• Hans Christian Genelli to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Alt Madlitz · Place of Destination: Coppet · Date: 06.10.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Hans Christian Genelli
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Alt Madlitz
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 06.10.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 241‒248.
  • Incipit: „Madliz den 6ten October 1809
    Theuerster Freund, Ihr geehrtes und freundliches Schreiben vom 4ten praeteriti habe ich den 24ten ejusdem, bald nach [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33708
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.9,Nr.12
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,9 x 18,6 cm
Madliz den 6ten October 1809
Theuerster Freund, Ihr geehrtes und freundliches Schreiben vom 4ten praeteriti habe ich den 24ten ejusdem, bald nach Empfang Ihres schönen Werkes richtig erhalten, für welche beide ich Ihnen den erkenntlichsten Dank abstatte. Sie können mir wohl glauben, wenn ich Ihnen betheuere, daß es mir eben so erfreulich als überraschend war, nach so langer Abgeschiedenheit, während welcher ich nicht einmal durch eine dritte Hand erfahren konnte wie es Ihnen ergieng in jenem Lande, das – wenigstens vor meinem Blick – weit hinter den Hyperboräern gelegen ist, nun unerwartet ein freundlich Wort zu erhalten, und zwar von dem, welcher von Allen, die ich zu gleicher Zeit kennen lernte, derjenige ist, der in jeder Hinsicht mir Achtung und Vertrauen abgewonnen hat.
Über Ihre Vorlesungen können Sie unmöglich im Ernst an meinem Beifall zweifeln. Sie sind sich zu sehr bewußt der schönen und ergiebigen Ansicht, aus welcher sie geflossen, und der Ihnen eigenen Leichtigkeit und Blüthe im Vortrag, wie er auf dieser Bahn unfehlbar siegen muß; auch haben Sie im Voraus mir einige Empfänglichkeit dafür zugestanden, ohne welche mein Urtheil Ihnen von keinerlei Werth sein könnte. Um so dreister darf ich Ihnen gestehn, daß ich grade über diesen Gegenstand, der mir in mehr Hinsichten nicht unwichtig sein kann, von Ihnen lieber eine strengere Abhandlung für die gelehrte Welt zu erhalten, oder wenigstens gewünscht hätte daß ihre Zuhörer nur aus Studenten bestanden haben möchten. Denn so wenig ich irgend etwas an dem, was Sie uns jetzt zu geben für gut erachtet haben, auszusetzen vermag; so wird doch darin so mancher Punkt nur eben berührt, über welchen grade ich von Ihnen so gern nähere Auskunft gewünscht hätte: und wäre ich nur in Ihrer Nähe, so erbäte ich mir solche noch mündlich nach; die ich aber aus dieser Entfernung nicht erwarten darf. Erlauben Sie mir nur Eines anzuführen, worüber ich von Ihnen eine nähere Auseinandersetzung verlangen würde, wäre ich nahe genug um es thun zu dürfen ohne lästig zu fallen.
Sie erzählen uns, es sei Sitte gewesen, daß der Dichter zu einer und derselben Vorstellung drei Stücke zugleich, und noch ein Satyrisches dazu als Nachspiel liefern mußte. Ihre Ausdrücke kann ich nicht beibehalten, indem mir Ihr Werk in diesem Augenblick nicht zur Hand ist, weil es ein Anderer zum Durchlesen fortgenommen hat. Sie sagen mir aber nicht wie lange diese Sitte fortdauerte. Währte sie noch über den Aeschylos hinaus; so wird es kaum begreiflich wie die Anderen – Aeschylos mag nun selbst und von freien Stücken darauf verfallen sein, jene drei Vorstellungen in Zusammenhang zu setzen, oder nicht – von diesem schönen Beispiel gefesselt, davon hätten wieder abstehn dürfen, wenn sie auch gewollt hätten, und statt dessen sich begnügen konnten drei außer Bezug stehende Stücke zu geben. Um so schwerer anzunehmen wäre dies, da die beiden anderen Tragiker, die wir kennen, noch mit dem Aeschylos zusammen lebten. Am unwahrscheinlichsten wird mir, daß er selbst hätte davon abstehen sollen, nachdem er es Einmal versucht hätte. Der Gedanke ist doch zu schön und – künstlerisch, und mußte auch das Publicum zu mächtig ergreifen, da es die ganze Aufführung zur imposantesten Einheit brachte. Darf nun dieser Zusammenhang in Trilogien nicht weiter angenommen werden als da, wo wir noch Nachweisung davon haben; so war es entweder nicht Sitte noch Vorschrift, sondern nur ein zufälliger und folgeleerer Einfall des Dichters: wobei dann zu erklären bliebe, wieso? derselbe ohne Einfluß bleiben konnte bei jenem – Kunstvolk; oder auch müßte nachgewiesen werden können, wann und wie jene Sitte ausgieng: denn Einmal freilich mußte sie ausgehn, durch Erschöpfung des Stoffes, durch Abnahme des Genies unter den Dichtern, und durch Verderbniß des Volkes aus Sättigung. Galt die Sitte aber auf weitere Zeit hinaus in ihrer ganzen Fülle; so ist ja außer der Trilogie des Aeschylos weiter keines von den Stücken, die wir noch besitzen anders zu beurtheilen, als wie ein bloßes Bruchstück eines verlornen Ganzen: und dann scheinen Sie mir – wie richtig auch sonst Ihr Ausspruch sein mag – doch dem Aeschylos zu nahe zu treten, wenn Sie einzeln Stücke desselben gegen einzeln des Sophokles halten. Denn es ließe sich gar wohl noch denken, daß in den einzelnen Stücken des letzten eine reichere dramatische Entwicklung gefunden werden könne, ohne daß darum das Ganze der Trilogie vollkommener als bei jenem zu sein brauchte. Mir wenigstens scheint die Total-Entwickelung in der Trilogie des Aeschylos kaum übertreffbar, und um so glänzender, als sie über der Materie schwebt: – nicht blos historisch, sondern, wenn ich so sagen darf, von theologischer Natur ist.
