Zuerst ebenfalls von unsrer Abrechnung; das Kapital ist so viel ich rechnen kann durch ihre Sendungen nicht allein getilgt, sondern Sie haben noch etwas drüber bezahlt; doch da ich in diesen Berechnungen u. in Zurückführung einer Goldart auf die andre nicht eben sehr geschickt bin, so will ich erst das ganze von einem darinn bewanderten Manne nochmals berechnen lassen.
Die Berechnung der Interessen verspare ich anʼs Ende dieses Briefs, weil ich die Papiere nicht zur Hand habe, u. also erst in der Stadt, vor Abgang des Briefs, die genaue Rechnung zu machen im Stande bin.
Ihren Bedenklichkeiten in Ansehung Thorwaldsens, namentlich wie u. ob er die Büste der Seligen zu verfertigen geneigt und im Stande ist, kann ich in so ferne begegnen, als ich die Tieckʼsche Büste nach Rom gesendet habe, wo sie schon vor ½ Jahr u. drüber glücklich angekommen ist, u. daß Thorwaldsen mir noch unter dem 14. Apr. d. J. geschrieben hat: „Sämtliche Arbeiten zu dem Monumente sind in Ausführung u. werden auch in diesem Jahre noch vollendet. Die Büste ist von einem schönen Stück Marmor u. wird nächstens ganz fertig.
Daß ich ihm in Ansehung der letztern vor Allem Ähnlichkeit dringend empfohlen, können Sie sich leicht denken. Leider hat freylich Tieck das geliebte Kind ebenso wenig gesehen, u. auch seine nach dem Bildniß unter den Augen der Mutter verfertigte Büste ist nicht mehr Erinnerung als Vergegenwärtigung.
Hiemit ist die andre Bemerkung, daß T. ein Eigentumsrecht auf seine Arbeit habe freylich nicht aufgehoben. Tieck hatte inzwischen die Büste doch nur zum Behuf des Denkmahls verfertigt; seine Arbeit wurde ihm damals nicht bezahlt, weil sie zum voraus mit auf die Kosten des Monuments selbst gerechnet wurde. Wer konnte sich auch seine langen Zögerungen vorstellen? Hieraus folgt, daß er nunmehr billig die Bezahlung jener Arbeit fordern, nicht aber daß er ein Eigenthums Recht an eine bey ihm bestellte u. von ihm abgelieferte Arbeit ansprechen kann. Ich halte mich in der Seele der Mutter verbunden, ihm diesen Ersatz seiner Arbeit zu leisten; haben Sie die Güte, den Betrag nach einem billigen Maßstab zu bestimmen; da Sie ohnedieß wahrscheinlich im Vorschuß gegen ihn sind, so wird es nichts, als des Abzugs am Belauf der Zinsen (wenn sie wie kein Zweifel mehr betragen) bedürfen, um zugleich unsre Schuld bei T. u. Tiecks Schuld bey Ihnen (zum Theil oder ganz) zu tilgen.
Ihre Nachrichten von dem Befinden der Frau v. Staël haben mich sehr betrübt, u. von Zeit zu Zeit habe ich seitdem auch von andern Seiten leider! das Nämliche hören müssen. Möge der, wenn auch später gekommene Frühling seine Heilkraft beweisen, u. die Kraft und Gesundheit der verehrten Frau herstellen, deren Erhaltung eine Angelegenheit aller Menschen von Herz u. Geist seyn muß.
Ich habe in den ersten Heften des D. Museums mit Vergnügen besonders Ihre Abh. gelesen. Wären Sie nur in Ansehung des Liedes der Nibelungen nicht allzu sparsam gewesen! Ich verlange ungemein nach Ihren historischen Erläuterungen seines Ursprungs, u. der ihm zu Grunde liegenden Tatsachen. Ich habe es bey der Lektüre dieses Gedichts, die ich, seit seiner Erscheinung in einer mir zugänglichen Gestalt, wol kein Halbjahr zu wiederholen unterlassen, oft gefühlt, was Ihr Herr Bruder bey einer andern Gelegenheit so schön bemerkt, wie viel in Ansehung der reellen Wirkung eines solchen Gedichts auf die Kenntniß des histor. Fundaments ankommt. Gefreut hat es mich, daß Sie auf die Einführung der Nibelungen als Haupt- u. Grund-buchs in den Schulen so sehr dringen. Ich hatte das nämliche Gefühl seiner möglichen oder vielmehr unausbleiblichen u. unwiderstehlichen Wirkung auf die Jugend, u. habe schon vor 4 Jahren bei Gelegenheit einer Recens. von Niethammers Buch über Philanthropinismus u. Humanismus des Unterrichts, in der Jen. A. L. Z. den darauf gegründeten Wunsch ausgedrückt, indem ich besonders der Einseitigkeit der jetzt in Baiern mit Macht, u. fast bis zum Ausschluß alles andern getriebenen Beschäftigung mit dem röm. u. griech. Alterthum entgegenzuwirken suchte.
