• Franz Bopp to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 26.05.1829
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Franz Bopp
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.05.1829
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362642923
  • Bibliography: Lefmann, S.: Franz Bopp, sein Leben und seine Wissenschaft. Erste Hälfte. Berlin 1891, S. 108‒113.
  • Incipit: „Berlin d. 26 Mai 1829.
    Vor allem, hochgeehrtester Herr und Freund, sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihre treffliche Ausgabe eines [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.79
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,2 x 21 cm
Berlin d. 26 Mai 1829.
Vor allem, hochgeehrtester Herr und Freund, sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihre treffliche Ausgabe eines Theils des Ram., dessen Erscheinung ich längst mit der gespanntesten Erwartung entgegen gesehen habe. Sie leisten dadurch der Indischen Philologie einen ungemeinen Dienst, da Sie durch Lassens dankbar anzuerkennenden Bemühungen alles Material zu einer guten Ausgabe in Händen hatten und ein weites Feld vor sich hatten, Ihre bewährte Kritik zu üben. Ich habe den durch Ihre Güte erhaltenen Band bereits ganz, wenn gleich nur flüchtig gelesen und finde den Druck sehr correkt. Nur wenige Fehler, wovon einige dem Setzer zur Last fallen, habe ich wahrgenommen, worauf ich mir erlaube Sie aufmerksam zu machen. Seite 6 śl. 20 sehe ich keinen Grund evaṃ mit guṇasaṃpanna zu verbinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Wohllautsregeln 60 und 88 (meiner Gr) sind in Ihrer Ausgabe beständig verletzt; Sie scheinen also noch der Meinung zu seyn, daß ch die vorhergehende Sylbe verlängere, während die Verlängerung in der That durch eine wahrhafte Position ech entsteht; wenn gleich die Handschriften das vorzusetzende c gewöhnlich vernachläßigen. Die Meinung der eingeborenen Gelehrten über diesen Punkt kann man jedoch aus den von ihnen besorgten Ausgaben, z. B. Manu kennen lernen. Was hat auch die Verdoppelung eines Buchstabens nach einem kurzen Vocal Befremdendes? Wird doch das schließende n unter gleicher Bedingung verdoppelt. Wenn aber ch wie ein zusammengesetzter Buchstabe wirken sollte, so würde auch c, j und jh so wirken müssen, denn das Sanskrit bleibt sich gerne consequent. Daß Sie nach einem schließenden n vor Anfangsvocalen trennen, scheint mir zu Ihrem System, insofern es auf die Indische Syllabirung Rücksicht nimmt, nicht zu passen, da der Anfangsvocal mit dem vorhergehenden Consonanten eine Sylbe bildet. Wenn Sie aber nach n darum trennen, weil es sich vor Vocalen nicht verändert, so müßten Sie der Consequenz wegen auch nach m trennen, wenn Vocale folgen. Ich hoffe nicht, daß Sie noch immer das m vor Vocalen für eine Verwandlung des Anuçvara halten, wie in der Vorrede zur Bhag. XV. Ich bin in diesem Punkte auf der Seite der Eingeborenen; in den Calcutter Ausgaben finden Sie am Ende der Verse standhaft m geschrieben. Durch Wilkins Regeln von Verwandlungen des Anuçvara darf man sich ebenso wenig als durch seine Schreibfehler wie gachati irre machen lassen. Im Nalus hat mich jedoch Wilkins Autorität ebenfalls verleitet.