Doch die Sitte der Trilogie scheint allerdings längeren Bestand gehabt zu haben, da uns wenigstens vom Aeschylos selbst Wiederholungen derselben bekannt sind. Sie, mein Freund, führen Eine an, zu welcher sein Promethevs gehört, deren Verlust, nach dem hohen Ton dieses Stückes zu schätzen, wir nicht genug beklagen können: und ich vermuthe eben jetzt die Spur von einer dritten gefunden zu haben. – Bei Gelegenheit des Theologeion erwähnt Pollux eines Stückes, die Seelenwägung genannt, worin Zevs, begleitet von Aurora und Thetis, den beiden Müttern, auf dieser scenischen Vorrichtung erschien und die Schicksale Memnons und Achills gegen einander abwägte. Späterhin erzählt er vom Krahn, daß vermöge dieses Rüstzeuges Aurora den Leichnam ihres Sohnes von der Bühne entrückte. Falls nun nicht mit Gewißheit nachzuweisen wäre daß dieses in demselbigen Stücke geschah, – welches ich kaum möglich glaube, indem das eine allzu ausgedehnte Handlung für die Griechische Bühne, wenigstens für eine Composition des Aeschylos, vorauszusetzen scheint; – so wäre ich sehr zu der Muthmaßung geneigt, daß dieser Auftritt in das zweite Stück einer Trilogie gehöre, wovon das erste die Seelenwägung, das zweite der Tod Memnons, und das dritte der des Achill war.
Danach aber so wäre ich höchst neugierig zu erfahren, ob diese Sitte der Trilogie auch auf die alte Komödie ausgedehnt gewesen: denn solche Untersuchung auch über die neuere anzustellen, verlohnt sich nach meiner Einsicht nicht einmal der Mühe. Es sollte mich nicht wundern, falls es nicht wäre, da ein historischer Faden zu solcher Verknüpfung in der Komödie mir nicht recht gedenkbar ist. Doch wäre sie auch hier keinesweges unmöglich, da der Zusammenhang auch als außer der Handlung liegend, als ein gelegentlicher, ein Politischer, gedacht werden kann. Dies aber wäre allerdings von Einfluß auf die Beurtheilung der Stücke des Aristophanes.
Sie müßen, mein lieber Schlegel, es der Freude und dem Interesse, welches ich an Ihrem schönen Werke nehme, zu gut halten, wenn das obige Ihnen des Raumes nicht werth erscheinen sollte, den es einnimmt. Überhaupt kann meine Antwort nicht so kurz werden, wie Ihre Zuschrift. In wenig Worten thun Sie solche Fragen, die ich in eben so wenigen durchaus nicht beantworten kann. Dazu müßte ich Ihr Meister in der Sprache sein.
Dieser Krieg hat, wie Sie sich leicht denken können, mir alle meine Erhaltungsquellen abgeschnitten. Seit dem Einritt Napoleons in Berlin sind meine kleinen Gehälter zurück gehalten worden, troz seiner Verheißungen, welche natürlich unerfüllt blieben, weil sie mit seinen Forderungen in Widerspruch standen. Seitdem ist an keine oder nur unzulängliche Zahlung von Seiten der Regierung zu denken: und seine siegende Hand ist so versiechend gewesen, daß auch kein Privatmann Geld übrig behalten hat. So daß Sie wohl sich vorstellen können, wie es für unsereinen nichts zu verdienen gibt: was es noch zu verdienen geben kann, fällt in die Hände derer, die es aushalten konnten auf dem Platz zu bleiben. Drei Jahre lang lebe ich demnach von der Gnade und Barmherzigkeit des Reichsgrafen von Finkenstein, oder falls Sie gemilderte Ausdrücke vorziehn, von der alten Güte und Gewogenheit dieses Mannes. In solcher Lage habe ich begreiflicher Weise nichts von Belang arbeiten können, entfernt von der Stadt und allen Bibliotheken. Die Briefe über den Vitruv hatte ich zwar ohnehin nicht im Sinne fortzusetzen: weder befriedigte mich diese Form, die nun gleich schon Gefahr lief in partielle Streitereien auszuarten, wobei die Sache nicht gevördert wurde; noch konnte ich auch ganz zufrieden sein mit dem was ich schon geliefert hatte. Wenn Hirt seine Rolle verstand, so hatte ich ihm, außer einigen wesentlichen Fehlern, noch genug unnöthige Blößen gegeben, bei welchen er mich packen und zausen konnte nach Herzenslust. Dafür hat er, hingerißen durch gekränkte Eitelkeit, vorgezogen sich nur an das zu halten, wovon ihm das Verständniß schlechthin versagt ist, und was in meiner Schrift das eigentlich gute ist: so daß, reizte mich der bloße Schein in gleichem Maß, ich ihn wieder sauber pflücken könnte. Dagegen aber hatte ich große Lust einen durchgehenden Commentar zum Vitruv auszuarbeiten, besonders seitdem Schneider uns einen bessern Text geliefert hat. Auch forderte Wolf mich dazu auf. Allein dazu gehören eine Menge Hülfsmittel, die, wie gesagt, in meiner jetzigen Lage gänzlich außer meinem Belang liegen. Riße habe ich derweil einige gemacht, um nicht ganz zu versauern, und, wie mir dünkt, sind diese nicht die schlechtesten, die von meiner Hand gekommen.
