• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 13.01.1822
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 13.01.1822
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 387‒389.
  • Incipit: „[1] Heidelberg den 13ten Januar 1822
    Mein theurer Freund,
    Ich habe lange vergeblich auf die Freude gehofft eine Antwort von Ihnen zu erhalten, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.29
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,3 x 20,7 cm
    Language
  • German
[1] Heidelberg den 13ten Januar 1822
Mein theurer Freund,
Ich habe lange vergeblich auf die Freude gehofft eine Antwort von Ihnen zu erhalten, und ich muß mich also entschliessen Ihnen wieder zu schreiben, ohne die Sicherheit zu haben, ob ein Brief von mir Ihnen willkommen ist. Ich beklage es oft daß die schöne Zeit der Jugend für mich dahin ist, denn unter andern heerlichen Gaben dieser entflohenen Zeit, ist auch das kostbahre rücksichtslose Vertrauen, auf die grosmühtige Nachsicht der Freundschaft zugleich mit entschwunden. Vor zwanzig Jahren mein theurer Freund, würde ich Ihnen zehn Briefe nacheinander geschrieben haben, ohne daß es mir ein einziges mahl eingefallen wäre, diese Briefe könten Ihnen unwilkommen oder beschwerlich sein, und hätten Sie endlich zu lange geschwiegen, so würde ich sehr böse geworden sein, und sehr gescholten haben, und es würde mir wieder nicht eingefallen sein, daß dies Bösewerden, und dies Schelten Ihnen noch beschwerlich[er] als die Briefe hätte sein können, sondern ich würde im Gegentheil gehofft haben, Sie würden nun in sich gehen, und einsehen, wie grosses Unrecht Sie gegen mich hätten.
Da diese schöne Zeit leider vorüber ist, und ich also nicht mehr die Zuversicht habe, womit wir in der Jugend bewußtlos annehmen, daß wir und unsere Liebe einem Freunde gerade so wichtig sind, als er und seine Zuneigung uns, so mag es wohl sein daß ich nun zu ängstlich geworden bin, und auf der andern Seite zu weit gehe. So habe ich immerfort auf Ihre Erlaubniß gewartet Ihnen das Manuskript von Flore und Blanscheflur zu zuschiken, und da kein Brief von Ihnen kam so lange damit gezögert, biß ich nun gezwungen war es nach Berlin zu senden.
Nun quält mich die Sorge ob Sie darüber verdrießlich sein werden. Ich bitte Sie dringend theurer Freund, mich nur mit wenigen Worten [2] darüber zu beruhigen. Ich weiß recht wohl daß Sie jezt zu sehr beschäftigt sind, als daß ich ausführliche Briefe von Ihnen hoffen könnte. Ich weiß auch leider daß Sie sich nicht immer so wohl befinden, als Ihre Freunde herzlich wünschen. Doch hoffe ich Sie sind jezt wieder hergestellt. Boisserée sagte mir Sie befänden sich nicht wohl, versicherte aber zugleich daß Sie nicht an einer ernsthaften Krankheit litten.
Ich bat Sie theurer Freund in meinem lezten Brief dringend um die Erfüllung Ihres Versprechens sich als Herausgeber von Flore und Blanscheflur zu nennen, und die Vorrede dazu zu schreiben. Von unschäzbahren Werth wäre es mir gewesen, wenn Sie die Güte gehabt hätten, dies Gedicht vor dem Druck durchzugehen, da Sie mir aber nicht darauf geantwortet haben, als ich anfragte ob ich Ihnen die Handschrift zuschicken sollte, und ich ausserdem weiß wie sehr Sie beschäftigt sind, und ich wie ich schon bemerkte, nicht mehr die Zuversicht der Jugend habe, so mochte ich dies ohne Ihre ausdrückliche Bewilligung nicht thun. Habe ich nun hierin nicht nach Ihrer Meinung gehandelt, so liegt der Grund meines Irthums nur in einer gewissen Schüchternheit, die ich aus hoher Achtung für Ihre Zeit bekommen habe. Und da ich nun schon den grossen Nachtheil habe, daß Sie die Handschrift nicht durchgesehen haben, so fügen Sie mir nicht das zweite Übel dadurch zu, daß Sie darüber böse sind, daß ich sie Ihnen nicht zugeschickt habe.
