• August Wilhelm von Schlegel to August Böckh

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 18.06.1837
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: August Böckh
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 18.06.1837
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 522‒524.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 18ten Jun. [18]37
    Mein hochverehrter Herr und Freund!
    Ich sende Ihnen anbei einen kleinen Aufsatz, den ich in die Staatszeitung [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37100
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.1,Nr.9
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21 x 13 cm
[1] Bonn d. 18ten Jun. [18]37
Mein hochverehrter Herr und Freund!
Ich sende Ihnen anbei einen kleinen Aufsatz, den ich in die Staatszeitung eingerückt zu sehen wünsche. Sie würden mich ungemein verbinden, wenn Sie dieß veranlassen wollten, da ich die Redactoren gar nicht kenne. Meinen Bewegungsgrund werden Sie aus dem Aufsatze selbst ersehen. Man hatte mir, als dem Director des Museums, mit falschen Deutungen vorgegriffen. Der Antiquar in der Staatszeitung macht die beiden roh und flach ausgehauenen Seitenfiguren zu Römischen Kriegern. Ja doch! Römische Krieger in Phrygischer Tracht! Ein gewisser Dr. Lersch, hiesiger Privat-Dozent, – einer von den mittelmäßigen Köpfen, womit wir hier in der Philologie so vielfach heimgesucht sind, hat diesen P. Clodius sogar in den D. Postumius Clodius Albinus verwandelt.
Freilich sollte ich wohl, als Director, die sämtlichen Steinschriften des Museums herausgeben. Es sind mehrere Inedita darunter, und manche sind [2] nicht genau genug abgedruckt. Aber erstlich bin ich meines Handwerks kein Epigraphiker. Dann habe ich bei dieser unentgeltlichen Mühwaltung von dem Ministerium nicht die mindeste Anerkennung und Aufmunterung erhalten, so daß mir die ganze Sache verdrießlich ist. Alle meine Vorschläge sind abgewiesen worden. Zu dem Ausbau des Locals hat der König das Geld außerordentlich bewilligt. Die stattliche Anordnung, die allen Besuchern gefallen muß, hat mir ohne Übertreibung drei Monate Zeit gekostet. Das einzige, was mir während einer dreizehnjährigen Verwaltung Freude gemacht hat, war die Vase, wovon ich kürzlich Abgüsse nach Berlin gesandt habe. Meine Auslegung wird nächstens nachfolgen.
In Ermangelung eines bessern, schickte ich Ihnen eine Kleinigkeit: die Vorrede zu Prichards Buch. Ich hoffe, Sie haben das Exemplar richtig erhalten, und ich wünsche mir Ihren Beifall mehr als irgend einen andern. Ihr letzter Brief, wiewohl ich ihn so lange unbeantwortet ließ, gereicht mir zu großem Trost. Anerkennung von solchen Männern wie Sie, ist ja [3] doch das einzige wahre und wesentliche bei der sogenannten Celebrität. Hier geht es mir nicht so gut: die Herren wollen mich nicht für einen Philologen gelten lassen, und wir sind letzthin, bei Gelegenheit des Studienplans, ziemlich hart an einander gerathen. Alle drei hielten zusammen: Welckers Studienplan ist nach Berlin gegangen; meinen Gegenentwurf habe ich zurückgenommen. Wir werden das Weitere sehen.
Im Winter des vorletzten Jahres gab ich öffentlich eine lateinische Vorlesung über Quaestiones Homericas, und bestärkte mich dabei von neuem in meiner anti-unitarischen Ansicht. Welckers Hauptargument ist, daß das letzte der Ilias zu dem ersten passe. Kein Wunder! Die Dichtung ward ja in dieser Absicht von Kunstgenossen fortgesponnen. Ich sage aber: das Erste paßt häufig nicht zu dem Letzten. Wie unbedeutend erscheint in der ganzen ersten Hälfte der Ilias Patroklus! Als ein gemeiner θεράπων. Wer könnte da errathen, daß sein Tod eine so rasende Trauer erregen würde? Doch, dieß sey nur eine leichte Andeutung, wie ich es meyne. Die [4] Frage ist viel zu verwickelt, um in Briefen abgehandelt zu werden. Aber nichts wäre mir erwünschter als mich darüber mit Ihnen unterreden zu können. Wenn mir Gott Leben und Gesundheit schenkt, möchte ich wohl diesen Gegenstand in einer eignen Schrift abhandeln. Für jetzt bin ich, ohne krank zu seyn, mit mancherlei Beschwerden geplagt gewesen, die mich beim Arbeiten stören, so daß auch einige Indica, der Vollendung ganz nahe, dadurch bisher verzögert worden sind.
Heinrich ist sehr krank: man zweifelt an seinem Aufkommen.
Ich hätte gar vieles zu sagen und zu fragen; doch ich schließe für heute, sonst möchte mein Brief wieder in das Portefeuille gerathen, und auf unbestimmte Zeit liegen bleiben.
