sind wir, lieber Wilhelm, deiner Meinung, daß wir uns auch sehr darüber gewundert haben; aber wir können die Sache einmal nicht ändern wie sie ist. Freilich gehört diese Zeichnung dem Prinz Johann, der sie auch nicht wieder fahren läßt, aber, da alle Herschaften ohne Ausnahme, also der König auch, dieselbe Zeichnung besitzen wollen, so ist höchstwarscheinlich vom Könige selbst diese Aeußerung geschehen, sonst würden sie nicht so gewaltsam darauf bestehen, daß wir sie schon einmal zurückgegeben haben, müßt ihr übersehen haben, man würde es meinem Mann sehr verübeln, und es ihm für Geitz auslegen, daß er nichts daran wenden wolle, wie auch Vitzthum schon so etwas äußerte, welches meinen Mann etwas verschnupfte. Nach München konnten wir es nicht schicken, weil wir dort keinen Freund haben, der es uns besorgte, in Wien soll der Steinabdruck jetzt schon vervollkommt seyn. Friedrich hat sich auch sehr thätig bewiesen, es wird sie Schnorr, der beste Lithograph, aus Freundschaft für Friedrichen übernehmen.
[4] Tyk hat mir gesagt, er hätte im Steinabdruck sehr schöne Sachen von Wien aus gesehen. Wir haben also die beste Hofnung, daß die Sache gut ausfallen werde. Nur wünschen wir erst Nachricht zu haben, von der Ankunft des Bildes, daß es glücklich gegangen ist, und daß die Zeit eingehalten werde. Wenn es zum 12ten Octbr hier ist, so ist alles gut. Für Gustchen kann es von grosem Nutzen seyn. Über die Lithographie bin ich Wilhelms Meinung, sobald es classische Werke betrift, bei ephemereschen Werken wo es nur auf Zartheit ankommt und daß es der Sache Handzeichnung so nahe als möglich gleich komme, glaube ich, ist dieser Abdruck sehr hübsch.
Deine Liebe, mit der Du Gustchen behandelst, und alles was sie angeht betreibest, bleibt in unser Herz geschrieben; Gustchen hat Recht gehabt, sich so nach deine persönlichen Bekanntschaft zu sehnen, es giebt ihr einen neuen Impuls. Auch können wir sie nun mit Deinem Rathe und Beistand ausgestattet, viel ruhiger nach Paris reisen laßen, ich brauche Dich nicht zu bitten, daß Du immer ihr Freund bleibest, rathe ihr doch auch, daß sie die Academie ja recht benutze, je mehr sie zeichnet, je mehr wird ihr Talent Freiheit gewinnen, sich zu entfalten.
Sind die Kinder noch da, so ruffen wir ihnen noch ein Lebet wohl zu. Wir möchten nun so bald als möglich Briefe von ihnen haben.
Pillnitz d. 26. Sept. 1822. Charlotte Ernst.
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