• Charlotte Ernst , Ludwig Emanuel Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Pillnitz · Place of Destination: Coppet · Date: 15.07.1804
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst, Ludwig Emanuel Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Pillnitz
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 15.07.1804
  • Notations: Empfangsort erschlossen. – Charlotte Ernst lässt bei „ch“-Schreibungen oft das „c“ weg. Hier wurde korrigierend eingegriffen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,18,1
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 11,7 cm
  • Incipit: „[1] Jede Nachricht liebster Bruder die du mir von deiner Lage, und von deinem Seyn und Thun giebst, l ist [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
  • Zeil, Sophia
[1] Jede Nachricht liebster Bruder die du mir von deiner Lage, und von deinem Seyn und Thun giebst, l ist meinem Herzen äußerst werth, wende daher manchmal ein halbes Stundchen an mir, jetzt bin ich nun noch weniger in der Lage etwas durch die dritte Hand von dir zu erfahren als sonst. Ich hatte von der Bernhardin nichts von deiner Abreise gehört, so wie sie mir überhaupt gar nichts geschrieben hat, zuerst erfuhr es mein Mann von der Fr. Bischofswerder aber auch noch ungewiß, bis wir es in den Zeitungen lasen, du kannst also denken wie interreßant mir es war von dir selbst darüber zu hören. Ich freue mich unendlich daß du eine so würdige und noble Freundinn an der Fr. v. Stael gefunden hast, ich freue mich daß ich mich in meinem Urtheil über sie ni ht betrogen habe, unter allen unseren Romanenschriftstellerinnen habe ich bey ihr den mehrsten Geist gefunden, und ächtes Feuer fürs Gute. Es dauert mich jetzt um so mehr daß ich nicht versucht habe sie zu sehen, da sie für dich so wichtig geworden, ich hatte große Lust dazu und Hofrath Müller redete mir zu, sie vielleicht führt sie ihr Weg einmal über Dresden, das würde [2] für mich sehr merkwürdig seyn. Wenn Sie du es ihr etwan gesagt hast daß du eine Schwester in Dresden hast, so sage ihr doch daß sie an mir eine große Bewunderinn hat. Das erste warum ich dich bitte mir von den etwanigen Reiseplanen die im Werke sind mitzutheilen ich genieße dieses alles in Gedanken mit, du hast gewiß keine treuere Theilnehmendere Freundinn als an mir, ich kann es dir nur so wenig bezeugen, da wir mit durch unsrer Lage so aus einander gerückt sind. Meine Reise nach Berlin war mir einzig darum so wünschens werth um dir einmal wieder nahe zu kommen, ich fürchtete sonst bey dir almählich in Vergeßenheit zu kommen. – Das Zweyte worum ich dich sehr bitte, ist mir etwas von der Bernhardin zu melden, ich weiß so lange manches von ihrer Lage und ihren Absichten und nun erfahre ich so wenig von ihr als wenn sie in einem andern Welttheile wäre, denn auch die Albertin weiß nichts, und doch nehme ich an diesem zarten interreßanten Wesen so viel Antheil! und die zwey prächtige Jungen die sie hat! noch niemals hate ich mich [3] an fremde Kinder so attachirt als an diese Die Trennung von dieser Familie wird dir doch auch wohl sehr schwer geworden seyn! Jetzt erst bin ich dahin gelangt, deine Vorlesungen die du in der Europa gerückt hast zu lesen, sie sind so äußerst wichtig für mich, daß ich es für mich nicht genug beklagen kann, daß ich nicht unter die glücklichen gehört hate, die deine Vorlesungen vollständig haben hören können. Wenn ehr werden wir den Calderoni und den Schakespear bekommen? Vorige Woche habe ich Fromann aus Jena kennen lernen. Theile mir ja von deinen litterarischen Arbeiten und Planen mit hat die Fr. v. Stael nichts im Werke. Was hältst du von Friedrichs Existenz in Cöln? sie scheint mir angenehm aber precair zu seyn, was mögen die guten Leute mit dem meubliren, und wieder den Verkauf der Sachen für unnütz Geld verthan haben!
Mit der Albertin ist es nun einmal ein verpfuschtes Leben, und recht wird es wohl nicht wieder ins Gleis kommen, auch ist sie sehr kränklich, Graffs bezeugen sich als ihre treuen Freunde.
Von Tieks erfahre ich gar nichts, ich glaube sie werden nach Töplitz reisen
[4] wir leben ziemlich gesund in unserm gewöhnlichen leben recht vergnügt fort.
Uebermorgen wird unsers Gustchen Geburtstag seyn, da wird eine kleine fete bey uns seyn – Wenn man sich nur einmal nach Coppet versetzen könnte um die herrliche Aussicht mit dir zu genießen! –

Sie sind auf einmal von Berlin weggezaubert, werthester Herr Bruder, und schienen doch für Berlin so nothwendig zu seyn. Da, wo es mir durch Sie so außerordentlich wohl gefiel, würde es mir nun ohne Sie nicht einen Augenblick gefallen können. Ich ergötze mich noch an den Reminiscenzen vom dasigen schönen Leben. Bey meinem sterilen Tagewerk ist eine Verjüngung meines Geistes gewesen. Mit groser Begierde lese ich Ihre Vorlesungen in der Europa, es ist mir, als hörte ich Ihren überzeugenden Vortrag von Ihren Lippen fließen, umgeben von der stillen Aufmerksamkeit Ihrer zahlreichen Zuhörer, unter denen ich mich 3mal zu befinden so glücklich war.
