• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Aubergenville · Date: 22.02.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Aubergenville
  • Date: 22.02.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 385‒387.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 179‒181.
  • Incipit: „[1] Kölln den 22ten Februar [180]7
    Sie haben ganz Recht lieber Wilhelm, ich kann allerdings nur einen Einzigen Schlegel bekennen; aber in [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,3
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20 x 12,3 cm
[1] Kölln den 22ten Februar [180]7
Sie haben ganz Recht lieber Wilhelm, ich kann allerdings nur einen Einzigen Schlegel bekennen; aber in zwei Personen! Können Sie dieses Glaubensbekenntniß nicht gültig seyn lassen?Der armen Henriette haben Sie vollends, Gott weiß, wie Unrecht mit jener Beschuldigung Ihrer NichtAnerkennung gethan! – – – Es ist mir eine recht große Freude geliebter Bruder, daß Friedrichs Gegenwart von einer so schönen Wirkung auf Ihre Stimmung und Ihrem Befinden ist. Hätte Friedrich seinen Endzweck hier erreicht, so würde er sicherlich auf lange Zeit hier vergnügt haben leben können; da dies aber nun fehl geschlagen, so hätte bei der ängstlichen Ungewißheit seiner Lage, die Einsamkeit und die große Abgestorbenheit zu Kölln, seinem Geiste und seinem Gemüthe drückend, und seinen Werken schädlich werden müßen; der Aufenthalt bei Ihnen und Ihr schönes Zusammenleben ist also für ihn ebenfalls erwünscht; Fürchten Sie daher nicht daß ich ihn zu früh wieder abfordern werde; ich weis so etwas zu respectiren! – Wollen Sie etwas thun meine Einsamkeit zu verschönern liebster Bruder, so schreiben Sie mir manchmal; ein freundlicher Brief von Ihnen ist mir ein Fest. – Sollten Sie mir aber den Friedrich noch sehr lange behalten, so werde ich Sie sehr bitten, die versprochenen Gedichte durch eine frühere Gelegenheit zu senden. Es ist schon recht lange daß ich nichts von Ihnen gelesen habe; den Almanach mit Ihren Theater Aufsatz hat man mir versprochen, der Unger ihre Sachen sind aber nie hier zu haben, man muß sie eigentlich verschreiben, und dann dauert es ewig ehe man sie wirklich erhält. Henriette schrieb mir auch einmal sehr viel schönes von einem Gedicht an Ida Brun; werde ich es nicht auch zu sehen kriegen? – Wie herzlich ich mich aber freue wieder Shakespear von Ihnen erwarten zu dürfen das kann ich Ihnen gar nicht ausdrücken. Das haben wir [2] nun doch wohl zunächst dem ungetreuen Eckard zu verdanken! Da nun die Vorsehung ihn zu ihrem Werkzeuge ausersehen [zu] haben scheint so strafen Sie ihn doch ja nicht zu hart! Ueberhaupt liebster Bruder bitte ich für Tiek um Gnade! Er ist zwar ein Bösewicht, aber ein so liebenswürdiger! ja wenn wir es uns recht bedenken, so ist er doch der Einzigste unter euren sogenannten Freunden, (die ihr doch nur für eure Freunde hieltet, weil Ihr sie liebtet) er ist doch der einzige unter ihnen glaube ich, der euch wirklich liebt, oder wenigstens doch zu lieben versteht. Freilich, die Abwesenheit, so manche störende, krittliche Verhältnisse... Von Tieck unwandelbare feste Treue erwarten, das hieße den Regenbogen fest halten wollen! Und, ich weiß nicht, – mich dünkt, – da Sie denn doch von Katzenpfoten sprechen, – es könnten bei dieser Gelegenheit vielleicht noch ein paar alte, wohlbekannte sich fühlen lassen wollen. Er hat vielleicht nur eine Anfrage gewagt, zu der ihm Ihre Unterbrechung, wo nicht berechtigte, doch eine Veranlassung gab; – die Stellung eines Worts, ein geringer Ausdruck, kann so vieles ändern – Gehen Sie also doch ja