• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Unknown · Date: 27.07.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.07.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 423‒425.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 230‒232.
  • Incipit: „[1] Kölln den 27ten Juli. 1807.
    Herzlich geliebter Freund,
    ich hätte Deinen letzten Brief freilich gleich beantworten sollen; aber man war in dieser [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,37
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 20,4 x 12,5 cm
[1] Kölln den 27ten Juli. 1807.
Herzlich geliebter Freund,
ich hätte Deinen letzten Brief freilich gleich beantworten sollen; aber man war in dieser Zeit so unruhig gespannt, daß ich immer von einem Tag zum andern gewartet habe, in der Hoffnung, endlich einmal etwas Entscheidendes zu erfahren; um so mehr, da ich vor kurzem einen Brief von Düsseldorf erhalte, der es wahrscheinlich macht, daß dort vielleicht mit einemmale die Sache zu Stande kommt. Es wäre mir in der Tath jetzt sehr Recht, diese Stelle zu haben aber man kann noch nicht darauf rechnen, da einem auch das sicherste so unter den Händen wegschlüpft, und alles so ganz vom allgemeinen Lauf der Dinge abhängt. – Jene Aussicht wegen der Persischen Gesandtschaft hast Du sehr richtig beurtheilt, daß nehmlich wenn auch die Anstellung nicht sehr wahrscheinlich ist, es doch nicht schaden kann, wenn mein Nahme dabei in Anregung gebracht wird. Hat also die Stael Lust, einen verlohrnen Brief mehr an mich zu wenden, so werde ich dankbar dafür seyn, wenn sie Degerando bei dieser Gelegenheit von neuem aufmerksam auf mich macht. Doch wer weiß, welche Wendung jetzt nach dem Frieden mit Rußland die ganze [2] Sache nimmt! – Unterdessen arbeite ich fleißig an meinem Indischen Werk; an ein 500 Verse sind schon übersetzt, die ich noch allenfalls hinzuzufügen Lust habe, sind die leichtesten, und sind auch im Nothfall nicht unentbehrlich; so bin ich also an dem prosaischen Theil, der so durchgearbeitet ist, daß es eigentlich nur ein Ordnen und etwas mühsames Abschreiben ist, woran ich nun so eben gehe. Ich wünschte herzlich erst fertig zu sein, theils weil man doch immer eine Art Ungeduld hat, wenn man 3 Monath von Morgen bis Abend mit demselben Gegenstande beschäftigt war; am meisten aber um zum Mittelalter und zur Poesie zu kommen. – Ich wünschte sehr Dir meine Indischen Verse zeigen zu können – um Dich zu fragen, ob es denn auch Verse sind; wenigstens hoffe ich daß sie doch nicht ganz Vossisch sind, noch auch wie Hagemanns Huhn[?] und alter Käse aus dem Persischen. – In das Morgenblatt habe ich einige Sprüche, und kürzlich auch die Rede der Sakontala eingeschickt. Aber das bekommst Du wohl dort nicht? – Cotta schrieb mir übrigens, daß nun nach dem Frieden das Mittelalter wohl zu Ostern erscheinen könne. Mit der Ankündigung denkʼ ich hat es aber doch [3] noch etwas Zeit. – Bei Gelegenheit der Indischen Arbeit habe ich auch Herders theologisch-orientalische Sachen wiedergelesen; trotz vieler Schwäche in Kenntniß und Einsicht ist doch schöne Ahndung darin und mit unter herrlich geschrieben; das beste gewiß oder vielleicht das einzige Gute was er je gemacht. Aber auch ein trauriges Beispiel, wie tief der [sich] selbst überlassene Geist sinken kann, wenn man seine letzten Lebensjahre dagegen hält.
Auch las und blätterte ich in Nicolaus Cusanus. (Philosoph und Mathematiker † 1465 aus Trier gebürtig, ward Cardinal, lebte theils in Deutschland theils in Italien). Ein Philosoph – in dem Sinne, daß Leibnitz und solche ganz flach und seicht dagegen scheinen. Mirandola und Reuchlin haben beide aus ihm geschöpft; so erregend ist er wohl nicht als diese, aber wie der Grundstein vom festesten, gründlichsten Tiefsinn. Für unser Mittelalter ist er mir zu dunkel, und mit seinem sehr einfachen classischen aber halb geheimnißvoll selbstgebildeten Latein zu unübersetzlich. – Unterdessen ists doch gut, daß ich alles dieß kennen lerne; so ich mehr finde will ich Dir mehr berichten.
Von Charlotte habe ich einen sehr freundlichen und freundschaftlichen Brief, der lauter Gutes enthält. [4] Sie sah Knorring, der ihr viel von S.[ophie] B.[ernhardi] erzählt hat. Hast Du schon gewußt, daß sie katholisch geworden ist? – Von ihrem Florio und Blancheflure wird viel Rühmens gemacht. – Liebster Freund, laß Dich ja nicht üble Laune anfechten, und arbeite was es auch sei nur poetisches. Das wird Dir die beste Erfrischung und Labsal sein. Deinen Walther von Aquitanien wünschte ich unaussprechlich! – Kannst Du mir nicht etwas mehr schreiben was für Verdrießlichkeiten die Stael gehabt? – sobald neue Plane gemacht sind, theile sie mir mit! – Das Gedicht auf die Jungfrau von Orleans solltest Du doch jetzt lieber nicht einzeln drucken lassen, in der Sammlung Deiner Gedichte ginge es; der Augenblick ist jetzt zu gespannt, und die Aufmerksamkeit wird durch die Parallele de Phedre ohnehin schon sehr auf Dich gelenkt werden. – Der Frieden mißfällt mir weniger als ich gefürchtet habe – daß Sachsen an Preußens Stelle tritt, ist recht gut; wenn nur O.[esterreich] glücklich durch den Sturm kömmt! Ich ahnde von mancher Seite viel Gutes und kann die Hoffnung nicht sinken lassen. – Daß meine eigne Lage immer so ungewiß und irr ist, stört mich je mehr und mehr und es darf nicht lange mehr dauern.
[5] Die U.[nger] hat noch immer nichts von sich hören lassen, so daß ich bald in Verlegenheit bin. – Kommt es mit Düsseldorf nicht zu Stande, so weiß ich eigentlich nicht Recht, was ich auf den Winter machen soll. Ich dachte erst, meine Frau nach Dreßden zu schicken, wo sie Charlotte freundlichst einladet und sie auf der Bibliothek schön arbeiten könnte; wo ich denn unterdessen in Frankfurt eine Vorlesung hielte, oder bei Hardenberg lebte und arbeitete; aber zur Reise nach Dreßden und um hier ganz frei zu sein gehört eine ziemliche Summe Geldes. Das Indische Werk wird mich eben nicht reich machen, überhaupt ist fast mit allem was ich jetzt schreiben kann, nicht sehr viel zu gewinnen. – Doch genug der Sorgen und Klagen, ich wünschte nur, daß Du Deinerseits ganz frei davon wärest. Die besten Empfehlungen an die Stael.
Friedrich.

