• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Unknown · Date: 05.07.1792 bis 28.07.1792
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 05.07.1792 bis 28.07.1792
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 56‒59.
  • Incipit: „[1] Den 5ten Juli 92.
    Große Briefbogen voll in einem Athem zu schreiben, wie Du oder C.[aroline] B.[öhmer] das kann ich nie [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.13
  • Number of Pages: 9S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,3 x 11,5 cm
[1] Den 5ten Juli 92.
Große Briefbogen voll in einem Athem zu schreiben, wie Du oder C.[aroline] B.[öhmer] das kann ich nie ohne einigen Zwang. Daher enthalten meine Briefe immer weniger, als seyn sollte, und kosten mir doch Anstrengung. Deswegen soll künftig immer ein Blatt in meinem Bureau liegen, wo ich immer stückweise nach Laune drauf schreiben kann. Heute morgen habe ich ein Collegium versäumt – da dieß hier selten geschieht, so macht es allein <mich> schon herrlicher Laune. Dann bin ich im Regen langsam spatzieren <gegangen> und habe mir einen Caffee im Rosenthale (– wo Gellert und mein Vater so oft gewesen –) gut schmecken lassen. Nun sollst Du von meiner guten Laune etwas ab haben: ich will fortfahren Dir über einige der vielen Bücher, die ich seit einiger Zeit nebenher gelesen, mein Urtheil zu sagen. – Garvens Aufsätze über Gegenstände der Moral etc. enthalten in Abhandlungen über die Moden, und das bürgerliche Air gute Bemerkungen. Er gesteht in der Vorrede viel gesellschaftliche Eitelkeit zu haben; Schriftstellerruhm habe er als Mittel, um in Gesellschaft besonders der Vornehmen zu brilliren, gewünscht. Neigung [2] zu einem Dinge, läßt vorzügliche Einsicht darinn erwarten, so wie man umgekehrt bey einem Manne, der ganz ungleichen Scharfsinn über verschiedene Gegenstände zeigt, – die Neigungen errathen kann (bey Voltaire und Rousseau zeigt sich dieß vorzüglich). So auch hier – diese Gedanken sind wohl das Beste von Garve, und doch hat ihn Eitelkeit nicht zu vollkommener Einsicht führen können, und ich glaube er wird kein Virtuose des Umgangs, <sondern nur> ein sehr pedantischer Weltmann seyn. Ueberall, die große Achtung gegen diesen Garve bey uns, ist ein Beweis, daß wir noch keinen guten Moralisten haben. – Er besitzt viele guten Eigenschaften, alle in sehr geringen Grade. – Er vereinigt sanftes Gefühl des Wohlwollens, und einen urbanen Vortrag, mit Weltkentniß systematischer Ordnung und Entwicklung der ersten Gründe. Aber in Vergleich mit großen Metaphysikern und Systematikern ist er <in letztem> doch nur seicht und rhapsodisch. Wie klein ist seine Weltkenntniß gegen die eines Voltaire! und wo ist im Vortrage, im einzelnen; Rousseauʼs Gewalt? Schaftesburys schöne Begeisterung? [3] Hemsterhuys Einsicht in das Wesen großer Männer? Kants ernste Erhabenheit? – Vieler andrer, aller Alten nicht zu gedenken.
Ich sondre mir oft die deutschen Schriftsteller in Schulen ab, nach Art der italiänischen Mahler; und da setze ich ihn, Lessing, Engel, dann Wezel u.s.w. zusammen. Ihr Charakter ist geistlose kalte Correctheit; sie haben keine bestimmte Manier, und in der Rücksicht können sie mit den Carracciʼs verglichen werden. –
Ein merkwürdiges kleines Buch ist die Lebensgeschichte Solomon Maimonʼs von ihm selbst. Er ist ein Freund von Moritz und Verfasser verschiedener philosophischer Aufsätze in dessen Journalen. Nicht das Spiel ungewöhnlicher starker Leidenschaften, der Kampf großer Kräfte, auch nicht der feine Geist der Beobachtung giebt diesem Werk Interesse. – Er hat nur eine hervorstechende Neigung, – Wißbegierde, und Hang zum Uebersinnlichen; aber er erzählt <seine traurigen Schicksale> gut und versetzt so ganz in die jüdische und Rabbinische Welt, daß man glaubt Rabbi oder wohl gar Betteljude zu seyn, – so sehr [4] daß mir wurde, als kröche und bisse es mich hier und dort. – Er scheint übrigens ein helldenkender, gutgesinnter Mensch, nicht ohne Talent für abstrakte Wissenschaften, daß man sich doch auch für ihn interessiren kann. –

Den 15ten Jul[i].
