• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Jüterbog · Place of Destination: Unknown · Date: 11.09.1813
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Jüterbog
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 11.09.1813
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 372–374.
  • Incipit: „Jüterbog, den 11. Sept[ember] 1813.
    Liebe Freundin! Die Ereignisse gehen gewaltig vorwärts. Auf unserer und der schlesischen Seite sind nichts anderes [...]“
Jüterbog, den 11. Sept[ember] 1813.
Liebe Freundin! Die Ereignisse gehen gewaltig vorwärts. Auf unserer und der schlesischen Seite sind nichts anderes als glänzende Erfolge zu verzeichnen, ohne jeden Rückschlag. Die Österreicher haben zwar eine große Niederlage erlitten, aber sie haben sie durch die Vernichtung des Korps von Vandamme wettgemacht. Einzelheiten erfahren Sie durch den Kurier und die beigefügten Bulletins. Zweimal hat der Kronprinz durch seine klug überlegten Bewegungen Berlin gerettet. Die Preußen haben mit heroischem Mute gekämpft; das ist nicht mehr eine Armee, das ist eine Nation; denn die Landwehr hat Wunder vollbracht. Die Russen haben sich vor allem bei der Verfolgung ausgezeichnet. Die Schweden haben bis jetzt kaum Gelegenheit gehabt einzugreifen und brennen darauf, sich ebenfalls auszuzeichnen. Noch sind nicht 25 Tage seit der Beendigung des Waffenstillstandes ins Land gegangen, und schon kann man sagen, daß zwei feindliche Armeen vernichtet sind, nämlich die, die sich uns und Blücher entgegenstellten. Was davon entkommen ist, hat seine Munition und seine Artillerie verloren und ist völlig desorganisiert. Ein gefangener bayrischer Offizier, dessen Verhör ich gestern beiwohnte, versicherte, ein großer Teil der rheinischen Truppen laufe auseinander, um in die Heimat zurückzukehren. Bonap[arte], der sich bis jetzt wie ein Verzweifelter benommen hat, weil er glaubte, seine verwegenen Handstreiche würden ihm noch einmal glücken, scheint endlich ernsthaft an den Rückzug zu denken. Bald werden wir, wie ich hoffe, die Katastrophe des großen Dramas erleben. Moreau ist am 2. September in Lauen in Böhmen, friedlich wie ein Biedermann, gestorben. Brauchte es eines reinen Opfers, um vergangene Verbrechen zu sühnen? Wird der Himmel jetzt mit Frankreich versöhnt sein? Und wird es nun zu seiner eigenen Strafe aufhören, die Geißel des Universums zu sein? Ein Mann, auf den ich für den Erfolg der guten Sache unglaublich viel Hoffnungen setze, ist der Kaiser von Rußland. Die Ereignisse haben seinen Charakter fabelhaft entwickelt und er wächst von Tag zu Tag mit all’ dem, was um ihn herum geschieht. Pozzo, der ihn unter vier Augen gesehen hat, bestätigt mir das, man fühlt es selbst aus der Ferne.
Wie entsetzlich verwirrt der Krieg die Gefühle der Menschheit! Während der Schlacht bei Dennewitz war ich mit dem Kabinett und der Intendantur hinter den Kampflinien. Am nächsten Morgen bat man uns, wir möchten uns wieder in die Nähe des Prinzen begeben. Ich komme spät nach Treuenbrietzen, lege mich auf Stühle unter einem Fenster, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich das Stöhnen der Verwundeten hörte, die man vorbeitransportierte und die man nicht sofort in Deckung bringen konnte. Am nächsten Morgen hierher gekommen, sah ich eine Menge Gefangener und erbeuteter Kanonen. Kanonenschüsse ließen mich erzittern, aber es war das Te Deum, das in allen Lagern der Umgegend für den Sieg gesungen wurde.
Und der arme Albert lebt nicht mehr! Das muß ich immerfort vor mich hinsagen. Ach! Warum Sie quälen, liebe Freundin? Der Chev[alier] d’Yvernois bringt Ihnen Ihre Briefe an Ihren Sohn, sie werden Ihnen eine herrliche Quelle des Trostes sein. Sie werden sehen, daß Sie alles versucht haben, Zärtlichkeit und Strenge. Was vermag die Erziehung gegen eine solche Verkettung von Leidenschaften? Wenn ein wildgewordenes Pferd auf den Abgrund losstürmt, nutzt keine Reitkunst mehr. Gott wird ihm seine Verirrungen verzeihen, denn sein Herz war gut. Unglücklicher junger Mann! Bei jeder neuen Gelegenheit muß ich immer wieder um ihn weinen.
Augenblicklich habe ich viel zu tun, und der Prinz ist sehr freundlich zu mir.
Leben Sie wohl, liebe Freundin! Tausend Grüße und meinen Segen der lieben Albertine. Viele Grüße an August und an Herrn Rocca.
Übermitteln Sie Herrn Mackintosh den Ausdruck meiner Bewunderung. Seien Sie über mich beruhigt; ich werde dafür sorgen, daß ich nicht in die Hände der Feinde falle. Ich habe zwei gute Zugpferde, möchte aber noch ein Sattelpferd haben, um endlich etwas sehen zu können und nicht immer beim Troß bleiben zu müssen.
