• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Unknown · Date: 17.11.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 17.11.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 473‒474.
  • Incipit: „[1] Paris den 17ten November [180]7
    Wüßten Sie lieber Freund, wie sehr mich Ihr Andenken freut und wie herzlich vergnügt ich werde, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,6
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U. Henriette
  • Format: 17,8 x 11,2 cm
[1] Paris den 17ten November [180]7
Wüßten Sie lieber Freund, wie sehr mich Ihr Andenken freut und wie herzlich vergnügt ich werde, wenn ich Ihre Handschrift auf dem Briefe erkenne, so würden Sie keinen fremden Antrieb erwarten, um mir ein Zeichen der Erinnerung zu geben, indeß danke ich Ihnen und der lieben Gräfinn doch nicht weniger für alles Gute welches Ihr Brief enthält, und würde dieser gewiß selbst schreiben, was ich nun schon seit mehr als 6 Jahren nicht gethan.
Gott weis ich kann nicht ohne Lächeln daran denken, daß dieser Brief Sie in Wien trifft, oder Sie doch wenigstens auf dem Wege dahin sind, was suchen Sie in dieser unrömischen, ungriechischen, undeutschen charakterlosen Stadt? Ja wäre es noch der christliche Friedrich, der fände vielleicht [2] in Kirchen und Klöstern, was ihn die Lebenden vergeßen ließe, aber Sie müßen unter den Lebenden, oder unter Italiens Ruinen wandeln und dichten, ich glaube nicht daß Sie von Ihrem Reiseleben gern in dieser Insel Barataria ausruhn werden. Möchten Sie doch gütig und ich Ihnen werth genug sein, mir von dorther zu schreiben, wie Sie leben und sich gefallen! Ich habe Sie schon vor einiger Zeit bei meiner Freundinn der Baronin Arnstein angekündigt an welcher Sie eine recht liebenswürdige Wirthinn und in ihren Salons auch wohl mit unter angenehme Menschen finden werden, ihre Tochter haben Sie wohl sonst schon in Berlin gesehen, und werden daher gern ihre Bekanntschaft erneuen. Uebrigens hat der gute Klinger wohl Recht, Ihr Name wird wie eine Glocke die guten schlummernden wecken, und das Sondern und Verwerfen können wir Ihnen füglich überlaßen. [3] Doch kann ich nicht umhin, mich durch Sie dem preussischen Gesandten Grafen Finkenstein zu empfehlen. Es wird ihm eine wahre Freude sein Sie zu sehen, sagen Sie ihm ich bitte Sie, daß ich seiner oft und mit Wehmuth gedacht habe, und um das Schicksal seiner liebenswürdigen reizenden Schwestern sehr besorgt bin.
Wann und wo werden wir uns wieder sehn theurer Freund? mir wäre diese Erholung dieser Lichtstrahl in meinem finstern Leben wohl nöthig. Doch wie es geschehen kann sehe ich nicht, hier ist die Luft zu elektrisch, die Wolken thürmen sich schwärzer und schwärzer, auf Erquickung nach dem Unwetter dürfen wir wohl nicht mehr hoffen!
Klinger hat alles vorweg gesagt, was ich Ihnen über Ihre Comparaison schreiben wollte, nichts ist lustiger als dieser neckende schadenfrohe Ton mit welchem [4] Sie Ihre sonnenklare Kritik vor die Augen bringen, doch können Sie Sich doch nicht ganz enthalten Ihren eigenthümlichen Ton anzunehmen, und so haben Sie über Shakespeare und Calderone viel zu schön gesprochen, Sie haben darüber Ihr Publikum vergeßen. Ich sehe jeden Tag die Journale sehr gewißenhaft durch, um etwas dagegen zu finden, aber die Herren scheinen nur noch die Schwerkraft zu erregen, sind auch vielleicht noch betäubt von Verwunderung über Ihren Muth und Ihre Waffen, die Armen werden jezt auf manche Weise schwer geärgert, so gelingt es ihnen auch gar nicht den Doktor Gall so lächerlich und verächtlich zu machen als sie es wohl gewünscht.
Von der neuen Kunst Au[s]stellung könnte ich nur etwas sagen, wenn ich die Freude hätte, mit Ihnen dort herumzugehn, jezt kann sie mich nur ärgern und betäuben. Leben Sie wohl und vergnügt mein Freund, und erwarten Sie ja das Frühjahr in Wien, wo es in seiner ganzen Herrlichkeit erscheint.