nicht zu streng mit ihm ins Gericht. Hat er doch Genovefa und Zerbino gedichtet! wenn schon gute Werke eine Genugthuung für unsre Sünden sind, was müßen die vortreflichen nicht erst seyn! – Wem ich aber vorzüglich einen Knuff gönnte, das ist der alte Sachsen Weimarische Saturnus, der so gegen sein eignes Fleisch wütet! Doch lassen wir ihm in sein altes Reich; will er Euch verschlingen, so wird er Steine finden, die ihm hart zu verdauen dünken müßen. Den Nahmen Öhlenschläger glaube ich schon oft, wenn ich nicht irre in Almanachen gefunden zu haben, unter langen langweiligen Hexametern, schillernd zwischen Brinckmann [3] und Baggesen. Ich denke mir aber Ihr werdet ihn so geschlägelt haben, daß er hätte Öhl geben mögen. Es mag ihm eben nicht gut zu Muth bei Euch geworden seyn. – Finden Sie den Klinger (nicht den Russen, sondern den Wiener) nicht aber recht liebenswürdig? ich sah ihn freilich nur eine kurze Zeit, aber mich dünkt doch er hat eine ganz andre tournure als wie man sie jetzt von den Universitäten nach Hause kommen sieht. Dieser junge Mann war ganz von Friedrichs Plan nach W.[ien] zu gehen eingenommen; aber freilich haben Sie sehr Recht, daß sich sehr große Schwierigkeiten dem entgegensetzen, und vollends jetzt ist wohl gar nicht daran zu denken; wer weiß ob noch etwas zu hoffen wird übrig bleiben? – Gott weiß was es noch geben wird! Die Zukunft hängt wie eine Wolke vor meinen Augen, ich muß alles der Vorsehung und Friedrichs schützenden Genius überlassen; auch kann ich dies ja mit sicherm Zutrauen. – Gern aber möchte ich mit Ihnen sprechen, Sie fragen, von Ihnen hören, mit Ihnen überlegen: wann aber wird dies geschehen können? – –
Was Sie über Friedrichs neueste Gedichte sagen, ist allerdings sehr wahr; so herzrührend, so erquikend und kraftvoll; man meint in der That als hätte sich in allen seinen bisherigen Formen, seine innerste Seele nie so hell und klar abgespiegelt, als in diesen; als hätte er nun erst die Sprache zu seinen Gedanken gefunden. Sehr merkwürdig scheint es mir ihn in dieser Rücksicht mit Goethe und auch mit Tiek zu vergleichen, die beide den ganz entgegengesetzten Weg eingeschlagen haben, nemlich von einer theils etwas rohen, theils leichtsinnigen Natürlichkeit, zu einer ihnen dennoch ewig fremd bleibenden Künstlichkeit; während er durch [4] alle Tiefen der Kunst und der Wissenschaft, bereichert mit der ganzen Fülle ihrer Schätze, bis zu seiner ihm ganz eigenthümlichen Naturpoesie durchdrang, wo er nun wie in der eignen Heimath herrscht. Ich bin ganz und gar eingenommen und hingerissen von diesen seinen Dichtungen und Gesinnungen. Wohl haben Sie Recht: wäre nur alles erst gedruckt! besonders seine große Dramen, dann seine KunstAnsichten, seine Geschichte, und die Geschichte der Philosophie. Seine Philosophie selber, muß ich Ihnen schon bekennen – es überläuft mich allezeit ein leiser Schauder, wenn ich mir diese gedruckt denken soll. Könnte es nach meinen Wünschen gehen, so müßte er sie immer nur mündlich in einem auserwählten Kreise vortragen, gedruckt aber müßte sie erst sehr sehr spät, oder gar nach seinem Tode erst werden.
Von seiner Nähe an Paris, und seiner Muße hatte ich diesesmal viel gehofft in Rücksicht der indischen Arbeiten aber es scheint beinah als hätte er keine rechte Lust dazu. Es ist doch Schade! – Sind Sie denn damit zufrieden daß er selber den Roman der Frau v. Stael übersetzen will? Glauben Sie daß ihm diese Arbeit wohl gelingen wird? daß er auch Zeit dazu finden wird? Sind Sie denn nicht zufrieden mit meinen Uebersetzungen; ich dächte doch Sie könnten mir diese Arbeit überlassen.