Dem Herrn Docen habe ich zwar Ihren Brief sogleich übergeben, auch seitdem oftmals die mündliche Versicherung einer Antwort oder doch eines Bescheids über den Stand seiner Vergleichungs-Arbeit erhalten; allein dieser Mann beschäftigt sich mit so mancherley Sachen und Sächlein, daß er noch immer nicht hat dazu kommen können. Was er als Vergütung seiner Arbeit ansprechen kann, werde ich ihm (darauf bitte ich zu rechnen) sogleich auszahlen. – Unsre Bibliothek befindet sich seit einiger Zeit in ziemlicher Krisis. Der Gelehrte, welcher an Hrn. v. Aretins Stelle Ober Bibliothekar geworden war, ist Anfangs d. J. gestorben; der zweyte Bibliothekar, ein gewisser Hamberger aus Gotha, der dort untergeordnete Bibliothek-Dienste versah, hier aber auf einmal die große Masse bewältigen sollte, ist, da er auch übrigens nicht viel Kopf noch Einsicht besessen, verrückt geworden u. befindet sich im Irrenhaus zu Bayreuth; dieß hat Veranlassung zur Ernennung eines andern Bibliothek-Vorstehers in der Person eines ausgezeichneten Staatsmanns, von sehr energischem Charakter gegeben, der jetzt eben im Begriff ist, zu nicht geringem Leidwesen der dabey betheiligten Personen, eine strenge Revision der bisherigen, so gepriesnen, Bibliotheks-Haushaltung vorzunehmen, wobey sich zum Theil schon jetzt herausgewiesen, daß die letzte noch schlimmer war als die erste. Bey dieser Gelegenheit ist der nämliche Mann (Geh. R. v. Ringel, Chef im Depart. d. ausw. Angel. – ein Mann von vortrefflichen besonders histor. Kenntnissen) zugleich zum beständigen Kön. Commissär bei den Akademien ernannt worden. Das Publikum sieht diese Ernennung als eine schonende, stillschweigende Absetzung des Präsidenten an, wofür sie denn in der That auch zu rechenen ist; Wissenschaften u. Gelehrsamkeit haben sich nicht zu beklagen, daß er allen politischen Einfluß verloren hat.
Ich hoffe doch, Sie werden meine Schrift inzwischen erhalten haben u. bin begierig, was Sie zu derselben sagen. Sie werden einiges freylich hart, grell usw. finden; ich kann das niemand verübeln, der den Mann nicht so wie ich studirt hat; im Übrigen habe ich nach meiner gewissenhaftesten Überzeugung geschrieben u. bin bereit, vor jedem Richter jedes Wort zu verantworten. Jacobi bietet alle seine Getreuen gegen mich auf; indeß ich bin ruhig, da ich ohngefähr weiß was sie vermögen und am Ende auch wieder zum Reden kommen. Sogar Ihres Herrn Bruders Rec., der ihm doch den nämlichen faulen Fleck, zwey Herren dienen zu wollen, so bestimmt wenn auch sanfter berührt hat, war ihm Musik gegen meine Schrift; die Folge war, daß er – jetzt zuerst Ihren Hrn Bruder, der auf einer früheren Liste eigenmächtig war durchgestrichen worden, aus eignem Antrieb bey der philos. Klasse als auswärtiges Mitglied in Vorschlag brachte, wozu er auch einmüthig ernannt worden.
Von Baader erscheint in wenigen Tagen eine gewichtige Vorrede zu Schuberts Übers. von St. Martins Geist der Dinge, worinn über die nämlichen Gegenstände mit großer Kraft gesprochen ist. – Von Fichte und Schleiermacher, dessen Einleitung [?] mir nicht übel gefällt, hören wir hier garnichts u. kann ich Ihre Neugierde hierüber nicht befriedigen. Wolf hat in Verbindung mit einem gewissen Bekker, der ausnehmend gerühmt wird, eine ganz neue Ausg. des Platon angekündigt, die soviel man merkt der von Heindorf entgegengestellt wird. Kennen Sie seine Übersetzung von den Wolken? – Hier las er eine fast fertige von den Acharnern vor, die nach Jacobs Urtheil (ich war damals nicht hier) bey weitem vorzüglicher ist. Es ist doch alles mögliche, daß der Deutsche sich endlich auch hieran wagt.
Leben Sie recht wohl; der Frau von Staël neben meinem Respekt die innigsten Wünsche für ihre Herstellung! Erfreuen Sie mich bald wieder mit einigen Zeilen u. erwünschten Nachrichten.
Mar. Einsiedel bei München
den 9. May 12.
Ihr
Schelling.