Sie wünschen mir einen bessern Wirkungskreis, und dies ist für mich eine sehr schmeichelhafte Anerkennung. Allein gibt es noch Einen, der diesen Wunsch mit Ihnen theilt, so ist er wohl nicht unter den Machthabern zu suchen; und mir selbst ist er jetzt ziemlich gleichgültig geworden. So was mußte kommen, als ich noch bei frischer Gesundheit war, den Muth und die Kräfte zu anhaltender Arbeit beisammen hatte: jetzt [da] ich von Gicht gelähmt und zerbrochen bin, und für keinerlei Zweck mehr zuzusagen wage, jetzt kann mein einziger Wunsch nur der sein, des nöthigsten Lebensunterhalts, und so vieler Muße theilhaftig zu werden, um wenigstens das zu vollbringen, was meine übrigen Kräfte noch erlauben wollen: und vor allem nicht von hier vertrieben zu werden nach eines von allen diesen neuen Ländern, die mir so unverständliche Fratzengesichter entgegen machen.
Durch Veranlassung die ich hier im Hause fand, und indem ich eben den Sophokles von Ast durchlaß, war mir der Vorsatz gekommen, eine Darstellung oder Beschreibung der scenischen Aufführung auf dem Griechischen Theater zu versuchen. Ich fand nehmlich immer mehr, daß eine deutliche Ansicht hiervon ein bedeutendes Licht auf die Lectur dieser Werke wirft, und daß man es allen Übersetzern ansieht, wie es Ihnen hieran gebricht. Ob die meinige die richtige ist, müßten freilich Andere entscheiden: mir selbst gefällt sie besser als die der übrigen. Eben hatte ich den Anfang dazu gemacht, als mir Ihre Vorlesungen zukamen. Diese verdoppelten meine Lust; und ich war schon ziemlich vorgerückt, als ich Ihr Schreiben erhielt. Auf Publication konnte ich dabei kein Absehn nehmen, da ich, wie gesagt, zu entfernt von allen zu solcher Arbeit nöthigen Hülfsquellen bin und nicht mehr auf mein Gedächtniß trumpfen will. Ich könnte ganz unrichtige Data citiren. Ich wollte nur etwas machen zum Vorlesen in diesem Hause vor solchen, die jene Dichter hier in ihrer eigenen Sprache lesen, und dabei manchmal, wie ich zu bemerken glaubte, an Stellen Anstoß fanden lediglich aus Mangel an einer Ansicht vom Griechischen Theater.
Ich bin davon ausgegangen, daß das Theater eigentlichst für die Tragödie construirt ist: die Komödie hat sich, wo es Noth that, an die Form des Theaters angeschmiegt. Die neuere interessirt mich nicht: die alte thut an ihr Local entweder die gleichen Forderungen mit der Tragödie; oder wo sie mit derselben streitet, da ist ihr eben dieser Contrast willkommen: vorzüglich wo er an jene als ihren Gegensatz erinnert. Bald will sie in ihrer tollen Anmaßung auf das vollständigste gelingen, bald setzt sie ihren Triumph darin daß Forderung und Ausführung einander gradezu vernichten. Es kann mithin die vollständigste Einrichtung des Theaters an den Tragödien nicht nur genügend, sondern auch leichter und sicherer dargelegt werden. Wenn einerseits die Komödie dessen auch mehr bedürfte, so ist es doch wieder überhaupt schwieriger von ihrer scenischen Aufführung genaue Auskunft zu geben: und ohne sichere Kenntniß vom Theater voraus zu haben und den Rückblick auf die Tragödie festzuhalten, läuft man Gefahr durch die Komödie zu eitelen Suppositionen verleitet zu werden. Zudem so habe ich für meine Person nicht zureichende Bekanntschaft mit derselben.
Aus diesem Gesichtspunkt beschreibe ich erstlich das Gebäude, die Einrichtung und Bestimmung seiner wesentlichen Glieder; dann das System der Scenerie und der Action, und die Anordnung der dazu nöthigen Vorrüstungen; und endlich versuche ich an einigen Tragödien die Anwendung hiervon nachzuweisen. Dieses wollte ich zuvörderst an der Trilogie ausführen, – weil ich in diese verliebt bin, und dann an einem Paar Stücken des Sophokles, die mir wesentliche Schwierigkeiten an der Scenerie darböten; den Aiax, den Philoktet, oder etwa den Ödip in Kolon. Auch habe ich mit dem Agamemnon den Anfang gemacht; nun aber fehlt mir eine Übersetzung der Opfernden am Grabe, und ich weiß nicht ob überall eine vorhanden ist. Auf einen bloßen Auszug kann ich mich nicht recht verlassen: denn Sie sehen wohl ein, daß in den Ausdrücken des Dichters oft die Indicationen für mein Vorhaben liegen.