Ich begreife nicht, warum Ihnen das Prädicat ausführlich so anstößig ist; ich wählte es, weil ich mich durch keine äußere Rücksichten in engere Gränzen wollte einschließen lassen als der wissenschaftliche, nicht praktische Standpunkt, von dem ich ausging verstattete. Wenn ich demohngeachtet weniger voluminös geworden bin als meine Vorgänger, obwohl ich von sehr vielen Punkten den organischen Zusammenhang angegeben habe, die jene ganz mechanisch hinstellen, so liegt der Grund in der systematischen Sprach-Entwickelung, die ich verfolgt habe, und in der Weglassung von allem, was ins Wörterbuch gehört. Vielleicht hätte ich besser den Titel kritische oder organische Grammatik gewählt; allein kritisch muß natürlich eine jede Grammatik seyn, die nicht blos, ohne eignes, freies Urtheil, auf die Autorität der National-Grammatiker sich stützt oder den ganz unwissenschaftlichen Gesichtspunkt verfolgt zum mechanischen Verständniß der Schriftsteller eine praktische Anleitung zu geben. Eine solche praktische Tendenz ist der höheren sprachwissenschaftlichen Richtung, die ich schon in meinem Conjugationssystem verfolgt habe, ganz entgegen. Zu meinem Zwecke konnten mir die Indischen Grammatiker wenig dienen; sie stellen blos todte Massen zusammen, und vergessen den organischen Zusammenhang hinein zu bringen. Von dieser Seite hätte ich auch meine Vorgänger nicht leicht übertreffen können, die alle aus dieser Schule hervorgegangen sind, und den eingeborenen Grammatikern ohne selbständige Forschung und Zuziehung der Sprache selbst blos nachsprechen. Ich verkenne darum nicht die Verdienste von Wilkins, Forster, Colebrooke etc., aber mein Ziel war ein anderes; ich griff meine Arbeit von der Seite an, von welcher ich glaubte am meisten neues Licht in die Entwickelung des sanskritischen Sprachbaus bringen zu können. Wird mir aber von anderen, die einen anderen Weg verfolgen aus den indischen Grammatikern eine brauchbare Zugabe zur Beschreibung der Sanskritsprache gegeben, so nehme ich sie mit Dank an. Ich halte das fortgesetzte Studium der indischen Grammatiker nicht für ganz fruchtlos, ich habe sogar mehreren meiner geschicktesten Schüler das Commentiren ihres Systems als ein Desideratum in der indischen Philologie dargestellt. Ich selbst mag diese Arbeit nicht unternehmen, so lange wenigstens nicht, als mich ein selbständiges Forschen und das Streben die Sprache durch sich selbst zu begreifen und die Gesetze zu erkennen, nach denen sie sich entfaltet, zu neuen Resultaten führt. Um die Gründe der Spracherscheinungen bekümmern sich die indischen Grammatiker und auch die englischen nicht, und doch ist in dieser Beziehung unendlich viel zu leisten. Sie rühmen den Scharfsinn der indischen Grammatiker, schon im ersten Hefte der Indischen Bibliothek; Sie haben aber seit dieser Zeit aus indischen Quellen noch keine Resultate geliefert, wodurch die sanskritische oder allgemeine Sprachkunde erweitert würde. Es ist nicht genug, daß Sie mir sagen: „Es sind nicht Leute darnach, sich so etwas entgehen zu lassen.“ Da Sie Panini so sehr rühmen und auf ihn verweisen, so muß ich voraussetzen, daß Sie ihn ganz gelesen haben, und somit werden Sie auch wissen, was ihm von den Ansichten, die ich in meinem Conjugationssystem oder Lehrgebäude entwickelt habe, entgangen ist oder nicht. Stellt er die Form auf tvâ als Instrumentalis, die auf tum als Accusativ dar? Zeigt er den Zusammenhang zwischen Formen wie bhavet und adyât? Erklärt er das y in bhaveyam für euphonisch, oder sieht er es wie Frank (S. 94 seiner Gr.) für identisch an mit dem y von adyâm? Man sieht aus diesem Irrthum von Frank, daß es nöthig war in dieser Beziehung genauere Bestimmung zu geben als Wilkins, Colebrooke etc.