Es ist mir sehr lieb, daß Du den Posten bey Bornemann für mich übernehmen kannst: ich wäre ohne das in große Verlegenheit gekommen. Der Posten beträgt eigentlich 23½ Thl. und ich verlangte nur so viel um die Summe zu arrondiren, und weil mich das übrige hier etwas aufgeholfen hätte. – Warte nur damit bis es Dir <völlig> bequem ist; die Kaufleute mahnen gewöhnlich Quartalsweise, und ich glaube also, daß er vor Michaelis sich nicht wieder regen wird. Ich will noch überlegen, ob ich Bornemann schreibe, oder Karl bitte, es bis dahin auszulegen. Du [5] kannst es mir eben so gut zuschicken, als directe an ihn: denn er hat mich durch einen hiesigen Correspondenten von sich mahnen lassen, an den ich es auszahlen kann. –
Ich danke herzlich für die zerrißenen Blätter der göttlichen Prophetie. – Du erhältst sie das nächstemal; denn ich muß sie erst ergründen. Mein Freund, Du theilst Deine Geheimnisse mit, wie Frauen ihre Gunst, – immer mehr, und nie alles. – Ich sollte Dir eigentlich ernstliche Vorwürfe machen über Deinen Hang da künstlich zu seyn, wo die höchste Einfalt herschen soll; aber Du bist der süßen Vorwürfe aus süßem Munde mehr gewohnt, als männlicher, und ich bin auch itzt zu sehr mit Dir und Deinem Schicksale zufrieden, als daß ich schmählen könnte. Sag mir, hast Du im Ernst geglaubt, daß ein menschliches Gehirn den [6] Sinn dieser zerschnittenen Briefe enträthseln könnte? – In Wahrheit wenn es nicht B. [Caroline Böhmer] wäre, wenn dieß Phantom mich nicht mehr intereßirte als die Wirklichkeit der Weiber, die ich kenne (– ein Phantom, dessen wirkliches Erkennen mir vielleicht gefährlich seyn könnte –) so würde ich den Geist dieser einzelnen Laute nicht zu ahnden versuchen. –
Nun! genieße Deiner Jugend, und Deiner heimlichen Freuden. Wenn sie dauern, so wirst Du neu aufleben, dann ist die Zeit gekommen, da Du alles werden wirst, was Du seyn kannst. B. [Caroline Böhmer] sagt sehr fein, ‚für Deinen Geist ist mir nun nicht mehr bange u.s.w.ʻ Dein Glück wird Dir unendliche Kraft geben und es wird auch ein Theil dieser <neuen> Kraft sich gegen mich wenden, unsre Freundschaft wird ein neues Leben erhalten.
Fr. Schl.

