• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Kiel · Place of Destination: Unknown · Date: 18.01.1814
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Kiel
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 18.01.1814
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 404–406.
  • Incipit: „Kiel, 18. Januar 1814.
    Ich habe vorher keine Zeit gehabt, den Entwurf der beiliegenden Schrift ins Reine zu schreiben. Sie stammt [...]“
Kiel, 18. Januar 1814.
Ich habe vorher keine Zeit gehabt, den Entwurf der beiliegenden Schrift ins Reine zu schreiben. Sie stammt von Herrn B[enjamin] C[onstant], aber sein Incognito muß unbedingt gewahrt bleiben. Lassen Sie sie doch bitte vom Ambigu als Flugblatt drucken und verbreiten Sie sie auf alle mögliche Weise. Sie ist eine Rakete, die man bis ins Innere Frankreichs schleudern muß, wenn man kann, und eine richtige Brandrakete. Sie ist schon etwas überholt, aber man könnte im Druckvermerk Jahr und Monat vordatieren. Auch müßte die Adresse der Senatsdeputation und die Antwort darauf an die Spitze gestellt und die Zitate müßten genauer gefaßt werden, denn Herr Constant hat aus dem Gedächtnis zitiert. Ich war dazu nicht imstande, weil ich mir das Blatt nicht verschaffen konnte, das diese Stücke enthielt. Aber verwechseln Sie sie nicht: seither sind so viel Reden gehalten worden – diese stammt aus dem November, kurze Zeit nach der Rückkehr Napoleons nach Paris; ich glaube, es war die allererste. Der angeführte Satz wird Sie richtig auf diese Rede führen, sodaß Sie sich nicht täuschen können.
Erst gestern abend erfuhr ich, daß Graf von Bouillé heute ganz früh abfährt. Ich rechnete darauf, Ihnen mit dieser Postgelegenheit länger schreiben zu können. Indessen habe ich unserm Marquis soeben Briefe für Sie und August mitgegeben. Seit drei Wochen habe ich nichts von Ihnen gehört. Liebe Freundin! Seien Sie äußerst vorsichtig – das ist doppelt nötig, gerade weil Sie in einem Lande sind, in dem man alles sagen darf. Es kommt nicht darauf an, seine Meinung zu äußern, sondern seinem Ziel näherzukommen. Wie man mir berichtet – und man entstellt ja zweifellos oft alles, was Sie sagen und tun – haben Sie sich offen gegen die Erhebung des Pr[inzen] von Oranien zum souveränen Fürsten von Holland geäußert. Sie hätten, sagt man, selbst die Anfrage eines Parlamentsmitgliedes darüber veranlaßt. Sie sprächen auch oft gegen die Wiedereinsetzung der B[ourbo]nen.
Warum sich um nichts und wieder nichts Feinde machen? Man kann nicht wissen, was kommt. Was die Holländer betrifft, so haben sie einstimmig von sich aus etwas sehr Vernünftiges getan: sie wollen ein für alle Mal verhindern, daß wieder der Parteigeist unter ihnen auflebt, dessen verhängnisvolle Folgen sie an sich erfahren haben. Ich war dort vor 1795 – ich habe mit angesehen, wie sie sich gegenseitig bekämpften, dadurch ihre eigene Verteidigung schwächten und sich schließlich über ihre eigenen Rückschläge freuten – die Antiorangisten meine ich – wie sie schließlich den einbrechenden Feinden Tür und Tor öffneten.
Die Bundesregierung war zu schwach für solche Zeiten der Gefahr – sie haben sie nun durch eine konstitutionelle Monarchie ersetzt, was kann man dagegen einwenden?
Was das große Ziel unserer Wünsche betrifft, so glaube ich, könnte man sich ein Zwischenstadium denken: ein reicher, aber unwissender Mensch kann eine große Bibliothek besitzen, aber er braucht einen Wissenschaftler, der sie in Ordnung bringt. Die Bibliothek geht dann später wie billig in die Hände der Erben des Eigentümers über, aber der wissenschaftlich gebildete Bibliothekar müßte, solange er lebte, die Nutznießung haben; ihm kann an dem Eigentumsrecht nichts liegen, wenn sein einziger Sohn schon einen anderen Beruf als den eines Bibliothekars gewählt hat. Sie verstehen mich. So lange der Wind günstig ist, sagte mir neulich der geistreiche Gelehrte, werden wir kühn vorwärts segeln; wenn er sich ändert, segeln wir vorsichtig.
Wir werden jetzt die Ufer der Ostsee verlassen und uns Ihnen nähern. Nun ist also wirklich ein Friede geschlossen und man muß sagen, daß er ganz annehmbar ist. Niemals hat man so billig gekauft. Die Schweden sind daher auch aus dem Häuschen vor Freude. Wenn nur der große Friede nicht zu früh kommt! Liest man die Reden der Senatoren und des Kaisers vom 27. und 30. Dez[ember], so zittert man. Aber das alles ist Heuchelei vor dem Volk; jetzt kommt es nur darauf an, durchzuhalten und alles zu verlangen, was man fordern muß; dann wird er niemals zustimmen. Vor allem keinen Waffenstillstand! Man muß immer weiter vorrücken. Ich sehne mich darnach, mit dabei zu sein.
Ich bin sehr ungeduldig, meine Abgefangenen Depeschen gedruckt zu sehen.
Der Pr[inz] hat C[am]ps mit einem Königreich in der Tasche, d. h. mit dem Friedensvertrag nach Stockholm geschickt. Das ist eine besondere Gunst für einen Ausländer. Es wird ihm eine Standeserhöhung eintragen; ich sehe schon einen Baron von Campensskjöld am Horizont auftauchen.