Leben Sie wohl bester Wilhelm, und wenn Sie schöne Pläne für die Zukunft machen, dann vergessen Sie auch Ihre gute Schwester nicht.
Ihre
Dorothea
[1] Kölln den 22ten Februar [180]7
Sie haben ganz Recht lieber Wilhelm, ich kann allerdings nur einen Einzigen Schlegel bekennen; aber in zwei Personen! Können Sie dieses Glaubensbekenntniß nicht gültig seyn lassen?Der armen Henriette haben Sie vollends, Gott weiß, wie Unrecht mit jener Beschuldigung Ihrer NichtAnerkennung gethan! – – – Es ist mir eine recht große Freude geliebter Bruder, daß Friedrichs Gegenwart von einer so schönen Wirkung auf Ihre Stimmung und Ihrem Befinden ist. Hätte Friedrich seinen Endzweck hier erreicht, so würde er sicherlich auf lange Zeit hier vergnügt haben leben können; da dies aber nun fehl geschlagen, so hätte bei der ängstlichen Ungewißheit seiner Lage, die Einsamkeit und die große Abgestorbenheit zu Kölln, seinem Geiste und seinem Gemüthe drückend, und seinen Werken schädlich werden müßen; der Aufenthalt bei Ihnen und Ihr schönes Zusammenleben ist also für ihn ebenfalls erwünscht; Fürchten Sie daher nicht daß ich ihn zu früh wieder abfordern werde; ich weis so etwas zu respectiren! – Wollen Sie etwas thun meine Einsamkeit zu verschönern liebster Bruder, so schreiben Sie mir manchmal; ein freundlicher Brief von Ihnen ist mir ein Fest. – Sollten Sie mir aber den Friedrich noch sehr lange behalten, so werde ich Sie sehr bitten, die versprochenen Gedichte durch eine frühere Gelegenheit zu senden. Es ist schon recht lange daß ich nichts von Ihnen gelesen habe; den Almanach mit Ihren Theater Aufsatz hat man mir versprochen, der Unger ihre Sachen sind aber nie hier zu haben, man muß sie eigentlich verschreiben, und dann dauert es ewig ehe man sie wirklich erhält. Henriette schrieb mir auch einmal sehr viel schönes von einem Gedicht an Ida Brun; werde ich es nicht auch zu sehen kriegen? – Wie herzlich ich mich aber freue wieder Shakespear von Ihnen erwarten zu dürfen das kann ich Ihnen gar nicht ausdrücken. Das haben wir [2] nun doch wohl zunächst dem ungetreuen Eckard zu verdanken! Da nun die Vorsehung ihn zu ihrem Werkzeuge ausersehen [zu] haben scheint so strafen Sie ihn doch ja nicht zu hart! Ueberhaupt liebster Bruder bitte ich für Tiek um Gnade! Er ist zwar ein Bösewicht, aber ein so liebenswürdiger! ja wenn wir es uns recht bedenken, so ist er doch der Einzigste unter euren sogenannten Freunden, (die ihr doch nur für eure Freunde hieltet, weil Ihr sie liebtet) er ist doch der einzige unter ihnen glaube ich, der euch wirklich liebt, oder wenigstens doch zu lieben versteht. Freilich, die Abwesenheit, so manche störende, krittliche Verhältnisse... Von Tieck unwandelbare feste Treue erwarten, das hieße den Regenbogen fest halten wollen! Und, ich weiß nicht, – mich dünkt, – da Sie denn doch von Katzenpfoten sprechen, – es könnten bei dieser Gelegenheit vielleicht noch ein paar alte, wohlbekannte sich fühlen lassen wollen. Er hat vielleicht nur eine Anfrage gewagt, zu der ihm Ihre Unterbrechung, wo nicht berechtigte, doch eine Veranlassung gab; – die Stellung eines Worts, ein geringer Ausdruck, kann so vieles ändern – Gehen Sie also doch ja nicht zu streng mit ihm ins Gericht. Hat er doch Genovefa und Zerbino gedichtet! wenn schon gute Werke eine Genugthuung für unsre Sünden sind, was müßen die vortreflichen nicht erst seyn! – Wem ich aber vorzüglich einen Knuff gönnte, das ist der alte Sachsen Weimarische Saturnus, der so gegen sein eignes