Daß die indischen Grammatiker die Vedaʼs nicht ganz unerwähnt lassen, mußte man wohl erwarten, ich möchte aber die Sprache der Vedaʼs lieber aus ihnen selbst kennen lernen als so kümmerlich und zerstreut aus den Grammatikern. Es ist ein wahrer Triumph für die Richtung, welche ich verfolge und von der Sie abmahnen, daß das was ich aus theoretischen Gründen und mit Hülfe der Vergleichung als die ältesten Formen festsetze, sich nun auch praktisch bestättigt. Als Lassen über die Endung dhi, die er in Panini fand, an Humboldt schrieb, hatte dieser schon die lateinische Ausgabe meiner Gr. in Händen, in welcher schon bei den Wohllautsreg. dhi als die primitive Endung gegeben wird. Wenn Sie mir andere Mittheilungen der Art zu machen hätten, würde ich sie sehr dankbar anerkennen. Rosen bemerkt mir ebenfalls, daß er in den Vedaʼs manches grammatisch Wichtige gefunden habe. Wenn es an der Zeit ist und Material genug vorhanden, gebe ich einen Anhang über die Veda-Sprache.
Sie würdigen meine Grammatik sehr herab, wenn Sie sagen, ich widerlege Wilkins durch Forster. Dem ist nicht so, meine Grammatik ist nicht durch Vergleichung beider entstanden; ich richte über beide nach den durchgreifenden Sprachgesetzen, die Wilkins oft verletzt, z. B. die Lehre vom Guna. Sie nennen dies Druckfehler? Sollen denn die Setzer die Gunalehre studirt haben? Erwähnen mußte ich zuweilen die Versehen von Wilkins, denn diejenigen, welche an seine Autorität sich gewöhnt haben und dabei sich beruhigen, könnten sonst leicht meine absichtlichen Abweichungen für Fehler oder Druckfehler halten. Die hartnäckigen Leser aber, deren Sie in Ihrem Briefe gedenken, die kein sprachwissenschaftliches Urtheil habend nur zwischen Autoritäten schwanken, und lieber an einer altenglischen festhalten als eine Deutsche anerkennen, wo sie Gründe für sich hat; – solche hartnäckige Leser achte ich keiner Berücksichtirung werth, ich werde sie auch nie zur wissenschaftlichen Sprachforschung bilden können.
Ich weis nicht, wie Sie mich ungerecht gegen Wilkins finden können, den ich hoch und werth schätze und dem ich nur nothgedrungen zuweilen Versehen nachweise; nennen Sie doch selbst seine Ausgabe des Hit einen Stall des Augias. Ich erkenne Wilkins Verdienste in meiner Vorrede an, würdige ihn nicht herab wie Sie ihre Vorgänger in der Herausgabe des Ramayana. Sind wir denn dem guten Carey und Marshman nicht auch von unserer Erlernung des Sanskrits her verpflichtet? Sie haben uns ja zuerst mit dem schönen Epos bekannt gemacht und durch ihre wenngleich nicht immer richtige Uebersetzung das Verständniß der Sprache erleichtert.
Paninis u. der Scholien 20 Seiten über das sogenannte ṇatva sind wahrlich für meine Grammatik zu viel, und dennoch reichen Sie damit nicht aus. Ihrer Riesin çûrpaṇakhâ könnte ich leicht einen Platz in der lateinischen Anmerkung zu meiner R. anweisen. Es ist ein ziemlich ähnlicher Fall, wie bei den Comp. pitṛshvasṛ, mâtṛshvasṛ. Das sollte auf das folgende s sich keinen Einfluß erlauben, und doch thut es dies. Dafür kann man die Sprache im Wörterbuch etwas auszanken. Solche Fälle gehören wirklich besser ins Wörterbuch als in die Grammatik, wo man nicht die Richtigkeit der Schreibart aller Composita prüfen kann. Aber allen Respekt vor ihrem xubhnâdi; dies dürfte nicht in meiner Grammatik fehlen, und doch fehlt es wie vielleicht noch manches andere. Vor dem gänzlichen Uebersehen ist man in solchen Werken am wenigsten sicher. Zu meinem Trost sind tṛp und xubh sehr bescheidene Wurzeln, die sich bei Schriftstellern nicht leicht in der Umgebung von nu und zeigen. Was ist wohl der Grund, daß diese beiden Wurzeln das n von nu und etc. nicht umwandeln, wenn dem wirklich so ist? Panini ist wahrscheinlich hierüber stumm; denn die indischen Grammatiker, um mich Ihres Ausdrucks zu bedienen, sind nicht Leute danach sich nach Gründen von Spracherscheinungen umzusehen. Wahrscheinlich wird das n unter dem unmittelbaren Schutz des vorhergehenden Labials von dem Einflusse des oder sh befreit. Wenn es aber Luft bekommt durch einen dazwischentretenden Vocal, so geht das n in über. Wilson schreibt tarpaṇa, tarpaṇî; Sie aber schreiben S. 281 śl. 3 tarpyamâna. Der große Irrthum von R. 110 ist in der lateinischen Ausgabe (S. 109) vermieden. Ich habe absichtlich keine Beispiele von revoltirenden Wurzeln gegeben; denn manches ist mir noch verdächtig. Wilkins und Wilson schreiben nad und doch praṇâṭha. Der Wurzel nṛt traue ich zu, daß sie das n nicht umwandele, damit nicht der Linguallaute zu viel werden. Dies würde zu dem stimmen, was ich S. 80 der lat. Ausg. von den Wurzeln mit sage.
