• Luise von Voss to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Groß Gievitz · Place of Destination: Unknown · Date: 04.02.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Luise von Voss
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Groß Gievitz
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 04.02.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 500‒503.
  • Incipit: „Giewitz den 4ten Febr. 1808
    Da sich mir eben eine Gelegenheit darbietet, nach Wien zu schreiben, ergreife ich sie augenblicklich, um Ihnen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,1
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 23,1 x 18,7 cm
Giewitz den 4ten Febr. 1808
Da sich mir eben eine Gelegenheit darbietet, nach Wien zu schreiben, ergreife ich sie augenblicklich, um Ihnen endlich für Ihren Brief und für die mir durch Herrn von Clausewitz zugeschickten herrlichen Gedichte, meinen herzlichen Dank zu bringen! Sie haben mich recht innig dadurch erfreut, und ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie wohlthuend jetzt jeder kräftige Laut aus einem Deutschen Gemüth mir ist. Möge der Himmel Ihre und Ihres treflichen Bruders Bemühungen seegnen. Die Gesichten unseres alten Ruhms treten zwar immer mehr ins Gebiet der Fabeln zurück – aber einzelne Funken zünden doch, und wenn nur eine kleine unsichtbahre Kirche sich erhällt, so wollen wir im frommen Glauben leben daß aus der kleinsten Wurzel wenn sie nur gesund ist, ein Stamm herrlich hervorgehen kann der grünen und blühen wird und unsere Kinder werden in seinen Schatten wandeln und ruhen und die frommen Väter seegnen die die Wurzel pflegten!
Wann werden Ihre Ansichten erscheinen? ich bin recht begierig darauf – allein Alles was Sie mir gesandt werden Sie doch nicht können drucken lassen – die Wahrheit der Schilderungen ist zu treffend und kräftig, obgleich wir Deutschen uns sonst doch eigentlich Alles sagen können was wir wollen ohne Furcht daß wir verstanden oder übersetzt würden, davor schützt uns der heilige Geist. Ein fast zum Deutschen gewordener, sehr geistreicher Franzose schrieb letzhin von Wolfs Museum, „pour traduire un livre allemand de cette nature en français, il faudrait y faire le même travail quʼa fait le Schuhlrath Campe sur tant de livres, pour les mettre a la porté des Enfans“ – und wenn er nun noch dahinter gekommen seyn wird daß es Bücher giebt die sich überall nicht a la porté des Enfans setzen lassen, so wird er wohl von der unmöglichkeit der Traductions überzeugt seyn. Der Nehmliche schildert den jetztigen Zustand der französischen Cultur sehr treffend wie mir scheint mit wenig Worten – on demande chez nous, des mathematiques de la physique bien empirique bien applicable aux manufactures des petits romans licencieux des operas des Alexandrins a la Delille et enfin la barbarie en bas de soye et en habits brodés. Ihre Freundin wird vielleicht dieser Meinung noch nicht seyn! aber wird sie denn nicht zurück kommen von der Liebhaberei an einem Volck das sie so wenig zu schätzen weiß, und ihr so empöhrende öffentliche Beweise davon giebt, wie es kürzlich wieder geschehen ist?
Wie ist denn Ihre Phädra aufgenommen worden? Turneisen hat sie mir geschickt wofür ich Ihnen recht sehr verbunden bin. Sie hat mir recht großes Vergnügen gewährt – nur ist sie viel zu gut um dort verstanden zu werden. Wolf der gerade bey mir war hat sich sehr daran erfreut auszufinden wie die Fr[an]z[osen] wohl diese Griechische Ansicht aufnehmen würden.
Haben Sie Wolfs Museum der Alterthumskunde gesehn? Es ist ein viel versprechender Anfang. Das zweite Stück wird von Hirt über die Baukunst bearbeitet – dann wird Spalding einen Aufsatz über die Prolegomena zum Homer geben – auch Buttmann und Schleiermacher werden Theil daran nehmen. Wolf war über 4 Wochen hier und hat uns erst gestern verlassen. Er läßt sich Ihnen und der Frau v. Stael herzlich empfehlen. Ich fürchte wir werden ihn verlieren; seine ganze Hoffnung war auf die in Berlin zu errichtende Universität gegründet. Da es aber sehr übel damit aussieth wie denn überhaupt mit allem bey uns, so nimmt er wahrscheinlich einen Ruf nach Rußland an.