Mein Anlaß hielt mich ab, weitläufiger über den Vitruvschen Text zu disputiren. Die Auslegung desselben liegt in dem Text ohne weitere Nachweisung und Beweisführung, weil meine Zuhörer mir lieber aufs Wort glauben als sich damit ennuyiren zu laßen. Doch wäre dies leicht nachzutragen, wozu mir jetzt nur die Gelegenheit fehlt, die Berichte über die noch vorhandenen Reste von Theatern nachzuschlagen. Gern mögte ich auch ihrer Aufforderung gemäß mich an den Aristophanes wagen. Sie sagen mir von treuen Übersetzungen: mir ist von keiner bewußt außer von Wieland. Ob ich gleich auch die nicht gelesen habe, so weiß ich doch aus der Art des Mannes, daß schon alle Obscönitäten in ihr unterdrückt sein werden; und ich fürchte sehr daß grade in diesen für mich die fruchtbarsten Winke stecken möchten. In der alten Italiänischen Corona soll eine ganz scheulose Übersetzung vorhanden sein von einem Mönch: hätte ich die, so versuchte ich mich daran.
Ich kann nicht glauben daß Ihnen, mein Freund, eine solche Arbeit noch interessiren könnte; sollten Sie aber doch Lust haben sie durchzusehn, so steht sie zu Diensten. – Von Ihren Kunstnachrichten wollen wir lieber gar nicht sprechen. Die Franzen scheinen mir mit ihrer theueren Revolution nur die Reife errungen zu haben, daß sie jetzt ohne Scham und Umschweif die Leere ihrer Maske eingestehn: die bloße persona anerkennen: um in scenischer Sprache zu reden. Das Eine möchte ich lieber von Ihnen wißen, ob Sie während Ihres Aufenthalts in Rom nicht mit dem Maler Müller Umgang gepflogen haben. Ich habe neulich seinen Brief über Kotzebue gelesen, der mich höchlich erfreuet hat. Er soll auch etwas über die Antiquare geliefert haben. Ich hörte gern etwas näheres von diesem Manne.

Sobald ich nach Berlin schreibe, werde ich nicht ermangeln Ihren Gruß an Bury zu bestellen. Hr. v. Schüz und Hr. v. Schierstedt laßen Sie freundlichst grüßen. Sie waren beide sehr erfreut wieder etwas freundliches von Ihnen zu vernehmen, und haben Ihre Vorlesungen mit vielem Antheil aufgenommen. Der erste ist jetzt Landwirt bis über die Haarspitzen hinaus und dazu patriotischer Geschäftsmann. Seine Unterhaltungen wittern daher jetzt stark nach Dünger und Metal: doch, glaube ich, hat er darum die Poeterei noch nicht ganz hintan gesetzt. Schierstedt hingegen, der gleichfalls Landwirt ist, hat seine tentamina in der edlen Verskunst gänzlich auf den Nagel gehänkt. Man kann ja auch nicht alles zugleich sein: dazu haben sie noch übernommen Ehemänner zu sein. Schierstedt, wie Sie wißen werden, hat die vierte Tochter des Grafen von Finkenstein, und Schüz jetzt die dritte geheirathet. Dem Schwiegervater ist nach eingesammelter Erndte das Gehöfd hier abgebrannt: ein Verlust von 10 000 Rthlrn. Von seiner Arethusa wird wohl bald der zweite Theil erscheinen. Burgsdorff hat geheirathet – eine Burgsdorff aus Dresden.
Jetzt glaube ich Ihnen Bescheid auf alle Ihre Anfragen gethan zu haben. – Ich gönne Ihnen von Herzen Ihren schönen Wohnort, beneide Sie aber nicht darum: denn ich fühle gar kein Verlangen mehr zu reisen. Ihnen aber wünsche ich darin Wohlsein und ungestörte Muße, damit Sie uns noch oft mit Werken Ihres fruchtbaren und heiteren Geistes erfreuen. – Sollten Sie noch ferner Anregung finden mich mit Ihrer Zuschrift zu beehren, so ist zu addressiren nach Madliz bei Frankfurth a. d. O. per Fürstenwalde.
Ich grüße Sie mit Hochachtung und Freundschaft, und bin
Ihr ergebener
Genelli

N. S. Der weiland RegierungsPräsident, Reichsgraf von Finkenstein, mein Gönner und Schutzpatron, erinnert sich öfters mit Vergnügen der mit Ihnen gepflogenen Unterhaltung in Dresden, die Ihnen vielleicht schon entfallen. Er läßt Ihnen seinen Gruß vermelden und zugleich sagen wie folget. In diesen trübseeligen Zeiten, von welchen man so gern seine Augen abwendet, so oft es nur vergönnt wird, hat Ihr Sheakespear uns oft zur Erquickung gedient, indem wir uns seiner allgewaltigen Kraft überließen um uns in ganz andre Welten versetzen zu laßen. Da Er sich nicht vorstellen kann, daß Sie nicht selbst ein Bewußtsein haben sollten von dem was Sie mit dieser Übersetzung geleistet haben; so stellt er Ihnen anheim zu erwägen, was das für ein heßlicher Absturz ist, wenn man von Ihrer Übersetzung, da wo sie ausgehet, nach andern zu greifen sich genöthiget sieht. Wollen Sie, daß man nur einen halben Sheakespear kennen lerne, oder ihrer immer zwei vor sich habe, die einander grade ins Gesicht schlagen? Er fordert Sie hiermit auf Ihre Pflicht gegen Deutschland zu erfüllen, von welcher kein Jura und keine Savoyer Berge Sie frei sprechen kann, und den Sheakespear zu vollenden, widrigenfalls er Sie in jener Welt gerichtlich verfolgen will wegen der besseren Stunden, um welche Sie ihn hienieden getäuscht haben; und seine Töchter geloben ihm als rächende Erinnyen beizustehen, mit welchem Gelübde sie sich Ihnen empfohlen haben wollen. Es gibt freilich eine Zeit da es nicht mehr ohne Härte bleibt einen Mann zu Übersetzungen zu nöthigen; aber eine dringende Pflicht haben Sie sich doch selbst aufgeladen durch das was Sie schon geleistet haben. Hätten Sie nur dieselbe Pflicht gegen die Griechischen Dramatiker verschuldet! –
Madliz den 6ten October 1809
Theuerster Freund, Ihr geehrtes und freundliches Schreiben vom 4ten praeteriti habe ich den 24ten ejusdem, bald nach Empfang Ihres schönen Werkes richtig erhalten, für welche beide ich Ihnen den erkenntlichsten Dank abstatte. Sie können mir wohl glauben, wenn ich Ihnen betheuere, daß es mir eben so erfreulich als überraschend war, nach so langer Abgeschiedenheit, während welcher ich nicht einmal durch eine dritte Hand erfahren konnte wie es Ihnen ergieng in jenem Lande, das – wenigstens vor meinem Blick – weit hinter den Hyperboräern gelegen ist, nun unerwartet ein freundlich Wort zu erhalten, und zwar von dem, welcher von Allen, die ich zu gleicher Zeit kennen lernte, derjenige ist, der in jeder Hinsicht mir Achtung und Vertrauen abgewonnen hat.