Was immer Panini für treffliche Aufschlüsse geben mag, wovon ich wünsche, daß Sie sie zu Tag und Ehre bringen möchten, so wird er mich doch in der Ueberzeugung nicht wankend machen, daß das s in saṃskṛta eine euphonische Einschiebung sei, wenn man euphonisch den Gebrauch eines Buchstabens nennen will, der nur darum entsteht, weil er sehr gerne mit dem folgenden sich verbindet, wie s mit k, zwei geschworene Freunde. Auch im Lateinischen gestatten ja einige Präpositionen vor c, qu, und p und t die euphonische Einschiebung eines s. Ich nehme keine Präposition abs und obs an, sondern erkläre das s von abscondo, abs te, ostendo (für obstendo) für euphonische Einschiebung. Sie haben, wie mir scheint zu viel Vertrauen zu den indischen Grammatikern und vielleicht zu viel zu der innerlichen Gewalt der combinirenden Sprachforschung, die eine Sprache aus der anderen und jede wiederum aus ihrem eigenen organischen Bau zu begreifen sucht. Sie wollen eine historische Grundlage und finden eine solche in dem abweichendem Sprachgebrauch der Vedaʼs; allein davon wissen wir noch viel zu wenig, und wenn wir mehr davon wissen werden, wird es wieder darauf ankommen, die geeigneten Folgen daraus zu ziehen. Dazu aber müssen wir wiederum die Autorit. der indischen Grammatiker auf Seite setzen und den Weg selbständiger Forschung einschlagen.
Von den Denominativen behaupte ich, daß die Sanskritsprache keinen sehr häufigen Gebrauch mache; und diese Behauptung, glaube ich, werden Sie durch Beispiele, an denen es mir ebenfalls nicht fehlt, nicht widerlegen können. Ich halte es für zweckmäßig zuweilen zu bemerken, daß man etwas bei Schriftstellern noch nicht gefunden habe, daß es selten sei oder sehr selten. Gewiß ist es, daß die indischen Grammatiker vieles, durch einen grammatischen Instinkt geleitet, eigenmächtig gebildet haben; der Beweis, ob etwas vorkomme oder gar nicht, kann freilich bei einer ins Unendliche gehenden Litteratur nicht geliefert werden. – Ihre Bemerkungen über den Nalus haben Sie mir hier zurückgelassen. Wenn ich von etwas Gebrauch mache werde ich nicht ermangeln Sie dankbar zu erwähnen; nur muß ich mir die Freiheit nehmen Sie auch zuweilen zu bekämpfen. Die Schriftproben wird Lichtenstein Ihnen schicken.... Meine Sündflut nebst anderen Episoden, im Original nebst der Uebersetzung, bitte ich wohlwollend aufzunehmen. Außer den angezeigten nicht wenigen Druckfehlern sind mir noch einige Versehen gegen den richtigen Gebrauch der beiden Apostrophe und gegen die Verwandlung des schließenden m und s entgangen.
ln der Hoffnung, daß Sie die übermäßige Länge des Briefes entschuldigen werden, verharre ich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ihr
ergebenster Bopp
(Ich überschicke Ihnen zugleich die lateinische Ausgabe meiner Grammatik, so weit sie bis [jetzt] gedruckt ist. Sie werden mir vielleicht zugeben, daß die mittlere Schrift zu solchem Gebrauch ganz zweckmäßig ist. In der ganz kleinen möchte ich das Werk Niemanden zu lesen zumuthen.)