Ihre Henriette
[1] Paris den 17ten November [180]7
Wüßten Sie lieber Freund, wie sehr mich Ihr Andenken freut und wie herzlich vergnügt ich werde, wenn ich Ihre Handschrift auf dem Briefe erkenne, so würden Sie keinen fremden Antrieb erwarten, um mir ein Zeichen der Erinnerung zu geben, indeß danke ich Ihnen und der lieben Gräfinn doch nicht weniger für alles Gute welches Ihr Brief enthält, und würde dieser gewiß selbst schreiben, was ich nun schon seit mehr als 6 Jahren nicht gethan.
Gott weis ich kann nicht ohne Lächeln daran denken, daß dieser Brief Sie in Wien trifft, oder Sie doch wenigstens auf dem Wege dahin sind, was suchen Sie in dieser unrömischen, ungriechischen, undeutschen charakterlosen Stadt? Ja wäre es noch der christliche Friedrich, der fände vielleicht [2] in Kirchen und Klöstern, was ihn die Lebenden vergeßen ließe, aber Sie müßen unter den Lebenden, oder unter Italiens Ruinen wandeln und dichten, ich glaube nicht daß Sie von Ihrem Reiseleben gern in dieser Insel Barataria ausruhn werden. Möchten Sie doch gütig und ich Ihnen werth genug sein, mir von dorther zu schreiben, wie Sie leben und sich gefallen! Ich habe Sie schon vor einiger Zeit bei meiner Freundinn der Baronin Arnstein angekündigt an welcher Sie eine recht liebenswürdige Wirthinn und in ihren Salons auch wohl mit unter angenehme Menschen finden werden, ihre Tochter haben Sie wohl sonst schon in Berlin gesehen, und werden daher gern ihre Bekanntschaft erneuen. Uebrigens hat der gute Klinger wohl Recht, Ihr Name wird wie eine Glocke die guten schlummernden wecken, und das Sondern und Verwerfen können wir Ihnen füglich überlaßen. [3] Doch kann ich nicht umhin, mich durch Sie dem preussischen Gesandten Grafen Finkenstein zu empfehlen. Es wird ihm eine wahre Freude sein Sie zu sehen, sagen Sie ihm ich bitte Sie, daß ich seiner oft und mit Wehmuth gedacht habe, und um das Schicksal seiner liebenswürdigen reizenden Schwestern sehr besorgt bin.
Wann und wo werden wir uns wieder sehn theurer Freund? mir wäre diese Erholung dieser Lichtstrahl in meinem finstern Leben wohl nöthig. Doch wie es geschehen kann sehe ich nicht, hier ist die Luft zu elektrisch, die Wolken thürmen sich schwärzer und schwärzer, auf Erquickung nach dem Unwetter dürfen wir wohl nicht mehr hoffen!
Klinger hat alles vorweg gesagt, was ich Ihnen über Ihre Comparaison schreiben wollte, nichts ist lustiger als dieser neckende schadenfrohe Ton mit welchem [4] Sie Ihre sonnenklare Kritik vor die Augen bringen, doch können Sie Sich doch nicht ganz enthalten Ihren eigenthümlichen Ton anzunehmen, und so haben Sie über Shakespeare und Calderone viel zu schön gesprochen, Sie haben darüber Ihr Publikum vergeßen. Ich sehe jeden Tag die Journale sehr gewißenhaft durch, um etwas dagegen zu finden, aber die Herren scheinen nur noch die Schwerkraft zu erregen, sind auch vielleicht noch betäubt von Verwunderung über Ihren Muth und Ihre Waffen, die Armen werden jezt auf manche Weise schwer geärgert, so gelingt es ihnen auch gar nicht den Doktor Gall so lächerlich und verächtlich zu machen als sie es wohl gewünscht.
Von der neuen Kunst Au[s]stellung könnte ich nur etwas sagen, wenn ich die Freude hätte, mit Ihnen dort herumzugehn, jezt kann sie mich nur ärgern und betäuben. Leben Sie wohl und vergnügt mein Freund, und erwarten Sie ja das Frühjahr in Wien, wo es in seiner ganzen Herrlichkeit erscheint.
Ihre Henriette
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