• Ludwig Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hamburg · Place of Destination: Bamberg · Date: 27.08.1800
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Ludwig Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hamburg
  • Place of Destination: Bamberg
  • Date: 27.08.1800
    Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 43‒44.
  • Incipit: „[1] Liebster Freund,
    Wie mir dein und Carolines schmerzlicher Verlust zu Herzen geht, wie ich über die traurige Nachricht erschrocken bin, kannst [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36934
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.28,Nr.65
  • Number of Pages: 2 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 22,8 x 18,8 cm
[1] Liebster Freund,
Wie mir dein und Carolines schmerzlicher Verlust zu Herzen geht, wie ich über die traurige Nachricht erschrocken bin, kannst Du Dir wohl vorstellen. Seit lange hat mich kein Gedanke so durchaus betrübt gemacht und kein Fall so hart getroffen. Nun ist es freilich sonderbar an mir, daß ich durch einige ängstigende Verluste gewöhnt bin, alles nur wie einen Traum zu empfinden und nicht daran zu glauben, so daß mir seit lange schon das wirkliche Leben mit allen seinen Ereignissen nur wie ein Traum vorschwebt, so daß mir kein Wesen verlohren geht, das mir einmal da war, und nur meine Gedanken und Empfindungen, meine Liebe zu den Gegenständen, die mir befreundet sind, stehn mir als wirklich nahe. Dergleichen nun erinnert mich am schmerzlichsten, daß eine wirkliche Welt da ist, es ist so recht die harte Prosa und die fast gemeine Ironie des Schicksals. Wie geht es Carolinen? Versichre sie meiner und meiner Frauen Theilnahme, die sich mit ganzer Seele betrübt hat. Könnte ich etwas zu eurem Troste thun! An meinen Bruder will ich gleich schreiben, so wie ich gleich diesen Brief mit der ersten Post schreibe, nur weiß ich nicht, ob ihn mein Brief noch in Paris antreffen wird. Kommt er zurück, wie ich glaube, so [2] wird er gewiß gern die Arbeit übernehmen und sie nach deinen Ideen ausführen. So wie ich eine Antwort erhalte, theile ich sie dir mit. Schreibst du mir noch vor Michaelis, so adressire den Brief nach Hamburg, Katharinen-Kirchhof, Pastorinn Alberti. Nachher bin ich in Berlin, komm doch ja hin, ich habe nun ein doppeltes Bedürfniß, mit dir zu sein, mir ist jezt, als wären wir uns in so manchen Tagen nicht nahe genug gewesen, als sei ich nicht genug dein Freund gewesen. Die Zeit ist gar zu flüchtig, wir müssen sie mehr fest halten. Laß uns recht mit ein ander arbeiten und denken und sprechen. Bringe ja die Bücher mit, auf die ich mich schon recht freue. Ich bin wohl und fühle fast nichts mehr von meinem Übel, es wird gewiß nicht wieder kommen. Auch bin ich recht fleissig, das 2te Journal ist fertig, vielleicht hast du es schon. Jezt bin ich beim Don Quixote und Sternbald: ich weiß nicht ob ich die Gartenwochen nicht noch liegen lasse, und andre Sachen arbeite, es wird darauf ankommen, wozu ich einen verfluchten Buchhändler finde. Wenn wir doch das Geld abschaffen könnten! Es drückt mich beständig, daß ich dafür arbeite, und ich mag auch so vernünftig mit mir darüber sprechen, wie ich will. Ich gebe mir Mühe mit den Novellen, in meinem nächsten Briefe etwas Bestimmtes darüber. Lebe recht wohl, schone dich sehr; bleibe gesund, grüsse Carolinen herzlich, schreibe mir, wie es ihr geht, ich und meine Frau grämen uns sehr um sie. Adieu.
Ewig der Deine
L. T.
Hamburg, 27. August 1800
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[1] Liebster Freund,
Wie mir dein und Carolines schmerzlicher Verlust zu Herzen geht, wie ich über die traurige Nachricht erschrocken bin, kannst Du Dir wohl vorstellen. Seit lange hat mich kein Gedanke so durchaus betrübt gemacht und kein Fall so hart getroffen. Nun ist es freilich sonderbar an mir, daß ich durch einige ängstigende Verluste gewöhnt bin, alles nur wie einen Traum zu empfinden und nicht daran zu glauben, so daß mir seit lange schon das wirkliche Leben mit allen seinen Ereignissen nur wie ein Traum vorschwebt, so daß mir kein Wesen verlohren geht, das mir einmal da war, und nur meine Gedanken und Empfindungen, meine Liebe zu den Gegenständen, die mir befreundet sind, stehn mir als wirklich nahe. Dergleichen nun erinnert mich am schmerzlichsten, daß eine wirkliche Welt da ist, es ist so recht die harte Prosa und die fast gemeine Ironie des Schicksals. Wie geht es Carolinen? Versichre sie meiner und meiner Frauen Theilnahme, die sich mit ganzer Seele betrübt hat. Könnte ich etwas zu eurem Troste thun! An meinen Bruder will ich gleich schreiben, so wie ich gleich diesen Brief mit der ersten Post schreibe, nur weiß ich nicht, ob ihn mein Brief noch in Paris antreffen wird. Kommt er zurück, wie ich glaube, so [2] wird er gewiß gern die Arbeit übernehmen und sie nach deinen Ideen ausführen. So wie ich eine Antwort erhalte, theile ich sie dir mit. Schreibst du mir noch vor Michaelis, so adressire den Brief nach Hamburg, Katharinen-Kirchhof, Pastorinn Alberti. Nachher bin ich in Berlin, komm doch ja hin, ich habe nun ein doppeltes Bedürfniß, mit dir zu sein, mir ist jezt, als wären wir uns in so manchen Tagen nicht nahe genug gewesen, als sei ich nicht genug dein Freund gewesen. Die Zeit ist gar zu flüchtig, wir müssen sie mehr fest halten. Laß uns recht mit ein ander arbeiten und denken und sprechen. Bringe ja die Bücher mit, auf die ich mich schon recht freue. Ich bin wohl und fühle fast nichts mehr von meinem Übel, es wird gewiß nicht wieder kommen. Auch bin ich recht fleissig, das 2te Journal ist fertig, vielleicht hast du es schon. Jezt bin ich beim Don Quixote und Sternbald: ich weiß nicht ob ich die Gartenwochen nicht noch liegen lasse, und andre Sachen arbeite, es wird darauf ankommen, wozu ich einen verfluchten Buchhändler finde. Wenn wir doch das Geld abschaffen könnten! Es drückt mich beständig, daß ich dafür arbeite, und ich mag auch so vernünftig mit mir darüber sprechen, wie ich will. Ich gebe mir Mühe mit den Novellen, in meinem nächsten Briefe etwas Bestimmtes darüber. Lebe recht wohl, schone dich sehr; bleibe gesund, grüsse Carolinen herzlich, schreibe mir, wie es ihr geht, ich und meine Frau grämen uns sehr um sie. Adieu.
Ewig der Deine
L. T.
Hamburg, 27. August 1800
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