Berlin d. 26 Mai 1829.
Vor allem, hochgeehrtester Herr und Freund, sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihre treffliche Ausgabe eines Theils des Ram., dessen Erscheinung ich längst mit der gespanntesten Erwartung entgegen gesehen habe. Sie leisten dadurch der Indischen Philologie einen ungemeinen Dienst, da Sie durch Lassens dankbar anzuerkennenden Bemühungen alles Material zu einer guten Ausgabe in Händen hatten und ein weites Feld vor sich hatten, Ihre bewährte Kritik zu üben. Ich habe den durch Ihre Güte erhaltenen Band bereits ganz, wenn gleich nur flüchtig gelesen und finde den Druck sehr correkt. Nur wenige Fehler, wovon einige dem Setzer zur Last fallen, habe ich wahrgenommen, worauf ich mir erlaube Sie aufmerksam zu machen. Seite 6 śl. 20 sehe ich keinen Grund evaṃ mit guṇasaṃpanna zu verbinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Wohllautsregeln 60 und 88 (meiner Gr) sind in Ihrer Ausgabe beständig verletzt; Sie scheinen also noch der Meinung zu seyn, daß ch die vorhergehende Sylbe verlängere, während die Verlängerung in der That durch eine wahrhafte Position ech entsteht; wenn gleich die Handschriften das vorzusetzende c gewöhnlich vernachläßigen. Die Meinung der eingeborenen Gelehrten über diesen Punkt kann man jedoch aus den von ihnen besorgten Ausgaben, z. B. Manu kennen lernen. Was hat auch die Verdoppelung eines Buchstabens nach einem kurzen Vocal Befremdendes? Wird doch das schließende n unter gleicher Bedingung verdoppelt. Wenn aber ch wie ein zusammengesetzter Buchstabe wirken sollte, so würde auch c, j und jh so wirken müssen, denn das Sanskrit bleibt sich gerne consequent. Daß Sie nach einem schließenden n vor Anfangsvocalen trennen, scheint mir zu Ihrem System, insofern es auf die Indische Syllabirung Rücksicht nimmt, nicht zu passen, da der Anfangsvocal mit dem vorhergehenden Consonanten eine Sylbe bildet. Wenn Sie aber nach n darum trennen, weil es sich vor Vocalen nicht verändert, so müßten Sie der Consequenz wegen auch nach m trennen, wenn Vocale folgen. Ich hoffe nicht, daß Sie noch immer das m vor Vocalen für eine Verwandlung des Anuçvara halten, wie in der Vorrede zur Bhag. XV. Ich bin in diesem Punkte auf der Seite der Eingeborenen; in den Calcutter Ausgaben finden Sie am Ende der Verse standhaft m geschrieben. Durch Wilkins Regeln von Verwandlungen des Anuçvara darf man sich ebenso wenig als durch seine Schreibfehler wie gachati irre machen lassen. Im Nalus hat mich jedoch Wilkins Autorität ebenfalls verleitet.