Ausserdem daß, wenn Sie die Güte haben die Vorrede zu schreiben, der Erfolg für den Buchhändler gewiß ist, und ausserdem daß mir dieser öffentliche Beweiß Ihrer Freundschaft unendlich theuer ist, so erweisen Sie mir dadurch noch einen Dienst anderer Natur, der meine ganze Dankbarkeit in Anspruch nimt.
Sie kennen besser als ich es Ihnen zu sagen vermag, die ungrosmüthige, ja ich möchte sagen, die oft gemeine Art, wie unter den Deutschen selbst oft geachtete Schriftsteller die Werke der Frauen behandeln. Daß sie auf der einen Seite sie mit einer verachtenden [3] Galanterie erwähnen, worin es sich schon von selbst versteht daß diese untergeordneten Geschöpfe nichts vernünftiges hervorbringen können, und mann übrigens mit ihren artigen Schwachheiten Geduld haben muß, oder es wird auf eine ekelhafte Weise wie von Jean Paul Witz darüber gemacht, der dasselbe ausdrüken soll, wie die besagte Galanterie, und dies sind die besten Kunstrichter, in ansehung der Frauen, diese milden, spashaften, überklugen, die mit vornehmem Erbarmen herabsehen. Die andere Gattung zu der Voß und ehemahls Nikolai, und solche Leute gehören sind weit schlimmer, denn diese nehmen auch an das alle Produktionen der Frauen erbärmlich sind, aber sie suchen mit hämischer Bosheit aus den Werken etwas aufzufinden, was ein nachtheiliges Licht auf den Charakter werfen kann, oder wodurch der Lebenswandel, oder die Familienverhältnisse, dem Publikum im nachtheiligen Lichte gezeigt werden können. Gegen alle diese Schmach mein theurer mir so herzlich theurer Freund stellen Sie mich in Sicherheit, denn Ihr Nahme unter dessen Schutz ich auftrete, legt allen diesen Ungezogenen Schweigen auf, die Achtung welche mann Ihnen schuldig ist, macht es unmöglich mich zu beleidigen, und darum empfinde ich die lebhafteste innigste Dankbarkeit für diesen Beweiß Ihrer Freundschaft.
Wie weit stehen in rücksicht der Gerechtigkeit gegen Frauen die Deutschen hinter Franzosen und Engländern zurück, ich habe oft in den Edinburgischen Blättern, die strengsten Recensionen über Werke von Frauen gelesen, aber niemals, weder diese abgeschmakt verachtende Galanterie, noch die verächtliche Bosheit der Deutschen darin gefunden.
Ich hoffe mein theurer Freund Sie werden mir auf diesen Brief mit einigen Worten antworten, und mich beruhigen, denn ich [4] gestehe, daß ich so lange eine recht quälende Unruhe leiden werde, biß ich durch Ihre Antwort überzeugt bin, daß der Grund Ihres Stilschweigens nicht der ist, daß Sie verdrießlich wären, über die Art, wie Flore und Blanscheflur nun gedruckt wird. Denn ich weiß Sie wollten es nicht bei Reimer gedruckt haben.
Ich glaube Reimer wird Ihnen auch schreiben, und Ihnen die Probebogen schicken, denn ihm liegt natürlich auch sehr viel daran daß Sie es herausgeben.
Knorring trägt mir auf Sie [zu] bitten ihm Ihre Freundschaft zu erhalten, und Felix bittet Sie ihn nicht zu vergessen. Sie haben mir auch darauf nicht geantwortet wenn wir hoffen können Sie in unserer Nähe zu sehen.