Was soll ich Ihnen über Müller sagen? die That spricht zu laut; – aber eine merckwürdige Erscheinung bleibt er immer, wie man eine Art von Energie und Begeißterung in der Feder, und ich möchte fast sagen im Kopfe mit einem so entschieden schwachen und erbärmlichen und der gemeinsten Prosa zugethanen Character verbinden kann. Denn die erste Veranlassung zu seinem Fall war die Furcht des Hungertodts zu sterben. Wenn wir uns einst sprechen kann ich Ihnen merkwürdige Beläge zu seiner kläglichen passions Geschichte geben, die wircklich bis zum Höchstkomischen gegangen ist.
Büry der mich auch in diesen Tagen besucht hat ist sehr über Ihr Andencken erfreut. Er ist immer wacker und fleissig wie Sie ihn kennen – seine Verbindung mit der treflichen Churprinzeß von Hessen die jetzt in Berlin lebt hat ihn für Mangel geschützt und in den Stand gesetzt ruhig fortzuarbeiten. Seine Schweitzer sind vollendet – ein herrliches Bild des kleinen Prinzen von Hessen scheint mir beynah das Gelungenste was er je hervorgebracht hat. Amor, der Jupiters Stuhl bestiegen hat, genügt mir in seiner Art nicht so volkommen. Jetzt macht er einen Engel Michael der das Böse Prinzip so eben in [den] Krater des Vesuvs hinabgestürzt hat und nun im Glanz der aufgehenden MorgenSonne, siegreich über die Welt unter sich schaut. Ein herrlicher Vorwurf – aber ob ausführbar für den Pinsel ist die große Frage.
Herrn v. Clausewitz habe ich noch nicht gesehn seit er von Copet gekommen – er ist mir immer als ein interressanter Mensch geschildert worden, scheint mir aber einen großen Hang zu einer kräncklichen Verstimmung des Gemüths zu haben und die taugt jetzt nichts. Um uns zu helfen müssen wir uns durchaus gesund und rüstig erhalten.
Henriette Mendelssohn hat mich durch einen Brief erfreut – sie hat auch sogleich eine Antwort erhalten. – Meine Mutter ist in Königsberg seit wenigen Tagen. Bis dahin war sie hier. Sie hat meinen Genuß an Ihren Gedichten recht lebhaft geteilt. Das
Theure Brüder in Bedrängniß
haben wir nie ohne Thränen gelesen! –
Mein Brief ist schon so lang daß ich schnell aufhören will. Empfehlen Sie mich der F[rau] v St[aël] recht herzlich. Mein Mann grüßt Sie tausendmahl. Leben Sie recht wohl!
L.[uise] Voß

Wenn Sie Ihre Antwort nur an den Major Schwartz geben wollen wird sie mir schnell und sicher zukommen.
Giewitz den 4ten Febr. 1808
Da sich mir eben eine Gelegenheit darbietet, nach Wien zu schreiben, ergreife ich sie augenblicklich, um Ihnen endlich für Ihren Brief und für die mir durch Herrn von Clausewitz zugeschickten herrlichen Gedichte, meinen herzlichen Dank zu bringen! Sie haben mich recht innig dadurch erfreut, und ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie wohlthuend jetzt jeder kräftige Laut aus einem Deutschen Gemüth mir ist. Möge der Himmel Ihre und Ihres treflichen Bruders Bemühungen seegnen. Die Gesichten unseres alten Ruhms treten zwar immer mehr ins Gebiet der Fabeln zurück – aber einzelne Funken zünden doch, und wenn nur eine kleine unsichtbahre Kirche sich erhällt, so wollen wir im frommen Glauben leben daß aus der kleinsten Wurzel wenn sie nur gesund ist, ein Stamm herrlich hervorgehen kann der grünen und blühen wird und unsere Kinder werden in seinen Schatten wandeln und ruhen und die frommen Väter seegnen die die Wurzel pflegten!
Wann werden Ihre Ansichten erscheinen? ich bin recht begierig darauf – allein Alles was Sie mir gesandt werden Sie doch nicht können drucken lassen – die Wahrheit der Schilderungen ist zu treffend und kräftig, obgleich wir Deutschen uns sonst doch eigentlich Alles sagen können was wir wollen ohne Furcht daß wir verstanden oder übersetzt würden, davor schützt uns der heilige Geist. Ein fast zum Deutschen gewordener, sehr geistreicher Franzose schrieb letzhin von Wolfs Museum, „pour traduire un livre allemand de cette nature en français, il faudrait y faire le même travail quʼa fait le Schuhlrath Campe sur tant de livres, pour les mettre a la porté des Enfans“ – und wenn er nun noch dahinter gekommen seyn wird daß es Bücher giebt die sich überall nicht a la porté des Enfans setzen lassen, so wird er wohl von der unmöglichkeit der Traductions überzeugt seyn. Der Nehmliche schildert den jetztigen Zustand der französischen Cultur sehr treffend wie mir scheint mit wenig Worten – on demande chez nous, des mathematiques de la physique bien empirique bien applicable aux manufactures des petits romans licencieux des operas des Alexandrins a la Delille et enfin la barbarie en bas de soye et en habits brodés. Ihre Freundin wird vielleicht dieser Meinung noch nicht seyn! aber wird sie denn nicht zurück kommen von der Liebhaberei an einem Volck das sie so wenig zu schätzen weiß, und ihr so empöhrende öffentliche Beweise davon giebt, wie es kürzlich wieder geschehen ist?