Von uns, verborgen im stillen häuslichen Leben kann ich Ihnen durchaus nicht Ausgezeichnetes melden. Desto herzlicher lieben wir Sie, und denken an unsren entfernten zärtlichen Bruder Ihr Bruder L. Emmanuel
Ernst.
Pillnitz, d. 15. Jul. 1804
[1] Jede Nachricht liebster Bruder die du mir von deiner Lage, und von deinem Seyn und Thun giebst, l ist meinem Herzen äußerst werth, wende daher manchmal ein halbes Stundchen an mir, jetzt bin ich nun noch weniger in der Lage etwas durch die dritte Hand von dir zu erfahren als sonst. Ich hatte von der Bernhardin nichts von deiner Abreise gehört, so wie sie mir überhaupt gar nichts geschrieben hat, zuerst erfuhr es mein Mann von der Fr. Bischofswerder aber auch noch ungewiß, bis wir es in den Zeitungen lasen, du kannst also denken wie interreßant mir es war von dir selbst darüber zu hören. Ich freue mich unendlich daß du eine so würdige und noble Freundinn an der Fr. v. Stael gefunden hast, ich freue mich daß ich mich in meinem Urtheil über sie ni ht betrogen habe, unter allen unseren Romanenschriftstellerinnen habe ich bey ihr den mehrsten Geist gefunden, und ächtes Feuer fürs Gute. Es dauert mich jetzt um so mehr daß ich nicht versucht habe sie zu sehen, da sie für dich so wichtig geworden, ich hatte große Lust dazu und Hofrath Müller redete mir zu, sie vielleicht führt sie ihr Weg einmal über Dresden, das würde [2] für mich sehr merkwürdig seyn. Wenn Sie du es ihr etwan gesagt hast daß du eine Schwester in Dresden hast, so sage ihr doch daß sie an mir eine große Bewunderinn hat. Das erste warum ich dich bitte mir von den etwanigen Reiseplanen die im Werke sind mitzutheilen ich genieße dieses alles in Gedanken mit, du hast gewiß keine treuere Theilnehmendere Freundinn als an mir, ich kann es dir nur so wenig bezeugen, da wir mit durch unsrer Lage so aus einander gerückt sind. Meine Reise nach Berlin war mir einzig darum so wünschens werth um dir einmal wieder nahe zu kommen, ich fürchtete sonst bey dir almählich in Vergeßenheit zu kommen. – Das Zweyte worum ich dich sehr bitte, ist mir etwas von der Bernhardin zu melden, ich weiß so lange manches von ihrer Lage und ihren Absichten und nun erfahre ich so wenig von ihr als wenn sie in einem andern Welttheile wäre, denn auch die Albertin weiß nichts, und doch nehme ich an diesem zarten interreßanten Wesen so viel Antheil! und die zwey prächtige Jungen die sie hat! noch niemals hate ich mich [3] an fremde Kinder so attachirt als an diese Die Trennung von dieser Familie wird dir doch auch wohl sehr schwer geworden seyn! Jetzt erst bin ich dahin gelangt, deine Vorlesungen die du in der Europa gerückt hast zu lesen, sie sind so äußerst wichtig für mich, daß ich es für mich nicht genug beklagen kann, daß ich nicht unter die glücklichen gehört hate, die deine Vorlesungen vollständig haben hören können. Wenn ehr werden wir den Calderoni und den Schakespear bekommen? Vorige Woche habe ich Fromann aus Jena kennen lernen. Theile mir ja von deinen litterarischen Arbeiten und Planen mit hat die Fr. v. Stael nichts im Werke. Was hältst du von Friedrichs Existenz in Cöln? sie scheint mir angenehm aber precair zu seyn, was mögen die guten Leute mit dem meubliren, und wieder den Verkauf der Sachen für unnütz Geld verthan haben!
Mit der Albertin ist es nun einmal ein verpfuschtes Leben, und recht wird es wohl nicht wieder ins Gleis kommen, auch ist sie sehr kränklich, Graffs bezeugen sich als ihre treuen Freunde.
Von Tieks erfahre ich gar nichts, ich glaube sie werden nach Töplitz reisen
[4] wir leben ziemlich gesund in unserm gewöhnlichen leben recht vergnügt fort.
Uebermorgen wird unsers Gustchen Geburtstag seyn, da wird eine kleine fete bey uns seyn – Wenn man sich nur einmal nach Coppet versetzen könnte um die herrliche Aussicht mit dir zu genießen! –

Sie sind auf einmal von Berlin weggezaubert, werthester Herr Bruder, und schienen doch für Berlin so nothwendig zu seyn. Da, wo es mir durch Sie so außerordentlich wohl gefiel, würde es mir nun ohne Sie nicht einen Augenblick gefallen können. Ich ergötze mich noch an den Reminiscenzen vom dasigen schönen Leben. Bey meinem sterilen Tagewerk ist eine Verjüngung meines Geistes gewesen. Mit groser Begierde lese ich Ihre Vorlesungen in der Europa, es ist mir, als hörte ich Ihren überzeugenden Vortrag von Ihren Lippen fließen, umgeben von der stillen Aufmerksamkeit Ihrer zahlreichen Zuhörer, unter denen ich mich 3mal zu befinden so glücklich war.
Von uns, verborgen im stillen häuslichen Leben kann ich Ihnen durchaus nicht Ausgezeichnetes melden. Desto herzlicher lieben wir Sie, und denken an unsren entfernten zärtlichen Bruder Ihr Bruder L. Emmanuel
Ernst.
Pillnitz, d. 15. Jul. 1804
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