Ich begreife nicht, warum Ihnen das Prädicat ausführlich so anstößig ist; ich wählte es, weil ich mich durch keine äußere Rücksichten in engere Gränzen wollte einschließen lassen als der wissenschaftliche, nicht praktische Standpunkt, von dem ich ausging verstattete. Wenn ich demohngeachtet weniger voluminös geworden bin als meine Vorgänger, obwohl ich von sehr vielen Punkten den organischen Zusammenhang angegeben habe, die jene ganz mechanisch hinstellen, so liegt der Grund in der systematischen Sprach-Entwickelung, die ich verfolgt habe, und in der Weglassung von allem, was ins Wörterbuch gehört. Vielleicht hätte ich besser den Titel kritische oder organische Grammatik gewählt; allein kritisch muß natürlich eine jede Grammatik seyn, die nicht blos, ohne eignes, freies Urtheil, auf die Autorität der National-Grammatiker sich stützt oder den ganz unwissenschaftlichen Gesichtspunkt verfolgt zum mechanischen Verständniß der Schriftsteller eine praktische Anleitung zu geben. Eine solche praktische Tendenz ist der höheren sprachwissenschaftlichen Richtung, die ich schon in meinem Conjugationssystem verfolgt habe, ganz entgegen. Zu meinem Zwecke konnten mir die Indischen Grammatiker wenig dienen; sie stellen blos todte Massen zusammen, und vergessen den organischen Zusammenhang hinein zu bringen. Von dieser Seite hätte ich auch meine Vorgänger nicht leicht übertreffen können, die alle aus dieser Schule hervorgegangen sind, und den eingeborenen Grammatikern ohne selbständige Forschung und Zuziehung der Sprache selbst blos nachsprechen. Ich verkenne darum nicht die Verdienste von Wilkins, Forster, Colebrooke etc., aber mein Ziel war ein anderes; ich griff meine Arbeit von der Seite an, von welcher ich glaubte am meisten neues Licht in die Entwickelung des sanskritischen Sprachbaus bringen zu können. Wird mir aber von anderen, die einen anderen Weg verfolgen aus den indischen Grammatikern eine brauchbare Zugabe zur Beschreibung der Sanskritsprache gegeben, so nehme ich sie mit Dank an. Ich halte das fortgesetzte Studium der indischen Grammatiker nicht für ganz fruchtlos, ich habe sogar mehreren meiner geschicktesten Schüler das Commentiren ihres Systems als ein Desideratum in der indischen Philologie dargestellt. Ich selbst mag diese Arbeit nicht unternehmen, so lange wenigstens nicht, als mich ein selbständiges Forschen und das Streben die Sprache durch sich selbst zu begreifen und die Gesetze zu erkennen, nach denen sie sich entfaltet, zu neuen Resultaten führt. Um die Gründe der Spracherscheinungen bekümmern sich die indischen Grammatiker und auch die englischen nicht, und doch ist in dieser Beziehung unendlich viel zu leisten. Sie rühmen den Scharfsinn der indischen Grammatiker, schon im ersten Hefte der Indischen Bibliothek; Sie haben aber seit dieser Zeit aus indischen Quellen noch keine Resultate geliefert, wodurch die sanskritische oder allgemeine Sprachkunde erweitert würde. Es ist nicht genug, daß Sie mir sagen: „Es sind nicht Leute darnach, sich so etwas entgehen zu lassen.“ Da Sie Panini so sehr rühmen und auf ihn verweisen, so muß ich voraussetzen, daß Sie ihn ganz gelesen haben, und somit werden Sie auch wissen, was ihm von den Ansichten, die ich in meinem Conjugationssystem oder Lehrgebäude entwickelt habe, entgangen ist oder nicht. Stellt er die Form auf tvâ als Instrumentalis, die auf tum als Accusativ dar? Zeigt er den Zusammenhang zwischen Formen wie bhavet und adyât? Erklärt er das y in bhaveyam für euphonisch, oder sieht er es wie Frank (S. 94 seiner Gr.) für identisch an mit dem y von adyâm? Man sieht aus diesem Irrthum von Frank, daß es nöthig war in dieser Beziehung genauere Bestimmung zu geben als Wilkins, Colebrooke etc.
Daß die indischen Grammatiker die Vedaʼs nicht ganz unerwähnt lassen, mußte man wohl erwarten, ich möchte aber die Sprache der Vedaʼs lieber aus ihnen selbst kennen lernen als so kümmerlich und zerstreut aus den Grammatikern. Es ist ein wahrer Triumph für die Richtung, welche ich verfolge und von der Sie abmahnen, daß das was ich aus theoretischen Gründen und mit Hülfe der Vergleichung als die ältesten Formen festsetze, sich nun auch praktisch bestättigt. Als Lassen über die Endung dhi, die er in Panini fand, an Humboldt schrieb, hatte dieser schon die lateinische Ausgabe meiner Gr. in Händen, in welcher schon bei den Wohllautsreg. dhi als die primitive Endung gegeben wird. Wenn Sie mir andere Mittheilungen der Art zu machen hätten, würde ich sie sehr dankbar anerkennen. Rosen bemerkt mir ebenfalls, daß er in den Vedaʼs manches grammatisch Wichtige gefunden habe. Wenn es an der Zeit ist und Material genug vorhanden, gebe ich einen Anhang über die Veda-Sprache.