[7] Ich brauche Dir B.ʼs [Caroline Böhmers] Briefe itzt zwar nicht mehr mit umlaufender Post zurückzuschicken; aber ich habe doch wohl gar zu lange verschoben. Es wäre nicht geschehen, wenn ich nicht wenigstens etwas dabey hätte schreiben wollen, wovon mich die Krankheit eines Bekannten, und dergl[eichen] verhindert. Herzlichen Dank für Deine Erzählung; ich bitte Dich so fortzufahren. Besonders wünschte ich daß Du nicht Prüderie oder falsche Verschwiegenheit Dich verleiten ließest, über die schönsten Stellen unvollständig zu seyn. Verzeihe mir diese Erinnerung – Du hast mir das Recht gegeben Forderungen an Dich zu machen – und Aufrichtigkeit und Dienste sind ja das einzige, was Freunde von einander fordern können. –
Schreib mir recht viele Stellen aus ihren Briefen ab. Das kleine Stück aus ihrem ersten hat mich bezau[8]bert; es ist so viel Liebe und Wirklichkeit darinn; mehr als gewöhnlich in B.ʼs [Caroline Böhmers] Briefen. Meine Gedanken über diese ganze Verbindung, und ihren Einfluß auf Dich wage ich nicht eher festzusetzen, bis Du mich noch weiter hinein geführt hast. Indessen kann ich mich auch itzt Deines Glückes freuen, vielleicht hast Du itzt den Gipfel Deines Glückes erstiegen, und vielleicht ist itzt die Zeit gekommen, wo Du das werden mußt, was Du auf Deine Lebenszeit bleiben wirst. Nutze Dein Glück für Deine Vortrefflichkeit.
Mit Sophiens Bildniß würdest Du mir ein großes Geschenk machen, aber ein noch grösseres mit Deinem eignen, um das ich Dich schon einmal gebeten habe. Laß Dich itzt in der glücklichsten Stimmung Deines Geistes zeichnen: das, was ich am meisten an Dir liebe, ist am sichtbarsten, wenn Du glücklich bist.
[9] Du bist mir noch die Geschichte Deiner ganzen Verbindung mit B. [Caroline Böhmer] schuldig; weißt Du? – Ich werde mich auch mit halbierten Briefen abfinden lassen. Hier hast Du sie mit Dank zurück: Du weißt daß sie mir lieb gewesen sind, weil ich sie so lange an mich gehalten habe. Es ist eine meiner angenehmsten Beschäftigungen für mich gewesen, aus den vielen Fragmenten die Du mich hast sehen lassen, das große Ganze ihres Geistes zu errathen. – Welches Weib! – Du Glücklicher, Du wagst es noch zu klagen? – Was wollte ich nicht mit einem solchen Glücke ertragen! Aber ich mag hieran gar nicht denken, was ein Weib mir seyn könnte; daß ich eins der größten Güter so ganz entbehre.
Nun lebe wohl, Bester. Nächstens recht viel.
Fr. Schl.
Den 28ten Juli 92.
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[1] Den 5ten Juli 92.
Große Briefbogen voll in einem Athem zu schreiben, wie Du oder C.[aroline] B.[öhmer] das kann ich nie ohne einigen Zwang. Daher enthalten meine Briefe immer weniger, als seyn sollte, und kosten mir doch Anstrengung. Deswegen soll künftig immer ein Blatt in meinem Bureau liegen, wo ich immer stückweise nach Laune drauf schreiben kann. Heute morgen habe ich ein Collegium versäumt – da dieß hier selten geschieht, so macht es allein <mich> schon herrlicher Laune. Dann bin ich im Regen langsam spatzieren <gegangen> und habe mir einen Caffee im Rosenthale (– wo Gellert und mein Vater so oft gewesen –) gut schmecken lassen. Nun sollst Du von meiner guten Laune etwas ab haben: ich will fortfahren Dir über einige der vielen Bücher, die ich seit einiger Zeit nebenher gelesen, mein Urtheil zu sagen. – Garvens Aufsätze über Gegenstände der Moral etc. enthalten in Abhandlungen über die Moden, und das bürgerliche Air gute Bemerkungen. Er gesteht in der Vorrede viel gesellschaftliche Eitelkeit zu haben; Schriftstellerruhm habe er als Mittel, um in Gesellschaft besonders der Vornehmen zu brilliren, gewünscht. Neigung [2] zu einem Dinge, läßt vorzügliche Einsicht darinn erwarten, so wie man umgekehrt bey einem Manne, der ganz ungleichen Scharfsinn über verschiedene Gegenstände zeigt, – die Neigungen errathen kann (bey Voltaire und Rousseau zeigt sich dieß vorzüglich). So auch hier – diese Gedanken sind wohl das Beste von Garve, und doch hat ihn Eitelkeit nicht zu vollkommener Einsicht führen können, und ich glaube er wird kein Virtuose des Umgangs, <sondern nur> ein sehr pedantischer Weltmann seyn. Ueberall, die große Achtung gegen diesen Garve bey uns, ist ein Beweis, daß wir noch keinen guten Moralisten haben. – Er besitzt viele guten Eigenschaften, alle in sehr geringen Grade. – Er vereinigt sanftes Gefühl des Wohlwollens, und einen urbanen Vortrag, mit Weltkentniß systematischer Ordnung und Entwicklung der ersten Gründe. Aber in Vergleich mit großen Metaphysikern und Systematikern ist er <in letztem> doch nur seicht und rhapsodisch. Wie klein ist seine Weltkenntniß gegen die eines Voltaire! und wo ist im Vortrage, im einzelnen; Rousseauʼs Gewalt? Schaftesburys schöne Begeisterung? [3] Hemsterhuys Einsicht in das Wesen großer Männer? Kants ernste Erhabenheit? – Vieler andrer, aller Alten nicht zu gedenken.