Wie ist denn Ihre Phädra aufgenommen worden? Turneisen hat sie mir geschickt wofür ich Ihnen recht sehr verbunden bin. Sie hat mir recht großes Vergnügen gewährt – nur ist sie viel zu gut um dort verstanden zu werden. Wolf der gerade bey mir war hat sich sehr daran erfreut auszufinden wie die Fr[an]z[osen] wohl diese Griechische Ansicht aufnehmen würden.
Haben Sie Wolfs Museum der Alterthumskunde gesehn? Es ist ein viel versprechender Anfang. Das zweite Stück wird von Hirt über die Baukunst bearbeitet – dann wird Spalding einen Aufsatz über die Prolegomena zum Homer geben – auch Buttmann und Schleiermacher werden Theil daran nehmen. Wolf war über 4 Wochen hier und hat uns erst gestern verlassen. Er läßt sich Ihnen und der Frau v. Stael herzlich empfehlen. Ich fürchte wir werden ihn verlieren; seine ganze Hoffnung war auf die in Berlin zu errichtende Universität gegründet. Da es aber sehr übel damit aussieth wie denn überhaupt mit allem bey uns, so nimmt er wahrscheinlich einen Ruf nach Rußland an.
Was soll ich Ihnen über Müller sagen? die That spricht zu laut; – aber eine merckwürdige Erscheinung bleibt er immer, wie man eine Art von Energie und Begeißterung in der Feder, und ich möchte fast sagen im Kopfe mit einem so entschieden schwachen und erbärmlichen und der gemeinsten Prosa zugethanen Character verbinden kann. Denn die erste Veranlassung zu seinem Fall war die Furcht des Hungertodts zu sterben. Wenn wir uns einst sprechen kann ich Ihnen merkwürdige Beläge zu seiner kläglichen passions Geschichte geben, die wircklich bis zum Höchstkomischen gegangen ist.
Büry der mich auch in diesen Tagen besucht hat ist sehr über Ihr Andencken erfreut. Er ist immer wacker und fleissig wie Sie ihn kennen – seine Verbindung mit der treflichen Churprinzeß von Hessen die jetzt in Berlin lebt hat ihn für Mangel geschützt und in den Stand gesetzt ruhig fortzuarbeiten. Seine Schweitzer sind vollendet – ein herrliches Bild des kleinen Prinzen von Hessen scheint mir beynah das Gelungenste was er je hervorgebracht hat. Amor, der Jupiters Stuhl bestiegen hat, genügt mir in seiner Art nicht so volkommen. Jetzt macht er einen Engel Michael der das Böse Prinzip so eben in [den] Krater des Vesuvs hinabgestürzt hat und nun im Glanz der aufgehenden MorgenSonne, siegreich über die Welt unter sich schaut. Ein herrlicher Vorwurf – aber ob ausführbar für den Pinsel ist die große Frage.
Herrn v. Clausewitz habe ich noch nicht gesehn seit er von Copet gekommen – er ist mir immer als ein interressanter Mensch geschildert worden, scheint mir aber einen großen Hang zu einer kräncklichen Verstimmung des Gemüths zu haben und die taugt jetzt nichts. Um uns zu helfen müssen wir uns durchaus gesund und rüstig erhalten.
Henriette Mendelssohn hat mich durch einen Brief erfreut – sie hat auch sogleich eine Antwort erhalten. – Meine Mutter ist in Königsberg seit wenigen Tagen. Bis dahin war sie hier. Sie hat meinen Genuß an Ihren Gedichten recht lebhaft geteilt. Das
Theure Brüder in Bedrängniß
haben wir nie ohne Thränen gelesen! –
Mein Brief ist schon so lang daß ich schnell aufhören will. Empfehlen Sie mich der F[rau] v St[aël] recht herzlich. Mein Mann grüßt Sie tausendmahl. Leben Sie recht wohl!
L.[uise] Voß

Wenn Sie Ihre Antwort nur an den Major Schwartz geben wollen wird sie mir schnell und sicher zukommen.
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