Sie würdigen meine Grammatik sehr herab, wenn Sie sagen, ich widerlege Wilkins durch Forster. Dem ist nicht so, meine Grammatik ist nicht durch Vergleichung beider entstanden; ich richte über beide nach den durchgreifenden Sprachgesetzen, die Wilkins oft verletzt, z. B. die Lehre vom Guna. Sie nennen dies Druckfehler? Sollen denn die Setzer die Gunalehre studirt haben? Erwähnen mußte ich zuweilen die Versehen von Wilkins, denn diejenigen, welche an seine Autorität sich gewöhnt haben und dabei sich beruhigen, könnten sonst leicht meine absichtlichen Abweichungen für Fehler oder Druckfehler halten. Die hartnäckigen Leser aber, deren Sie in Ihrem Briefe gedenken, die kein sprachwissenschaftliches Urtheil habend nur zwischen Autoritäten schwanken, und lieber an einer altenglischen festhalten als eine Deutsche anerkennen, wo sie Gründe für sich hat; – solche hartnäckige Leser achte ich keiner Berücksichtirung werth, ich werde sie auch nie zur wissenschaftlichen Sprachforschung bilden können.
Ich weis nicht, wie Sie mich ungerecht gegen Wilkins finden können, den ich hoch und werth schätze und dem ich nur nothgedrungen zuweilen Versehen nachweise; nennen Sie doch selbst seine Ausgabe des Hit einen Stall des Augias. Ich erkenne Wilkins Verdienste in meiner Vorrede an, würdige ihn nicht herab wie Sie ihre Vorgänger in der Herausgabe des Ramayana. Sind wir denn dem guten Carey und Marshman nicht auch von unserer Erlernung des Sanskrits her verpflichtet? Sie haben uns ja zuerst mit dem schönen Epos bekannt gemacht und durch ihre wenngleich nicht immer richtige Uebersetzung das Verständniß der Sprache erleichtert.
Paninis u. der Scholien 20 Seiten über das sogenannte ṇatva sind wahrlich für meine Grammatik zu viel, und dennoch reichen Sie damit nicht aus. Ihrer Riesin çûrpaṇakhâ könnte ich leicht einen Platz in der lateinischen Anmerkung zu meiner R. anweisen. Es ist ein ziemlich ähnlicher Fall, wie bei den Comp. pitṛshvasṛ, mâtṛshvasṛ. Das sollte auf das folgende s sich keinen Einfluß erlauben, und doch thut es dies. Dafür kann man die Sprache im Wörterbuch etwas auszanken. Solche Fälle gehören wirklich besser ins Wörterbuch als in die Grammatik, wo man nicht die Richtigkeit der Schreibart aller Composita prüfen kann. Aber allen Respekt vor ihrem xubhnâdi; dies dürfte nicht in meiner Grammatik fehlen, und doch fehlt es wie vielleicht noch manches andere. Vor dem gänzlichen Uebersehen ist man in solchen Werken am wenigsten sicher. Zu meinem Trost sind tṛp und xubh sehr bescheidene Wurzeln, die sich bei Schriftstellern nicht leicht in der Umgebung von nu und zeigen. Was ist wohl der Grund, daß diese beiden Wurzeln das n von nu und etc. nicht umwandeln, wenn dem wirklich so ist? Panini ist wahrscheinlich hierüber stumm; denn die indischen Grammatiker, um mich Ihres Ausdrucks zu bedienen, sind nicht Leute danach sich nach Gründen von Spracherscheinungen umzusehen. Wahrscheinlich wird das n unter dem unmittelbaren Schutz des vorhergehenden Labials von dem Einflusse des oder sh befreit. Wenn es aber Luft bekommt durch einen dazwischentretenden Vocal, so geht das n in über. Wilson schreibt tarpaṇa, tarpaṇî; Sie aber schreiben S. 281 śl. 3 tarpyamâna. Der große Irrthum von R. 110 ist in der lateinischen Ausgabe (S. 109) vermieden. Ich habe absichtlich keine Beispiele von revoltirenden Wurzeln gegeben; denn manches ist mir noch verdächtig. Wilkins und Wilson schreiben nad und doch praṇâṭha. Der Wurzel nṛt traue ich zu, daß sie das n nicht umwandele, damit nicht der Linguallaute zu viel werden. Dies würde zu dem stimmen, was ich S. 80 der lat. Ausg. von den Wurzeln mit sage.