Ueber Dein Griechisch Reden habe ich eine rechte Freude und möchtʼ es nur erst hören können. Wir können doch in der That an Sprachgelehrsamkeit und Virtuosität jetzt so viel zusammen bringen, daß uns nicht leicht ein andrer darin überbieten wird.
[6]
Aus Sakontalas Rede
Nicht Gewänder und Frauen nicht, Wellen sind zu berühren nicht
So sanft, als des umarmenden Kindes Berührung lieblich ist.

Schema
͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ | ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ᴗ – ᴗ ͟ᴗ ǁ
͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ | ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ͞ᴗ ᴗ – ᴗ ͟ᴗ ǁ

Aus Monus Kosmogonie
In dem Ei sitzend ein Jahr lang that da nichts jener göttliche;
Selber dann durch des Geists Denken hat er das Ei entzweigetheilt.
[1] Kölln den 27ten Juli. 1807.
Herzlich geliebter Freund,
ich hätte Deinen letzten Brief freilich gleich beantworten sollen; aber man war in dieser Zeit so unruhig gespannt, daß ich immer von einem Tag zum andern gewartet habe, in der Hoffnung, endlich einmal etwas Entscheidendes zu erfahren; um so mehr, da ich vor kurzem einen Brief von Düsseldorf erhalte, der es wahrscheinlich macht, daß dort vielleicht mit einemmale die Sache zu Stande kommt. Es wäre mir in der Tath jetzt sehr Recht, diese Stelle zu haben aber man kann noch nicht darauf rechnen, da einem auch das sicherste so unter den Händen wegschlüpft, und alles so ganz vom allgemeinen Lauf der Dinge abhängt. – Jene Aussicht wegen der Persischen Gesandtschaft hast Du sehr richtig beurtheilt, daß nehmlich wenn auch die Anstellung nicht sehr wahrscheinlich ist, es doch nicht schaden kann, wenn mein Nahme dabei in Anregung gebracht wird. Hat also die Stael Lust, einen verlohrnen Brief mehr an mich zu wenden, so werde ich dankbar dafür seyn, wenn sie Degerando bei dieser Gelegenheit von neuem aufmerksam auf mich macht. Doch wer weiß, welche Wendung jetzt nach dem Frieden mit Rußland die ganze [2] Sache nimmt! – Unterdessen arbeite ich fleißig an meinem Indischen Werk; an ein 500 Verse sind schon übersetzt, die ich noch allenfalls hinzuzufügen Lust habe, sind die leichtesten, und sind auch im Nothfall nicht unentbehrlich; so bin ich also an dem prosaischen Theil, der so durchgearbeitet ist, daß es eigentlich nur ein Ordnen und etwas mühsames Abschreiben ist, woran ich nun so eben gehe. Ich wünschte herzlich erst fertig zu sein, theils weil man doch immer eine Art Ungeduld hat, wenn man 3 Monath von Morgen bis Abend mit demselben Gegenstande beschäftigt war; am meisten aber um zum Mittelalter und zur Poesie zu kommen. – Ich wünschte sehr Dir meine Indischen Verse zeigen zu können – um Dich zu fragen, ob es denn auch Verse sind; wenigstens hoffe ich daß sie doch nicht ganz Vossisch sind, noch auch wie Hagemanns Huhn[?] und alter Käse aus dem Persischen. – In das Morgenblatt habe ich einige Sprüche, und kürzlich auch die Rede der Sakontala eingeschickt. Aber das bekommst Du wohl dort nicht? – Cotta schrieb mir übrigens, daß nun nach dem Frieden das Mittelalter wohl zu Ostern erscheinen könne. Mit der Ankündigung denkʼ ich hat es aber doch [3] noch etwas Zeit. – Bei Gelegenheit der Indischen Arbeit habe ich auch Herders theologisch-orientalische Sachen wiedergelesen; trotz vieler Schwäche in Kenntniß und Einsicht ist doch schöne Ahndung darin und mit unter herrlich geschrieben; das beste gewiß oder vielleicht das einzige Gute was er je gemacht. Aber auch ein trauriges Beispiel, wie tief der [sich] selbst überlassene Geist sinken kann, wenn man seine letzten Lebensjahre dagegen hält.