Über Ihre Vorlesungen können Sie unmöglich im Ernst an meinem Beifall zweifeln. Sie sind sich zu sehr bewußt der schönen und ergiebigen Ansicht, aus welcher sie geflossen, und der Ihnen eigenen Leichtigkeit und Blüthe im Vortrag, wie er auf dieser Bahn unfehlbar siegen muß; auch haben Sie im Voraus mir einige Empfänglichkeit dafür zugestanden, ohne welche mein Urtheil Ihnen von keinerlei Werth sein könnte. Um so dreister darf ich Ihnen gestehn, daß ich grade über diesen Gegenstand, der mir in mehr Hinsichten nicht unwichtig sein kann, von Ihnen lieber eine strengere Abhandlung für die gelehrte Welt zu erhalten, oder wenigstens gewünscht hätte daß ihre Zuhörer nur aus Studenten bestanden haben möchten. Denn so wenig ich irgend etwas an dem, was Sie uns jetzt zu geben für gut erachtet haben, auszusetzen vermag; so wird doch darin so mancher Punkt nur eben berührt, über welchen grade ich von Ihnen so gern nähere Auskunft gewünscht hätte: und wäre ich nur in Ihrer Nähe, so erbäte ich mir solche noch mündlich nach; die ich aber aus dieser Entfernung nicht erwarten darf. Erlauben Sie mir nur Eines anzuführen, worüber ich von Ihnen eine nähere Auseinandersetzung verlangen würde, wäre ich nahe genug um es thun zu dürfen ohne lästig zu fallen.
Sie erzählen uns, es sei Sitte gewesen, daß der Dichter zu einer und derselben Vorstellung drei Stücke zugleich, und noch ein Satyrisches dazu als Nachspiel liefern mußte. Ihre Ausdrücke kann ich nicht beibehalten, indem mir Ihr Werk in diesem Augenblick nicht zur Hand ist, weil es ein Anderer zum Durchlesen fortgenommen hat. Sie sagen mir aber nicht wie lange diese Sitte fortdauerte. Währte sie noch über den Aeschylos hinaus; so wird es kaum begreiflich wie die Anderen – Aeschylos mag nun selbst und von freien Stücken darauf verfallen sein, jene drei Vorstellungen in Zusammenhang zu setzen, oder nicht – von diesem schönen Beispiel gefesselt, davon hätten wieder abstehn dürfen, wenn sie auch gewollt hätten, und statt dessen sich begnügen konnten drei außer Bezug stehende Stücke zu geben. Um so schwerer anzunehmen wäre dies, da die beiden anderen Tragiker, die wir kennen, noch mit dem Aeschylos zusammen lebten. Am unwahrscheinlichsten wird mir, daß er selbst hätte davon abstehen sollen, nachdem er es Einmal versucht hätte. Der Gedanke ist doch zu schön und – künstlerisch, und mußte auch das Publicum zu mächtig ergreifen, da es die ganze Aufführung zur imposantesten Einheit brachte. Darf nun dieser Zusammenhang in Trilogien nicht weiter angenommen werden als da, wo wir noch Nachweisung davon haben; so war es entweder nicht Sitte noch Vorschrift, sondern nur ein zufälliger und folgeleerer Einfall des Dichters: wobei dann zu erklären bliebe, wieso? derselbe ohne Einfluß bleiben konnte bei jenem – Kunstvolk; oder auch müßte nachgewiesen werden können, wann und wie jene Sitte ausgieng: denn Einmal freilich mußte sie ausgehn, durch Erschöpfung des Stoffes, durch Abnahme des Genies unter den Dichtern, und durch Verderbniß des Volkes aus Sättigung. Galt die Sitte aber auf weitere Zeit hinaus in ihrer ganzen Fülle; so ist ja außer der Trilogie des Aeschylos weiter keines von den Stücken, die wir noch besitzen anders zu beurtheilen, als wie ein bloßes Bruchstück eines verlornen Ganzen: und dann scheinen Sie mir – wie richtig auch sonst Ihr Ausspruch sein mag – doch dem Aeschylos zu nahe zu treten, wenn Sie einzeln Stücke desselben gegen einzeln des Sophokles halten. Denn es ließe sich gar wohl noch denken, daß in den einzelnen Stücken des letzten eine reichere dramatische Entwicklung gefunden werden könne, ohne daß darum das Ganze der Trilogie vollkommener als bei jenem zu sein brauchte. Mir wenigstens scheint die Total-Entwickelung in der Trilogie des Aeschylos kaum übertreffbar, und um so glänzender, als sie über der Materie schwebt: – nicht blos historisch, sondern, wenn ich so sagen darf, von theologischer Natur ist.