Ich sondre mir oft die deutschen Schriftsteller in Schulen ab, nach Art der italiänischen Mahler; und da setze ich ihn, Lessing, Engel, dann Wezel u.s.w. zusammen. Ihr Charakter ist geistlose kalte Correctheit; sie haben keine bestimmte Manier, und in der Rücksicht können sie mit den Carracciʼs verglichen werden. –
Ein merkwürdiges kleines Buch ist die Lebensgeschichte Solomon Maimonʼs von ihm selbst. Er ist ein Freund von Moritz und Verfasser verschiedener philosophischer Aufsätze in dessen Journalen. Nicht das Spiel ungewöhnlicher starker Leidenschaften, der Kampf großer Kräfte, auch nicht der feine Geist der Beobachtung giebt diesem Werk Interesse. – Er hat nur eine hervorstechende Neigung, – Wißbegierde, und Hang zum Uebersinnlichen; aber er erzählt <seine traurigen Schicksale> gut und versetzt so ganz in die jüdische und Rabbinische Welt, daß man glaubt Rabbi oder wohl gar Betteljude zu seyn, – so sehr [4] daß mir wurde, als kröche und bisse es mich hier und dort. – Er scheint übrigens ein helldenkender, gutgesinnter Mensch, nicht ohne Talent für abstrakte Wissenschaften, daß man sich doch auch für ihn interessiren kann. –

Den 15ten Jul[i].
Es ist mir sehr lieb, daß Du den Posten bey Bornemann für mich übernehmen kannst: ich wäre ohne das in große Verlegenheit gekommen. Der Posten beträgt eigentlich 23½ Thl. und ich verlangte nur so viel um die Summe zu arrondiren, und weil mich das übrige hier etwas aufgeholfen hätte. – Warte nur damit bis es Dir <völlig> bequem ist; die Kaufleute mahnen gewöhnlich Quartalsweise, und ich glaube also, daß er vor Michaelis sich nicht wieder regen wird. Ich will noch überlegen, ob ich Bornemann schreibe, oder Karl bitte, es bis dahin auszulegen. Du [5] kannst es mir eben so gut zuschicken, als directe an ihn: denn er hat mich durch einen hiesigen Correspondenten von sich mahnen lassen, an den ich es auszahlen kann. –
Ich danke herzlich für die zerrißenen Blätter der göttlichen Prophetie. – Du erhältst sie das nächstemal; denn ich muß sie erst ergründen. Mein Freund, Du theilst Deine Geheimnisse mit, wie Frauen ihre Gunst, – immer mehr, und nie alles. – Ich sollte Dir eigentlich ernstliche Vorwürfe machen über Deinen Hang da künstlich zu seyn, wo die höchste Einfalt herschen soll; aber Du bist der süßen Vorwürfe aus süßem Munde mehr gewohnt, als männlicher, und ich bin auch itzt zu sehr mit Dir und Deinem Schicksale zufrieden, als daß ich schmählen könnte. Sag mir, hast Du im Ernst geglaubt, daß ein menschliches Gehirn den [6] Sinn dieser zerschnittenen Briefe enträthseln könnte? – In Wahrheit wenn es nicht B. [Caroline Böhmer] wäre, wenn dieß Phantom mich nicht mehr intereßirte als die Wirklichkeit der Weiber, die ich kenne (– ein Phantom, dessen wirkliches Erkennen mir vielleicht gefährlich seyn könnte –) so würde ich den Geist dieser einzelnen Laute nicht zu ahnden versuchen. –
Nun! genieße Deiner Jugend, und Deiner heimlichen Freuden. Wenn sie dauern, so wirst Du neu aufleben, dann ist die Zeit gekommen, da Du alles werden wirst, was Du seyn kannst. B. [Caroline Böhmer] sagt sehr fein, ‚für Deinen Geist ist mir nun nicht mehr bange u.s.w.ʻ Dein Glück wird Dir unendliche Kraft geben und es wird auch ein Theil dieser <neuen> Kraft sich gegen mich wenden, unsre Freundschaft wird ein neues Leben erhalten.
