Insonders hochzuehrender Herr Professor!
Obwohl unbekannt, sehe ich mich doch veranlaßet, an Sie, Hochgelehrter Herr Professor, zu wenden.
Im lezten Winter verlangten Sie von H.rn Majer. Regierungs-Archivar in St. Gallen die Collation des gedrukten Liedes der Nibelungen mit einem in dasiger Bibliothek vorhandenen Manuscript. Die Arbeit wurde mir, weil ich ehemals mit dieser Bibliothek bekannt war, von einem Dritten angetragen. Ich nahm sie über mich, und war bereits zu Ende des Merzens, mit selber fertig. Ich behielt die Arbeit in meinen Händen, und schrieb H.rn Majer, um es Ihnen wissen zu lassen. Bis dahin habe ich noch keine Antwort erhalten. Ich nehme mir also die Freyheit, Sie, hochgelehrter H.r Professor, über die Sache selbst zu berichten.
[2] Die Collation ist sehr reichhaltig ausgefallen. Ueber 1000 Verse hat das Manuscript mehr, als das gedrukte Exemplar. Beynebens habe ich unzählige Varianten, manchmal auch bis zur Skrupulosität notirt; – kein Blatt ist leer geblieben. Ich darf mich überzeügen, daß Niemand für so eine Arbeit weniger als 4 Louis dʼor nehmen würde.
In dieser Ueberzeügung erwarte ich eine gütige Antwort, und rechne es mir zur besondern Ehre, mit ausgezeichneter Hochachtung und Verehrung mich zu unterzeichnen
Des hochzuehrenden Herrn Professors
gehorsamer Dr
Konrad Scherer
Beichtiger
mpria
Im Frauenkloster
zu Rorschach
den 17: Augst 1808.
[1] beantw. d. 26 Aug