Doch die Sitte der Trilogie scheint allerdings längeren Bestand gehabt zu haben, da uns wenigstens vom Aeschylos selbst Wiederholungen derselben bekannt sind. Sie, mein Freund, führen Eine an, zu welcher sein Promethevs gehört, deren Verlust, nach dem hohen Ton dieses Stückes zu schätzen, wir nicht genug beklagen können: und ich vermuthe eben jetzt die Spur von einer dritten gefunden zu haben. – Bei Gelegenheit des Theologeion erwähnt Pollux eines Stückes, die Seelenwägung genannt, worin Zevs, begleitet von Aurora und Thetis, den beiden Müttern, auf dieser scenischen Vorrichtung erschien und die Schicksale Memnons und Achills gegen einander abwägte. Späterhin erzählt er vom Krahn, daß vermöge dieses Rüstzeuges Aurora den Leichnam ihres Sohnes von der Bühne entrückte. Falls nun nicht mit Gewißheit nachzuweisen wäre daß dieses in demselbigen Stücke geschah, – welches ich kaum möglich glaube, indem das eine allzu ausgedehnte Handlung für die Griechische Bühne, wenigstens für eine Composition des Aeschylos, vorauszusetzen scheint; – so wäre ich sehr zu der Muthmaßung geneigt, daß dieser Auftritt in das zweite Stück einer Trilogie gehöre, wovon das erste die Seelenwägung, das zweite der Tod Memnons, und das dritte der des Achill war.
Danach aber so wäre ich höchst neugierig zu erfahren, ob diese Sitte der Trilogie auch auf die alte Komödie ausgedehnt gewesen: denn solche Untersuchung auch über die neuere anzustellen, verlohnt sich nach meiner Einsicht nicht einmal der Mühe. Es sollte mich nicht wundern, falls es nicht wäre, da ein historischer Faden zu solcher Verknüpfung in der Komödie mir nicht recht gedenkbar ist. Doch wäre sie auch hier keinesweges unmöglich, da der Zusammenhang auch als außer der Handlung liegend, als ein gelegentlicher, ein Politischer, gedacht werden kann. Dies aber wäre allerdings von Einfluß auf die Beurtheilung der Stücke des Aristophanes.
Sie müßen, mein lieber Schlegel, es der Freude und dem Interesse, welches ich an Ihrem schönen Werke nehme, zu gut halten, wenn das obige Ihnen des Raumes nicht werth erscheinen sollte, den es einnimmt. Überhaupt kann meine Antwort nicht so kurz werden, wie Ihre Zuschrift. In wenig Worten thun Sie solche Fragen, die ich in eben so wenigen durchaus nicht beantworten kann. Dazu müßte ich Ihr Meister in der Sprache sein.
Dieser Krieg hat, wie Sie sich leicht denken können, mir alle meine Erhaltungsquellen abgeschnitten. Seit dem Einritt Napoleons in Berlin sind meine kleinen Gehälter zurück gehalten worden, troz seiner Verheißungen, welche natürlich unerfüllt blieben, weil sie mit seinen Forderungen in Widerspruch standen. Seitdem ist an keine oder nur unzulängliche Zahlung von Seiten der Regierung zu denken: und seine siegende Hand ist so versiechend gewesen, daß auch kein Privatmann Geld übrig behalten hat. So daß Sie wohl sich vorstellen können, wie es für unsereinen nichts zu verdienen gibt: was es noch zu verdienen geben kann, fällt in die Hände derer, die es aushalten konnten auf dem Platz zu bleiben. Drei Jahre lang lebe ich demnach von der Gnade und Barmherzigkeit des Reichsgrafen von Finkenstein, oder falls Sie gemilderte Ausdrücke vorziehn, von der alten Güte und Gewogenheit dieses Mannes. In solcher Lage habe ich begreiflicher Weise nichts von Belang arbeiten können, entfernt von der Stadt und allen Bibliotheken. Die Briefe über den Vitruv hatte ich zwar ohnehin nicht im Sinne fortzusetzen: weder befriedigte mich diese Form, die nun gleich schon Gefahr lief in partielle Streitereien auszuarten, wobei die Sache nicht gevördert wurde; noch konnte ich auch ganz zufrieden sein mit dem was ich schon geliefert hatte. Wenn Hirt seine Rolle verstand, so hatte ich ihm, außer einigen wesentlichen Fehlern, noch genug unnöthige Blößen gegeben, bei welchen er mich packen und zausen konnte nach Herzenslust. Dafür hat er, hingerißen durch gekränkte Eitelkeit, vorgezogen sich nur an das zu halten, wovon ihm das Verständniß schlechthin versagt ist, und was in meiner Schrift das eigentlich gute ist: so daß, reizte mich der bloße Schein in gleichem Maß, ich ihn wieder sauber pflücken könnte. Dagegen aber hatte ich große Lust einen durchgehenden Commentar zum Vitruv auszuarbeiten, besonders seitdem Schneider uns einen bessern Text geliefert hat. Auch forderte Wolf mich dazu auf. Allein dazu gehören eine Menge Hülfsmittel, die, wie gesagt, in meiner jetzigen Lage gänzlich außer meinem Belang liegen. Riße habe ich derweil einige gemacht, um nicht ganz zu versauern, und, wie mir dünkt, sind diese nicht die schlechtesten, die von meiner Hand gekommen.