Fr. Schl.

[7] Ich brauche Dir B.ʼs [Caroline Böhmers] Briefe itzt zwar nicht mehr mit umlaufender Post zurückzuschicken; aber ich habe doch wohl gar zu lange verschoben. Es wäre nicht geschehen, wenn ich nicht wenigstens etwas dabey hätte schreiben wollen, wovon mich die Krankheit eines Bekannten, und dergl[eichen] verhindert. Herzlichen Dank für Deine Erzählung; ich bitte Dich so fortzufahren. Besonders wünschte ich daß Du nicht Prüderie oder falsche Verschwiegenheit Dich verleiten ließest, über die schönsten Stellen unvollständig zu seyn. Verzeihe mir diese Erinnerung – Du hast mir das Recht gegeben Forderungen an Dich zu machen – und Aufrichtigkeit und Dienste sind ja das einzige, was Freunde von einander fordern können. –
Schreib mir recht viele Stellen aus ihren Briefen ab. Das kleine Stück aus ihrem ersten hat mich bezau[8]bert; es ist so viel Liebe und Wirklichkeit darinn; mehr als gewöhnlich in B.ʼs [Caroline Böhmers] Briefen. Meine Gedanken über diese ganze Verbindung, und ihren Einfluß auf Dich wage ich nicht eher festzusetzen, bis Du mich noch weiter hinein geführt hast. Indessen kann ich mich auch itzt Deines Glückes freuen, vielleicht hast Du itzt den Gipfel Deines Glückes erstiegen, und vielleicht ist itzt die Zeit gekommen, wo Du das werden mußt, was Du auf Deine Lebenszeit bleiben wirst. Nutze Dein Glück für Deine Vortrefflichkeit.
Mit Sophiens Bildniß würdest Du mir ein großes Geschenk machen, aber ein noch grösseres mit Deinem eignen, um das ich Dich schon einmal gebeten habe. Laß Dich itzt in der glücklichsten Stimmung Deines Geistes zeichnen: das, was ich am meisten an Dir liebe, ist am sichtbarsten, wenn Du glücklich bist.
[9] Du bist mir noch die Geschichte Deiner ganzen Verbindung mit B. [Caroline Böhmer] schuldig; weißt Du? – Ich werde mich auch mit halbierten Briefen abfinden lassen. Hier hast Du sie mit Dank zurück: Du weißt daß sie mir lieb gewesen sind, weil ich sie so lange an mich gehalten habe. Es ist eine meiner angenehmsten Beschäftigungen für mich gewesen, aus den vielen Fragmenten die Du mich hast sehen lassen, das große Ganze ihres Geistes zu errathen. – Welches Weib! – Du Glücklicher, Du wagst es noch zu klagen? – Was wollte ich nicht mit einem solchen Glücke ertragen! Aber ich mag hieran gar nicht denken, was ein Weib mir seyn könnte; daß ich eins der größten Güter so ganz entbehre.
Nun lebe wohl, Bester. Nächstens recht viel.
Fr. Schl.
Den 28ten Juli 92.
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