Fleisch wütet! Doch lassen wir ihm in sein altes Reich; will er Euch verschlingen, so wird er Steine finden, die ihm hart zu verdauen dünken müßen. Den Nahmen Öhlenschläger glaube ich schon oft, wenn ich nicht irre in Almanachen gefunden zu haben, unter langen langweiligen Hexametern, schillernd zwischen Brinckmann [3] und Baggesen. Ich denke mir aber Ihr werdet ihn so geschlägelt haben, daß er hätte Öhl geben mögen. Es mag ihm eben nicht gut zu Muth bei Euch geworden seyn. – Finden Sie den Klinger (nicht den Russen, sondern den Wiener) nicht aber recht liebenswürdig? ich sah ihn freilich nur eine kurze Zeit, aber mich dünkt doch er hat eine ganz andre tournure als wie man sie jetzt von den Universitäten nach Hause kommen sieht. Dieser junge Mann war ganz von Friedrichs Plan nach W.[ien] zu gehen eingenommen; aber freilich haben Sie sehr Recht, daß sich sehr große Schwierigkeiten dem entgegensetzen, und vollends jetzt ist wohl gar nicht daran zu denken; wer weiß ob noch etwas zu hoffen wird übrig bleiben? – Gott weiß was es noch geben wird! Die Zukunft hängt wie eine Wolke vor meinen Augen, ich muß alles der Vorsehung und Friedrichs schützenden Genius überlassen; auch kann ich dies ja mit sicherm Zutrauen. – Gern aber möchte ich mit Ihnen sprechen, Sie fragen, von Ihnen hören, mit Ihnen überlegen: wann aber wird dies geschehen können? – –
Was Sie über Friedrichs neueste Gedichte sagen, ist allerdings sehr wahr; so herzrührend, so erquikend und kraftvoll; man meint in der That als hätte sich in allen seinen bisherigen Formen, seine innerste Seele nie so hell und klar abgespiegelt, als in diesen; als hätte er nun erst die Sprache zu seinen Gedanken gefunden. Sehr merkwürdig scheint es mir ihn in dieser Rücksicht mit Goethe und auch mit Tiek zu vergleichen, die beide den ganz entgegengesetzten Weg eingeschlagen haben, nemlich von einer theils etwas rohen, theils leichtsinnigen Natürlichkeit, zu einer ihnen dennoch ewig fremd bleibenden Künstlichkeit; während er durch [4] alle Tiefen der Kunst und der Wissenschaft, bereichert mit der ganzen Fülle ihrer Schätze, bis zu seiner ihm ganz eigenthümlichen Naturpoesie durchdrang, wo er nun wie in der eignen Heimath herrscht. Ich bin ganz und gar eingenommen und hingerissen von diesen seinen Dichtungen und Gesinnungen. Wohl haben Sie Recht: wäre nur alles erst gedruckt! besonders seine große Dramen, dann seine KunstAnsichten, seine Geschichte, und die Geschichte der Philosophie. Seine Philosophie selber, muß ich Ihnen schon bekennen – es überläuft mich allezeit ein leiser Schauder, wenn ich mir diese gedruckt denken soll. Könnte es nach meinen Wünschen gehen, so müßte er sie immer nur mündlich in einem auserwählten Kreise vortragen, gedruckt aber müßte sie erst sehr sehr spät, oder gar nach seinem Tode erst werden.
Von seiner Nähe an Paris, und seiner Muße hatte ich diesesmal viel gehofft in Rücksicht der indischen Arbeiten aber es scheint beinah als hätte er keine rechte Lust dazu. Es ist doch Schade! – Sind Sie denn damit zufrieden daß er selber den Roman der Frau v. Stael übersetzen will? Glauben Sie daß ihm diese Arbeit wohl gelingen wird? daß er auch Zeit dazu finden wird? Sind Sie denn nicht zufrieden mit meinen Uebersetzungen; ich dächte doch Sie könnten mir diese Arbeit überlassen.
Leben Sie wohl bester Wilhelm, und wenn Sie schöne Pläne für die Zukunft machen, dann vergessen Sie auch Ihre gute Schwester nicht.
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