Auch las und blätterte ich in Nicolaus Cusanus. (Philosoph und Mathematiker † 1465 aus Trier gebürtig, ward Cardinal, lebte theils in Deutschland theils in Italien). Ein Philosoph – in dem Sinne, daß Leibnitz und solche ganz flach und seicht dagegen scheinen. Mirandola und Reuchlin haben beide aus ihm geschöpft; so erregend ist er wohl nicht als diese, aber wie der Grundstein vom festesten, gründlichsten Tiefsinn. Für unser Mittelalter ist er mir zu dunkel, und mit seinem sehr einfachen classischen aber halb geheimnißvoll selbstgebildeten Latein zu unübersetzlich. – Unterdessen ists doch gut, daß ich alles dieß kennen lerne; so ich mehr finde will ich Dir mehr berichten.
Von Charlotte habe ich einen sehr freundlichen und freundschaftlichen Brief, der lauter Gutes enthält. [4] Sie sah Knorring, der ihr viel von S.[ophie] B.[ernhardi] erzählt hat. Hast Du schon gewußt, daß sie katholisch geworden ist? – Von ihrem Florio und Blancheflure wird viel Rühmens gemacht. – Liebster Freund, laß Dich ja nicht üble Laune anfechten, und arbeite was es auch sei nur poetisches. Das wird Dir die beste Erfrischung und Labsal sein. Deinen Walther von Aquitanien wünschte ich unaussprechlich! – Kannst Du mir nicht etwas mehr schreiben was für Verdrießlichkeiten die Stael gehabt? – sobald neue Plane gemacht sind, theile sie mir mit! – Das Gedicht auf die Jungfrau von Orleans solltest Du doch jetzt lieber nicht einzeln drucken lassen, in der Sammlung Deiner Gedichte ginge es; der Augenblick ist jetzt zu gespannt, und die Aufmerksamkeit wird durch die Parallele de Phedre ohnehin schon sehr auf Dich gelenkt werden. – Der Frieden mißfällt mir weniger als ich gefürchtet habe – daß Sachsen an Preußens Stelle tritt, ist recht gut; wenn nur O.[esterreich] glücklich durch den Sturm kömmt! Ich ahnde von mancher Seite viel Gutes und kann die Hoffnung nicht sinken lassen. – Daß meine eigne Lage immer so ungewiß und irr ist, stört mich je mehr und mehr und es darf nicht lange mehr dauern.
[5] Die U.[nger] hat noch immer nichts von sich hören lassen, so daß ich bald in Verlegenheit bin. – Kommt es mit Düsseldorf nicht zu Stande, so weiß ich eigentlich nicht Recht, was ich auf den Winter machen soll. Ich dachte erst, meine Frau nach Dreßden zu schicken, wo sie Charlotte freundlichst einladet und sie auf der Bibliothek schön arbeiten könnte; wo ich denn unterdessen in Frankfurt eine Vorlesung hielte, oder bei Hardenberg lebte und arbeitete; aber zur Reise nach Dreßden und um hier ganz frei zu sein gehört eine ziemliche Summe Geldes. Das Indische Werk wird mich eben nicht reich machen, überhaupt ist fast mit allem was ich jetzt schreiben kann, nicht sehr viel zu gewinnen. – Doch genug der Sorgen und Klagen, ich wünschte nur, daß Du Deinerseits ganz frei davon wärest. Die besten Empfehlungen an die Stael.
Friedrich.

Ueber Dein Griechisch Reden habe ich eine rechte Freude und möchtʼ es nur erst hören können. Wir können doch in der That an Sprachgelehrsamkeit und Virtuosität jetzt so viel zusammen bringen, daß uns nicht leicht ein andrer darin überbieten wird.
[6]
Aus Sakontalas Rede
Nicht Gewänder und Frauen nicht, Wellen sind zu berühren nicht
So sanft, als des umarmenden Kindes Berührung lieblich ist.

Schema
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Aus Monus Kosmogonie
In dem Ei sitzend ein Jahr lang that da nichts jener göttliche;
Selber dann durch des Geists Denken hat er das Ei entzweigetheilt.
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