Leben Sie wohl theuerster Freund, und erhalten Sie mir die alte freundschaftliche Gesinnung, mit der ich unveränderlich bin die Ihrige
S[ophie] v[on] Knorring.
[1] Heidelberg den 13ten Januar 1822
Mein theurer Freund,
Ich habe lange vergeblich auf die Freude gehofft eine Antwort von Ihnen zu erhalten, und ich muß mich also entschliessen Ihnen wieder zu schreiben, ohne die Sicherheit zu haben, ob ein Brief von mir Ihnen willkommen ist. Ich beklage es oft daß die schöne Zeit der Jugend für mich dahin ist, denn unter andern heerlichen Gaben dieser entflohenen Zeit, ist auch das kostbahre rücksichtslose Vertrauen, auf die grosmühtige Nachsicht der Freundschaft zugleich mit entschwunden. Vor zwanzig Jahren mein theurer Freund, würde ich Ihnen zehn Briefe nacheinander geschrieben haben, ohne daß es mir ein einziges mahl eingefallen wäre, diese Briefe könten Ihnen unwilkommen oder beschwerlich sein, und hätten Sie endlich zu lange geschwiegen, so würde ich sehr böse geworden sein, und sehr gescholten haben, und es würde mir wieder nicht eingefallen sein, daß dies Bösewerden, und dies Schelten Ihnen noch beschwerlich[er] als die Briefe hätte sein können, sondern ich würde im Gegentheil gehofft haben, Sie würden nun in sich gehen, und einsehen, wie grosses Unrecht Sie gegen mich hätten.
Da diese schöne Zeit leider vorüber ist, und ich also nicht mehr die Zuversicht habe, womit wir in der Jugend bewußtlos annehmen, daß wir und unsere Liebe einem Freunde gerade so wichtig sind, als er und seine Zuneigung uns, so mag es wohl sein daß ich nun zu ängstlich geworden bin, und auf der andern Seite zu weit gehe. So habe ich immerfort auf Ihre Erlaubniß gewartet Ihnen das Manuskript von Flore und Blanscheflur zu zuschiken, und da kein Brief von Ihnen kam so lange damit gezögert, biß ich nun gezwungen war es nach Berlin zu senden.
Nun quält mich die Sorge ob Sie darüber verdrießlich sein werden. Ich bitte Sie dringend theurer Freund, mich nur mit wenigen Worten [2] darüber zu beruhigen. Ich weiß recht wohl daß Sie jezt zu sehr beschäftigt sind, als daß ich ausführliche Briefe von Ihnen hoffen könnte. Ich weiß auch leider daß Sie sich nicht immer so wohl befinden, als Ihre Freunde herzlich wünschen. Doch hoffe ich Sie sind jezt wieder hergestellt. Boisserée sagte mir Sie befänden sich nicht wohl, versicherte aber zugleich daß Sie nicht an einer ernsthaften Krankheit litten.
Ich bat Sie theurer Freund in meinem lezten Brief dringend um die Erfüllung Ihres Versprechens sich als Herausgeber von Flore und Blanscheflur zu nennen, und die Vorrede dazu zu schreiben. Von unschäzbahren Werth wäre es mir gewesen, wenn Sie die Güte gehabt hätten, dies Gedicht vor dem Druck durchzugehen, da Sie mir aber nicht darauf geantwortet haben, als ich anfragte ob ich Ihnen die Handschrift zuschicken sollte, und ich ausserdem weiß wie sehr Sie beschäftigt sind, und ich wie ich schon bemerkte, nicht mehr die Zuversicht der Jugend habe, so mochte ich dies ohne Ihre ausdrückliche Bewilligung nicht thun. Habe ich nun hierin nicht nach Ihrer Meinung gehandelt, so liegt der Grund meines Irthums nur in einer gewissen Schüchternheit, die ich aus hoher Achtung für Ihre Zeit bekommen habe. Und da ich nun schon den grossen Nachtheil habe, daß Sie die Handschrift nicht durchgesehen haben, so fügen Sie mir nicht das zweite Übel dadurch zu, daß Sie darüber böse sind, daß ich sie Ihnen nicht zugeschickt habe.