Sie wünschen mir einen bessern Wirkungskreis, und dies ist für mich eine sehr schmeichelhafte Anerkennung. Allein gibt es noch Einen, der diesen Wunsch mit Ihnen theilt, so ist er wohl nicht unter den Machthabern zu suchen; und mir selbst ist er jetzt ziemlich gleichgültig geworden. So was mußte kommen, als ich noch bei frischer Gesundheit war, den Muth und die Kräfte zu anhaltender Arbeit beisammen hatte: jetzt [da] ich von Gicht gelähmt und zerbrochen bin, und für keinerlei Zweck mehr zuzusagen wage, jetzt kann mein einziger Wunsch nur der sein, des nöthigsten Lebensunterhalts, und so vieler Muße theilhaftig zu werden, um wenigstens das zu vollbringen, was meine übrigen Kräfte noch erlauben wollen: und vor allem nicht von hier vertrieben zu werden nach eines von allen diesen neuen Ländern, die mir so unverständliche Fratzengesichter entgegen machen.
Durch Veranlassung die ich hier im Hause fand, und indem ich eben den Sophokles von Ast durchlaß, war mir der Vorsatz gekommen, eine Darstellung oder Beschreibung der scenischen Aufführung auf dem Griechischen Theater zu versuchen. Ich fand nehmlich immer mehr, daß eine deutliche Ansicht hiervon ein bedeutendes Licht auf die Lectur dieser Werke wirft, und daß man es allen Übersetzern ansieht, wie es Ihnen hieran gebricht. Ob die meinige die richtige ist, müßten freilich Andere entscheiden: mir selbst gefällt sie besser als die der übrigen. Eben hatte ich den Anfang dazu gemacht, als mir Ihre Vorlesungen zukamen. Diese verdoppelten meine Lust; und ich war schon ziemlich vorgerückt, als ich Ihr Schreiben erhielt. Auf Publication konnte ich dabei kein Absehn nehmen, da ich, wie gesagt, zu entfernt von allen zu solcher Arbeit nöthigen Hülfsquellen bin und nicht mehr auf mein Gedächtniß trumpfen will. Ich könnte ganz unrichtige Data citiren. Ich wollte nur etwas machen zum Vorlesen in diesem Hause vor solchen, die jene Dichter hier in ihrer eigenen Sprache lesen, und dabei manchmal, wie ich zu bemerken glaubte, an Stellen Anstoß fanden lediglich aus Mangel an einer Ansicht vom Griechischen Theater.
Ich bin davon ausgegangen, daß das Theater eigentlichst für die Tragödie construirt ist: die Komödie hat sich, wo es Noth that, an die Form des Theaters angeschmiegt. Die neuere interessirt mich nicht: die alte thut an ihr Local entweder die gleichen Forderungen mit der Tragödie; oder wo sie mit derselben streitet, da ist ihr eben dieser Contrast willkommen: vorzüglich wo er an jene als ihren Gegensatz erinnert. Bald will sie in ihrer tollen Anmaßung auf das vollständigste gelingen, bald setzt sie ihren Triumph darin daß Forderung und Ausführung einander gradezu vernichten. Es kann mithin die vollständigste Einrichtung des Theaters an den Tragödien nicht nur genügend, sondern auch leichter und sicherer dargelegt werden. Wenn einerseits die Komödie dessen auch mehr bedürfte, so ist es doch wieder überhaupt schwieriger von ihrer scenischen Aufführung genaue Auskunft zu geben: und ohne sichere Kenntniß vom Theater voraus zu haben und den Rückblick auf die Tragödie festzuhalten, läuft man Gefahr durch die Komödie zu eitelen Suppositionen verleitet zu werden. Zudem so habe ich für meine Person nicht zureichende Bekanntschaft mit derselben.
Aus diesem Gesichtspunkt beschreibe ich erstlich das Gebäude, die Einrichtung und Bestimmung seiner wesentlichen Glieder; dann das System der Scenerie und der Action, und die Anordnung der dazu nöthigen Vorrüstungen; und endlich versuche ich an einigen Tragödien die Anwendung hiervon nachzuweisen. Dieses wollte ich zuvörderst an der Trilogie ausführen, – weil ich in diese verliebt bin, und dann an einem Paar Stücken des Sophokles, die mir wesentliche Schwierigkeiten an der Scenerie darböten; den Aiax, den Philoktet, oder etwa den Ödip in Kolon. Auch habe ich mit dem Agamemnon den Anfang gemacht; nun aber fehlt mir eine Übersetzung der Opfernden am Grabe, und ich weiß nicht ob überall eine vorhanden ist. Auf einen bloßen Auszug kann ich mich nicht recht verlassen: denn Sie sehen wohl ein, daß in den Ausdrücken des Dichters oft die Indicationen für mein Vorhaben liegen.
Mein Anlaß hielt mich ab, weitläufiger über den Vitruvschen Text zu disputiren. Die Auslegung desselben liegt in dem Text ohne weitere Nachweisung und Beweisführung, weil meine Zuhörer mir lieber aufs Wort glauben als sich damit ennuyiren zu laßen. Doch wäre dies leicht nachzutragen, wozu mir jetzt nur die Gelegenheit fehlt, die Berichte über die noch vorhandenen Reste von Theatern nachzuschlagen. Gern mögte ich auch ihrer Aufforderung gemäß mich an den Aristophanes wagen. Sie sagen mir von treuen Übersetzungen: mir ist von keiner bewußt außer von Wieland. Ob ich gleich auch die nicht gelesen habe, so weiß ich doch aus der Art des Mannes, daß schon alle Obscönitäten in ihr unterdrückt sein werden; und ich fürchte sehr daß grade in diesen für mich die fruchtbarsten Winke stecken möchten. In der alten Italiänischen Corona soll eine ganz scheulose Übersetzung vorhanden sein von einem Mönch: hätte ich die, so versuchte ich mich daran.