Leben Sie wohl, liebe Freundin! Sollte sich die Abfahrt von Herrn B[ouillé] verzögern, dann schreibe ich Ihnen noch, aber ich will sie nicht versäumen.
Kiel, 18. Januar 1814.
Ich habe vorher keine Zeit gehabt, den Entwurf der beiliegenden Schrift ins Reine zu schreiben. Sie stammt von Herrn B[enjamin] C[onstant], aber sein Incognito muß unbedingt gewahrt bleiben. Lassen Sie sie doch bitte vom Ambigu als Flugblatt drucken und verbreiten Sie sie auf alle mögliche Weise. Sie ist eine Rakete, die man bis ins Innere Frankreichs schleudern muß, wenn man kann, und eine richtige Brandrakete. Sie ist schon etwas überholt, aber man könnte im Druckvermerk Jahr und Monat vordatieren. Auch müßte die Adresse der Senatsdeputation und die Antwort darauf an die Spitze gestellt und die Zitate müßten genauer gefaßt werden, denn Herr Constant hat aus dem Gedächtnis zitiert. Ich war dazu nicht imstande, weil ich mir das Blatt nicht verschaffen konnte, das diese Stücke enthielt. Aber verwechseln Sie sie nicht: seither sind so viel Reden gehalten worden – diese stammt aus dem November, kurze Zeit nach der Rückkehr Napoleons nach Paris; ich glaube, es war die allererste. Der angeführte Satz wird Sie richtig auf diese Rede führen, sodaß Sie sich nicht täuschen können.
Erst gestern abend erfuhr ich, daß Graf von Bouillé heute ganz früh abfährt. Ich rechnete darauf, Ihnen mit dieser Postgelegenheit länger schreiben zu können. Indessen habe ich unserm Marquis soeben Briefe für Sie und August mitgegeben. Seit drei Wochen habe ich nichts von Ihnen gehört. Liebe Freundin! Seien Sie äußerst vorsichtig – das ist doppelt nötig, gerade weil Sie in einem Lande sind, in dem man alles sagen darf. Es kommt nicht darauf an, seine Meinung zu äußern, sondern seinem Ziel näherzukommen. Wie man mir berichtet – und man entstellt ja zweifellos oft alles, was Sie sagen und tun – haben Sie sich offen gegen die Erhebung des Pr[inzen] von Oranien zum souveränen Fürsten von Holland geäußert. Sie hätten, sagt man, selbst die Anfrage eines Parlamentsmitgliedes darüber veranlaßt. Sie sprächen auch oft gegen die Wiedereinsetzung der B[ourbo]nen.
Warum sich um nichts und wieder nichts Feinde machen? Man kann nicht wissen, was kommt. Was die Holländer betrifft, so haben sie einstimmig von sich aus etwas sehr Vernünftiges getan: sie wollen ein für alle Mal verhindern, daß wieder der Parteigeist unter ihnen auflebt, dessen verhängnisvolle Folgen sie an sich erfahren haben. Ich war dort vor 1795 – ich habe mit angesehen, wie sie sich gegenseitig bekämpften, dadurch ihre eigene Verteidigung schwächten und sich schließlich über ihre eigenen Rückschläge freuten – die Antiorangisten meine ich – wie sie schließlich den einbrechenden Feinden Tür und Tor öffneten.
Die Bundesregierung war zu schwach für solche Zeiten der Gefahr – sie haben sie nun durch eine konstitutionelle Monarchie ersetzt, was kann man dagegen einwenden?
Was das große Ziel unserer Wünsche betrifft, so glaube ich, könnte man sich ein Zwischenstadium denken: ein reicher, aber unwissender Mensch kann eine große Bibliothek besitzen, aber er braucht einen Wissenschaftler, der sie in Ordnung bringt. Die Bibliothek geht dann später wie billig in die Hände der Erben des Eigentümers über, aber der wissenschaftlich gebildete Bibliothekar müßte, solange er lebte, die Nutznießung haben; ihm kann an dem Eigentumsrecht nichts liegen, wenn sein einziger Sohn schon einen anderen Beruf als den eines Bibliothekars gewählt hat. Sie verstehen mich. So lange der Wind günstig ist, sagte mir neulich der geistreiche Gelehrte, werden wir kühn vorwärts segeln; wenn er sich ändert, segeln wir vorsichtig.
Wir werden jetzt die Ufer der Ostsee verlassen und uns Ihnen nähern. Nun ist also wirklich ein Friede geschlossen und man muß sagen, daß er ganz annehmbar ist. Niemals hat man so billig gekauft. Die Schweden sind daher auch aus dem Häuschen vor Freude. Wenn nur der große Friede nicht zu früh kommt! Liest man die Reden der Senatoren und des Kaisers vom 27. und 30. Dez[ember], so zittert man. Aber das alles ist Heuchelei vor dem Volk; jetzt kommt es nur darauf an, durchzuhalten und alles zu verlangen, was man fordern muß; dann wird er niemals zustimmen. Vor allem keinen Waffenstillstand! Man muß immer weiter vorrücken. Ich sehne mich darnach, mit dabei zu sein.
Ich bin sehr ungeduldig, meine Abgefangenen Depeschen gedruckt zu sehen.
Der Pr[inz] hat C[am]ps mit einem Königreich in der Tasche, d. h. mit dem Friedensvertrag nach Stockholm geschickt. Das ist eine besondere Gunst für einen Ausländer. Es wird ihm eine Standeserhöhung eintragen; ich sehe schon einen Baron von Campensskjöld am Horizont auftauchen.
Leben Sie wohl, liebe Freundin! Sollte sich die Abfahrt von Herrn B[ouillé] verzögern, dann schreibe ich Ihnen noch, aber ich will sie nicht versäumen.
· Original , 18.01.1814
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