Ausserdem daß, wenn Sie die Güte haben die Vorrede zu schreiben, der Erfolg für den Buchhändler gewiß ist, und ausserdem daß mir dieser öffentliche Beweiß Ihrer Freundschaft unendlich theuer ist, so erweisen Sie mir dadurch noch einen Dienst anderer Natur, der meine ganze Dankbarkeit in Anspruch nimt.
Sie kennen besser als ich es Ihnen zu sagen vermag, die ungrosmüthige, ja ich möchte sagen, die oft gemeine Art, wie unter den Deutschen selbst oft geachtete Schriftsteller die Werke der Frauen behandeln. Daß sie auf der einen Seite sie mit einer verachtenden [3] Galanterie erwähnen, worin es sich schon von selbst versteht daß diese untergeordneten Geschöpfe nichts vernünftiges hervorbringen können, und mann übrigens mit ihren artigen Schwachheiten Geduld haben muß, oder es wird auf eine ekelhafte Weise wie von Jean Paul Witz darüber gemacht, der dasselbe ausdrüken soll, wie die besagte Galanterie, und dies sind die besten Kunstrichter, in ansehung der Frauen, diese milden, spashaften, überklugen, die mit vornehmem Erbarmen herabsehen. Die andere Gattung zu der Voß und ehemahls Nikolai, und solche Leute gehören sind weit schlimmer, denn diese nehmen auch an das alle Produktionen der Frauen erbärmlich sind, aber sie suchen mit hämischer Bosheit aus den Werken etwas aufzufinden, was ein nachtheiliges Licht auf den Charakter werfen kann, oder wodurch der Lebenswandel, oder die Familienverhältnisse, dem Publikum im nachtheiligen Lichte gezeigt werden können. Gegen alle diese Schmach mein theurer mir so herzlich theurer Freund stellen Sie mich in Sicherheit, denn Ihr Nahme unter dessen Schutz ich auftrete, legt allen diesen Ungezogenen Schweigen auf, die Achtung welche mann Ihnen schuldig ist, macht es unmöglich mich zu beleidigen, und darum empfinde ich die lebhafteste innigste Dankbarkeit für diesen Beweiß Ihrer Freundschaft.
Wie weit stehen in rücksicht der Gerechtigkeit gegen Frauen die Deutschen hinter Franzosen und Engländern zurück, ich habe oft in den Edinburgischen Blättern, die strengsten Recensionen über Werke von Frauen gelesen, aber niemals, weder diese abgeschmakt verachtende Galanterie, noch die verächtliche Bosheit der Deutschen darin gefunden.
Ich hoffe mein theurer Freund Sie werden mir auf diesen Brief mit einigen Worten antworten, und mich beruhigen, denn ich [4] gestehe, daß ich so lange eine recht quälende Unruhe leiden werde, biß ich durch Ihre Antwort überzeugt bin, daß der Grund Ihres Stilschweigens nicht der ist, daß Sie verdrießlich wären, über die Art, wie Flore und Blanscheflur nun gedruckt wird. Denn ich weiß Sie wollten es nicht bei Reimer gedruckt haben.
Ich glaube Reimer wird Ihnen auch schreiben, und Ihnen die Probebogen schicken, denn ihm liegt natürlich auch sehr viel daran daß Sie es herausgeben.
Knorring trägt mir auf Sie [zu] bitten ihm Ihre Freundschaft zu erhalten, und Felix bittet Sie ihn nicht zu vergessen. Sie haben mir auch darauf nicht geantwortet wenn wir hoffen können Sie in unserer Nähe zu sehen.
Leben Sie wohl theuerster Freund, und erhalten Sie mir die alte freundschaftliche Gesinnung, mit der ich unveränderlich bin die Ihrige
S[ophie] v[on] Knorring.
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