Ich kann nicht glauben daß Ihnen, mein Freund, eine solche Arbeit noch interessiren könnte; sollten Sie aber doch Lust haben sie durchzusehn, so steht sie zu Diensten. – Von Ihren Kunstnachrichten wollen wir lieber gar nicht sprechen. Die Franzen scheinen mir mit ihrer theueren Revolution nur die Reife errungen zu haben, daß sie jetzt ohne Scham und Umschweif die Leere ihrer Maske eingestehn: die bloße persona anerkennen: um in scenischer Sprache zu reden. Das Eine möchte ich lieber von Ihnen wißen, ob Sie während Ihres Aufenthalts in Rom nicht mit dem Maler Müller Umgang gepflogen haben. Ich habe neulich seinen Brief über Kotzebue gelesen, der mich höchlich erfreuet hat. Er soll auch etwas über die Antiquare geliefert haben. Ich hörte gern etwas näheres von diesem Manne.

Sobald ich nach Berlin schreibe, werde ich nicht ermangeln Ihren Gruß an Bury zu bestellen. Hr. v. Schüz und Hr. v. Schierstedt laßen Sie freundlichst grüßen. Sie waren beide sehr erfreut wieder etwas freundliches von Ihnen zu vernehmen, und haben Ihre Vorlesungen mit vielem Antheil aufgenommen. Der erste ist jetzt Landwirt bis über die Haarspitzen hinaus und dazu patriotischer Geschäftsmann. Seine Unterhaltungen wittern daher jetzt stark nach Dünger und Metal: doch, glaube ich, hat er darum die Poeterei noch nicht ganz hintan gesetzt. Schierstedt hingegen, der gleichfalls Landwirt ist, hat seine tentamina in der edlen Verskunst gänzlich auf den Nagel gehänkt. Man kann ja auch nicht alles zugleich sein: dazu haben sie noch übernommen Ehemänner zu sein. Schierstedt, wie Sie wißen werden, hat die vierte Tochter des Grafen von Finkenstein, und Schüz jetzt die dritte geheirathet. Dem Schwiegervater ist nach eingesammelter Erndte das Gehöfd hier abgebrannt: ein Verlust von 10 000 Rthlrn. Von seiner Arethusa wird wohl bald der zweite Theil erscheinen. Burgsdorff hat geheirathet – eine Burgsdorff aus Dresden.
Jetzt glaube ich Ihnen Bescheid auf alle Ihre Anfragen gethan zu haben. – Ich gönne Ihnen von Herzen Ihren schönen Wohnort, beneide Sie aber nicht darum: denn ich fühle gar kein Verlangen mehr zu reisen. Ihnen aber wünsche ich darin Wohlsein und ungestörte Muße, damit Sie uns noch oft mit Werken Ihres fruchtbaren und heiteren Geistes erfreuen. – Sollten Sie noch ferner Anregung finden mich mit Ihrer Zuschrift zu beehren, so ist zu addressiren nach Madliz bei Frankfurth a. d. O. per Fürstenwalde.
Ich grüße Sie mit Hochachtung und Freundschaft, und bin
Ihr ergebener
Genelli

N. S. Der weiland RegierungsPräsident, Reichsgraf von Finkenstein, mein Gönner und Schutzpatron, erinnert sich öfters mit Vergnügen der mit Ihnen gepflogenen Unterhaltung in Dresden, die Ihnen vielleicht schon entfallen. Er läßt Ihnen seinen Gruß vermelden und zugleich sagen wie folget. In diesen trübseeligen Zeiten, von welchen man so gern seine Augen abwendet, so oft es nur vergönnt wird, hat Ihr Sheakespear uns oft zur Erquickung gedient, indem wir uns seiner allgewaltigen Kraft überließen um uns in ganz andre Welten versetzen zu laßen. Da Er sich nicht vorstellen kann, daß Sie nicht selbst ein Bewußtsein haben sollten von dem was Sie mit dieser Übersetzung geleistet haben; so stellt er Ihnen anheim zu erwägen, was das für ein heßlicher Absturz ist, wenn man von Ihrer Übersetzung, da wo sie ausgehet, nach andern zu greifen sich genöthiget sieht. Wollen Sie, daß man nur einen halben Sheakespear kennen lerne, oder ihrer immer zwei vor sich habe, die einander grade ins Gesicht schlagen? Er fordert Sie hiermit auf Ihre Pflicht gegen Deutschland zu erfüllen, von welcher kein Jura und keine Savoyer Berge Sie frei sprechen kann, und den Sheakespear zu vollenden, widrigenfalls er Sie in jener Welt gerichtlich verfolgen will wegen der besseren Stunden, um welche Sie ihn hienieden getäuscht haben; und seine Töchter geloben ihm als rächende Erinnyen beizustehen, mit welchem Gelübde sie sich Ihnen empfohlen haben wollen. Es gibt freilich eine Zeit da es nicht mehr ohne Härte bleibt einen Mann zu Übersetzungen zu nöthigen; aber eine dringende Pflicht haben Sie sich doch selbst aufgeladen durch das was Sie schon geleistet haben. Hätten Sie nur dieselbe Pflicht gegen die Griechischen Dramatiker verschuldet! –
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