Jüterbog, den 11. Sept[ember] 1813.
Liebe Freundin! Die Ereignisse gehen gewaltig vorwärts. Auf unserer und der schlesischen Seite sind nichts anderes als glänzende Erfolge zu verzeichnen, ohne jeden Rückschlag. Die Österreicher haben zwar eine große Niederlage erlitten, aber sie haben sie durch die Vernichtung des Korps von Vandamme wettgemacht. Einzelheiten erfahren Sie durch den Kurier und die beigefügten Bulletins. Zweimal hat der Kronprinz durch seine klug überlegten Bewegungen Berlin gerettet. Die Preußen haben mit heroischem Mute gekämpft; das ist nicht mehr eine Armee, das ist eine Nation; denn die Landwehr hat Wunder vollbracht. Die Russen haben sich vor allem bei der Verfolgung ausgezeichnet. Die Schweden haben bis jetzt kaum Gelegenheit gehabt einzugreifen und brennen darauf, sich ebenfalls auszuzeichnen. Noch sind nicht 25 Tage seit der Beendigung des Waffenstillstandes ins Land gegangen, und schon kann man sagen, daß zwei feindliche Armeen vernichtet sind, nämlich die, die sich uns und Blücher entgegenstellten. Was davon entkommen ist, hat seine Munition und seine Artillerie verloren und ist völlig desorganisiert. Ein gefangener bayrischer Offizier, dessen Verhör ich gestern beiwohnte, versicherte, ein großer Teil der rheinischen Truppen laufe auseinander, um in die Heimat zurückzukehren. Bonap[arte], der sich bis jetzt wie ein Verzweifelter benommen hat, weil er glaubte, seine verwegenen Handstreiche würden ihm noch einmal glücken, scheint endlich ernsthaft an den Rückzug zu denken. Bald werden wir, wie ich hoffe, die Katastrophe des großen Dramas erleben. Moreau ist am 2. September in Lauen in Böhmen, friedlich wie ein Biedermann, gestorben. Brauchte es eines reinen Opfers, um vergangene Verbrechen zu sühnen? Wird der Himmel jetzt mit Frankreich versöhnt sein? Und wird es nun zu seiner eigenen Strafe aufhören, die Geißel des Universums zu sein? Ein Mann, auf den ich für den Erfolg der guten Sache unglaublich viel Hoffnungen setze, ist der Kaiser von Rußland. Die Ereignisse haben seinen Charakter fabelhaft entwickelt und er wächst von Tag zu Tag mit all’ dem, was um ihn herum geschieht. Pozzo, der ihn unter vier Augen gesehen hat, bestätigt mir das, man fühlt es selbst aus der Ferne.
Wie entsetzlich verwirrt der Krieg die Gefühle der Menschheit! Während der Schlacht bei Dennewitz war ich mit dem Kabinett und der Intendantur hinter den Kampflinien. Am nächsten Morgen bat man uns, wir möchten uns wieder in die Nähe des Prinzen begeben. Ich komme spät nach Treuenbrietzen, lege mich auf Stühle unter einem Fenster, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich das Stöhnen der Verwundeten hörte, die man vorbeitransportierte und die man nicht sofort in Deckung bringen konnte. Am nächsten Morgen hierher gekommen, sah ich eine Menge Gefangener und erbeuteter Kanonen. Kanonenschüsse ließen mich erzittern, aber es war das Te Deum, das in allen Lagern der Umgegend für den Sieg gesungen wurde.
Und der arme Albert lebt nicht mehr! Das muß ich immerfort vor mich hinsagen. Ach! Warum Sie quälen, liebe Freundin? Der Chev[alier] d’Yvernois bringt Ihnen Ihre Briefe an Ihren Sohn, sie werden Ihnen eine herrliche Quelle des Trostes sein. Sie werden sehen, daß Sie alles versucht haben, Zärtlichkeit und Strenge. Was vermag die Erziehung gegen eine solche Verkettung von Leidenschaften? Wenn ein wildgewordenes Pferd auf den Abgrund losstürmt, nutzt keine Reitkunst mehr. Gott wird ihm seine Verirrungen verzeihen, denn sein Herz war gut. Unglücklicher junger Mann! Bei jeder neuen Gelegenheit muß ich immer wieder um ihn weinen.
Augenblicklich habe ich viel zu tun, und der Prinz ist sehr freundlich zu mir.
Leben Sie wohl, liebe Freundin! Tausend Grüße und meinen Segen der lieben Albertine. Viele Grüße an August und an Herrn Rocca.
Übermitteln Sie Herrn Mackintosh den Ausdruck meiner Bewunderung. Seien Sie über mich beruhigt; ich werde dafür sorgen, daß ich nicht in die Hände der Feinde falle. Ich habe zwei gute Zugpferde, möchte aber noch ein Sattelpferd haben, um endlich etwas sehen zu können und nicht immer beim Troß bleiben zu müssen.
· Original , 11.09.1813
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