Seyn Sie meiner ausgezeichnetsten Verehrung und Bewunderung versichert, und behalten Sie mich in gutem Andenken.
Ganz der Ihrige
A. W. von Schlegel
[1] Bonn d. 18ten Jun. [18]37
Mein hochverehrter Herr und Freund!
Ich sende Ihnen anbei einen kleinen Aufsatz, den ich in die Staatszeitung eingerückt zu sehen wünsche. Sie würden mich ungemein verbinden, wenn Sie dieß veranlassen wollten, da ich die Redactoren gar nicht kenne. Meinen Bewegungsgrund werden Sie aus dem Aufsatze selbst ersehen. Man hatte mir, als dem Director des Museums, mit falschen Deutungen vorgegriffen. Der Antiquar in der Staatszeitung macht die beiden roh und flach ausgehauenen Seitenfiguren zu Römischen Kriegern. Ja doch! Römische Krieger in Phrygischer Tracht! Ein gewisser Dr. Lersch, hiesiger Privat-Dozent, – einer von den mittelmäßigen Köpfen, womit wir hier in der Philologie so vielfach heimgesucht sind, hat diesen P. Clodius sogar in den D. Postumius Clodius Albinus verwandelt.
Freilich sollte ich wohl, als Director, die sämtlichen Steinschriften des Museums herausgeben. Es sind mehrere Inedita darunter, und manche sind [2] nicht genau genug abgedruckt. Aber erstlich bin ich meines Handwerks kein Epigraphiker. Dann habe ich bei dieser unentgeltlichen Mühwaltung von dem Ministerium nicht die mindeste Anerkennung und Aufmunterung erhalten, so daß mir die ganze Sache verdrießlich ist. Alle meine Vorschläge sind abgewiesen worden. Zu dem Ausbau des Locals hat der König das Geld außerordentlich bewilligt. Die stattliche Anordnung, die allen Besuchern gefallen muß, hat mir ohne Übertreibung drei Monate Zeit gekostet. Das einzige, was mir während einer dreizehnjährigen Verwaltung Freude gemacht hat, war die Vase, wovon ich kürzlich Abgüsse nach Berlin gesandt habe. Meine Auslegung wird nächstens nachfolgen.
In Ermangelung eines bessern, schickte ich Ihnen eine Kleinigkeit: die Vorrede zu Prichards Buch. Ich hoffe, Sie haben das Exemplar richtig erhalten, und ich wünsche mir Ihren Beifall mehr als irgend einen andern. Ihr letzter Brief, wiewohl ich ihn so lange unbeantwortet ließ, gereicht mir zu großem Trost. Anerkennung von solchen Männern wie Sie, ist ja [3] doch das einzige wahre und wesentliche bei der sogenannten Celebrität. Hier geht es mir nicht so gut: die Herren wollen mich nicht für einen Philologen gelten lassen, und wir sind letzthin, bei Gelegenheit des Studienplans, ziemlich hart an einander gerathen. Alle drei hielten zusammen: Welckers Studienplan ist nach Berlin gegangen; meinen Gegenentwurf habe ich zurückgenommen. Wir werden das Weitere sehen.
Im Winter des vorletzten Jahres gab ich öffentlich eine lateinische Vorlesung über Quaestiones Homericas, und bestärkte mich dabei von neuem in meiner anti-unitarischen Ansicht. Welckers Hauptargument ist, daß das letzte der Ilias zu dem ersten passe. Kein Wunder! Die Dichtung ward ja in dieser Absicht von Kunstgenossen fortgesponnen. Ich sage aber: das Erste paßt häufig nicht zu dem Letzten. Wie unbedeutend erscheint in der ganzen ersten Hälfte der Ilias Patroklus! Als ein gemeiner θεράπων. Wer könnte da errathen, daß sein Tod eine so rasende Trauer erregen würde? Doch, dieß sey nur eine leichte Andeutung, wie ich es meyne. Die [4] Frage ist viel zu verwickelt, um in Briefen abgehandelt zu werden. Aber nichts wäre mir erwünschter als mich darüber mit Ihnen unterreden zu können. Wenn mir Gott Leben und Gesundheit schenkt, möchte ich wohl diesen Gegenstand in einer eignen Schrift abhandeln. Für jetzt bin ich, ohne krank zu seyn, mit mancherlei Beschwerden geplagt gewesen, die mich beim Arbeiten stören, so daß auch einige Indica, der Vollendung ganz nahe, dadurch bisher verzögert worden sind.
Heinrich ist sehr krank: man zweifelt an seinem Aufkommen.
Ich hätte gar vieles zu sagen und zu fragen; doch ich schließe für heute, sonst möchte mein Brief wieder in das Portefeuille gerathen, und auf unbestimmte Zeit liegen bleiben.
Seyn Sie meiner ausgezeichnetsten Verehrung und Bewunderung versichert, und behalten Sie mich in gutem Andenken.
Ganz der Ihrige
A. W. von Schlegel
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