Was immer Panini für treffliche Aufschlüsse geben mag, wovon ich wünsche, daß Sie sie zu Tag und Ehre bringen möchten, so wird er mich doch in der Ueberzeugung nicht wankend machen, daß das s in saṃskṛta eine euphonische Einschiebung sei, wenn man euphonisch den Gebrauch eines Buchstabens nennen will, der nur darum entsteht, weil er sehr gerne mit dem folgenden sich verbindet, wie s mit k, zwei geschworene Freunde. Auch im Lateinischen gestatten ja einige Präpositionen vor c, qu, und p und t die euphonische Einschiebung eines s. Ich nehme keine Präposition abs und obs an, sondern erkläre das s von abscondo, abs te, ostendo (für obstendo) für euphonische Einschiebung. Sie haben, wie mir scheint zu viel Vertrauen zu den indischen Grammatikern und vielleicht zu viel zu der innerlichen Gewalt der combinirenden Sprachforschung, die eine Sprache aus der anderen und jede wiederum aus ihrem eigenen organischen Bau zu begreifen sucht. Sie wollen eine historische Grundlage und finden eine solche in dem abweichendem Sprachgebrauch der Vedaʼs; allein davon wissen wir noch viel zu wenig, und wenn wir mehr davon wissen werden, wird es wieder darauf ankommen, die geeigneten Folgen daraus zu ziehen. Dazu aber müssen wir wiederum die Autorit. der indischen Grammatiker auf Seite setzen und den Weg selbständiger Forschung einschlagen.
Von den Denominativen behaupte ich, daß die Sanskritsprache keinen sehr häufigen Gebrauch mache; und diese Behauptung, glaube ich, werden Sie durch Beispiele, an denen es mir ebenfalls nicht fehlt, nicht widerlegen können. Ich halte es für zweckmäßig zuweilen zu bemerken, daß man etwas bei Schriftstellern noch nicht gefunden habe, daß es selten sei oder sehr selten. Gewiß ist es, daß die indischen Grammatiker vieles, durch einen grammatischen Instinkt geleitet, eigenmächtig gebildet haben; der Beweis, ob etwas vorkomme oder gar nicht, kann freilich bei einer ins Unendliche gehenden Litteratur nicht geliefert werden. – Ihre Bemerkungen über den Nalus haben Sie mir hier zurückgelassen. Wenn ich von etwas Gebrauch mache werde ich nicht ermangeln Sie dankbar zu erwähnen; nur muß ich mir die Freiheit nehmen Sie auch zuweilen zu bekämpfen. Die Schriftproben wird Lichtenstein Ihnen schicken.... Meine Sündflut nebst anderen Episoden, im Original nebst der Uebersetzung, bitte ich wohlwollend aufzunehmen. Außer den angezeigten nicht wenigen Druckfehlern sind mir noch einige Versehen gegen den richtigen Gebrauch der beiden Apostrophe und gegen die Verwandlung des schließenden m und s entgangen.
ln der Hoffnung, daß Sie die übermäßige Länge des Briefes entschuldigen werden, verharre ich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ihr
ergebenster Bopp
(Ich überschicke Ihnen zugleich die lateinische Ausgabe meiner Grammatik, so weit sie bis [jetzt] gedruckt ist. Sie werden mir vielleicht zugeben, daß die mittlere Schrift zu solchem Gebrauch ganz zweckmäßig ist. In der ganz kleinen möchte ich das Werk Niemanden zu lesen zumuthen.)
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